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Eigentum ist Diebstahl

Die Berliner Debatte um den Mietendeckel zeigt, dass die Partei der Linken ihr kommunistisches Erbe in Wirklichkeit gar nicht abgelehnt hat. Auch die SPD hat das noch in ihren Genen. Es wird wieder suggeriert, dass es ein allgemeines Recht geben müsse auf soziale Gleichheit. Man soll in besten Lagen auf Kosten anderer wohnen dürfen. Alles andere wäre Mietwucher, sprich ungerecht. Hinter dieser sozialen Gerechtigkeitsforderung steht für unseren Autor Klaus Kocks die Idee eines Naturrechts auf Enteignung.

Die Geschichte des Sozialneids ist lang. Schon Moses hat unter den Zehn Geboten, die er vom Berg Sinai mitgebracht hat, ein bis zwei dabei, die es untersagen, seines Nächsten Gut, Sklave, Rind, Esel oder Weib zu begehren; in welcher Reihenfolge auch immer. Ich höre, dass die katholische Kirche in der Folge den Neid zu den sieben Todsünden zählt; gute Idee, aber wohl ein zweckloses Unterfangen. Denn gegen das Neidverbot hat die Menschheit mit Sicherheit noch öfter verstoßen als gegen das Gebot, das den Ehebruch untersagt. Das fing früh an, nämlich mit den Kindern von Adam und Eva, also mit Kain und Abel, den feindlichen Brüdern, deren einer aus Neid dem anderen den Schädel einschlug.

Sozialneid als politisches Programm

Es geht mir aber hier nicht um menschliche Schwächen, sondern um das politische Kalkül auf Sozialneid, zu dem sich die Linke in besonderer Weise ermächtigt fühlt. Der französische Anarchist Pierre-Joseph Proudhon hat im 19. Jahrhundert den Titel dieses Freibriefs zur Enteignung erfunden: „Eigentum ist Diebstahl.“ Der Klassenkampf des Marxismus-Leninismus hat diese Vorstellung auf die Ausbeutung der Arbeiterklasse zugespitzt und den privaten Besitz an den Produktionsmitteln zum Knackpunkt erklärt. Überführe man die Produktionsmittel in Gemeineigentum, so sei der Grundwiderspruch des Kapitalismus aufgehoben. Bessere Zeiten stünden demnach dann unweigerlich an. Man fragt sich, was in der DDR und der UdSSR schiefgelaufen ist. Insbesondere, wenn man die Verwahrlosung des öffentlichen Wohnungsbaus im Osten kannte und im Kontrast dazu die Liebe und Fürsorge für die Datsche, das kleine private Häuschen im Grünen. Es sind nicht die hehren Ideen von den neidfreien Menschen, die den Kommunismus unsympathisch machten; er funktionierte bisher nur leider nicht im wirklichen Leben.

„Die Gruben in Volkes Hand!“

Sozialneid steht politisch immer auf der „ moralisch richtigen“ Seite. Georg Büchner aus dem  damals gar nicht so beschaulichen Darmstadt hat es schon 1834 auf den Punkt gebracht: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ Das Motto steht in seinem „Hessischen Landboten“, mit dem der Vormärz-Dichter die Landbevölkerung zum Kampf gegen die adelige Oberschicht aufrufen wollte. Es ging um Enteignung des Grundbesitzes. Darauf sollte es ein Naturrecht geben, fand er. Und mein Großvater Heinrich Kleine, ein sehr früh schwerbeschädigter Bergmann, hat genau hundert Jahre später in Oberhausen einen lateinisch anmutenden Spruch an eine Fabrikmauer gepinselt, der ihn fast ins Gefängnis gebracht hätte. Der muntere Invalide wollte die Kohlegruben in Volkes Hand sehen und pinselte eine Parole der Kommunisten, nämlich: „Expropriiert die Expropriateure!“ Ich habe mich schon als Kind über die Wortwahl gewundert und mich gefragt, woher er den Zungenbrecher hatte. Heute weiß ich es: KPD-Jargon. So wurde Teddy Thälmann zitiert. Aber auch der war eigentlich kein Lateiner.

Was die Fremdwörter verbergen, das ist ein moralisch verwerflicher Umkehrschluss: Wenn die anderen gestohlen haben, so darf ich auch stehlen. Das frühere Unrecht soll das künftige heilen. So denken die Umverteiler bis heute. Ich beginne hier gar nicht die Debatte, ob die Hypothese des initialen Diebstahls („ursprüngliche Akkumulation“ bei Karl Marx) zutrifft oder nicht. Die Dinge sind nicht ganz aus der Luft gegriffen. Der Kern der politischen Zustimmung, den die Kommunisten und Sozialisten für ihre Enteignungsfantasien erfuhren, war die wirklich prekäre Lage der arbeitenden Klasse. Unter miserablen Bedingungen schufteten sich die Menschen die Seele aus dem Leib. Kinderarbeit war gang und gäbe. Es reichte nicht mal zu dem, was Friedrich Engels die Reproduktion der Arbeitskraft genannt hat.

Gleiches Recht für alle, nicht gleiches Auskommen

Die historische Linke glaubte der Ausbeutung der Arbeiterklasse durch die Kapitalisten ein Enteignungsbegehren politisch entgegenstellen zu sollen. Es entstanden historisch Gewerkschaftsbewegung und Sozialdemokratie mit dem Anspruch, für die Arbeitskraft einen angemessenen Preis durchsetzen zu können, vulgo einen gerechten Lohn. Auch in der sozialen Marktwirtschaft blieb die soziale Frage bestehen, bis heute; wer das leugnet, der ist ein Zyniker. Der Anspruch, dass wir im Osten wie im Westen ein Volk sind, darf aber nicht meinen, dass nun die Faulen Anspruch auf die Früchte der Arbeit anderer haben. Auch nicht, im biblischen Sinne, auf dessen Frau und Kind. Auch nicht auf eine erneute Versteuerung bereits versteuerter Einkommen, vulgo Vermögenssteuer genannt. Es gibt kein Naturrecht auf Enteignung.

Demokratie beruht auf Privateigentum

Was die demokratische Verfassung des Staates in unseren Tagen veränderte, war die Rechtslage. Allerdings muss man sie auch durchsetzen wollen. So haben Konzerne Steuern zu bezahlen wie einfache Bürger.  Weil die Steuerpflicht eine Rechtsvorschrift ist. Es besteht rechtliche Gleichheit, aber eben nicht nur als Anspruch, sondern auch als Pflicht. Teil dieser Rechtsgleichheit ist die Garantie des Privateigentums, das zugleich dem Gemeinwohl zu dienen habe. Über diesen Doppelcharakter wird jetzt wieder gestritten. Mir bleibt als Bürger dieses Landes von jedem verdienten Euro noch fünfzig Cent; akzeptiert. Bitte dann aber auch bei Herrn Facebook und Frau Starbucks.

Dem Gemeinwohl verpflichtet

Zurück zur Frage des Mietwuchers in begehrten Lagen (nur dort findet er statt). Wo liegt die mittlere Linie zwischen Gewinnstreben von Investoren und dem Interesse von Mietern an bezahlbarem Wohnraum? Nicht in einem Zwangsregime überforderter Staatsdiener in Wohnungsverwaltungsbehörden. In der Vielfalt des Angebots. Wie immer. Die Monopolsituationen ruinieren die soziale Marktwirtschaft. Wenn ein Vermieter seine Bude nicht los wird, muss er die Preise senken. Oder er hat Leerstand, also gar nichts verdient. Wenn ein Mieter die Preise in der begehrten Lage nicht bezahlen kann, muss er in die nicht ganz so gute ziehen. Auch in Berlin gibt es Regionen, in denen die Mieten seit Jahren nicht gestiegen sind. Wo liegt der Knackpunkt? Darin, dass hier das Angebot größer ist als die Nachfrage. Also muss man Leute ermuntern, ihr Geld ins Bauen zu stecken. Angebot erhöhen! Das exakte Gegenteil erreicht das kommunistisch animierte Regime der Enteignung, das die Linke wieder errichten will: zurück in den wohligen Mief verfallender Altbauten.

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4 Gedanken zu “Eigentum ist Diebstahl;”

  1. avatar

    Sie sehen das alles viel zu kompliziert.
    Die Pläne der Linken in Berlin haben viel mehr mit Klientelbedienung als mit Sozialneid oder sozialistischen Experimenten zu tun.
    Für die ehemaligen PDS-Wähler in den Plattenbausiedlungen am östlichen Stadtrand würde sich nicht viel ändern, dort sind die Mieten eh die niedrigsten in Berlin. Diese Wählerschichten sind aber mittlerweile zu AfD abgewandert, und nach dem erzwungenen Abgang von Sarah Wagenknecht macht in der Linken-Führung niemand mehr Anstalten, diese zurückzugewinnen.
    Stattdessen umgarnt man die Bionade-Bourgeoise in hippen Stadtvierteln, die bisherigen Stammwählern der Grünen. Die würden richtig viel Geld sparen, und die Linken-Strategen glauben tatsächlich, das würde sich in Wählerwanderungen von den Grünen zu ihnen auszahlen.

  2. avatar

    Mein Mitleid mit den Merkel-Eliten, die jetzt um ihr Vermögen fürchten, hält sich in Grenzen. Wer dem Teufel folgt, landet nicht im Paradies, sondern auf sehr heißem Pflaster. Eigentlich logisch oder, ihr „Eliten“.

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    Durch die 0-Zinspolitik der EZB fehlen der Mittelschicht Einnahmen in nicht unbeträchtlicher Höhe. Es ist müßig über Schuld und Zusammenhänge zu debattieren, bleiben wir beim Wohnungsmarkt. Wer Geld auf der hohen Kante hat, schichtet es um und kauft Immobilien und erhofft sich dadurch einen Ausgleich des Zinsausfalls. Dadurch steigen sowohl Preise als auch Mieten, befeuert durch billiges Geld, dass überproportional der oberen Mittelschicht zur Verfügung steht. Draghi enteignet nicht die Sparer, am Ende des Tages bezahlen die Mieter. Das mag in Berlin ein Problem der Topplagen sein (echt?), in der hessischen Provinz ist es flächendeckend. Es ist zwar richtig, dass nur Bauen hilft, da aber staatlicher Wohnungsbau nicht stattfindet und die Privaten dort investieren, wo es das meiste Geld zu holen gibt (wo auch sonst?), wird der Wohnraum in den unteren Etagen der Gesellschaft deutlich knapper. Die privaten Investitionen in dieses Segment konkurrieren mit verschiedenen anderen Anlegeformen und sind schlicht nicht rentabel genug. Der Wohnungssektor wird schon heute mit Milliarden über Wohngeld subventioniert, dennoch lohnt sich der Neubau im Billigsegment nicht. Selbst mit dieser steigenden Marktverzerrung ist es nicht gelungen, die Investitionen in die gewünschte Richtung zu lenken. Der Zuzug neuer Mitbürger in dieses Segment, hat die Lage auf Jahre verschärft. Das macht der unteren Mittelschicht Angst, werden die familiären Einsparmöglichkeiten immer kleiner. Lieber kleine Wohnung, dafür mehr Geld für Kinder (oder sonst was), geht halt immer weniger. Neben den Mieten steigen ja auch die Nebenkosten, das engt die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung weiter ein. Das ist kein gejammerter Freiheitsverlust, sondern ein ganz konkreter. Der Staat will aus ideologischen Gründen nicht billig bauen, für Investoren lohnt es sich nicht. Bis die Preise im überteuerten Segment der Mittelschicht fallen, wird eine Generation vergehen. Die Zeche bezahlt eben nicht die obere Mittelschicht, zumindest ist ihr Verlust im Vergleich zur unteren Mittelschicht überschaubar. Bleibt dieser also politisch nur der Selbstmord aus Angst vor dem Tod, und genau das findet nun in Berlin mit dem Mietpreisdeckel statt, im Osten konnte die AfD besonders bei Arbeitern punkten. Werden noch die CO2-Kosten auf diese Schicht umgelegt, gibt’s vielleicht gelbe Westen.
    Immerhin war der Knall aus Berlin nicht zu überhören, was die panische Flut an Warnungen vor der kommunistischen Apokalypse erklärt. In Sachsen haben ein Viertel der Wähler eine Partei gewählt, die das Wohnungsproblem durch Deportation lösen will, in Berlin werden wir sehen, ob ordnungspolitische 0-Nummern ziehen. Die Wahl der Stunde ist also nicht mal die beste politische Lösung, die Wahl der Stunde ist der Druck auf das Portmaine der oberen Mittelschicht, bis sich die Intelligenzija bequemt, an einer wirklichen politischen Lösung mitzuwirken. Wenn der politischen Argumentation noch immer durch moralisierende Anklagen des Neides aus dem Weg gegangen und auf den Markt verwiesen wird (Märkte produzieren keine politisch gewünschten Ergebnisse, sie versagen deswegen auch nicht), ist der Druck anscheinend nicht groß genug.

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    Gut. Aber was bleibt den unterprivilegierten Massen, wenn die „überforderten Staatsdiener“ die Gerechtigkeit nicht herstellen können oder wollen. Der angesprochene Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ ist doch wohl in dieser Republik ein Running gag. Also was? MKB

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