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Das Ende von etwas

 

Nein, kein Nachruf. Zu sagen, dass ich von dem, was ich an seinen Artikeln und Büchern kritisiert habe, nichts zurückzunehmen hätte, wäre vermessen; zu betonen, dass er ein großer Publizist gewesen ist, unnötig und auf eine gewisse Weise auch vermessen. So viel Selbsterkenntnis muss sein. Mathias Döpfner hat es in seinem Nachruf auf den Punkt gebracht: Frank Schirrmacher hatte Einfluss; das, wonach jeder Journalist strebt. Da gerät jede Kritik in den Verdacht des Neids. Und um es klar zu sagen: dieser Verdacht ist begründet.

Schirrmacher bin ich nie persönlich begegnet. Er hat mir ein einziges Mal eine Mail geschrieben,  in der ein einziges Wort stand: „Think!“ Ein guter Ratschlag. Natürlich habe ich in den letzten Tagen viel über Schirrmacher nachgedacht. Und mir scheint, man kann und muss etwas über ihn schreiben, ohne über ihn als Person zu schreiben; nämlich über Schirrmacher als Chiffre für eine soziale und – wenn man so will – geistige Entwicklung in Deutschland: den Aufstieg einer spielerischen Rechten.

Mit der „Rechten“ meine ich nicht, wie in der landläufigen Sprachverwendung, den Rechtsextremismus. Ich meine einfach eine Position rechts der Mitte

Nach dem Krieg und bis zur Wiedervereinigung war die Rechte in Deutschland kleinbürgerlich geprägt: autoritär, ressentimentgeladen, staatsgläubig, moralinsauer, verklemmt, national, tendenziell rassistisch, rückwärtsgewandt. Die Linke übrigens auch, und es war die große, befreiende Leistung der kulturrevolutionären 68er, eine antiautoritäre, anarchistische, hedonistische, enthemmte, weltoffene und zukunftsfreudige Alternative dazu entwickelt zu haben. Die alte Linke war ernst: „SOOOO geht das nicht / Sagt der alte Sozialdemokrat und spricht …“, wie Franz Josef Degenhardt sang; dagegen setzte die Neue Linke Wolf Biermanns „SOOOO soll es sein, so soll es sein, so wird es sein.“

Dass sich die Neue Linke so schnell von den deutschen Verhältnissen einholen ließ, das ist ihre Tragödie: eine Minderheit wurden radikal-verbiestert, die Mehrheit verbeamtet. Dass viele ihrer Ideen und Ideale heute selbstverständlich sind, verdankt die Linke weniger ihrem Gang durch die Institutionen, wie die ressentimentgeladene Rechte argwöhnt, als vielmehr der List der Geschichte: sie lagen sozusagen in der Luft; die Konsumgesellschaft entwickelte sich ohnehin in die Richtung.

Die Kulturkämpfe der 1970er und 1980er Jahre, die Helmut Kohl unter dem Begriff der „geistig-moralischen Wende“ fasste, waren vordergründig Kämpfe zwischen Konservativen und Alt-68ern, in Wirklichkeit jedoch konservative Abwehrkämpfe gegen die Entwicklung des modernen Kapitalismus.

Frank Schirrmacher steht als Chiffre für eine Position rechts der Mitte, die das Ressentiment und den Kulturkampf hinter sich gelassen hat; ja, die in gewissem Sinne das Erbe von 68 angetreten hat: man war nicht mehr kleinbürgerlich, sondern gab sich großbürgerlich; nicht mehr verklemmt, sondern hedonistisch; nicht mehr nationalistisch, sondern internationalistisch; weltoffen, zukunftsgewandt; nicht mehr staatsfixiert, sondern oft geradezu staatsfeindlich. Spielerisch eben. Dagegen sahen die ehemaligen Anhänger der „Neuen Linken“ alt aus. Die alte, konservative Rechte, die Anhänger von Glaube, Heimat, Arbeit, Law and Order sowieso.

Die Linken hatten Schulkreide in den Kleidern und den Köpfen, die Rechten mufften nach Bausparer. Eigenheim und Gulasch am Sonntag. Schirrmacher und diejenigen, die mit ihm die geistige Einrichtung der Berliner Republik entrümpelten, hatten und haben mit alledem nichts mehr zu schaffen. Und das ist eine große Leistung.

Man mag dahinter auch eine soziologische Entwicklung erkennen. Wer die Tabellen Thomas Pikettys studiert, merkt ja, dass sich in den Achtzigerjahren – parallel zum Aufstieg Schirrmachers und einiger anderer junger Wilder in den Verlagen der Republik – die „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ der Nachkriegszeit wieder auszudifferenzieren beginnt. Standen sich in den 1970er Jahren im Grunde genommen zwei Fraktionen des Kleinbürgertums grimmig gegenüber, oft genug zwei Generationen derselben sozialen Schicht, hier der Handwerksmeister oder Ladenbesitzer, dort sein missratener Sohn, der dann Studienrat wird, so entsteht seit der Kohl’schen „Wende“ ein neues Großbürgertum; Piketty nennt sie die Schicht der „Supermanager“. Und mit den Managern eine neue Generation von Journalisten und Publizisten, denen teilweise sogar der Aufstieg in diese Schicht gelingt, weshalb sie glauben, es handele sich um eine Meritokratie.

Die Lebensumstände dieses neuen Großbürgertums erinnern an die der Belle Époque 1890 – 1914, und es ist vielleicht kein Zufall, dass einer ihrer begabtesten publizistischen Vertreter, Florian Illies, zuletzt einen elegischen Rückblick auf das Jahr 1913 vorgelegt hat. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde diese Schicht, wie Piketty schreibt, „euthanisiert“ – nicht physisch, wie in Russland, sondern wirtschaftlich. Es ist sicher kein Zufall, dass neben der gutmütigen Verachtung der „68er“ und einer weniger gutmütigen Verachtung des beschränkten rechten Kleinbürgertums – man denke an die Häme, die über Christian Wulff wegen seines Häuschens und seiner allzu offensichtlichen Sehnsucht, auch dazu zu gehören, ausgekippt wurde – auch eine unbestimmte Untergangsangst die Gefühlslage des neuen Großbürgertums  bestimmt.

Piketty glaubt, Verhältnisse wie in der Belle Époque könnten das neue Normal werden. Schirrmacher wusste es besser. Sein Tod ist darum auch „das Ende von etwas“. Und zwar nicht nur das Ende einer besonders interessanten und aufregenden Epoche der deutschen Publizistik. Das auch.        

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224 Gedanken zu “Das Ende von etwas;”

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    Ich finde diese Diskussion um diese ‚composita‘, ehrlich gesagt, etwas fehl am Platz, bzw. unangenehm, weil das passende dazu doch schon so oft gesagt wurde, z.B. hier:
    https://www.youtube.com/watch?v=2vSasEZpyVc
    Es ist ein ein Unterschied, ob man selber, aus welchen Gründen auch immer (es gibt Gründe, das zu tun), auf seine Abstammung hinweist oder ob andere das verwenden, um einen z.B. in eine Schublade zu stecken.

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    @ Alan Posener

    Ich bin zwar jünger als Sie aber wahrscheinlich zu blöd zum Googlen (was mir bisher noch niemand nachgesagt hat). Auf meiner Suche nach dem ominösen „Manifest“ über die „Dritte Kultur“ bin ich weder bei Wikipedia fündig geworden, noch habe ich über Google etwas brauchbares gefunden geschweige denn auf den Seiten der FAZ.

    Was ich fand, waren lediglich Reaktionen Dritter, die mich auch nicht schlauer gemacht haben. Ein nach Google und Wikipedia angeblich relevanter Beitrag auf stern.de begründete die Ablehnung Schirrmachers Position – ähnlich faktenreich und scharfsinnig wie Sie – mit den Worten:

    „…bei der Debatte mit John Brockman und David Gelernter, zwei Vordenkern der digitalen Welt, blamierte sich der Möchtegern-Großdenker als weinerlicher Halb-Checker.“

    Immerhin bot ein Super-Checker der „digitalen Elite“ Herrn Schirrmacher herablassend seine Hilfe an:

    „Wenn sie Hilfe benötigen, kann ich Ihnen sagen, wo sie die im Web finden können“, sagte ein Zuhörer unter mitleidigem Lachen und heftigem Beifall.

    Es gibt sie noch, die arroganten …

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    @Parisien: Die Programmierer sind mitunter etwas merkwürdig, was aber mit Vielem zu tun hat. Z.B. mit den Rollenbildern der Gesellschaft, in die gerade intelligente Menschen nicht immer reibungslos hineinschlüpfen und daher für die anderen merkwürdig wirken. Wahrscheinlich ist es richtig, dass viele Programmierer nie richtig Kind waren, aber auch die Umnkehrung stimmt: sie sind nie richtig erwachsen geworden.

    Ja, das, was wir unter „Emotionalität“ verstehen, ist extrem hochstufig – wie z.B. auch der „Stil“ (Weltsicht/Eigenart) eines Menschen, der z.B. über zentrale Emotionalität wie personale Liebe entscheidet und allerhand Saiten zum Schwingen bringt (oder eben nicht) – und besonders schwierig zu verstehen: Erstens kann man Emotionalität gar nicht genau definieren – man hat nur eine sehr schwammige Vorstellung/Erklärung davon -, zweitens ist eine Simulation immer nur eine Simulation und der Nachbau, vor dem sich Lyoner fürchtet, um Dimensionen schwieriger, und drittens ist es eben nicht damit getan, den Computer unter bestimmten Umständen „Aaarrgh!“ sagen lassen.

  4. avatar

    Lieber 68er, ich kann Ihnen das Denken, ich will Ihnen das Googeln nicht abnehmen. Und wenn Sie Schirrmacher für einen Linken halten, soll es mir auch recht sein.

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    „Es ist eine nationale Tragödie“, schimpfte er bei einer Preisrede auf der größten US-Buchmesse BookExpo America in New York. „Wenn das der neue American Way sein soll, dann muss er vielleicht geändert werden, per Gesetz, wenn nötig sofort, wenn nicht früher.“

    Die „nationale Tragödie“, die er beschwor, hat einen Namen: Amazon. „Hallo, ich bin Jeff Bezos“, begann Patterson seine Rede, in Anspielung auf Amazons Gründer und Vorstandschef. Der „durchgedrehte“ Online-Händler, donnerte er, führe einen „Wirtschaftskrieg“ gegen die Verleger – und Buchläden, Büchereien, ja sogar „die Bücher selbst“ gerieten dabei „ins Kreuzfeuer“.
    http://www.spiegel.de/kultur/l.....77345.html
    http://www.zeit.de/wirtschaft/.....eutschland

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    @ „Dritte Kultur“

    Wenn Sie mir das „Manifest“, das Sie, wenn Sie darüber geschrieben haben, sicherlich besitzen, zum Futtern zusenden, kann ich dazu Stellung nehmen. Aus Ihren Worten werde ich leider nicht schlau.

    Ich habe jedenfalls das Feuilleton der FAZ in den Jahren unter Schirrmacher in meiner naiven Art als erfrischend abwechslungsreich empfunden, was wohl daran liegt, dass es mit meinem „Linkssein nicht weit her“ ist.

  7. avatar

    @ RZ
    @ RZ

    Diese Programmierer haben eine monolithische Intelligenz. Manche sind nie wirklich Kind gewesen. Assange soll auch dazu gehören. Da programmieren sie einen Jugendlichen und nennen den Eu-Gen und sowas wie Ghostman. Jedem Linguistiker und Sprachfetischisten klingeln da die Ohren. Da sie nie richtig Kind waren, können sie kein Kind und keinen Jugendlichen programmieren. Ich finde immer, dass man Superachiever die zwei, drei Klassen überspringen, lieber mal mit Sportseglern ein Jahr auf einen Törn schicken sollte.
    Apropos Emotionalität: Das scheint der neueste Spleen zu sein. Das wird nie gehen. Emotionalität wächst nun wirklich in den menschlichen Prägungen. Wir haben das oft genug gehört bei schlechten Prägungen, schäbiger Kindheit als mildernde Umstände. Umgekehrt ist das auch offensichtlich. Hollywood: She. Die neueste Bekloppheit. Hier macht der Spruch Sinn: Mach einem Bekloppten mal klar, dass er bekloppt ist…
    Wachstum in den USA: Siehe Posener, comment 24 unter Piketty.

    @ 68er
    Das ist wirklich ein Brüller:
    Ihr Satz: “Nun, ich streite mich ungern um Worte.” ist ein echter “Brüller”.

    Ihre Anzugschilderung und dass man mit Gebrauchtware besser behandelt wird als in Jeans, ist auch ein Brüller. Früher gab es übrigens den Fahrer mit Hut. Er lag im Opel hinten auf der Ablage.

  8. avatar

    @ Alan Posener

    Was der – aus meiner Sicht immer noch aktuelle Artikel Schirrmachers – mit spielerischer Rechten zu tun hat, verstehe ich mit meinem kleinen Uru-Hirn (beiß, beiß) nicht. Aber das werden Sie mir sicherlich in ihren unnachahmlich klaren Worten noch erklären. Dazu haben Sie sicher schon mal was geschrieben und reichen den Link natürlich nach.

  9. avatar

    @ Alan Posner

    „Was die Meme angeht: sie gehören hier genauso wenig zum Thema wie der Antisemitismus.“

    OK Herr Oberlehrer ich verstehe:

    Thema verfehlt.
    Setzen!
    Sechs.

  10. avatar

    @ blonder Hans

    Tut mir leid, da muss ich Sie missverstanden haben.

    Machen Sie sich nichts draus, dann sitzen Sie mit Herrn Posener in einem Boot.

    Ich bin eben ein bissiges Vieh.

  11. avatar

    68er: OK, es kam der “kalte Kulturkämpfer”. Das mit dem “Mischling” ist Ihre Wortwahl und hat mit dem was ich schrieb so viel zu tun, wie der blonde Hans mit Multikulti …

    … ooops? … noch nie habe ich gegen ‚Multikulti‘ geschrieben.

    Wenn Sie meine Abneigung gegen totalitäre Ideologien, dazu zähle ich auch den Islam, meinen, dann habe ich das immer begründet. Die Gründe die ich angeführt habe, hat hier niemand wiederlegen können. Nicht mal der EJott.

    Daher!

  12. avatar

    Lieber 68er,
    wenn es Sie wirklich interessiert, was ich zu Frank Schirrmachers veröffentlichten Texten meine (und zu anderen Aspekten seines Wirkens habe ich nie geschrieben), dann machen Sie sich die Mühe zu googeln.
    Ich habe versucht, die Erscheinung Schirrmacher – sein Diskussions- und Wissenschaftsfeuilleton, die „Berliner Seiten“ – in einen allegemeinen soziopolitischen Zusammenhang zu stellen. Wenn Sie den nicht nachvollziehen können – bittesehr. Aber wenn Sie ernsthaft meinen, Schirrmacher werde zu Unrecht als Teil einer „spielerischen Rechten“ eingeordnet: Was sagen Sie etwa zu diesem Artikel:
    http://www.faz.net/aktuell/spo.....27564.html
    Was die Meme angeht: sie gehören hier genauso wenig zum Thema wie der Antisemitismus. Wir reden da aneinander vorbei, ich verstehe Ihre Einwände nicht und sie nicht meine Positionen: Sei’s drum. Seien Sie nicht so Suarez-mäßig bissig.

  13. avatar

    @ Lyoner
    Sloterdijk ist ein sehr genauer Beobachter:
    „Was besteht und verharrt, wird im Unrecht sein; was vorwärts geht und für Freiheiten trommelt, hat alles Recht auf seiner Seite. Das erwachende Ungheuer erweist sich als ein moralisierendes Geschöpf. Von Anfang an verfügt es über Wege und Mittel, das Gewesene ins Unrecht zu setzen.“
    Was den Freiheitstrommlern partout nicht aufgehen will, ist der Punkt, dass es auch die Freiheit geben muss, das Gewesene zu retten. Daher haben sie mit Freiheit oft sehr wenig zu tun. Wer eine Agenda hat, schützt Freiheit immer nur vor.

  14. avatar

    Was Herrn Schirrmacher angeht, nahm ich Ihnen vor allem übel, dass Sie ihn – als sie erklären wollten, was Sie (der sich ja nicht um Worte streiten will) in ihrem Artikel unter rechts verstanden haben wollten auf sein Äußeres und seinen Habitus reduzierten:

    „Auch will ich meinen Artikel nicht wiederholen. Sagen wir es so: den Begriff “rechts” habe ich eher habituell gemeint. Man ging nicht zur “FAZ” des Joachim Fest, wenn man sich habituell zur Linken gehörig fühlte. Schirrmacher gehörte zu einer Kohorte, der es wichtig war, Anzug und Krawatte als Distinktionsmerkmale gegen die als Zumutung empfundene Formlosigkeit des linken Zeitgeists zu tragen; aber dieser Anzug war nicht von der Stange, diese Krawatte war edel; und mit dem kleinbürgerlichen Ressentiment wollte man ebenso wenig zu tun haben wie mit dem zerknitterten Anzug von C&A und der Stammkneipenmentalität der herkömmlichen Rechten.“

    Rechts ist, wer gerne Anzug und Krawatte trägt, nicht von der Stange…

    Wenn Sie mal aus zweiter Hand – sowas kommt in meinen Kreisen vor – einen abgetragenen maßgeschneiderten Anzug oder ein Hemd geschenkt bekommen haben, oder sogar eine Krawatte (ich trage heute noch abgelegte Hemden, die vor 30 Jahren Klaus Steilmann persönlich getragen hat oder abgelegte Krawatten von Zegna oder Brioni), wüssten Sie, dass der gute Anzug noch keinen Konservativen und schon lange keinen Reaktionär ausmachen. Er trägt sich wirklich besser als der von der Stange bei C&A, man muss ihn nicht so oft bügeln, er hält länger und die Leute behandeln einen ganz anders als in Jeans und T-Shirt.

    Aber ich weiß ja, dass Sie bei einer neuen Revolution den Kindern, die darüber entscheiden sollen, wer leben darf und wer nicht, zunächst das Lesen und Schreiben beibringen, sie in analytischer Mem-Lehre unterrichten und Sie dann zur Tat schreiten lassen. Sie haben jetzt gelernt und gehen nicht mehr nach der Wissenschaft des maoistischen Marxismus-Leninismus vor sondern nach der exakten Wissenschaft der MEM-Analyse.

    Zu all dem Schweigen Sie beredt.

    Herzlichen Glückwunsch! Die Welt schreitet voran.

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    @Lyoner: zur Frage des Menschen als Maß aller Dinge: in der AI-Forschung unbedingt, ja! Das hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Glaubten in den 80ern noch viele, dass man in Kürze einen schlauen Computer herstellen würde, der mit dem Menschen irgendwie gleichziehen oder ihn sogar überflügeln würde, so ist man seitdem deutlich zurückgerudert, ja hat das Forschungsgebiet vom Kopf auf die Füße umgestellt. Wie gesagt geht es gar nicht mehr darum, einen Computermenschen zu bauen, sondern zu verstehen, wie der Mensch, das menschliche Gehirn und mit ihm das Bewusstsein neuronal verursacht und realisiert werden. Man wäre ja schon froh, das Gehirn einer Stubenfliege simulieren zu können.

    Der Verständnis, in welchen Dimensionen der Kompexitzät sich das Ganze abspielt, hat sich tiefgreifend zugunsten des Menschen gewandelt. Lediglich vom Ausgangspunkt – dass es eine kausale Verursachung des Bewusstseins geben muss, die aber im Dunkeln liegt – rückt man nicht ab. Aber ob das Gehirn und seine hyperkomplexen Vernetzungen überhaupt als Basis ausreichen WÜRDEN oder ob man nicht den kompletten Körper und seine Nervenbahnen im holistischen Sinn hinzunehmen muss – alldas ist unklar.

    Also, Sie können beruhigt sein: der Mensch bleibt auch bis auf weiteres „Krone der Schöpfung“, aus der auch kein noch so kleiner Zacken herausbrechen wird. Wäre ja auch schlimm, so eine Herabsetzung in die zweite Reihe, oder? Einen denkenden und fühlenden Computer herzustellen ist nicht so prinzipiell unmöglich wie z.B. Zeitreisen in die Vergangenheit – die wird es auch in Zukunft nicht geben – , aber wohl vergleichbar mit einer Reise zur nächsten Galaxie: als Gedankenspiel vorstellbar, aber praktisch völlig unmöglich.

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    Als alter Rheinländer muss ich sagen, was scheren mich meine Worte von vorhin, so dass ich noch eine „vorläufig“ allerletztes Gedanken zu den „Memen“ nachschicken muss.

    „MEME“ erinnern mich an „das Böse“, den Teufel, Belzebub, Hexen und was es sonst noch alles „auszurotten“ gilt. Sie verdecken nach meiner Auffassung den wirklichen Grund für Ausgrenzung, Diffamierung und Fremdenhass. Das sind mangelnde Bildung, mangelnde Kommunikation, soziale Ungleichheit, Konzentration von politischer wirtschaftlicher und Meinungsmacht in wenigen Händen und die Möglichkeit durch das Aufhetzen von vermeintlich andersartigen Gruppen gegeneinander Profit zu schlagen sei es wirtschaftlicher, politischer, religiöser oder was es sonst noch so alles an Anreizen gibt, die dazu führen, dass ein Mensch seinen Nachbarn ausspioniert, sich zu den Waffen rufen lässt, in einem Konzentrationslager Wache schiebt, in Abu-Ghraib wehrlose Gefangene misshandelt oder sich mit einem Sprengstoffgürtel in Israel in die Luft jagt und dabei andere mit in den Tod reisst.

    Wer von MEMEN schwadroniert, muss nicht an den Wurzeln des Übels rütteln.

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    @Parisien: Eben nicht: der Algorithmus ist trotz spekakulär bestandenem Turing-Test sehr schnell enttarnt. Dann beginnt Eugene Goostman totalen Unsinn zu faseln. Der Test ist absolut nicht ernstzunehmen (und trotzdem hat es so lange gedauert, ihn zu bestehen). Auch der schlichteste Wachtmeister gehobenen Alters gibt einen überzeugenderen 13-Jährigen ab als Eugene Goostman. Am besten natürlich ein intelligenter, geschulter Profiler oder Polizeipsychologe, der in die Rolle eines 13-Jährigen schlüpft.

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    Min letztes – zugegeben polemisches – Wort zu Ihrer Mem-Theorie. Die ist in aus meiner Sicht so pseudowissenschaftlich wir die Vermessung von Gesichtern in der Kriminologie oder sonstwo. Aber sei’s drum. Wer’s glaubt wird selig.

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    OK, es kam der „kalte Kulturkämpfer“. Das mit dem „Mischling“ ist Ihre Wortwahl und hat mit dem was ich schrieb so viel zu tun, wie der blonde Hans mit Multikulti

    Tatsächlich kam auch Erheiterndes, Ihr Satz: „Nun, ich streite mich ungern um Worte.“ ist ein echter „Brüller“.

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    Ist schon OK, lieber 68er. Ich will ja gar nicht abstreiten, dass ich ein Mischling bin. Allein mir scheint, diese Tatsache, auf die ich mir weder etwas einbilde, noch derer ich mich schäme, weil sie eben Tatsache und nicht änderbar ist, sollte nicht benutzt werden, um jemanden abzuwerten, wie es Herr Kaufmann mit seiner „Unbefangenheit“ gegenüber dem „Kränkungspotenzial“ seiner Auslassungen getan hat und immer wieder tut.
    Ist der Hinweis auf das „compositum mixtum“ nun „Rassismus“? Nun, ich streite mich ungern um Worte. Es handelt sich um eine verbale, gruppenbezogene Herabsetzung. Letztendlich entstammen Islamhass, Judenhass, Schwulenhass, Frauenhass usw. alle der gleichen Geisteshaltung.
    Hier ist die von Ihnen wenig geliebte Mem-Theorie hilfreich. Sie kann zeigen, wie der mittelalterliche Judenhass, dem im 19. Jahrhundert das Fundament abhanden zu kommen drohte, mämlich der Glaube, sich wandelte zum rassisch – also „wissenschaftlich“ – begründeten Antisemitismus und nach 1945, als der Antisemitismus politisch nicht mehr korrekt war, zur „Israelkritik“. Das kann man beschreiben als eine evolutionäre Entwicklung, eine Anpassungsleistung, des Mems „Judenhass“, deren Erfolg – wie beim „egoistischen Gen“ – daran gemessen wird, dass sie überlebt. Beispiel: „Ich bin kein Antisemit, aber …“ – und dann kommt etwas von Israels „Vergeltungspolitik nach dem Muster Auge um Auge, Zahn um Zahn“, was das Überleben der ursprünglich religiös-antijüdischen Mem-DNA beweist, wie in Goebbels‘ Rede von der „wahrhaft alttestamentarischen Rache“, die sich im amerikanischen Morgenthau-Plan offenbare.
    Um ein Kontrollinstrument handelt es sich bei der Mem-Hypothese gar nicht, sondern um ein Analysewerkzeug.
    Was schließlich Frank Schirrmacher angeht, so scheinen Sie mir übel zu nehmen, dass ich seine Haltung „spielerisch“ nannte. Doch das ist für mich ein positiv besetztes Wort. Wie sagte Schiller (kein Hausgott, sondern von mir selbst als Schüler entdeckt): „Der Mensch ist erst da ganz Mensch, wo er spielt.“

  21. avatar

    Lieber Herr Posener,

    ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, denn nicht nur ich schien zu glauben dass die jüdische Kultur und vielleicht auch das Schicksal der jüdischen Gemeinschaft Sie – vielleicht nicht maßgeblich aber doch in einer gewissen Weise – geprägt haben.

    Ich verstehe auch, dass Sie bei solchen Einschätzungen sensibel reagieren, besonders wenn Sie von Menschen vorgenommen werden, die Sie überhaupt nicht kennen. Zugegeben, ich kenne Sie auch nur „virtuell“ aber nun doch schon eine längere Zeit und habe gerade die Erzählungen aus Ihrer Familie – ebenso die Lebenserinnerunen Ihres Vaters – mit Interesse gelesen. Wenn ich mich richtig erinnere, waren Ihre Großeltern Anhänger des deutschen Reformjudentums und über Ihren Großvater, den Sie zwar nicht mehr persönlich kennengelernt haben, hatten Sie einmal geschrieben, dass er der Vorstand einer „guten jüdischen Familie“ gewesen sei und Sie „stark beeinflusst! habe. Da die jüdische Kultur vielfältig ist, sollten Sie mir glauben, dass meine Hypothese, Sie seien von dieser auch geprägt worden, nicht darauf gründet, dass Ihr Vater von der Rassenlehre der Nationalsozialisten als Jude definiert wurde.

    Ich glaube ich habe es in anderem Zusammenhang erwähnt, ich bin in einer „guten christlichen Familie“ aufgewachsen. Da meine Großeltern und Urgroßeltern Zugehfrauen, Hausfrauen, Mütter, Bergmänner, Tischler, Gärtner, Soldaten oder Schlosser waren, gab es bei uns in der Familie keine „Hausgötter“. Mit Goethe wurde mein Vater, auf dem zweiten Bildungsweg gepiesackt, so dass Goethe und Co. in unserer Familie eher als schlechte Beispiele abgehobener Kunst gesehen wurden. Der Kontinent der „höheren Kultur“ wurde bei uns erst in den letzen 60 Jahren langsam besiedelt. Nicht über irgendwelche Bildungskanones (Schule kostete in den 50ern in der BRD, anders als in der DDR noch etwas) sondern auf der Straße, auf Reisen durch die Welt, in Konzerten, öffentlichen Büchereien, in modernen Antiquariaten, im Buchklub, im Kunstverein, der Volkshochschule oder im damals noch existierenden öffentlich rechtlichen Qualitätsfernsehen.

    Kultur wurde bei uns nicht anhand von Göttern geglaubt sondern im Trial-and-Error Verfahren (bei mir auch oft im Trial-and-Fun-Verfahren) für gut oder schlecht befunden und wenn man sich nicht sicher war, teils auf Wiedervorlage gelegt. Dabei entstanden keine „Hausgötter“ sondern eher Favoriten, Helden oder, wie man heute sagen würde, Stars. In der Musik war es der damals noch nicht in der „Hochkultur“ angekommene Jazz, dazu Gershwin, Bernstein, Dvořák, Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Sammy Davis jr. oder Harry Belafonte. Als Hintergundmusik lief bei uns Topicalismo und Wolf Biermann.

    Über Literatur wurde bei uns eigentlich gar nicht gesprochen. Bücher brachte mein Vater meist von seinen Streifzügen durch moderne Antiquariate mit und schenkte sie uns ungelesen, weil er dachte, sie könnten uns interessieren. Manchmal sagte er knapp „lies das mal“ und eröffnete mir so die Welten von Dostojewski, Thomas Theodor Heine, Ulrich Plenzdorf, Ernst Toller und wie sie alle heissen. Was ich aus den Büchern an Erkenntnis zog, war meine Sache.

    Für mich ist daher – zumindest auf den ersten Blick – die Bezeichnung „compositum mixtum“ wenn sie kulturell und nicht rassenbiologisch gemeint ist – wovon ich ausging – keine negative.

    Auch wenn Sie von „Hausgöttern“ sprechen, hatte ich Ihre biografischen Details so verstanden, dass gerade Ihr Vater für Sie ein Vorbild war, der zeigte, dass man eigenständig denken kann und sollte. Die Geschichte über den Versuch nach Israel auszuwandern, der dazu führte, dass Ihre körperliche Unversehrtheit erhalten blieb, ist für mich ein solches Beispiel. Sie sagen mir jetzt wahrscheinlich, dass dies nichts mit der jüdischen Kultur zu tun habe und verweisen auf Goethe, Shakespeare und Co. Ich hatte gedacht, es hinge auch damit zusammen, dass Deutschland einmal ein Land war, in dem das Reformjudentum eine große Rolle spielte, dass es Familien gab, die ihr „Jüdisch Sein“ emanzipiert dachten und lebten und offen für die „Moderne“ (Ihren neuen Hausgott?) waren, diese mit der jüdischen Tradition verbinden wollten. Insofern vermutete ich, Sie seien möglicherweise auch jüdisch geprägt worden. In diesem Zusammenhang sehe ich auch Michel Friedman als „Spross“ dieser geistigen Tradition, der – ich hoffe, hier trete ich nicht wieder in ein Fettnäpfchen – nicht unbeeinflusst von der jüdischen Kultur das Thema „Willensfreiheit“ in seiner zweiten Dissertation behandelt hat.

    Wenn ich da falsch lag, wenn meine Vermutungen „perfider Dreck“ war, mögen Sie mir das verzeihen.

    Und nun zurück zu Frank Schirrmacher und Ihrem Vater und auch meinem Vater und meinem Großvater. Meine Familie entstammt, wie Sie vielleicht meinen Ausführungen entnehmen können, eher der Arbeiterschicht. Um den sozialen Aufstieg zu schaffen kleidete man sich bewusst bürgerlich. Man trug Anzug und Krawatte, mein Großvater noch Hut und Stock. Wahrscheinlich hat man bei Ihnen durch ein solches Äußere, schon die Stufe zum Kleinbürgerlichen überschritten.
    Die Einschätzung des Gegenüber auch über seine Kleidung ist üblich und auch ich ertappe mich manchmal dabei, wenn ich solchen Vorurteilen erliege. Als ehemaliger „Maoist“ hätte ich von Ihnen jedoch erwartet, dass Sie auch Herrn Schirrmacher zugestanden hätten, dass er entweder als „geborener Konservativer“ (ich kenne seine Familiengeschichte nicht) oder aus eigener Überzeugung „zum Konservativen Gewordener“, frei denken konnte. Seine – wie Sie es darstellen – „Ausflüge“ in den linken oder hedonistischen Bereich, als „Spielereien“ abzutun ist nicht nur billig sondern auch unfair und wird weder ihm noch seinen Gedanken gerecht. Wenn Sie sich daran erinnern, dass während der „Kulturrevolution“ die Entscheidung über Leben und Tod davon abhängen konnte, ob man eine Brille trug oder einen Kugelschreiber besaß – also Lesen oder Schreiben konnte – und damit zur vemeintlich falschen Klasse gehörte, verstehen Sie vielleicht meine sensible Reaktion auf Ihre nebulösen Angriffe auf Schirrmacher und Co., insbesondere wenn Sie auf sein Äußeres, d.h. auf Anzug und Krawatte zu sprechen kommen.

    Bei all den hier geführten Debatten spielen Sie, Lyoner und auch ich natürlich mit der vermeintlchen Eigensicht und der davon oft abweichenden Fremdsicht. Man versucht zu ergründen, wie der Gegenüber sich selber sieht oder sehen will und versucht seine Achillesferse zu finden. Was der andere als seriöses eigenständiges vernünftiges Denken und Handeln empfindet, wird als spielerischer, nichtswürdiger Tand abgetan. Sie haben das bei mir mit Ihrer Frage: „Wenn Sie darauf hereinfallen, was ist Ihr „Linkssein” wert?“ angewandt, und – so wie ich es verstanden habe – bei Frank Schirrmacher versucht, ihn auf den intelligenten aber in der Sache und seiner Argumentation nicht ernstzunehmenden konservativen, bürgerlichen „Spieler“ zu reduzieren. Und ich habe in der Debatte über Ihre Vergangenheit – unter Beifall von anderen Mitdiskutanten (ich glaube es war u.a. EJ) – Ihre „maoistische“ bzw. „linke“ Vergangenheit mit der mormonischen Tradition des „Rumspringa“ verglichen. Diese Angriffe treffend den Gegenüber meist genau da wo man ihn treffen will, was dieser natürlich nicht zugibt, haben manchmal etwas Wahrheit in sich, sind aber nicht selten unfaire Angriffe. In diesem Sinne hatte ich auch Lyoners Angriff aus Sie gewertet. Das war, wie er mitterweile zugibt, nicht fair, möglicherweise auch antijüdisch, ressentimentgeleitet etc. pp., aber – soweit ich es verstanden habe – nicht rassistisch.

    Noch ganz kurz zu den Memen und meiner Furcht vor den Konsequenzen solcher vagen Theorien, insbesondere, wenn Sie in einem pseudo-biologisch-wissenschaftlichen Gewand daherkommen. Sie wissen gut, dass in jeder Diktatur versucht wird, die Feinde des Systems, die „Schädlinge des Volkskörpers“, die „Klassenfeinde“ oder die „Ungläubigen“ zu identifizieren. Dazu bedarf es ausgeklügelter Systeme, da die „Gedanken frei“ sind und man den Menschen, wenn Sie sich „vermeintlich vestellen“, nicht hinter die Stirn schauen kann. Deshalb bedient man sich, wie beispielsweise während der „Kulturrevolution“ äußerer Anzeichen. Man schaut auf die Kleidung, achtet auf Bärte, Locken, Kopftücher, Turbane, Kippas, Ornate etc., ob jemand beschnitten ist, was er in seiner Bibliothek für Bücher hat, welche Wörter er in seinen Veröffentlichungen benutzt, welches Auto er fährt, ob er bei Besuchen sein Handy mitnimmt oder nicht ob er mit Vornamen, Alan, Dieter, Susanne, Fatima, Sarah, Cem, Maria oder Rudolf heißt.. Man macht eine Rasterfahndung nach allem was verdächtig ist. Dieses Denken ist eine Gefährdung für jede freie pluralistische Gesellschaft und ich glaube, das hat auch Frank Schirrmacher so gesehen.

    Ist es nicht bedenklich, dass hier in der Bundesrepublik Deutschland gegen einen Soziologen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u. a. deshalb eröffnet wurde, weil die „Brüder von der Sicherheit“ bei einem Google-Abgleich in seinen Schriften so profane Worte wie „Gentrifizierung“ oder „Prekariat“ fanden, weil er bei einem Besuch sein Handy nicht mitnahm und im Ermittlungsverfahren systematisch Unterlagen der STASI mit modernen Analyseverafhren vom BKA ausgewertet wurden? Ist das wirlich „Kulturpessimismus“, wenn man leiser oder lauter anfragt, ob das noch der Staat ist, in dem wir leben wollen?

    http://www.heise.de/tp/artikel/26/26604/1.html

    http://de.wikipedia.org/wiki/A.....ereinigung

    Theorien wie die von den Memen werden von intelligenten Menschen, wie Herrn Dawkins erdacht, wenn Sie aber in die Hände des einfachen deutschen Bamten geraten, der in altbekannter Weise unter dem Druck seiner Vorgesetzten „Ergebnisse“, „Sicherheit“ d. h. „die üblichen Verdächtigen“ liefern muss oder gar irgendeine „Endlösung“, werden sie zu einer Gefahr. Darauf habe ich versucht hinzuweisen. Durch solche „Theorien“ können soziale Schichten, Milieus oder gar philosophische und soziologische Theorien gesellschaftlich gebranntmarkt und zum Abschuss freigegeben werden. Diese Gefahr sehe ich und darauf wollte ich hinweisen.

    Ich weiß, wie Sie, dass wer angreift meist eine offene Flanke freigibt, in die der Gegner stossen kann. Auch mein Text hat solche Flanken, die Sie sicherlich leicht finden werden. Ich weiß aber auch, dass es neben dem „kalten Kulturkämpfer“ Posener in Ihnen manchmal auch den „frei denkenden“ Alan gibt. Ich hoffe, dieser ist heute zu Hause und zu einer Antwort bereit. Was der Kulturkämpfer schreibt, kann ich mir fast denken, eine Antwort von Ihm ist vielleicht ganz amüsant und unterhaltsam, die Diskussion wird sie jedoch wohl nicht weiter führen.

    Über eine Antwort des (selbst-)kritischen Denkers würde ich mich freuen.

    Ihr

    68er

  22. avatar

    Sagen wir mal, Lyoner wäre ein Programm (sorry). Alle arbeiten sich wüst an ihm ab außer mir.
    Und sagen wir, er wäre echt. Alle arbeiten sich wüst an ihm ab außer mir.
    Was ist bei mir anders?
    1. Juden sind mir ebenso egal wie andere Leute, außer ich wäre mit ihnen befreundet oder sie hätten ein Problem. Genau wie andere.
    2. Ich gehe davon aus, dass den meisten Juden Antisemitismus am A vorbei geht, außer er wäre eliminatorisch.
    3. Will jemand Lyoner eliminatorische Tendenzen unterstellen? Fußball, Sloterdijk, ein gewisses Interesse an Werterhalt? Sind wir uns vielleicht einig, dass Lyoner nicht Merah (décédé) aus Toulouse ist?
    4. Das mit dem „steifen Rücken“ von EJott unterschreibe ich nicht, denn er war gegen male circumcision.
    5. Immerhin war mal was los, passend zur WM. Los Gaal, diesmal Holland, Rache für „Ohne Holland fahr’n wir zur WM“ anno 2002.
    Darüber dürfte Lyoner sauer sein, er ist gewiss für Deutschland. Das andere ist nur Provokation.

  23. avatar

    @ RZ
    „Ja, so könnte man den Satz theoretisch auch verstehen. Aber ich meinte, dass ein 13-Jähriger simuliert wurde“

    Aha, auch nicht lustig. Könnte aber die Polizei anwenden, um Paedos aufzuspüren. Wäre dann einigermaßen sinnvoll.

  24. avatar

    Ich weiß wohl, dass hier Kränkungspotential vorliegt. Das scheint mir jedoch eher daran zu liegen, dass die Schutzgottheit von Starke Meinungen weniger Sophrosyne, die Bedachtsamkeit, sondern Thymos, der Eifer, ist. Ich habe ja m.E. klar genug darauf hingewiesen (es wäre auch aus dem Kontext zu erschließen gewesen), dass das Hauptwort „Avantgardist“ ist, die Adjektive jüdisch, anglikanisch, atheistisch eher Akzidenzien, so akzidentiell wie Poseners maoistische Durchlaufphase. Wie weit diese prägend sind, weiß ich nicht; ich war es auch nicht, der in dieser Diskussion „jüdische kulturelle Prägung“ ins Spiel brachte. Mir scheint bezeichnend, dass hier eine Debatte über das, was sich als Avantvarde, Agent des Fortschritts aufspielt, vermieden wird und durch eine affektive Verschiebung auf Jüdisches verdunkelt wird. Wenn also Alan Posener wie ein gestochener Hornochse aufbrüllt, aus dem compositum mixtum den „Judenbastard“ (was ich auch nicht formuliert habe) betont, mag das durch mein Sprachspiel ausgelöst sein, der panische und hysterische Affekt scheint mir jedoch, wie die Adepten Freuds sagen würden, überdeterminiert zu sein; vielleicht spielt dabei diese noch nicht abgeschlossene Kontroverse (http://de.wikipedia.org/wiki/Wer_ist_Jude%3F) eine Rolle. – Im übrigen: Gegenüber mir wegen „compositum mixtum“ derartig zu schießen ist pure Heuchelei; Posener hat genügend mit seinem hybriden (kulturellen) Status geprunkt. Das wäre mir, wie dem blonden Hans relativ egal, gehupft wie gesprungen, wenn Posener nicht daraus ein politisches Programm ableiten würde, das er in seinen Überlegungen zur Bevölkerungs- und Einwanderungspolitik hinreichend dargestellt hat. Wenig verwunderlich ist, dass Beiser wie Posener, die nicht zimperlich sind, die Gegner abzuwerten, zu dämonisieren und abservieren zu wollen, aufjaulen, wenn sie selbst in die Fragwürdigkeit gestellt werden oder wenn sie Objekt eines Jokes werden.

    Um die Sache aus der persönlichen Klopperei herauszuholen: Ich glaube nach den ersten Seiten, die ich gelesen habe, dass sich der Kauf von Sloterdijks „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“ gelohnt hat (@KJN: es ist auch gut geschreiben und lässt sich gut lesen). Auszug:

    „Hat einer der Autoren, die sich in den letzten Jahrzehnten zu meistens methodisch verdrehten Phänomenen wie Globalisierung, Mundialisierung, Modernisierung, Hybridisierung, Dekolonisierung, Kreolisierung, métissage etc. äußerten, darauf geachtet, dass der bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts tonangebende Kontinent der Moderne, das protuberante westliche Europa der nach-kolumbianischen Jahrhunderte, den Globus nicht nur in Uruhe versetzte mit seinen paradigmatischen Exportgütern: dem Geldwesen, der Hochsee-Schiffahrt, den Naturwissenschaften, dem Ingenieurswesen, der ezeitgenössischen Kuns, dem Nationalstaat, den Massenmedien und der Unisex-Ideologie? Hat man die Tatsache berücksichtigt, wonach Europa – in der Folge überflügelt von seiner amerikanischen Filial-Kultur – an so gut wie alle anderen ethnischen Ensembles bzw. „Kulturen“ der Erde seine paradoxeste und am wenigsten analysierte Erbschaft weitergab – die irrlichternde Botschaft von der Überflüssigkeit eines Erbes? Hat man in Rechnung gestellt, wie Europa, gemeinsam mit seinem amerikanischen Partner, im Namen der jungen, wandelbaren und angriffslustigen Göttin „Freiheit“ sein riskantestes Experiment in die fernsten Regionen des Planeten hinaustrug: seine Wette, Herkunftsunsicherheit – nenne sie Enterbung, Bastardentum oder Hybrid-Identität – sei bei der Suche nach Zukunftskompetenz nicht länger ein Makel, vielmehr eine sinnvolle Option, ein freuchtbarer Mangel, ein chancenträchtiger Stimulus, ja eine geradezu unentbehrliche Qualifkation?“

    „… Dennoch sollte das Reich der handelnden Wesen künftig dem unbedingten Vorrang der Aktion gehorchen. Weniger als dies durfte die siegesgewisse Moderne nicht verlangen. Die Reaktion mußte – der neuen jakobinischen Physik gehorchend – künftig als verkommener Widerstand des Alten gegen das tätig voranschreitende Gute verschrieen werden, ihrer ontologischen und anthropologischen Unvermeidlichkeit ungeachtet.
    Was besteht und verharrt, wird im Unrecht sein; was vorwärts geht und für Freiheiten trommelt, hat alles Recht auf seiner Seite. Das erwachende Ungheuer erweist sich als ein moralisierendes Geschöpf. Von Anfang an verfügt es über Wege und Mittel, das Gewesene ins Unrecht zu setzen. Die Welt der Väter erscheint entrechtet, die Könige werden der Despotie bezichtigt, in den Adern der Aristokratie fließt das „unreine Blut“ fremder Eroberer, das die Äcker Frankreichs tränken soll, ginge es nach der Marseillaise. Die republikanischen Brüder drängen an die Macht.“

    Für den intellektuellen und moralischen Status Alan Poseners ist es bezeichnend, dass er sich in seinem Chef-Oeuvre „Das Imperium der Zukunft“ sich auf Rudyard Kiplings „The White Man´s Burden“ (http://en.wikipedia.org/wiki/T.....27s_Burden) beruft (S. 37f).

    Nach einer kleinen Atempause möchte ich doch anläßlich von Poseners Medition zu den Forschungen von Piketty der bereits aufgeworfenen Frage nachgehen, wo das Geld ist und wie man es holen kann. Posener ist zwar kein Licht der Welt, aber auch kein dummer Kerl.

    @lieber Edmund
    Schwach – schwächer – Edmunds Meinung

    @Roland Ziegler
    Glauben Sie wirklich noch, dass der Mensch die Krone der Schöpfung, das menschliche Gehirn das Maß aller Intelligenz?

  25. avatar

    ..achso, Sie dachten, „Simulation eines 13-Jährigen“ würde bedeuten, dass ein 13-Jähriger die Simulation programmiert hätte? Ja, so könnte man den Satz theoretisch auch verstehen. Aber ich meinte, dass ein 13-Jähriger simuliert wurde 🙂 Die Programmierer sind keine Kinder, sondern intelligente Erwachsene. Das hat womöglich auch Herr Kaufmann noch nicht begriffen.

  26. avatar

    @Parisien: Kindheit gestohlen? Bei Eugene Goostman handelt sich um ein Computerprogramm. Computer haben eigentlich keine Kindheit, die man stehlen könnte. (Oder ist der Turing-Test von 1950 ihre Kindheit?)

  27. avatar

    @ EJ
    Kann ja sein. Er wäre jedenfalls wenigstens ein Ehrlicher. Broder sagte wiederholt, die Ehrlichen seien ihm viel lieber. Und so ist es.
    Schlimmer sind die mit Freunden und viel Schleim um den Mund, die sich dann unter dem Schutz ihrer sog. Freunde an Israel abarbeiten. Unehrliche machen einem ein Magengeschwür, mit Ehrlichen kann man wenigstens offenen Schlagabtausch probieren.

    @ Roland Ziegler
    Diese 13 oder was-Jährigen gehen mir am A vorbei. Man stiehlt ihnen die Kindheit. Die erste Aufgabe von Eltern oder Lehrern sollte sein, Übersteigerungen auszubremsen und für eine unbeschwerte Kindheit und Jugend zu sorgen. Ich möchte später nicht regiert werden von Schmalspurtalenten ohne Tiefe, die mit Algorithmen umgehen können, aber ethisch leer sind. Lieber schlecht regiert als von Hyperintelligenz verwaltet.

  28. avatar

    @EJ: Es hat auch mit einem Knopf zu tun. Wenn man auf den draufdrückt, hebt großes Geschrei an und das Licht geht an. Das ist natürlich interessant; man steht plötzlich im Licht.
    Vielleicht auch mit einer Grenze, die man nicht genau kennt. Wie ist der genaue Verlauf? Man tastet sich mit einem Bein voran, während das andere stehen bleibt. Wenn dann die Alarmglocke klingelt, kann man immer noch sein Gewicht auf das Standbein verlagern und sagen: „Seht wo ich bin, ich stehe richtig; IHR habt das Problem!“

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    @ Alan Posener: Woher weiß O.K., dass ich eine “jüdische kulturelle Prägung” genoss?

    Tja. Gute Frage! – Wissen kann er das nicht. Es wird wohl so sein, dass er es wittert: Grrr! Grrr!

    Unsereiner, blöde, meint, es gehe nur um das Thema X oder Y. Aber der liebe Othmar Kaufmann, worum es thematisch auch immer geht, erkennt mit schlafwandlerischer Sicherheit sofort das Jüdische daran. Und – schnapp! – hat er’s und präsentiert es mit Triumph. – So is‘ er eben, unser Guter.

    Ich tippe naheliegenderweise auf eine tiefe kulturelle Prägung seinerseits. Mindestens. Sein Jagdeifer ist ihm zweifellos von langer Hand tief implantiertes Programm. Und, selbstverständlich, die regelmäßige jagdliche Übung bis in’s hohe Alter hinein wird auch nicht ohne Wirkung geblieben sein. Da blecken sich auch die Dritten Zähne noch leicht: Die Juden! Die Juden! Grrr! Grrr!

    @ Othmar

    Wie Sie sehen, lieber Othmar, entwickle ich ein durchaus liebevolles Verständnis für Sie. Warten wir also gelassen, bis Sie das nächste Mal Ihre unvermeidliche Beute fröhlich apportieren! Lange wird’s nicht dauern. Sagt jemand harmlos: „Draußen regnet es“, wissen Sie sofort Bescheid: „Die Juden! Die Juden! Grrr! Grrr!“ – ES ist halt drin in Ihnen. Sie können nicht anders.

  30. avatar

    Lieber Alan Posener:
    Sie schreiben
    „In unserer Familie waren Shakespeare und Wodehouse, Goethe und Fontane die literarischen, Mozart und Bach die musikalischen, Dürer und Picasso die künsterlischen Hausgötter. Typisch jüdisch, nicht wahr.“

    Ja, typisch jüdisch. Gebildet, interessiert an der Kultur des jeweiligen Landes, europäischer Kultur, Kultur überhaupt. Absolut jüdisch. Darauf sollten Sie stolz sein.

    Dieses Mixtum-Zeug ist bullshit. Er hat zuviel Fußball geguckt. Wahrscheinlich findet er’s selbst blöd.
    Ich bin übrigens für Holland. Wie immer. Jetzt diesmal aber, Oranje, mit dem bayerischen Erfolgstrainer.

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    APo: … befangen in einer widerlichen deutschen Tradition der Abwertung des “Vermischten” (ließe sich durch eine Turing-Maschine ersetzen) und der ressentimentgeladenen Verteidigung des Reinen

    … das ist nicht deutsch, das ist national-sozialistisch und – ahem – Kein Konsens in Sicht.

    … werter APo, meinetwegen könnten Sie Inuit sein. Mir völlig Banane. 😉

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    …achson @KJN: Ich stimme Ihren Ausführugnen und auch der besagten „Gemeinheit“ völlig zu. Naturwissenschaftler sind universal: ihre Naturgesetze gelten überall auf der Erde und sogar überall im Kosmos.

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    Um noch kurz während der WM zu antworten:

    @68er: Es war so etwas wie ein Foulspiel, oder eher: grobe Tätlichkeit. Gehört auch dazu; so kommt man u.U. sogar zurück ins Spiel. Ich habe mich auch gar nicht so über Rassismus aufgeregt, sondern v.a.D. auf die AI bezogen, die Lyoner zweckentfremdet und dabei auf den Kopf gestellt hat.

    @Lyoner: die Metaphern waren dazu da, sich ein bisschen bei einem Eintopf zu entspannen und nicht so ein Geschrei zu veranstalten. Das zumindest scheint geglückt zu sein.

    Mir scheint, dass Sie über Eugene Goostman nicht ausreichend informiert sind? Ansonsten müssten Sie irgendwie auf die Tatsache reagieren, dass das die Simulation eines 13-Jährigen ist. Warum war es ein 13-Jähriger; wie passt das in Ihre Ausführungen? Hat man hier die Latte höher gehängt als notwendig und statt einen intelligenten Erwachsenen ein viel schwieriger zu simulierendes Kind simuliert? Wäre es wirklich einfacher, Herrn Posener zu simulieren?

    Bei der Intelligenz gibt es viele Missverständnisse. Z. B. ist es so, dass es nicht das Ergebnis niederer, sondern höherer „Intelligenz“ ist, vergessen zu können, übersehen zu können, sich schlecht etwas merken zu können, nicht gut kopfrechnen zu können etc. Auf niedriger Ebene kann unser Hirn solche Sachen hervorragend. Es kickt sie aber wieder anschließend heraus. Es gibt Fälle von Inselbegabungen, bei denen ein zuvor intaktes Gehirn beschädigt wurde und danach der Leidtragende unvorstellbare „Fähigkeiten“ – die eigentlich Eimschränkungen sind, und nur wie Leistungssteigeurngen aussehen, entwickeln. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen, ich hoffe es ist klar geworden, dass die Intelligenz ein sehr komplexes Ding ist. Das man schlecht simulieren kann. Erwachsene greifen einfach auf wesentlich längere Hirnaktivität und Informationsverarbeitung zurück als Kinder. Deshalb sind Kinder „einfacher“. Man könnte auch sagen: basaler, wenn Ihnen „einfach“ anstößig erscheint.

    Zu der besagten Unterstellung: gut, dass Sie das hier richtigstellen. Man hätte es nämlich so verstehen oder zumindest interpretieren können.

  34. avatar

    Lieber 68er,
    Sie schreiben: „Zusammenfassend bin ich jetzt bereit anzunehmen, dass der Anwurf von Lyoner möglichkerweise antianglikanisch, antiatheistisch, antijüdisch oder antimulitikulturell gemeint war. Rassismus sehe ich jedoch weiterhin nicht.“
    Othmar Kaufmann jedoch widerlegt Sie. Er schreibt (an EJ): „Könnte es denn sein, dass Sie mir meine Unbefangenheit gegenüber “Jüdischem”, das doch in unseren Kreisen eher ein Trumpf denn ein Nachteil ist, neiden, dass ich keinen Bückling mache, während Sie, wenn Sie “Jude” hören oder lesen, Ihr Kreuz steif machen und in Hab-Acht-Stellung gehen, Augen gerade aus!‘
    Genau. O.K. rühmt sich seiner „Unbefangenheit gegenüber Jüdischem“, was in Wirklichkeit eine ungesunde Obsession ist. Deshalb kann er nicht anders, als etwa in Posener den Judenbastard („mixtum compositum“) zu sehen, statt sich mit den Ideen von Posener, sie mögen gut, schlecht, verstiegen, absurd, was auch immer sein.
    Was, zum Beispiel, hat meine Einschätzung der Bedeutung Frank Schirrmachers – darum geht es doch hier – mit der Tatsache zu tun, dass ich einen jüdischen Vater hatte? Nichts.
    Sie unterstellen, O.K. meine „nur“, dass ich eine „jüdische kulturelle Prägung“ genossen hätte. Woher will er das wissen? Woher wollen Sie das wissen? Kann er nicht wissen, können Sie nicht wissen, weil es nicht stimmt. In unserer Familie waren Shakespeare und Wodehouse, Goethe und Fontane die literarischen, Mozart und Bach die musikalischen, Dürer und Picasso die künsterlischen Hausgötter. Typisch jüdisch, nicht wahr.
    Freilich musste schon mein Vater – seinerseits, wie schon seine Eltern, der jüdischen Tradition völlig entfremdet – in den 1920er Jahren hören, seine „Art“, sich diesen Göttern zu nähern, sei eben „typisch jüdisch“. O.K. ist nicht „unbefangen“, er ist befangen in einer widerlichen deutschen Tradition der Abwertung des „Vermischten“ (ließe sich durch eine Turing-Maschine ersetzen) und der ressentimentgeladenen Verteidigung des Reinen.
    Vom blonden Hans Faust habe ich hier viel Unsinn gelesen. Aber so einen perfiden Dreck nicht. Wenn Sie darauf hereinfallen, was ist Ihr „Linkssein“ wert?

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    @ lieber Roland Ziegler
    Es ist schon lustig, wie Sie sich im Spinnwebnetz Ihrer Metaphern heillos verheddern. Dabei übersehen Sie systematisch, dass die Hauptingredienz meines Arguments das Hauptwort „Avantgardist“ (und zwar unverbesserlicher) war; dagegen sind jüdisch und anglikanisch und atheitisch eher Adverbien, Beiworte, die Aristoteles oder Thomas von Aquin Akzidenzen, der große Königsberger Attribute genannt hätte.

    Meines Erachtens liegen Sie auch total daneben, wenn sie das Verhältnis zwischen Kind und Erwachsenen als Verhältnis zwischen dem Einfachen und dem Komplexen sehen, das Kind als ein noch nicht ausreichend ausgebildeten Erwachenen sehen. Ich glaube, dass es da einen qualitativen Unterschied gibt, dem Sie vielleicht anhand des schönen Liedes von der Kindheit von Peter Handke nachsinnen können

    Als das Kind Kind war,
    ging es mit hängenden Armen,
    wollte der Bach sei ein Fluß,
    der Fluß sei ein Strom,
    und diese Pfütze das Meer.
    (http://www.wim-wenders.com/mov.....german.htm)

    Insofern glaube ich, dass das Kind (hier natürlich idealtypisch gesehen) weniger computible, download-bar ist als konditionierte, mit starken Meinungen (die ich eher als akzidentiell denn als substantiell ansehe) vollgepumpte Erwachsene.

    Natürlich ist der umgekehrte Turing-Test jetzt noch Science Fiction (und ein Denkmodell). Ich will mal hoffen, dass die Maschinenintelligenz so „feinfühlig“ und „höflich“ sein wird, ihn nicht anzuwenden – denn bestehen würde ihn kein Mensch. Was mich bei den visionären Wunschvorstellungen z.B. eines Ray Kurzweil, der sich Unsterblichkeit durch Downloaden verschaffen will, stutzig gemacht hat: falls es, wie prognostiziert, zur „Singularität“ kommen wird, damit die Maschinenintelligenz um ein Unvorstellbares über der humanen Intelligenz liegen wird, was diese transhumane Super-Intelligenz noch von so prekären und rückständigen Informationsmustern wie das von Kurzweil, Zuckerberg, Posener oder Ihrer und meiner Wenigkeit will. Dagegen könnte ich mir vorstellen, dass sie immer wieder bis in alle Ewigkeit die Kindwerdung „bestaunen“. Oder können Sie sich ein virtuelles Äquivalent des Kindes vorstellen? Vielleicht ein Kunstobjekt?

    Mit aller Schärfe weise ich Ihre Unterstellung zurück, dass ich sagen wollte „Dieser da ist von Grund auf verdorben.

    @ Edmund Jestadt
    Sie sind wohl so sehr (starke Meinung) von Ihrer Unterstellung überzeugt, dass ich Sie kaum eines besseren belehren kann. Könnte es denn sein, dass sie mir meine Unbefangenheit gegenüber „Jüdischem“, das doch in unseren Kreisen eher ein Trumpf denn ein Nachteil ist, neiden, dass ich keinen Bückling mache, während Sie, wenn Sie „Jude“ hören oder lesen, Ihr Kreuz steif machen und in Hab-Acht-Stellung gehen, Augen gerade aus!

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    @ Roland Ziegler

    Nach Ihren Bemühungen verstehe ich ein wenig was Sie meinen. Nach allem was Sie und die anderen Mitstreiter schreiben, geht es nicht um irgendwelche Abstammungsfragen sondern um die angeblichen Auswirkungen von verschiedenen sozialen und kulturellen Einflüssen auf den Menschen. Daher rührt auch mein Unwille, dies unter „Rassismus“ einzuordnen und meine Replik die neue „Mem-Lehre“ dann retourkutschend konsequent als „Neo-Rassismus“ zu bezeichnen.

    Der Glaube, Mitglieder abgeschirmter Gruppen, seien es „Völker“, Religionsgruppen oder „Klassen“, einheitlich zu behandeln ist natürlich nicht in Ordnung. Zu glauben, Menschen mit verschiedenen Einflüssen würden bei einem „negativen Turing-Test“ eher mit einem Computer verwechselt, mag richtig oder falsch sein. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat Lyoner den Vergleich in abwertender Absicht verwendet und wollte wohl sagen (aber richtig verstanden habe ich den Vergleich bisher nicht), ein von vielen verschiedenen Einflüssen geprägter Mensch sei einer „technisch denkenden“ Machine ähnlicher als ein rheinischer Katholik, ein schwäbischer Protestant oder was es sonst noch so an Stereotypen gibt. Als jemand, der Rationalität nicht als Makel betrachtet, ist der Vorwurf gegen Posener vielleicht gar nicht so böse, wie er von Ihnen verstanden und von Lyoner vielleicht gemeint war.

    Zusammenfassend bin ich jetzt bereit anzunehmen, dass der Anwurf von Lyoner möglichkerweise antianglikanisch, antiatheistisch, antijüdisch oder antimulitikulturell gemeint war. Rassismus sehe ich jedoch weiterhin nicht.

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    @M.B.
    „Versuchen Sie einmal in Stockholm noch Bargeld zu bekommen. Fast aussichtlos! Vieles läuft nur noch über smartphones !!“
    ..was aber ja kein Naturgesetz ist, sondern eine Mehrheitsentscheidung, die z.B. Roland Ziegler (Stichwort ‚Energiewende‘) immer wieder gerne und ausgiebig verteidigt. Ich sehe da aber Unterschiede. Beispiel: In Kneipen gibt es keine Frikadellen/Bulletten mehr. Mangelnde Nachfrage (alle Vegetarier) oder Druck von oben (Gewerbeaufsicht/Gesundheitsamt)? Oder beides?
    In der Welt zahlt man mehr denn je bargeldlos – wenn mir das keine zusätzlichen Kosten verursacht, ist es mir recht, weil es bequemer ist; warum soll ich Dinge, die mir nützen, ablehnen. Lucas sagt z.B. „mit Google Now kann man das oder das machen“. Ich sage: „Danke für die Info.. guck ich mir an.“ Wer Payback-Karten nutzt, weiß i.A., daß seine Kaufdaten in einen Datenpool fließen – zwecks Werbung.
    Merkwürdigerweise regen sich aber gerade die Leute darüber auf, die auf der anderen Seite gerne nach dem starken, schützenden Staat rufen, als wenn der Staat (die Bürokratie) kein Interesse an Daten hätte – teils zurecht (Kriminalität) aber auch zu unrecht (Bürokratieauswüchse sich verselbständigender Behörden, NSA, Verfassungsschutz, usw. usf.).
    Was meinen Sie? Wem soll ich mehr vertrauen: Dem Händler, der Geld verdienen will, oder der Behörde /dem System, wo ich oft gar nicht wissen kann, was die überhaupt will?

    @Lyoner
    „Die sind mir weder Feind, noch nicht verstehbar; schwieriger zu verstehen ist das “Eigene” (Grund oder Abgrund).“
    Das glaube ich Ihnen allerdings sofort: Wie sonst wäre Ihre Projektion (der intelligente, wendige, stets im jeweiligen System überlegene compositum mixtum, soll heißen, Jude) sonst zu verstehen? Und ja, die sog. Leistungsgesellschaft (Calvinismus in Verbindung mit Positivismus) fördert Unzulänglichkeitsgefühle und damit derartige Projektionen. Daher denke ich, der (für mich) schwer zu lesende Sloterdijk schlägt mit seiner Forderung nach mehr Stolz, Identität und Distinktionswillen (das bayrische ‚mir san mir‘) schon den richtigen Weg ein, aber das muss eben ohne rassistische oder religiöse Abwertung (Dhimmis) gehen. Meine ich jedenfalls.

    @R.Z.
    Natürlich gibt es religiöse, kulturelle Überprägungen. Aber die werden meistens überinterpretiert. Das Denken ist – wie soll es denn auch sonst sein – bei allen gleich. Ich könnte daher ja gemein sein und feststellen, daß Naturwissenschaftler eher als Geisteswissenschaftler in der Lage sind, mit Menschen aus anderen Kulturkreisen umzugehen, weil sich ihre Unterhaltungen eher auf Themen beschrängen, die mit dem kulturunabhängigen Denken zu tun haben und sie deswegen nicht ständig auf irgendwelchen interkulturellen Parketten ausrutschen, aber so gemein bin ich ja nicht.

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    @68er: Einen Versuch mache ich noch. Ich weiß nicht, ob man wirklich das Denken eines Menschen, das normalerweise einen vielfältigen Prozess durchmacht – beobachten, fragen, folgern, zweifeln, begründen, weiterbeobachten – liegt, wie einen Eintopf auf seine Zutaten zurückführen kann, die man in Küchenschubladen verortet, auf denen Embleme kleben wie jüdisch, anglikanisch, atheistisch. Das ist doch bestenfalls eine Karikatur. Ich denke, also bin ich – was? Was soll denn jüdisches oder anglikanisches Denken sein? So etwas gibt es nicht. Soll das ein bestimmter Denkstil sein? Der eine denkt in Metaphern, der andere abstrakt? Und was soll dann daraus folgen? Das ist doch Quark. Allenfalls gibt es jüdische und anglikanische Inhalte, Themen oder Glaubensbekenntnisse.

    Diese beiden Ingredienzen – jüdisch und anglikanisch – sind im speziellen Fall des Herrn Posener auch etwas anderes als seine atheistische Zutat, denn letztere bezeichnet eine bewusst getroffene und begründete Einstellung und jene beiden anderen vermutlich Kindheitseinflüsse. Das ist doch etwas anderes.

    Das eigentliche Problem entsteht aber erst im Folgenden, nämlich wenn die Eintöpfe bewertet wird. Nach dem Motto: Die altdeutsche Kartoffelsuppe ist besser als die Fusionsuppe, weil sie besser schützen würde vor den Gefahren der Digitalisierung. Hier wird ja nicht gesagt: Sie irren, Herr Posener, oder: Sie täuschen uns, Herr Posener, sondern: Ihr Denken ist versalzen, Sie können gar nicht anders als falsch denken, weil Sie selber eine versalzene Mischung darstellen. Ihr Eintopf ist verdorben von zu vielen verschiedenen Köchen. Da kann man leider nichts machen.

    Diese Bewertung ist eine Abwertung, und die ihr zugrunde liegende Behauptung – dass die altdeutsche Kasrtoffelsuppe durch ihre einfache Identität in der multiplen digitalen Welt irgendwie besser wäre, mehr Kraft spenden würde als die Fusionsuppe – einfach falsch. Genau umgekehrt ist es richtig: Die Fusionsuppe schützt besser, hat mehr Vitamine.

    Aber auch sie ist natürlich deshalb auch nicht besser als der altdeutsche Eintopf. Sie zeigt nur, dass man sich mit anderen Kulturen beschäftigen sollte, wenn man sich in der aktuellen digitalen Welt behaupten will. Aber nur dann. Niemand schreibt vor, dass man sich in der Welt behaupten muss. Dass man z.B. mit Apps klarkommen muss, dass man verstehen muss, worum es beim Turiong-Test geht, dass man Strategien entwickeln muss, um sich gegen die Überwachung zur Wehr zu setzen usw.. Alldas muss man nicht, kann man auch lassen und lieber altdeutsche Kartoffelsuppe löffeln. (Die übrigens auch mir durchaus gut schmeckt.) Aber wenn man das doch tun will, so wie der Schirrmacher es fordert, dann ist es ratsam, in seinen persönlichen Eintopf ein paar internationale und andersartige Zutaten hineinzukippen.

    An dieser Stelle zeigt sich wieder das Problem des Eintopfs, das bereits am Anfang stand: Der echte Eintopf ist dazu da, das er uns gut schmeckt und gut bekommt. Dies ist seine Aufgabe. Der Mensch dagegen soll einfach leben und denken, wie es ihm gefällt, aber er ist nicht dazu da, uns oder irgendeinem anderen Richter zu schmecken. Natürlich entwickeln wir Sympathien und Antipathien, aber wir sollten uns nicht zu der Arroganz hinreißen lassen zu sagen: „Dieser da ist von Grund auf verdorben!“

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    @ Lyoner: Im übrigen, Freunde, lag das Gewicht meiner Intervention auf der Frage, wo ist das Geld, und wie können es die Regierungen holen.

    Eben nicht, lieber Othmar.

    Sofern Sie sich auf die Sache beziehen, bewegt Ihre Argumentation sich regelmäßig auf hohem Niveau. Auch in diesem Falle. Und Sie wissen das. Aber Ihnen genügt das nicht. Obwohl es zur Sache keinen Deut hinzu tut, setzen Sie, völlig gleich, bei welchem Thema, regelmäßig in dieser und ähnlicher Weise – Die Juden! Grr, grr! Die Juden! Grr, grr! – immer wieder einen drauf.

    Wenn es Ihnen um die Sache ginge, lieber Othmar, würden Sie sich auf die Sache beschränken. Sie könnten es ohne jede argumentative Not. Es geht Ihnen aber nicht um die Sache. Zwanghaft missbrauchen Sie jedes Thema, um immer wieder Ihren Antisemitismus unter die Leute bringen.

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    @Lyoner: Wie gesagt: der Schein trügt. Das Muster eines Kindes ist Grundlage des aktuellen Turing-Tests. Mit der binären Struktur des Maschinencodes hat das aber nichts zu tun (unsere Neuronen arbeiten ebenfalls binär), eher mit unseren Kriterien, wann und unter welchen Bedingungen wir welche Antworten akzeptieren. Darüber hinaus könnte man argumentieren, dass man erst das Einfache nachgebildet haben muss, bevor man das Zusammengesetzte erfolgreich nachbilden kann.

    Den umgekehrten Turing-Test gibt es nicht (jenseits von Science Fiction).

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    @ Alan Posener


    „Ich denke schon, dass es einen Unterschied macht, ob man über kulurtelle Prägungen spricht oder über ein “compositum mixtum”. Meinen Sie nicht?“

    Ich auch, daher habe ich ja auf diesen Unterschied hingewiesen. Auch auf darauf, dass Sie und Lyoner gerne mit nebulösen Begriffen wie „etwas“ und „compositum mixtum“ um sich werfen und im Zweifel den Schwanz einziehen, wenn man Ihnen auf den Zahn fühlen will, was Sie denn genau damit meinen.

    Und nun zu den Memen:

    Sie schreiben:


    „Und nun die Meme. Dawkins postuliert, dass man in der Evolution menschlicher Vorstellungen, Ideen, Theorien einen mit der natürlichen Evolution vergleichbaren Prozess am Werk sehen kann. Demzufolge wären Meme – sozusagen die Bausteine von Weltanschauungen – vor allem „daran interessiert“, sich fortzupflanzen. Der individuelle Denker ist bloß das Instrument, das diese Fortpflanzung – auch mit Hilfe bestimmter Modifikationen, den Mutationen vergleichbar – ermöglicht. Man begreife die Anführungszeichen bitte richtig. Das Gen „will“ gar nichts, und das Mem auch nicht. Es ist das einzelne Tier, das zielgerichtetes Verhalten an den Tag legt, und der einzelne Ideologe, der Ideen formuliert. Dawkins fordert uns aber auf, das Tier eben als Träger (oder Überträger) von Genen zu betrachten, den Ideologen als Träger (oder Überträger) von Memen. Und wie die Gene durch zufällige Mutationen eine Auswahl an Individuen produzieren, die von der Umwelt dann nach ihrer „Fitness“ selektiert werden, so produzieren Meme in den Köpfen diverser Ideologen ihrerseits Mutationen und Permutationen von Ideen, die dann von der intellektuellen Umwelt selektiert werden. Das Mem „Gott“ etwa hat sich durch Mutationen zunehmend gegen Falsifizierung immunisiert, indem es Eigenschaften wie Unsichtbarkeit und Unbestechlichkeit einerseits, Allmacht und Liebe andererseits annahm, die ja sämtlich in dem ursprünglichen Mem nicht vorhanden waren.“

    Das klingt mir zu sehr nach Mentalitäts-Hygiene. Falsche Gedanken als Virus. Wenn man das mit NSA, Google und Co. zusammen denkt, ist man dann – auch wenn Sie es immer wieder bestreiten – ganz schnell bei 1984.

  42. avatar

    @68er: Meme sind bestimmte Denkmuster und Ideen, die überindividuell, d.h. soziologisch weitergegeben werden (falls man der Memtheorie glaubt). Bei Herrn Kaufmann geht es eher um verschiedene Sorten von Gemüt, d.h. Gemüse, das man in resistente, frische Sorten und labilere, wurmstichige unterscheiden kann. Zu letzterer Sorte rechnet er Herrn Posener. Das ist natürlich nicht sehr nett und jedenfalls rassistisch grundiert.
    Herr Kaufmann impliziert, dass die gemischten Gemüter Maschinen ähneln, von diesen als gleichartig anerkannt und irgendwann geradezu als Maschinen repliziert werden würden, während die schlichten Gemüter unberechenbarer und schwieriger zu kontrollieren wären.
    In Wirklichkeit verhält es sich genau umgekehrt.
    Aber das hatte ich ja schon geschrieben; ich glaube man sollte diesen unausgegorenen Überlegungen der WM-Pause nicht mehr Aufmerksamkeit schenken.

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    … Freunde, als einzig Nicht- ja nichtmal Halbkrimineller in diesem Blog, so jedenfalls der EJott, was er euch im Übrigen nicht bescheinigt hat, würdet ihr dann bitte zum Thema schreiben? … muhahaha!

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    @ Roland Ziegler

    Natürlich sind wir alle Eintopf. Und das ist gut so.

    Wir werden geprägt von unserer Umwelt, von Menschen, Landschaften, Kulturen, Religionen und auch von unseren Genen. Wer das so akzeptiert und offen für verschiedene Einflüsse ist, sich dieser Einflüsse bewusst ist und diese reflektiert und dabei selber denkt und für sich entscheidet, ist für mich ein autonomer Mensch. Wer dagegen Menschen nur über ihre Gene definiert, ist ein Rassist, nur über die eigene Nation oder Kultur, ein Chauvinist, über die Religion ein Gotteskrieger und wer glaubt, er sei von allen fremden Einflüssen frei, ein Idiot.

    Lyoner hat in seinem Anwurf gegen Herrn Posener – wie Rita E. Groda – drei religiöse Einflüsse genannt, die für diesen angeblich prägend gewesen sein sollen. Wer darin eine rassistischen Angriff sehen will, dem sei das unbenommen. Ich hatte Lyoner eher so verstanden, dass die Ansichten Poseners zu bestimmten Dingen (Kapitalismus, Google, Snowden etc.) geeignet sind, einen totalitären maschinistisch funktionierenden Kapitalismus zu stützen, der die Menschen zum Objekt degradiert und jeder individuellen Menschlichkeit beraubt.

  45. avatar

    @ 68er
    Danke für den Beistand.

    @ Parisien
    Ich beginne jetzt zu meinem Trost das neue Buch von Sloterdijk zu lesen: Die schrecklichen Kinder der Neuzeit. „Die moderne Welt wird sich als eine Zeit erweisen, in der die Wünsche durch ihr Wahrwerden das Fürchten lehren.“

  46. avatar

    Dass sich jemand als Pseudonym den Namen des bluttriefenden Gründers der bolschewistischen Geheimpolizei wählt,spricht Bände. Womöglich müsste Schirrmacher noch über den Tod hinaus froh sein, wenn Dzerzhinski in seinen späten Arbeiten weder rechte noch linke Abweichungen entdecken kann.
    @ 68: ich denke schon, dass es einen Unterschied macht, ob man über kulurtelle Prägungen spricht oder über ein „compositum mixtum“. Meinen Sie nicht?
    Und was das Mem betrifft: ich schlage vor, Sie lesen nach, was O.E. Wilson darüber schreibt. Das Konzept ist lediglich ein Versuch nachzuvollziehen, wie bestimmte Ideen evolutionären Konzepten folgen, so dass sie auch in anderen evolutionären Nischen als jenen ihrer Entstehung überleben können. man denke etwa an die Fortentwicklung der jüdischen Religion zur christlichen. Das Modell hat entscheidende Schwächen, aber wenn es eins nicht ist, dann rassistisch. Au contraire, die Mem-Theorie kann beschreiben, wie sich etwa der Antijudaismus zum Antisemitismus wandelt, oder die Xenophobie zur Islamophobie.

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