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Plauen und die konkurrierende Gesetzgebung

Ein Gastbeitrag von Enzio Rességuier de Miremont

Der Autor geht der Frage nach, ob es sich bei der Demonstration von rund 300 Rechtsextremisten am Maifeiertag in Plauen um eine zulässige Versammlung handelte oder ob sich die Teilnehmer strafbar gemacht haben.  Dabei legt er ein besonderes Augenmerk auf die Gesetzgebungskonkurrenz zwischen dem Bund und dem Freistaat Sachsen. Diese weist eine signifikante Besonderheit auf, die in der 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform begründet liegt.

Die Bilder aus dem sächsischen Plauen am 1. Mai nur einen Tag vor dem israelischen Shoah-Gedenktag Yom Hashoah waren schockierend. 300 Rechtsextremisten gingen mit einheitlichen bräunlichen T-Shirts mit der Aufschrift „Nationaler Sozialismus – jetzt!“, Trommeln, Bengalos und riesigen „III. Weg“-Fahnen auf die Straßen. In martialischer und paramilitärischer Art und Weise. Erinnerungen an die SA wurden wach.

Bekanntlich hat das Landratsamt Vogtland den Aufzug erlaubt, die Polizei stand daneben und hat ihn nicht unterbunden sowie auch im Nachhinein gerechtfertigt.

Regelungen im sächsischen Versammlungsrecht

Der Fall unterliegt dem sächsischen Versammlungsgesetz und damit dem Landesrecht.  Das ist hier deshalb besonders hervorzuheben, weil dieses in einem zwar kleinen, aber essentiellen Teil vom Versammlungsrecht des Bundes abweicht und weil diese Abweichung auch eine strafrechtliche Verbotsnorm betrifft.

§ 29 des SächsVersG lautet: „Wer der Vorschrift des § 3 zuwider handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

§ 3 des SächsVersG wiederum hat den folgenden Wortlaut:„Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen, wenn infolge des äußeren Erscheinungsbildes oder durch die Ausgestaltung der Versammlung Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch auf andere Versammlungsteilnehmer oder Außenstehende einschüchternd eingewirkt wird.“

Die Vorschrift des § 29 SächsVersG ist deckungsgleich mit der in § 28 VersG statuierten Regelung. Demgegenüber weicht § 3 des SächsVersG von der Bundesnorm des § 3 VersG ab. Letztere nämlich lautet wie folgt: „Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen.“

Ein Ausdruck gemeinsamer politischer Gesinnung liegt nach der Rechtsprechung zu § 3 VersG, also dem Bundesgesetz, bereits dann vor, wenn das Auftreten der Versammlungsteilnehmer durch das Tragen gleichartiger Kleidungsstücke nach den Gesamtumständen geeignet ist, eine suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung gegenüber anderen zu erzielen.  Die bloße Geeignetheit ist also ausreichend. Ob wirklich eine suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung gegenüber anderen eingetreten ist, ist unerheblich. Demgegenüber fordert § 3 des  SächsVersG, dass infolge des äußeren Erscheinungsbildes oder durch die Ausgestaltung der Versammlung Gewaltbereitschaft tatsächlich vermittelt und dadurch auf andere Versammlungsteilnehmer oder Außenstehende einschüchternd eingewirkt wird. Die Norm ist also nur dann anwendbar, wenn eine solche Wirkung tatsächlich eingetreten ist.

Erfolgsdelikte versus abstrakte Gefährdungsdelikte

Juristen unterscheiden zwischen sogenannten „Erfolgsdelikten“ und „abstrakten Gefährdungsdelikten“. Erstere führen nur dann zu einer Strafbarkeit, wenn ein juristischer tatbestandlicher Erfolg eingetreten ist. § 3 des  SächsVersG ist ein solches Erfolgsdelikt, denn der Tatbestand ist erst dann erfüllt, wenn eine einschüchternde Wirkung konkret feststellbar ist. Bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt wie § 3 des Bundesversammlungsgesetzes macht man sich hingegen bereits dann strafbar, wenn das Verhalten des bzw. der potentiellen Täter eine solche Wirkung potentiell erzielen kann.

Der Unterschied ist erheblich. Nach Bundesrecht wäre ohne weiteres feststellbar gewesen, dass eine Versammlung wie die in Plauen verboten und somit sofort aufzulösen gewesen wäre. Die Teilnehmer wären einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen.

Als Begründung dafür würde bereits der Umstand genügen, dass das Tragen der einheitlichen Kleidungsstücke den Eindruck erwecken kann, dass die Kommunikation im Sinne eines freien Meinungsaustausches abgebrochen und die eigene Ansicht notfalls gewaltsam durchgesetzt werden soll.

In Sachsen hingegen sieht die Rechtslage anders aus. Für § 3 des  SächsVersG müsste über Zeugen zunächst festgestellt werden, ob die Demonstration in Plauen tatsächlich eine einschüchternde Wirkung hatte. Das könnte an ganz simplen Hindernissen scheitern. In einem kleinen Städtchen wie Plauen könnten Zeugen etwa nicht allzu geneigt sein, sich als solche aktiv bei der Polizei zu melden. Zu groß könnte die Sorge sein, als Denunziant zu gelten, der jemandem eine Strafbarkeit anhängen, mit dem er anderntags ein Bier getrunken hat oder der Kunde im eigenen Geschäft ist.

Eine Rechtsvereinheitlichung ist dringend angezeigt

Wenn folglich also im Ergebnis festgehalten werden kann, dass entscheidend für ein Uniformverbot nach sächsischem Landesrecht ist, ob der Auftritt einschüchternd gewirkt hat und diese Feststellbarkeit Hindernissen begegnen kann, während nach Bundesrecht die reine Eignung dazu genügt, so liegt de facto eine Situation vor, in dem strafrechtliche Verbotsgesetze bundesweit nicht einheitlich sind. Dies muss zu einer politischen Diskussion darüber führen, ob die Gesetze anzugleichen sind.

Auch den Sachsen muss klar sein, dass ihre zu liberale Gesetzgebung im Versammlungsrecht sowohl deutschlandweit als auch international ein fatales Signal entfaltet, wenn wie in Plauen Erinnerungen an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wachgerufen werden und man behördlich nichts dagegen unternehmen kann.

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