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Nationale „Gründungslegende“ statt Verfassungspatriotismus?


Am 6. Juni 2019 haben, so meldete es das Nachrichtenportal idea, die Bundestagsfraktionen von SPD, CDU/CSU und FDP die Bundesregierung aufgefordert, ein „Mahnmal für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft in Deutschland“ in Berlin zu errichten.[1] Sie folgen damit einer Idee, die von der „Union der Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft“ (UOKG) ausgeht.

Seit der Vereinigung beider deutscher Gesellschaften 1989/90 ist erkennbar, dass sich ein neuer Nationalismus, gepaart mit Geschichtsrevisionismus, ausbreitet. Jetzt gibt es in der Bundesrepublik nicht nur AfD-Politiker, die u. a. von einem „Denkmal der Schande“[2] sprechen. Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP unterstützen mit der neuen Denkmalsinitiative, bei ausdrücklicher Ablehnung des Geschichtsrevisionismus, ein Projekt, das die Botschaft des Holocaust Mahnmals nolens volens relativieren wird. Auch prominennte Ex-DDR-Bürgerrechtler sind mit von der Partie.

„Mahnmal für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft in Deutschland“

Am 9. November 2014 traten die Initiatoren der Mahnmals-Idee, der Dachverband UOKG und seine Mitgliedsverbände, z. B. „Bund der Vertriebenen“ (BdV) und „Vereinigung der Opfer des Stalinismus“ (VOS), zum ersten Mal mit einem Brief an die Bundestagsabgeordneten an die Öffentlichkeit.

Den Tag der öffentlichen Präsentation wählten sie bewusst. Sie bezeichneten ihn als „25. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer.“[3] Als Begründung ihrer Initiative verwiesen sie auf das „Gedenken an die Opfer der SED-Diktatur“, u. a, nennen sie „Opfer von Zersetzung und des Verlustes ihrer Gesundheit“, sie verweisen aber auch auf das „Wissen um die verheerenden Folgen totalitären Denkens und Handelns in Deutschland“, das „mit der kommunistischen eine zweite Diktatur erleben musste.“

Ausdrücklich werden die Opfer von Flucht und Vertreibung mit eingerechnet und zwar wie folgt: „Die Vertreibungen der Deutschen aus Ostmittel- und Südeuropa hatten viele Beweggründe. Wenn auch der Eroberungskrieg der deutschen Wehrmacht zur Rechtfertigung herangezogen wurde, so muss doch der größte Teil auf aktives Betreiben Stalins und regionaler kommunistischer Kräfte im Rahmen der machtpolitischen Neuordnung des sowjetischen Einflussbereiches zurückgeführt werden.“[4]

Die Historisierung von Shoah und Zivilisationsbruch[5] lugt hier zwischen den Zeilen hervor. Wer an einem der beiden Tage, an denen die Republik die Shoah erinnert, am 9. November 2014 lediglich vom „25. Jahrestags des Mauerfalls“ spricht, dürfte wissen, was er tut. Wer von einer „zweiten Diktatur“ redet, die „Deutschland“, verursacht von der DDR und dem Stalinismus habe „erleben müssen“, legt nahe, dass es sich beim Nationalsozialismus lediglich um eine erste Diktatur handelte, deren Opfer die Deutschen selbst waren. Der Vernichtungskrieg der deutschen Wehrmacht gegen die Sowjetunion war auch keinesfalls lediglich ein „Eroberungskrieg“. Flucht und Vertreibung der Deutschen hatten zwar viele Ursachen. Ihr wesentlicher Kontext aber war die deutsche Herrschaft in Osteuropa von 1939-1945.[6] Die antisemitische, völkermordende Politik des nationalsozialistischen Deutschlands, die Beteiligung breiter Teile der deutschen Gesellschaft an den Verbrechen, werden in solchen Formulierungen zwar nicht explizit bestritten, aber auch nicht ausdrücklich genannt.

DDR-Bürgerrechtler und das Mahnmal

Irritierend an der Gruppe der Initiatoren dieses Mahnmals ist die Beteiligung von im weitesten Sinne linken und christlichen Ex-DDR-Bürgerrechtlern[7], z. B. Christian Sachse[8] und Stephan Hilsberg.[9]

Hilsberg bezeichnete bei einer Vorstellung des Mahnmals 2013 die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Kommunismus als „töricht und unhistorisch“.[10] Nach einigen Worten zu Hitlers „Diktatur“, die er als „furchtbar“ charakterisierte, da sie, je länger sie existiert habe, immer mehr Tote „produziert“ habe, erläuterte er, dass „der Holocaust“, der „im Namen Deutschlands an den Juden verbrochen wurde“, „biblische Ausmaße“ angenommen habe. Der 2. Weltkrieg habe „Tot und Verderben nicht nur über ganz Europa, ja große Teile unserer Erde gebracht, sondern auch über Deutschland selbst.“ Die Nationalsozialisten hätten sich dabei „einer erheblichen Zustimmung im eigenen Volk“ erfreut. Dass die Aufarbeitung dieser Zusammenhänge auch die Aufgabe von Stephan Hilsbergs Generation sei, sei eine „Selbstverständlichkeit“.

Hilsberg formuliert außerdem, wer „die Geschichte Deutschlands im letzten Jahrhundert verstehen“ wolle, „die Diktaturen in Deutschland und die deutsche Teilung plus die anschließende Deutsche Einheit“, komme „um eine eigene Betrachtung der Kommunismus in Deutschland nicht herum.“ Und das sei „keine Frage der Kriegsfolgen alleine, sondern jener historischen Umstände, die zur Herausbildung einer kommunistischen Diktatur“ geführt hätten. „Lenin und Stalin“ seien „durch Hitler nicht erklärbar.“ Der Kommunismus sei „keine Folge des Nationalsozialismus, wie auch Hitler keine Folge der kommunistischen Herrschaft in der Sowjetunion“ sei.

In Hilsbergs Rede wechseln Formeln wie – „im Namen Deutschlands“ – mit ihrer ausdrücklichen Zurückweisung – „töricht und unhistorisch“ – ab. Dass die Verbrechen von großen, benennbaren Teilen der deutschen Gesellschaft begangen wurden, findet sich im Text nicht. Es ist lediglich von einer „erheblichen Zustimmung“ für Hitler die Rede. Von den Opfern des Nationalsozialismus in Polen, Russland und vielen anderen Erdteilen ist sehr allgemein die Rede – „Tot und Verderben nicht nur über ganz Europa, ja große Teile der Erde gebracht“. Im gleichen Satz noch werden die deutschen Opfer Hitlers hingegen ausdrücklich erwähnt – „ ……sondern auch über Deutschland selbst.“ Lenin und Stalin waren sicher keine Folge Hitlers. Flucht und Vertreibung von Deutschen, die Existenz der DDR, Mauerbau und die 40jährige Existenz der DDR, hätte es allerdings ohne den deutschen Nationalsozialismus nie gegeben.

Auch in Hilsbergs Formulierungen lugt damit eine Historisierung der Shoah zwischen den Zeilen hervor.        

DDR-Bürgerrechtler als nationale Geschichtspolitiker

Bei den Unterstützern der Mahnmals-Initiative sind, im Vergleich zu ihren Initiatoren, Ex-DDR-Bürgerrechtler in noch größerer Zahl vertreten. Den Aufruf unterschrieben neben Rainer Wagner – er war 2014 Vorsitzender der UOKG sowie der VOS und musste 2015 wegen einer von ihm gehaltenen Predigt, gegen die es Antisemitismus-, Islamo- und Homophobievorwürfe gab, als UOKG-Vorsitzender zurücktreten[11] – nicht nur die schon häufig durch rechtslastige Äußerungen aufgefallenen Vera Lengsfeld, Angelika Barbe und Siegmar Faust. Dieses Mal unterschrieben auch die früheren DDR-Bürgerrechtler Markus Meckel, Ulrike und Gerd Poppe, Marianne Birthler und Stephan Bickhardt.[12]

Was sie alle dazu bewegte, ist vorläufig unbekannt. Zwei Unterstützer allerdings, der frühere evangelische Pfarrer Ehrhart Neubert[13] und der Historiker Ilko Sascha-Kowalczuk[14] können als Erfinder einer nationalen „Gründungslegende“[15] der vereinigten Bundesrepublik angesehen werden, die ihre Unterstützung des Mahnmals erklären könnte. Die Shoah wird von ihnen explizit aus einem nationalen Geschichtsnarrativ herausgelöst.

Im Jahr 2004 veröffentlichten sie gemeinsam mit dem verstorbenen christlichen Bausoldaten Bernd Eisenfeld[16] eine Monographie zum Aufstand am 17. Juni 1953 und seinem Platz in der deutschen Geschichte. Die Notwendigkeit eines neuen Nationalmythos der vereinigten Bundesrepublik begründen die Autoren mit folgenden Argumenten: (1) Westdeutsche Politiker hätten vor dem Untergang der DDR, „Diktaturen ganz unterschiedlicher Schattierungen“[17] nicht mehr als „Unterdrückungssysteme“ wahrgenommen. In der Bundesrepublik sei der Kommunismus außerhalb der eigenen Gesellschaft als „hinnehmbare Alternative für das nicht hinnehmbare Auschwitz“ angesehen worden. (2) Darüber hinaus seien weder Nationalsozialismus noch Auschwitz als positive Bezugspunkte eines Nationalbewusstseins anzusehen. Wer, so fragen sie, „wollte schon einen Sinn in der Shoa suchen?“ Es gäbe ihn „historisch“ nicht. (3) Sinn sei lediglich aus den Lehren der Geschichte zu gewinnen. Nur wenn das „Nie wieder“ mit einer nationalen Freiheitserzählung „konnotiert“ werde, lasse sich „ein Freiheitsverständnis“ konstituieren, „das die eigene tiefe Schuld mit aktuellen gesellschaftlichen Selbstvergewisserungsprozessen“ verbinde. (4) In Deutschland sei Freiheit „nur vor dem Hintergrund von Nationalsozialismus und Kommunismus sowie dem widersprüchlichen Umgang in Politik und Gesellschaft mit beiden zu debattieren.“

Den Inhalt dieser Gründungslegende skizzieren die Geschichtspolitiker aus einer Zusammenschau der Rebellion vom 17. Juni 1953, der massenhaften Proteste 1989/90, dem gescheiterten Anschlag auf Hitler am 20. Juli 1944 sowie den gescheiterten Revolutionen 1848 und 1918.[18] Viele Politiker, so formulieren sie, fürchteten jedoch „für ein solches Nachdenken skandaliert“[19] zu werden.

Die Autoren lassen keinen Zweifel daran, was sie geschichtspolitisch kritisch sehen. „Die NS-Geschichte“ sei „der negative Fixpunkt der bundesdeutschen Demokratiegeschichte.“[20] Daran habe „sich auch nach der dritten Epochenzäsur im 20. Jahrhundert – Zusammenbruch des Nationalsozialismus, Zusammenbruch des Kolonialismus, Zusammenbruch des Kommunismus – nichts geändert.“ Es falle auf, „dass die Wortführer und auch Auslöser von Debatten“ wie der Walser-Affäre, der Möllemann-Affäre, zur Zwangsarbeiterentschädigung, zur Wehrmachtsausstellung, zum Holocaust-Mahnmal, zum Zentrum gegen Vertreibungen und den Opfern des Bombenkrieges, in der „Regel westdeutsche Politiker, Publizisten und Wissenschaftler“[21] seien.

„Charakterwäsche“

AfD, PEGIDA und die mit ihnen verbundene „Neue Rechte“ intonieren gegenwärtig eine politische Melodie, die weit über ihr eigentliches Spektrum Anklang findet. Nach dem Ende des Kalten Krieges und der Neu-Entstehung eines deutschen Nationalstaats wollen sich Ex-Linke, immer noch Rechte, Neue Rechte und auch Ex-Neue Linke von Oskar Lafontaine, über Günter Grass bis Thilo Sarrazin und Verbände von DDR-Opfern den Mund nicht mehr verbieten lassen. Sie alle feiern ihre ganz persönlichen Bekenntnisse zur deutschen Nation und die verschieden gefärbte Ablehnung angeblicher Denkverbote.  

Ganz in diesem Ton, als Protest gegen alliierte Befreiung und Entnazifizierung, sowie gegen eine angeblich „obsessive“ Erinnerung an die Shoah, wurde die Bedeutung des Kommunismus-Mahnmal-Projekts auch bereits von einem Vertreter der AfD vorgetragen. Der AfD-Politiker Nicolaus Fest erklärte im Oktober 2018 in einem Vortrag für die „Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kommunismus“, einem Mitgliedsverein der UOKG, warum er einen nationalen Gedenktag und ein nationales Mahnmal wünsche.

Der Titel seines Vortrags lautete: „Gehirnwäsche, Geschichtswäsche: Die entsorgte Vergangenheit“. Laut Einladungstext stellte der Referent die These auf, dass die „obsessive“ Erinnerung an den Nationalsozialismus in der Bundesrepublik, nicht „ohne Hintersinn“ geschehe. Nicht zufällig fehlten „ein nationaler Gedenktag“ und ein „würdiges Denkmal“, welche an das Unrechtsregime der DDR und die Millionen Opfer des Sozialismus erinnerten. Hinter der Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus verblasse das Gedenken an die Täter, die Mitläufer und auch die Sympathisanten der „sozialistischen Diktaturen“.[22]

Kurz und knapp formulierte Fest so letztlich eine ideologische Kampfthese politischer Parteien der nationalen Rechten in Deutschland seit 1945. Sie versuchen die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Was sie sagbar machen wollen, steht schon fest. Caspar von Schrenck-Notzing, ein einflussreicher Autor und Organisator der „Neuen Rechten“,  hat es bereits in den 60er Jahren formuliert.[23] Er sprach von einer „Charakterwäsche“[24] der deutschen Nation, durch alliierte Entnazifizierung, Entschädigung der Nazi-Opfer und der politisch-kulturellen „Reeducation“. Die deutsche Nation wird in Schrenck-Notzings Sicht durch solche „Charakterwäsche“ zerstört.

Eben diese These findet sich, neben dem Verweis auf eine angebliche „Umvolkung“ durch Einwanderung, in fast allen politischen Konzeptionen der „Neuen Rechten“.

Verfassungspatriotismus

Dem Ansturm irrationaler Ideologeme und Geschichtsmythologien lässt sich in der Bundesrepublik nur durch beharrliches Bestehen auf den Kernbestandteilen der demokratischen Republik entgegen treten. Deren Kern ist die Idee der Gleichwertigkeit aller Menschen. Jürgen Habermas hat 1986, er löste damit den berühmten „Historikerstreit“ aus, formuliert: „Der einzige Patriotismus, der uns dem Westen nicht entfremdet, ist ein Verfassungspatriotismus. Eine in Überzeugungen verankerte Bindung an universalistische Verfassungsprinzipien hat sich leider in der Kulturnation der Deutschen erst nach – und durch – Auschwitz bilden können. Wer uns mit einer Floskel wie „Schuldbesessenheit“ (….) die Schamröte über dieses Faktum austreiben will, wer die Deutschen zu einer konventionellen Form ihrer nationalen Identität zurückrufen will, zerstört die einzige verlässliche Basis unserer Bindung an den Westen.“[25]

Das geplante Mahnmal legt geschichtspolitisch, auch dann wenn die Shoa-Historisierung nur implizit formuliert wird, die Axt an die Grundlagen der Bundesrepublik und ihrer Beziehungen zu den europäischen Nachbarn, den USA und Israel. Aus dem vorgeschlagenen Mahnmal zu Ehren der deutschen Opfer des Kommunismus kann so nolens volens eine steinerne Absage an das Holocaust Mahnmal werden.


[1] idea, Politiker fordern Denkmal für Kommunismus-Opfer in Deutschland, 6. Juni 2019: https://www.idea.de/politik/detail/politiker-fordern-denkmal-fuer-kommunismus-opfer-in-deutschland-109454.html – abgerufen am 25.6.2019.

[2] Matthias Kamann, Was Höcke mit der „Denkmal der Schande“ Rede bezweckt, in: Die Welt vom 18. Januar 2017.

[3] Zitiert nach: Initiative „Mahnmal für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland“ bei der Union der Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) e. V (Hrsg.), Erinnern, Gedenken und Mahnen, Berlin 2014, S. 6. (http://www.initiative-mahnmal.de/images/PDF/Informationsbroschre_zentrales_Mahnmal.pdf – abgerufen am 25.6.2019.)

[4] Zitiert nach: Christian Sachse, Opfergruppen der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland, in: Initiative „Mahnmal für die Opfer…“, a. a. O., S. 12.

[5] Siehe zu den Begriffen und ihrer Begründung: Dan Diner, Gegenläufige Gedächtnisse, Göttingen 2007, insbesondere S. 13 – 41.

[6] Mathias Beer, Im Spannungsfeld von Politik und Zeitgeschichte, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 46/1998, S. 345ff.

[7] Siehe die vollständige Liste der Initiatoren in: Initiative „Mahnmal für die Opfer …. (UOKG) e. V (Hrsg.), Erinnern, Gedenken und Mahnen, Berlin 2014, S. 6/7.

[8] Christian Sachse war Gründungsmitglied des oppositionellen Netzwerkes „Arbeitskreis Solidarische Kirche“ (AKSK) in der DDR: http://www.christian-sachse.de/ – abgerufen am 10.4.2019.

[9] Stephan Hilsberg war 1989 einer der Mitgründer der neuen Sozialdemokratischen Partei (SDP) in der DDR: https://stephan-hilsberg.jimdo.com/ – abgerufen am 25. Juni 2019.

[10] Dieses und alle folgenden Zitate aus: Stephan Hilsberg, Mahnmal für die Opfer des Kommunismus in Deutschland, Einleitungsreferat einer Podiumsdiskussion am 19.11.13 in der Mauergedenkstätte (https://stephan-hilsberg.jimdo.com/texte/vorträge/mahnmal-für-die-opfer-des-kommunismus-in-deutschland/ – aufgerufen am 2.7.2019)

[11] Siehe: Markus Decker, Chef der DDR-Opferverbände muss gehen, in: Frankfurter Rundschau vom 18.5.2015.

[12] Siehe die vollständige Liste der Unterzeichner in: Initiative „Mahnmal für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in Deutschland“ bei der Union der Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) e. V (Hrsg.), Erinnern, Gedenken und Mahnen, Berlin 2014, S. 6/7.

[13] Zu Ehrhart Neubert siehe den Eintrag bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ehrhart_Neubert – abgerufen am 10.4.2019.

[14] Zu Ilko Sascha-Kowalczuk siehe den Eintrag bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ilko-Sascha_Kowalczuk – abgerufen am 10.4.2019.

[15] Zitiert nach: Claus Detjen, Die anderen Deutschen. Bonn 1999, S. 139. Das Wort „Gründungslegende“ aus dem Buch von Detjen wird zustimmend zitiert in: Bernd Eisenfeld u. a., Die verdrängte Revolution. Der Platz des 17. Juni 1955 in der deutschen Geschichte, Bremen 2004, S. 819.

[16] Zu Bernd Eisenfeld siehe den Eintrag bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bernd_Eisenfeld – abgerufen am 10.4.2019.

[17] Dieses und die folgenden Zitate, wenn nicht anders angegeben, aus: Bernd Eisenfeld u. a., a. a. O., S. 818.

[18] Siehe dazu insbesondere: Bernd Eisenfeld u. a., a. a. O., S. 808ff.

[19] Zitiert nach: Bernd Eisenfeld u. a., a. a. O., S. 818.

[20] Zitiert nach: Ebenda, S. 15.

[21] Zitiert nach: Ebenda.

[22] Zitiert nach dem Veranstaltungshinweis auf der Website der „Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kommunismus“, einer Mitgliedsorganisation der UOKG: http://gedenkbibliothek.de/?mid=veranstaltungsarchiv – abgerufen am 10.4.2019.

[23] Caspar Schrenk-Notzing gründete die „Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung“ im Jahr 2000. Der Chefredakteur der Jungen Freiheit ist Vorsitzender der Stiftung. 2012 öffnete die von der Stiftung getragene „Bibliothek des Konservatismus“ (https://www.bdk-berlin.org/ – abgerufen am 10.4.2019) ihre Tore in Berlin. (Siehe: Christian Fuchs, Paul Middelhoff, Das Netzwerk der Neuen Rechten, Reinbek 2019, S. 116)

[24] Siehe: Caspar von Schrenck-Notzing, Charakterwäsche. Die Re-education der Deutschen und ihre bleibenden Auswirkungen, Stuttgart 1965.

[25] Zitiert nach: Jürgen Habermas, Eine Art Schadensabwicklung, in: Die Zeit Nr. 29/1986 vom 11. Juli 1986 (https://www.zeit.de/1986/29/eine-art-schadensabwicklung – abgerufen am 10.4.2019).

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8 Gedanken zu “Nationale „Gründungslegende“ statt Verfassungspatriotismus?;”

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    Lieber Alan Posener,
    Ihre Fragen sind präzise und klar. Ich versuche das aufzunehmen, kann mich aber in der Antwort nicht so kurz fassen wie Sie in Ihren Fragen. Das ist ein Unvermögen, mit dem ich hadere, das ich aber noch nicht ändern konnte.

    Man kann den 9. November in Deutschland nicht auf die Reichpogromnacht reduzieren. Aber eine Gesellschaft schafft sich Erinnerungstage nicht einfach nur durch eine kriterienlose Auswahl aus einem großen Katalog. Öffentliche Erinnerungstage sind die symbolische Form, in denen eine Gruppe von Menschen ihre Zusammengehörigkeit darstellt und begeht. Der 9. November hat sich als einer der wichtigen Erinnerungstage der jüdischen Gemeinden in der Post-Nazi Ära in Deutschland herausgestellt. Da gebieten es Solidarität, Würdigung und Schamgefühl der Nicht-Juden in Deutschland dies anzuerkennen. Die Nicht-Anerkennung dieser Wahl wäre eine demonstrative Zurückweisung der Juden aus der deutschen Gesellschaft und eine demonstrative Zurückweisung von Verantwortung und Haftung für Shoah und Zivilisationsbruch. – Im Fall der Initiatoren des Mahnmals geht es, wenn auch nicht explizit ausgesprochen, darum, den 9. November gewissermaßen „reichspogromnachtfrei“ zu machen. Das demonstrieren sie dadurch, dass sie in ihrem Aufruf zur Etablierung des Mahnmals, vom 9. November 2014, keinerlei Bewusstsein für die Reichspogromnacht erkennen lassen. Es wäre ja noch irgendwie gegangen, wenn man in einer Passage auf den 9. November 1938 verwiesen hätte, aber das geschieht nirgendwo. – Der Bundesgesetzgeber hat ja auch nicht ohne Grund den 3. Oktober zum Nationalfeiertag gemacht. Man war sich bewusst, dass beides zusammen – Freude über den Fall der Mauer und Würdigung, Solidarität mit den Juden sowie Anerkennung von Haftung und Verantwortung für die Shoa nicht geht. – Ein Erinnerungstag für die Leiden der Menschen unter Mauer Stacheldraht, Teilung, Stasi und anderes, existiert doch bereits. Es ist der 13. August 1961. Wer stattdessen auf dem 9. November beharrt, weil nun doch mahl an diesem Tag die Mauer geöffnet wurde, trifft eine bewusste Wahl. Diese Wahl richtet sich aus meiner Sicht gegen die jüdischen Gemeinden.

    In Begriffe kann man immer eine Menge hinein geheimsen, da haben Sie Recht. Dennoch haben solche Begriffe immer auch eine Konflikt- und damit Bedeutungs-Geschichte. Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1989/90 sind die Begriffe und ihre Bedeutung noch im Fluss und dennoch lassen sie sich von den gesellschaftlichen Konflikten um die Republik und ihr Selbstbild, die seit 1945 gefochten wurden, nicht ablösen. In diesen Konflikten um das Selbstbild der Republik nach 1945 spielt der Terminus „Diktatur“ zur Kennzeichnung des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle. In der Bundesrepublik wurde er bis 1989 von denjenigen verwendet, die eine exkulpierende Darstellung des Nationalsozialismus favorisierten, eben diejenigen, die die Tätergeschichte vieler Deutscher nicht negierten, sie aber doch vorwiegend als Opfer des Nationalsozialismus ansahen, einer Diktatur unterworfen. – Den Begriff „Zivilisationsbruch“ verwende ich, Norbert Elias hat ihn erfunden, Dan Diner hat ihn in die Debatte, den „Historikerstreit“, eingeführt, um zu sagen, dass die Deutschen 1933 – 45 nicht nur den Versuch gemacht haben, alle Juden auszulöschen. Sie hielten an diesem Ziel auch fest, obwohl es das eigene Überleben, den eigenen ökonomischen Vorteil u. a. mehr in Frage stellte. Dan Diner behauptet, und ich halte das für überzeugend, dass Deutschland die erste moderne Gesellschaft gewesen ist, die nicht nur den Versuch gemacht hat, eine Gruppe von Menschen des Planeten vollkommen auszulöschen, sondern in Verfolgung dieses Ziels auch alle ökonomischen, politischen und zivilisatorischen Standards moderner Gesellschaften über den Haufen warf. – Ich verwende den Begriff auch, da er eine bestimmte Position markiert in dem Streit, der aus meiner Sicht überhaupt „der“ bedeutendste Streit um das Selbstverständnis der Bundesrepublik gewesen ist, den es überhaupt gegeben hat. Die meisten der Debattenbeteiligten grenzten sich lediglich von Nolte ab. Das war nicht so kompliziert. Dan Diner formulierte, wie es überhaupt möglich sein konnte, Shoah und Zivilisationsbruch analytisch zu fassen. Da geht es eben um das Thema, das Sie anschneiden: warum haben viele zivilisierte Deutsche sich ausgerechnet dem Ziel unter- oder beigeordnet, alle Juden auf der Welt umzubringen. Ohne uns intensiver mit dem Antisemitismus zu beschäftigen, lässt sich diese Frage nicht beantworten.

    Ich wehre mich gegen die Konstruktion einer Widerstandsgeschichte als Nationalgeschichte. Die Demokratie hat in Deutschland zwei große Anläufe genommen, 1848 und 1918. Beide sind erfolglos geblieben. Der Versuch, der, bislang, hält, war der von 1945. Alliierte Soldaten des ganzen Planeten haben die Welt vom Nationalsozialismus befreit und die Deutschen, gegen ihren Willen gleich mit. Kurz gesagt, das Narrativ einer demokratischen Republik kommt ohne die Würdigung der Alliierten nicht aus. Erst sie haben ermöglicht, was den Deutschen in den Jahrhunderten zuvor nicht gelang. Auch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten, wäre ohne die Zustimmung von Deutschlands Kriegsgegner und der vielen Opfer deutscher Politik nicht möglich gewesen. – Ein nationales Widerstandsnarrativ, das mehr oder minder der Idee folgt, es seien die vielen verschiedenen Widerstandsbewegungen in der deutschen Gesellschaft selbst gewesen, die am Ende eine demokratische Republik hervorgebracht hätten, ist meiner Meinung nach nichts als nationale Hybris. Es hat viele Demokraten und demokratische Bewegungen, auch Helden in Deutschland gegeben. Natürlich. Leider blieben Sie am Ende erfolglos. Die demokratische Republik wurde von den Alliierten gegründet. Die Gründung zog sich eine Weile hin. Sie erfolgte Schritt für Schritt zwischen 1945 und 1990. – Natürlich war die deutsche Geschichte nicht zwangsläufig, auch wenn nicht zu verkennen ist, von heute aus gesehen, dass der Nationalsozialismus und die Shoa keinesfalls zufällig entstanden. – Mit Shoa und Zivilisationsbruch hat sich dann allerdings alles geändert. Es sind Verbrechen begangen worden, die nie hätten geschehen dürfen – Verbrechen gegen die Menschheit. Das Bewusstsein davon hat sich erst Schritt für Schritt eingestellt. Das Bewusstsein davon ist heute größer, als es unmittelbar nach 1945 gewesen ist. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Bewusstsein nicht schwinden wird. – Was die Bundesrepublik Deutschland angeht, so ist ihre Geschichte nur als Demokratiegeschichte, nicht als Nationalgeschichte, schreibbar, verstehbar und fassbar. Ihr Kern sind die Freiheit und die gleichen Rechte aller Bürger. Verfassungspatriotismus ist deshalb jene Form nationaler Selbstvergewisserung, die mir im Angesicht dessen was gewesen ist, als die einzig mögliche Form eines Patriotismus erscheint. Freiheit und Gleichwertigkeit aller Bürger ist das unhintergehbare Minimum des gesellschaftlichen Konsenses.

    Ich entschuldige mich für die Länge der Antwort und danke sehr herzlich für Ihre Fragen.

    Alles Gute
    Martin Jander

  2. avatar

    Lieber Martin Jander,
    Sie wehren sich gegen den 9. November als Gedenktag des Mauerfalls. Aber die Mauer fiel nun einmal am 9. November, sinnigerweise 70 Jahre auf den Tag genau nach der Ausrufung der Republik, ein Ereignis, das man viel zu selten feiert. Auch Hitlers Putsch 1923 wurde am 9. November niedergeschlagen, und auch das sollte man feiern. Man kann den 9. November nun einmal nicht auf die Reichskristallnacht reduzieren.

    Sie wehren sich gegen Formulierungen wie jene der „zweiten deutschen Diktatur“, mit der Sie die erste relativiert sehen. Aber Sie verwenden den Terminus „Zivilisationsbruch“ zur Bezeichnung des Massenmords an den Juden, als sei die Shoah nicht das Werk hochzivilisierter Menschen gewesen. Man kann in jeden Begriff alles Mögliche hineinlesen. Ich wäre da gelassener.

    Sie wehren sich gegen die Konstruktion einer deutschen Widerstandsgeschichte, die von 1848 über 1918, den 20. Juli 1944, den 17. Juni 1953 bis hin zum Mauerfall führt. Aber diese Geschichte ist eine Tatsache und ein Grund, stolz zu sein. Die Deutschen sind nicht nur ein Volk von Mördern und Mitläufern, Duckmäusen und Vertuschern. Es gab Widerstand, Es gab Heldentum.
    Die Nazidiktatur ist kein „Fliegenschiss“. Sie wirft einen Schatten auf die gesamte deutsche Geschichte. Aber sie war weder zwangsläufig, noch bestimmt sie diese Geschichte ausschließlich.

    1. avatar

      Die Frage sollte dennoch erlaubt sein, ob es ausgerechnet der 9. November sein soll, an dem man der Opfer der sowjetischen Besatzung und der anschließenden SED-Diktatur gedenkt – oder ob sich da nicht eher der Jahrestag des Mauerbaus (13. August) anbietet. Als Gedenktag für den Widerstand gegen die SED-Diktatur stünden der 17. Juni (Jahrestag des Volksaufstands von 1953) oder der 9. Oktober (Jahrestag der ersten wirklich großen Montagsdemonstration in Leipzig) zur Verfügung. Wenn man der ersten deutschen Republik gedenken will, gibt es neben dem 9. November (Jahrestag der Ausrufung der Republik) auch den 11. August (Erlaß der Weimarer Verfassung) oder den 19. Januar (Wahl zur – verfassunggebenden – Nationalversammlung).
      Es spricht hingegen viel dafür, den 9. November weiterhin als Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus zu pflegen, hatten die Nazis ihn doch schon in ihrem Sinne okkupiert, um die Erinnerung an die Ausrufung der ihnen verhaßten Republik aus der Öffentlichkeit tilgen zu können.

  3. avatar

    Lieber Alan Posener,

    ich stimme Ihnen zu. Kommunismus-Kritik ist ein „linkes Projekt“. Die DDR war eine Diktatur sowjetischen Typs, allerdings in deutschen Farben und deutscher Verantwortung, eine der drei nachnationalsozialistischen Gesellschaften (Österreich, DDR, BRD), deren Umgang mit der Shoah bislang selten akkurat diskutiert wird.

    Das Unrecht in der DDR und mittels ihrer Außenpolitik – „Todesurteile, Mauertote, Haftstrafen, zerstörte Leben, die Korrumpierung weiter Teile der Gesellschaft durch ein umfassendes Spitzelsystem und einen DDR-spezifischen Sozialnationalismus, neokoloniale Abenteur in Afrika, der Angriff auf die CSSR, die Unterwanderung und Umfunktionierung der westdeutschen Linken (halb sank sie freilich selber hin), das bis heute nicht überwundene Fremdeln gegenüber dem Westen, dem Kapitalismus, den USA“ – müssen wissenschaftlich bearbeitet und sollen natürlich auch in angemessener Form öffentlich erinnert werden.

    Bei dem Mahnmal das hier in Frage steht, geht es aber aus meiner Sicht nicht um eine angemessene Form der Erinnerung an diese deutsche Diktatur. Das Denkmal soll, das suche ich in dem Artikel nachzuweisen, Shoa und Zivilisationsbruch historisieren und die Auseinandersetzung mit ihnen als Aufgabe der Gegenwart zurückweisen.

    Die Historisierung und Relativierung geschieht hier in der Form, Begriffe unzutreffend zu setzen – z.B. „zweite Diktatur“, deutscher „Eroberungskrieg“ u. a. Darüber hinaus soll einer der Tage, der bislang in der Bundesrepublik der Erinnerung an die Shoah und ihre Opfer gewidmet war, unter der Hand nun der Erinnerung an deutsche Opfer von Mauer, Stasi u. a. gewidmet werden.

    Eine andere Form der Historisierung und Relativierung soll dadurch hervorgerufen werden, dass Historiker eine deutsche widerständige Nationalmythologie konstruieren, die der vereinigten Bundesrepublik ein angeblich lang tradiertes nationales und widerständiges Kleid verpasst, die Erinnerung an die Shoah und ihre Opfer, sowie Würdigung der Befreier überflüssig macht.

    Das alles sind für mich keine angemessenen Formen der kritischen Reflektion und/oder Erinnerung der Diktatur sowjetischen Typs in deutschen Farben. Die Form in der die Erinnerung an das DDR-Unrecht aufgerufen wird, ist dazu bestimmt, die Erinnerung an Shoa und Zivilisationsbruch als gegenwärtige Aufgabe zu entwerten. Salomon Korn hat die Aufgabe solcher Erinnerungspolitik einmal als die Herstellung einer „Waagschalenmentalität“ bezeichnet:

    „Diese Waagschalen-Mentalität, mit der nationalsozialistischer Völkermord und Terrorherrschaft mit Verbrechen der SED-Diktatur aufgewogen werden sollen, führt zu einer Re-Nationalisierung des Gedenkens: alle – Deutsche wie übrige Europäer – waren Opfer, alle haben gelitten, alle verdienen unser Mitleid. Ursachen und Hintergründe der größten europäischen Katastrophe verschwimmen schließlich in einer Opfer und Täter, Ursache und Wirkung einebnenden Sprache.“ (Salomon Korn, Wie erinnern? Eröffnungsvortrag der Reihe „Jüdische Lebenswelten“ in der Synagoge Leipzig am 24. März 2004 (http://d-a-s-h.org/dossier/11/05_wie_erinnern.html – abgerufen am 10.4.2019).

    Eine geschätzte Kollegin von mir wendet gegen meine Argumentation regelmäßig ein, ich würde das alles zu drastisch sehen, meine Darstellung zur Entwertung der Erinnerung an die Shoah sei „an den Haaren herbeigezogen“. Dem kann ich nicht folgen. Die Entwertung der Erinnerung an Shoa und Zivilisationsbruch, die gleichzeitige Konstruktion eine Nationalmythologie ist nicht umsonst, neben der Verbreitung der rassistischen Legenden von „Überfremdung“ und „Umvolkung“, einer der zentralen Programmpunkte der „Neuen Rechten“.

    Die propagandistische Verwendung von Geschichte, die Empathie mit den Opfern des Nationalsozialismus durch deutsches Selbstmitleid ersetzt, soll die Gesellschaft vorbereiten, auf Terror, Mord und Vertreibung.

    Der Nationalismus, der mittels dieser, in meinen Augen nicht akkuraten Form der Erinnerung an die deutschen Opfer des Kommunismus befördert wird, ist eben jener Nationalismus, den Sie in einem Artikel von 2010 in der Kritik an Entwicklungen am Hannah Arendt Institut in Dresden, analysiert haben. (Alan Posener, Das Hannah-Arendt-Institut gehört abgeschafft, in: Die Welt vom 3.11.2010 (https://www.welt.de/kultur/history/article11289134/Das-Hannah-Arendt-Institut-gehoert-abgeschafft.html – abgerufen am 10.6.2019)

    Über die wissenschaftlichen und politischen Orientierungen der damaligen Institutsbetreiber in Dresden formulierten Sie in dem Artikel: „Die Subsumierung beider Diktaturen unter einem Oberbegriff leistete den wertvollen Dienst, die SED und ihre Nachfolgeparteien – also die Gegner der CDU – noch schlimmer aussehen zu lassen, als sie es ohnehin waren und sind. Zugleich verschwindet im Totalitarismusbegriff die Verantwortung der konservativen Eliten, die Hitler die Macht übergaben und seine zunächst schwache und keineswegs „totalitäre“ Diktatur stützten. Genau deshalb zog das Institut Historiker an, denen es um die „Historisierung“ des Holocaust und die Relativierung der deutschen Schuld im Interesse eines neuen „Kulturpatriotismus“ geht.“

    Eben das suchte ich in meinem Artikel auszudrücken. Wie ich an Ihrer Kritik sehe, ist mir das nicht wirklich gelungen. Das tut mir leid.

    Natürlich kann die DDR, können „Todesurteile, Mauertote, Haftstrafen, zerstörte Leben, die Korrumpierung weiter Teile der Gesellschaft durch ein umfassendes Spitzelsystem und einen DDR-spezfischen Sozialnationalismus, neokoloniale Abenteur in Afrika, der Angriff auf die CSSR, die Unterwanderung und Umfunktionierung der westdeutschen Linken (halb sank sie freilich selber hin), das bis heute nicht überwundene Fremdeln gegenüber dem Westen, dem Kapitalismus, den USA“ wissenschaftlich bearbeitet und öffentlich erinnert werden, ohne die Erinnerung an Shoah und Zivilisationsbruch zu entwerten. Häufig wird das jedoch nicht getan. Das Unrecht der DDR wird stattdessen aufgerufen, um die Verantwortung und Haftung für die Shoah zurückzuweisen.

    Die Hoffnung der „Neuen Rechten“ ist es, über das bereits via Totalitarismustheorie geöffnete Tor der Entwertung der Erinnerung an Shoah und Zivilisationsbruch hindurch, ihr Projekt der Zurückweisung der Erinnerung an die Shoah durchsetzen zu können.
    Die rechtskonservativen Fans des „Mahnmals für die deutschen Opfer des Kommunismus“ sind mit dieses Politikern aus der „Neuen Rechten“ nicht gleich zu setzen. Sie sind jedoch dabei, der „Neuen Rechten“ die Türe dafür zu öffnen, ein legitimer Diskussionspartner für Debatte über deutsche Vergangenheiten zu werden. Das ist gefährlich.

    Alles Gute
    Martin Jander

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    Ein Mahnmal für deutsche Opfer wird es in dieser linken Repuktatur niemals geben, also keine Angst Herr Jander. Was seit 1945 im deutschen Osten geschah ist ein ewiges Tabu und da es keine ehrlichen und mutigen Medienmacher in der BRD gibt, wirds auch so bleiben. Die Lüge ist ein Meister aus BRD.

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    Die Quintessenz dieses Textes scheint darin zu bestehen, dass das Gedenken an die kommunistische Gewaltherrschaft (oder, weiter gedacht, potentiell jedes Gedenken an irgendwelche beliebigen Geschichtsverbrechen, ausgenommen den Nationalsozialismus) den Holocaust relativieren würde, und somit also abzulehnen wäre. Zumindest, wenn solchem Gedenken eine prominente Rolle in der öffentlichen Gedenkkultur zu käme, wie z.B. durch Errichtung eines zentralen Mahnmals. Gleichzeitig wird der Verweise auf eine angebliche NS-Fixierung im geschichtspolitischen Diskurs der BRD als gefährliche Rhetorik rechter Revisionisten gebrandmarkt. Einige Abschnitte später lässt uns der Autor, mit Habermas, allerdings wissen, dass nur der zentrale Bezug auf Auschwitz (und seine Folgen) die Verankerung Deutschlands im Westen sicherstelle. Nun ja, wer so argumentiert, redet wohl ganz offensichtlich einer NS-Fixierung das Wort, macht diese gar zu einer conditio-sine-qua-non eines demokratischen und geläuterten Deutschlands. Man kann das ja so sehen, aber dann sollte man, in aller Konsequenz, auch dazu stehen.

    Allerdings könnte man sich fragen, ob eine solche Obsession nicht auch einen gegenteiligen als den erwünschten Effekt haben könnte. Wenn „eine politische Melodie“ beklagt wird „die weit über ihr eigentliches Spektrum Anklang findet“, besteht offensichtlich, wie vom Autor im folgenden auch angeführt, in ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus ein Bedürfnis nach einer Öffnung und Weitung des nationalen Identitätsnarrativs. Das bedeutet keinesfalls, das Gedenken an den NS auszublenden, oder irgendwie zu „relativieren“ (außer, wenn man jedes andere Gedenken als eine „Relativierung“ des NS-Gedenkens betrachtet), sondern schlicht die Erweiterung einer eng geführten Perspektive. Ansonsten riskiert man womöglich, dass das öffentliche Gedenken, in ritualisierten Formen und festgefügten Formeln erstarrt, die „moralische Substanz des einzelnen“ (Böckenförde) nicht mehr berührt, und so die auf diesem Blog zuletzt wiederholt beklagten Verfallsformen der öffentlichen Diskurs- und Kommunikationskultur mit befördert.

    Gewarnt wird hier, wie auch andernorts häufig zu hören, vor einer „Historisierung“ des NS. Warum eigentlich? Kann nicht erst durch eine Historisierung, also eine Setzung des Geschehens in den historischen Kontext, überhaupt ein neuer Erkenntnisgewinn erreicht werden? Das Geschehen, so schrecklich es war, spielte sich unter den Bedingungen historischer Wirklichkeit ab, wer wollte das ernsthaft bestreiten? Ist es also angemessen, daraus einen unberührbaren, am Ende sakralen Mythos zu stricken? Wäre das eine den Opfern angemessene Perspektive? Oder müsste nicht viel mehr echtes Verstehen, historisch reflektiertes und kontextualisiertes Verstehen Raum greifen, gerade auch damit sich so etwas in der Zukunft nicht wiederholen kann?

    Hat die derzeitige Form des NS-Gedenken in Deutschland, die sich in erster Linie in den Sphären elitärer Rituale und den Narrativen eines unhinterfragbar-dogmatisierten Geschichtsbildes abspielt, denn einen positiven Effekt, oder führt sie zur Abstumpfung und Gleichgültigkeit des gemeinen Bürgers (dem Verfaulen der „moralischen Substanz“)? Jedenfalls hat sie den viel beklagten Aufstieg des Rechtspopulismus nicht verhindert. Am Ende ist Deutschland in den „europäischen Normalweg“ eingeschwenkt, die Besonderheiten seines historischen Gedenkens haben zu keinem „moralischen Sonderweg“ geführt, den sich mancher, der ansonsten von „deutschen Sonderwegen“ nur das verderblichste zu berichten weiß, wohl gewünscht hätte und wohl noch immer wünscht.

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    44 Jahre kommunistische Diktatur in Deutschland – Todesurteile, Mauertote, Haftstrafen, zerstörte Leben, die Korrumpierung weiter Teile der Gesellschaft durch ein umfassendes Spitzelsystem und einen DDR-spezfischen Sozialnationalismus, neokoloniale Abenteur in Afrika, der Angriff auf die CSSR, die Unterwanderung und Umfunktionierung der westdeutschen Linken (halb sank sie freilich selber hin), das bis heute nicht überwundene Fremdeln gegenüber dem Westen, dem Kapitalismus, den USA, das sich in der Zustimmung für die Politik der „Links“-Partei und der AfD äußert: An all das zu erinnern, heißt nicht, den Holocaust zu relativieren. Auch wenn der bedauernswerte Versager Nikolaus Fest das gern hätte. Kommunismuskritik ist seit André Gide, George Orwell, Arthur Koestler, Wolf Biermann ein linkes Projekt und Voraussetzung eines ehrlich gemeinten Verfassungspatriotismus.

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