Wer sich – wie ich – publizistisch für Israel engagiert, wird früher oder später mit Organisationen wie „Stop the Bomb“, „Café Critique“ oder bestimmten Untergliederungen der „Deutsch-israelischen Gesellschaft“ zu tun haben, die mehr oder weniger stark von der Sekte der „Antideutschen“ unterwandert oder Frontorganisationen der Sekte sind. Der wohl eloquenteste Kopf dieser Sekte ist Stephan Grigat, „wissenschaftlicher Direktor“ von „Stop the Bomb“ in Österreich.
Da inzwischen Mitglieder und Sympathisanten dieser Sekte auch die Mainstream-Medien zu infiltrieren versuchen, sollte man wissen, worin ihre Ideologie besteht – eine Ideologie, die sie durch demonstrative und lautstarke Kritik am Antisemitismus und Antizionismus verstecken. Nichts gegen Kritik am Antisemitismus. Jedoch ist der plakative Anti-Antizionismus der Antideutschen rein instrumentell. Wenn es so etwas wie die „Antisemitismuskeule“ gibt, so schwingen sie die Antideutschen. Die Hauptantriebskraft der Antideutschen ist nämlich nicht die Solidarität mit dem Staat Israel und seinen Bewohnern, sondern der Kampf für den Kommunismus. Dies hat mit dankenswerter Klarheit bereits vor einigen Jahren der „wissenschaftliche Direktor“ von „Stop the Bomb“ ausgeführt. Hier ist zum Nachlesen Stephan Grigats Essay:
http://www.cafecritique.priv.at/ktUndZionismus.html
Nun erwarte ich nicht, dass sich jeder Leser dieses Blogs durch den Wust von Adorno-. Horkheimer-, und Marcuse-Zitaten arbeitet und den verqueren Gedankengängen eines Salon-Kommunisten folgt. Deshalb fasse ich Grigats Gedanken hier zusammen. Anhand des Essays kann jeder feststellen, dass ich sie nicht verfälsche.
Was sofort auffällt, ist die Tatsache, dass es im ganzen Essay nicht einmal um das konkrete Land Israel geht, das Grigat nicht einmal zu kennen scheint. Israel ist hier eine Chiffre. Israel ist der „Staat der Shoahüberlebenden“, was dem real existierenden Staat Israel, in dem die Mehrheit der Bewohner sephardische Juden aus dem arabischen Raum sind (um nur einen von vielen Einwänden gegen diese Kennzeichnung zu formulieren), noch weniger gerecht wird, als die Bezeichnung „Land der Täter“ dem heutigen Deutschland. An anderer Stelle beschreibt Grigat Israel als „antinationalistische Nation“. Man fragt sich, ob er überhaupt die Reden der Gründerväter Ben Gurion oder Jabotinsky gelesen hat, von Ariel Sharon, Binjamin Netanyahu oder Aryeh Deri ganz zu schweigen.
Diese Ignoranz gegenüber dem realen Staat Israel und seinen Bürgern hat aber Methode, denn Israel dient Grigat und den Antideutschen nur als Knüppel, um auf ihre Feinde einzuschlagen. Die „materialistische Antisemitismustheorie“, so Grigat, bedeute nämlich „Kritik des Antisemitismus als Gesellschaftskritik“, genauer: „Denunziation der deutschen Ideologie und des Nachlebens des Faschismus in der Demokratie“, noch genauer: des „Bündnisses zwischen Deutsch-Europa (der EU, A.P.) und den zu kurz gekommenen Staates des Trikont (der „Dritten Welt“, A.P.)“, die gemeinsam „einen Kalten Krieg niederer Intensität gegen die USA eröffnet“ hätten.
Über die Absurdität dieser „Analyse“ braucht man keine Worte zu verlieren. Man muss aber betonen, dass die Antideutschen nicht etwa, wie es nach den Bemerkungen über jenen angeblichen „Kalten krieg“ der Deutschen gegen Amerika scheinen könnte, Freunde der USA sind. Im Gegenteil. Der Sieg der USA im wirklichen Kalten Krieg gegen den Kommunismus sehen Grigat und Co. als Unglück an, denn früher habe es „auf Grund der Existenz der Sowjetunion und ihres leider völlig in Verruf geratenen ‚Sozialimperialismus’ noch sehr viel mehr Anzeichen für eine … Dialektik von nationaler und sozialer Befreiung (gegeben) als heute.“ Der „Antiimperialismus Leninscher Prägung“ sei nämlich fortschrittlich gewesen, im Gegensatz zum „Antiimperialismus des Dschihadismus“, gegen den etwa die Sowjetunion zu Recht in Afghanistan gekämpft habe.
Der Aktionismus von Grigat und Konsorten in Sachen Israel hat also weder etwas mit Sympathie für den konkreten Staat Israel zu tun noch mit dem Einstehen für die „Werte des Westens“, als da wären liberale Demokratie, marktwirtschaftlicher Kapitalismus, Pluralismus und individuelle Freiheit. Es geht ihnen vielmehr um „die momentane (!) Aussichtslosigkeit revolutionärer Praxis.“ Diese Praxis nämlich würde, wenn es so weit wäre, „mit der Abschaffung von Staat und Kapital“ (also von Demokratie, Liberalismus, Pluralismus, Kapitalismus und Marktwirtschaft, A.P.) „auch die Notwendigkeit des Zionismus aus der Welt schaffen“. Also Israel abschaffen.
Denn „der Zionismus ist nicht die richtige Antwort auf den Antisemitismus (das wäre die klassen- und staatenlose Weltgesellschaft)“. Israel ist nur „die vorläufig einzig mögliche“ Antwort, und zwar weil er „der bewaffnete Versuch der Juden (ist), den Kommunismus noch lebend zu erreichen.“ Tja, da staunt der Bibi Netanyahu. Das wusste er gar nicht. Aber er ist ja auch kein Dialektiker.
Nun habe ich nichts dagegen, wenn Kommunisten auf „revolutionäre Praxis“ verzichten, und sei es nur „momentan“; ich habe auch nichts dagegen, wenn Kommunisten Israel verteidigen, und sei es nur sozusagen als notwendiges Übel, bis die Weltrevolution Zionismus und Antizionismus, Judentum und Antisemitismus aus der Welt schafft und alle Menschen Brüder sind. Und Schwestern natürlich.
Freilich muss man solchen Ideologen mit Vorsicht begegnen.
Mein Verhältnis zu den Antideutschen entspricht etwa dem Verhältnis jenes Funktionärs der Israel-Lobby-Gruppe AIPAC zum durchgeknallten christlichen Fundamentalisten und Israel-Freund John Hagee (dessen Ansichten zur EU, zum Iran und zum kommenden messianischen Zeitalter durchaus Parallelen mit den Fieberfantasien der Antideutschen aufweist), der mir sagte: „Besser Hagee ist im Zelt und pisst raus, als dass er außerhalb des Zelts steht und reinpisst.“
Aber: Man muss wissen und sagen, dass Hagee ein durchgeknallter Fundamentalist ist, dessen Loyalität letztlich nicht Israel, sondern seinem Messias gilt; man muss wissen und sagen, dass Grigat und Co. durchgeknallte Fundamentalisten sind, deren Loyalität letztlich nicht Israel, oder dem Judentum, sondern dem Kommunismus gilt.
Noch pissen sie aus dem Zelt. Ich würde nicht darauf wetten, dass es so bleibt.