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Die Flucht nach Ägypten

Von Harald Stollmeier:

An der Herz-Jesu-Kirche in Duisburg-Neumühl gibt es seit Jahren im Advent eine „lebendige Krippe“, mit echten Tieren und echten Menschen, einer lebendigen Maria und einem lebendigen Josef. In diesem Jahr war der Josef schwarz: Ogie Godfrey stammt aus Nigeria. Er ist Asylbewerber.
Eine Million Flüchtlinge, vielleicht noch mehr, sind in diesem Jahr nach Deutschland gekommen. Sie brauchen Hilfe. Sie zwingen uns, einfach weil sie da sind, Stellung zu beziehen. Sie zwingen uns zu zeigen, was in uns steckt.
In manchen von uns, Björn Höcke wird von ihnen lediglich der Lauteste sein, steckt ein besorgter Sozialdarwinist: Er sieht in den Flüchtlingen vor allem Nahrungskonkurrenten. Andere halten sie für potenzielle Terroristen, und manche, wie anscheinend der vor wenigen Tagen verhaftete Salafist Sven Lau,  finden diesen Gedanken sogar attraktiv und versuchen sie anzuwerben.
Eine Million Menschen sind nicht alle gleich. Natürlich nicht. Viele sind vor dem Krieg in Syrien geflohen, andere vor der brutalen Diktatur in Eritrea, manche wurden um ihres Glaubens willen verfolgt, manche wegen ihrer politischen, wenige wegen ihrer sexuellen Orientierung. Viele kommen einfach aufgrund der Armut in ihrer Heimat zu uns, einer Armut, die wir uns gar nicht mehr vorstellen können. Viele wollen gar nicht dauerhaft bleiben, andere möchten sich hier ein neues Leben aufbauen. Viele werden nicht auf Dauer bleiben dürfen, und manche sind hier grundsätzlich falsch, weil sie unsere Gesellschaftsordnung ablehnen.
Aber bei einer Million Menschen kann man Fluchtmotive und Integrationseignung nicht pauschal einschätzen. In einer solchen Lage hilft man sich mit Annahmen, die auf dem eigenen Menschenbild beruhen. Das heißt: auf dem eigenen Weltbild. Vorrangig, wenn nicht sogar ausschließlich.
Wer schon vorher wusste, dass hinter allem der Vatikan steckt, das Opus Dei, die Wall Street oder der Mossad, der wird diese finsteren Mächte auch diesmal am Werk sehen. Dem fällt es nicht schwer, in einer Million Menschen eine Million Mossad-Agenten zu sehen. Oder, wahlweise, eine Million Handlanger des Bundesverbandes der deutschen Industrie, der die Fluchtbewegung steuert, um den Mindestlohn zu vernichten.
Ogie Godfrey ist in Deutschland einem Menschen begegnet, der in einer Million Menschen eine Million Ebenbilder Gottes sieht. Ogie Godfrey ist Pater Tobias Breer begegnet, der mit den Menschen aus seiner katholischen Herz-Jesu-Gemeinde von Anfang an Beistand für Flüchtlinge organisiert hat. Zehn von ihnen hat der Pater, der seit Jahren Marathonläufe macht, um für seine Projekte Spenden zu sammeln, zu einer Läufergruppe versammelt, hat sie ausgerüstet  und trainiert und ist mit ihnen einen Marathon gelaufen. Andere hat er noch aus der Turnhalle heraus, in der sie wohnen, als Praktikanten eingestellt.
„Missioniert“ hat Pater Tobias dabei nicht, und auch nicht selektiert: In seiner Läufergruppe sind Muslime und Christen. „Der Sport verbindet uns“, erklärte er öffentlich, als er mit seinen Schützlingen beim Duisburger Innenhafenlauf an den Start ging, „es geht nicht um Religion.“
Trotzdem ist das, was Pater Tobias tut, selbstverständlich Mission, nach außen wie nach innen. Und wenn er seinen Praktikanten Ogie Godfrey in die Rolle des heiligen Josefs schlüpfen lässt, dann regt er alle, die das sehen, zum Nachdenken über das eigene Weltbild und seine Konsequenzen an.
Denn man braucht kein Christ zu sein, um die Forderung nach Nächstenliebe einleuchtend zu finden und die Ankündigung Christi glaubwürdig, am Ende aller Tage zu urteilen: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan.“
Wenn man Christ ist, dann wird man zwar fordern, dass zum „Wir schaffen das!“ Präzisierungen kommen, die das Wer, das Wie und das Wie teuer betreffen. Man wird aber nicht so bald auf Schießbefehle gegen Flüchtlingshorden kommen. Denn man sieht nicht eine Horde. Man sieht Menschen.
Und wenn man Christ ist, dann wird man sich außerdem daran erinnern, dass dem heiligen Josef eines Nachts in Bethlehem ein Engel erschien und ihn aufforderte, Frau und Kind unverzüglich außer Landes zu bringen, damit das Kind nicht von Staats wegen ermordet würde. Zum Christentum gehört von Anfang an nicht nur das Singen der Engel. Zum Christentum gehört auch von Anfang an die Flucht nach Ägypten.

Harald Stollmeier hat Geschichte, Englisch und Volkskunde studiert. Er hat das Pressesprecherhandwerk bei Krupp erlernt und übt es heute bei einer Krankenkasse aus. Außerdem ist er (katholischer) Blogger und Märchenautor.

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8 Gedanken zu “Die Flucht nach Ägypten;”

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    Es ist schon erstaunlich wie wenig manche dazulernen, bzw. überhaupt bereit sind etwas zu lerne. Im Grunde werden immer nur Vorurteile bestätigt, die Realität erkennt man dann meist nur noch auszugsweise, wenn überhaupt

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    Ich seh in den unaufhörlich hereinströmenden islamischen Massen, die willkommen geheißene Armee der linken Deutschlandhasser und Deutschlandabschaffer. Da ich kein Selbstmörder bin, unterstütze ich diesen Terror natürlich nicht.

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    Punkt V will ich auch noch gleich mit anführen, denn es ist an der Zeit, wenn einige beklagenswerte Seelen, natürlich aus dem immergleichen politischen Umfeld zwischen grün und links, vorschlagen, dass wir auf unseren! Weihnachtsfeiern keinen Alkohol mehr konsumieren sollen. Das tun wir auch manchmal nicht, und zwar aus dem einzigen Grund, der dafür gültig sein sollte: Wenn wir mit dem Auto da sind.
    Ansonsten fahren wir mit dem Taxi und halten das Alkohol- sowie das Taxenbusiness, letzteres weitgehend in muslimischer Hand, am Laufen und genießen unseren Glühwein oder Grog.
    Wenn die Grünen zusammen mit den Muslimen in der Schulkantine das Sagen gehabt hätten, wäre eines meiner Kinder verhungert, das dieses weder Käse noch weißliches Fleisch mochte, sondern lediglich Salami- oder Schinkenbrötchen, alternativ Nutellabrote. Ungesund!!! Seltsam, dass gerade dieses Kind immer sportliche Höchstleistungen erbrachte.
    Somit bin ich dann auch am Ende. Ich möchte weiterhin leben in einer Welt, in der ich ohne Intervention meine Traditionen pflegen kann, erwarte, dass ein Muslim, wenn ich ein Schinkenbrötchen verzehre und ihn das stört, sich ein Stück entfernt, in der meine Enkelinnen eines Tages noch nachts allein von der Party nach Hause gehen können, in der unsere Primärpartner, die uns nach den Monsterkriegen den Wiederaufbau ermöglichten, USA und GB, einigermaßen geachtet werden, in der kein Antisemitismus betrieben wird und in der, wie gehabt, Bildung, auch von Mädchen, eine prominente Stelle innehat wie auch Gleichberechtigung.
    Ob der Josef weiß, schwarz, gelb, rot oder avatarisch blau ist, interessiert mich nicht.

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    Das war im Grunde Punkt I oder I und II. Punkt III ist nicht etwa, welche Farbe Josef hatte (anzunehmen ist, dass er eher etwas dunkler war aufgrund von klimatischen Einflüssen), sondern wie er Maria behandelt.
    Ich kenne ein mittelalterliches Gedicht, in dem er Maria nicht gerade hofiert. Sein eigener Sohn brachte da gewaltige Denkanstöße. Heute, 2000 Jahre später muss Mina Ahadi Sahra Wagenknecht vorwerfen, dass sie sich null darum je gekümmert hat, dass Teile der Welt sich gegenüber den diversen Marien vorjesuanisch verhalten (Achse).
    Da kann man das Grundgesetz reichen, das wird nicht genügen, denn mancher wird die trockene Rechtsmaterie nicht lesen.
    Hier geht es um die Verdeutlichung von Anfang an, wie wir in Europa a) zu Frauen stehen, und dass Frauen, die allein laufen, auch nachts, kein Freiwild sind und b) wie wir zu Juden stehen und natürlich entsprechend zu Israeli.
    Darauf müssen wir bestehen, und zwar nicht nur hier. Die Politiker, deren Aufgabe sich darin zu erschöpfen scheint, Exportbeziehungen zu solchen Ländern aufzubauen, haben hier vollständig versagt, sonst wäre der gesamte Kontinent inclusive Nahem und Mittlerem Osten sowohl menschlich als auch wirtschaftlich (Ausschöpfung der Frauenintelligenz) um Lichtjahre weiter. Panzer ohne Frauen- und Minoritätenrechte machen noch keine nachhaltige Wirtschaft, auch nicht, wenn man mit seiner Kohle höhere Türme baut als die Amerikaner. Das ist letztendlich nichts weiter als der Turmbau zu Babel.
    Punkt IV will ich auch anbringen: Dass wir ein mehr als freundschaftliches Verhältnis zu den USA pflegen. Und es steht vermutlich nicht im GG, dass wir antiamerikanische Reden, Demontrationen und Taten so gern haben wie der Teufel das Weihwasser.
    Es steht zu befürchten, dass alle diese Punkte äußerst schwierig werden. Wenn ich sehe, dass die Grünen den gleichen Ansatz wie gehabt haben („Wir brauchen das Recht auf einen KiTa-Platz für Asylbewerberkinder“), schwant mir, dass sie wieder dieselbe Spaltung zwischen Kind und Elternhaus erzeugen könnten, aus der diese unsicheren Gestalten erwachsen, die dann Jihad machen, weil das am leichtesten ist. Der Erfolg ist ihnen garantierter als der in einer Gesellschaft, in der man sich gegen den Willen des Elternhauses anstrengen muss. Vordringlich muss man sich m.E. um die Erwachsenen kümmern.
    Komplizierte Materie, beantwortet von einer simplen Partei mit simplen Konzepten, bei der der Strom schon immer umsonst aus der Steckdose kam und verwurmter Salat gesünder ist als chemisch leicht behandelter, kann nur noch komplizierter werden und so enden wie der einstmals zu rettende Deutsche Wald: No Change.

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    Die Darstellung der Krippenszene mit Gott quasi als Ebenbild als Schwarze, Weiße oder Asiaten ist doch eine Selbstverständlichkeit.
    Traurig ist, dass man in westlichen Ländern nicht mehr genug lebendige Darsteller finden würde, das Interesse am sprituellen Inhalt von Weihnachten ist geschrumpft und in schlechter entwickelten Weltregionen sicherlich lebendiger. Christentum ist auch ein Trost für Arme oder Beladene.
    Die Tragik liegt darin, dass niemals jemand auf dem großen afrikanischen Kontinent etwas gemalt hat wie Michelangelos Deckengemälde oder etwas so Simples erfunden hat wie die Glühbirne oder etwas Komplizierteres wie ein funktionierendes Bewässerungssystem oder eine zum jeweiligen Land passende Bevölkerungspolitik oder nichtkorrupte Rechtssysteme oder gute Schulsysteme mit gleichen Chancen für Mädchen. Und lächerlich ist, wenn ein Volkswirt der Deutschen Bank meint, wir hätten genug Arbeit, z.B. für Gärtner. Ja, hätten die Afrikaner auch, wenn sie ihre Bewässerungsmöglichkeiten besser ausschöpfen würden.
    Vom Stuhl reißen tut kein schwarzer Josef, eine bessere Politik dieser Länder täte das schon. Für „Yes we can“ muss man offensichtlich Amerikaner sein. Ansonsten lässt man die Anderen tun und legt sich mit Entwicklungshilfegeldern einen schönen Militärapparat zu und Vergünstigungen für ganze Clans.
    Ob Herodes je seine Untat gemacht hat, ist auch fraglich im Rahmen der Legendenbildung. Und dann darf man noch darüber sinnieren, ob diese Legende entstanden wäre, wenn Jesus ein Römer gewesen wäre.
    Als Begründer des Christentums gilt jedenfalls Paulus, deutlich später, und Weihnachten ist das schönste Fest, mit Baum, Geschenken, gutem Essen und Familie. Aber mit Christentum hat das sehr viel weniger zu tun als Karfreitag oder Pfingsten.
    Es ist bildreicher als Pfingsten, und jeder darf sich sein eigenes Bild machen.

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    1. Das Christentum gab es zur Zeit der Flucht nach Ägypten noch gar nicht.
    2. Legendenbildung ist auch dabei.
    3. Big Deal, dass der Josef schwarz ist. Wer jemals seinen Weihnachtsurlaub auf den Seychellen oder Mauritius verbracht hat oder auch in den USA, hat schon Massen schwarze Josefs, Marias oder Engel gesehen.
    4. Um den mutmaßlichen Christen Godfrey geht es in diesem Land nicht. Dieser hat übrigens eindeutig einen Asylgrund: Boko Haram. Kein Mensch würde Anstoß an der Flucht Ogie Godfreys oder seiner Josefdarstellung nehmen.
    5. Haben Sie sich schon einmal mit Türken oder Arabern im Niedrig- bis Mittellohnsektor über Juden oder Israel unterhalten? Ich habe noch keine Ausnahme von dieser Regel angetroffen: Wir kriegen plötzlich Antisemiten geschenkt. Zitat verfälscht nach Göring-Eckardt. Der kleine Jesus in seiner vorchristlichen Krippe unterm Tannenbaum ist unfähig, dagegen zu protestieren, und Herodes war sicherlich auch einer.

    Mit einem Ogie Godfrey, eindeutig Flüchtling, können Sie die Gefahren und Missstände nicht gutreden, sorry. Und so zu schreiben: „Der ist schwarz“ beinhaltet entweder versteckten Rassismus oder die Unterstellung dessen an die Adresse der Deutschen. Big Deal.
    Und ich kann’s nicht mehr hören, dieses: Der ist aber schwarz und kann das auch.

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