Immerhin erregt die Frage, wer nun Präsident der Europäischen Kommission wird, die europäische Öffentlichkeit. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht: Die Befürworter engerer europäischer Integration haben es geschafft, die Frage so hinzustellen, als handele es sich nicht darum, wer am besten geeignet wäre, den Brüsseler Beamtenapparat zu leiten, sondern darum, die europäische Demokratie zu retten, indem sich der Rat dem Votum des Europäischen Parlaments unterwirft.
Darum geht es aber nicht.
Noch die Ernennung José Manuel Barrosos wurde allein unter den Staatschefs ausgehandelt. Angela Merkel konnte dabei ihren Wunschkandidaten durchsetzen. Sie habe Jacques Chirac den liberalen Freund der USA und Großbritanniens schmackhaft gemacht, indem sie ihm sagte, mit dem Portugiesen Barroso könne er Französisch sprechen, erzählte sie damals in kleinerer Runde mit einem schelmischen Lächeln.
Barroso sollte, so dachten es sich Merkel und ihr damaliger Hauptverbündeter in Europa, Tony Blair, die Bemühungen zur Reform der Europäischen Union koordinieren. Mehr Markt – zum Beispiel bei den Dienstleistungen – und weniger Subventionen – vor allem in der Landwirtschaft – sollte diese Kommission durchsetzen. Ihr Programm war die so genannte „Lissabon-Agenda“ der Europäischen Union, der zufolge sich die EU bis 2010 „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt“ entwickeln sollte.
Nun, das Ziel wurde verfehlt, wofür Barroso am wenigsten verantwortlich zu machen ist. Erst kam die Weltfinanzkrise, aus der dann in der Eurozone eine Banken- und Staatsschuldenkrise wurde. Mitten in dieser Krise verabschiedete der Europäische Rat auf Vorschlag der Barroso-Kommission den Plan „Europa 2020“, der als „Fortschreibung“ der Lissabon-Agenda verkauft und vermutlich genau so scheitern wird:
http://de.wikipedia.org/wiki/Europa_2020
An diesen ambitionierten Zielen freilich muss man den Mann oder die Frau messen, der oder die an der Spitze der Europäischen Kommission stehen soll; vor dem Hintergrund dieser Ziele muss man auch den versuchten Putsch des Europäischen Parlaments gegen den Europäischen Rat beurteilen.
Diese Agenda 2020 legt zum Beispiel nicht fest, dass Europa politische oder institutionelle Fortschritte in Richtung eines föderalen Staates machen soll. Eine solche Entwicklung mag sich für die Eurozone als unumgänglich erweisen, auch wenn die meisten Bürger der Eurozone das nicht wollen. Aber für Europa insgesamt steht sie ausweislich „Europa 2020“ nicht auf der Tagesordnung. Es geht vor allem um die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, damit die Beschäftigungsquote erhöht und die Armutsquote gesenkt werden können; um die Verbesserung der Qualität von Schule und Ausbildung; und um eine ambitionierte Energiewende hin zu erneuerbaren Quellen.
Dem Europäischen Parlament geht es aber einzig und allein darum, dass ein vom Parlament bestimmter Kandidat Kommissionspräsident wird. Wofür der steht, ist zweitrangig. Für das Parlament steht die eigene Macht im Vordergrund, nicht das Wohlergehen der Mitgliedsstaaten und der Bürger der Union.
Ich zitiere zur Veranschaulichung aus der Berichterstattung der „Süddeutschen Zeitung“. Am 27. Mai, also am Dienstag nach der Europawahl, schien es noch so, als könnte sich die Fraktion der „Sozialisten und Demokraten“ (S&D) im Parlament weigern, Jean-claude Juncker zu unterstützen, den Kandidaten der „Europäischen Volkspartei“ (EVP), also des Zusammenschlusses der meisten Mitte-Rechts-Parteien. SPD-Chef Sigmar Gabriel „appellierte an die EVP, ihr Verhältnis zur rechtskonservativen Fidesz-Partei aus Ungarn und der italienischen Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu überprüfen. (…) Eine Mehrheit dürfe nicht an den Stimmen von Rechtspopulisten hängen.“
Gabriels Kalkül: eine Spaltung der EVP hätte womöglich dem unterlegenen sozialdemokratischen Kandidaten Martin Schulz eine Chance beschert, als Kandidat des Europäischen Parlaments zu gelten.
Drei Tage später sah es schon ganz anders aus: „Die SPD warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) davor, einen anderen Kandidaten auszuwählen als den Luxemburger Jean-Claude Juncker“, konnte man am 30. Mai in der „SZ“ lesen. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi warnte Merkel nun davor, „das Geklüngel auf Spitzenebene fortzusetzen“.
Inzwischen hatte die SPD ja auch Gelegenheit zur „Geklüngel auf Spitzenebene“ gehabt und festgestellt, dass Schulz chancenlos war.
„Das Europäische Parlament hatte sich bereits vor der Wahl darauf festgelegt, dass einer der Spitzenkandidaten den Chefposten der Kommission übernehmen sollte – und die Abstimmung dadurch zu einer Art Direktwahl des Kommissionspräsidenten erklärt“, so die „SZ“ weiter.
Halten wir mal inne.
– Erst stellen – nach „Geklüngel auf Spitzenebene“ – EVP und S&D je einen „Spitzenkandidaten“ für das Amt des Kommissionspräsidenten auf, obwohl das Parlament gar nicht befugt ist, den Kommissionspräsidenten zu wählen und obwohl nirgends steht, dass der Kommissionspräsident aus den Reihen des Parlaments kommen muss.
– Dann „erklären“ EVP und S&D nach „Geklüngel auf Spitzenebene“ die Parlamentswahl wider besseres Wissen und gegen Text und Geist des Gesetzes „zu einer Art Direktwahl des Kommissionspräsidenten“.
– Und dann legen sie in „Geklüngel auf Spitzenebene“ fest, dass – egal, wie die Wahl ausgeht – einer dieser beiden Kandidaten „den Chefposten der Kommission übernehmen“ soll. Das heißt, die Sozialdemokraten werden auch dann den konservativen „Spitzenkandidaten“ Juncker unterstützen, wenn der Rat der Regierungschefs etwa einen anderen Sozialisten als Martin Schulz vorschlägt, und sei er noch so geeignet; und wenn die S&D-Fraktion die größte im europäischen Parlament geworden wäre, hätten die Konservativen den Sozialisten Schulz auch dann unterstützt, wenn der Rat einen Konservativen vorgeschlagen hätte.
Mit anderen Worten: Lechts und Rinks sind austauschbar. Juncker will einen einheitlichen Mindestlohn in Europa, Schulz will einheitliche Steuersätze. Beides spielt der deutschen Dominanz in die Hände, denn hohe Steuern und einen hohen Mindestlohn kann sich nur Deutschland leisten. Und egal wie Europas Wähler entscheiden, sie bekommen einen Kommissionspräsidenten, der auf alle Probleme Europas vor allem eine Antwort weiß: „Mehr Europa“, sprich mehr Macht und mehr Kompetenzen für die Zentrale. Und das nach einer Wahl, die einhellig begriffen worden ist als eine Ohrfeige für genau diese Art von Politik. Wie sagte weiland der scheidende König von Sachsen: „Scheene Demokraten seid ihr!“
Der Vertrag von Lissabon regelt die Wahl des Kommissionspräsidenten:
http://dejure.org/gesetze/EU/17.html
Die entscheidende Passage lautet: „Der Europäische Rat schlägt dem Europäischen Parlament nach entsprechenden Konsultationen mit qualifizierter Mehrheit einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vor; dabei berücksichtigt er das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament. Das Europäische Parlament wählt diesen Kandidaten mit der Mehrheit seiner Mitglieder.“
Die Passage lautet nicht: „Das Europäische Parlament wählt aus seinen Reihen einen Kommissionspräsidenten, den der Europäische Rat zu bestätigen hat.“
Der Vertrag gibt dem Parlament nicht einmal ein Vorschlagsrecht, geschweige denn das Recht, „Spitzenkandidaten“ zu ernennen und dem europäischen Wahlvolk vorzugaukeln, es könne den Kommissionspräsidenten wählen.
Aber Kommentatoren aus allen politischen Lagern in Deutschland tun so, als ob der Rat verpflichtet wäre, Jean-Claude Juncker dem Europäischen Parlament vorzuschlagen; sonst wäre „die europäische Demokratie beschädigt“ oder „der europäische Gedanke im Herzen getroffen“ und was des Unsinns mehr ist.
Um es klar zu sagen:
Die europäische Demokratie und der europäische Gedanke haben gerade dadurch Schaden genommen, dass Geist und Buchstabe von Verträgen mit Verfassungsrang einfach außer Kraft gesetzt werden, wenn sie den Mächtigen in Europa oder dem Ziel der „immer engeren Union“ widersprechen. Erinnern wir uns an den Vertrag von Maastricht: Verschuldungsgrenzen? No-bailout-Klausel? Von Gerhard Schröder und Angela Merkel auf den Misthaufen der Geschichte befördert – weil Schröder mehr Schulden machen und Merkel die deutschen Banken vor Verlusten bei einem Austritt Griechenlands retten wollte.
Erinnern wir uns an die Referenden zur Europäischen Verfassung: Nachdem Franzosen und Holländer sie abgelehnt haben, wurde der Text umbenannt, das Wort „Verfassung“ fiel weg, und die gewünschten Maßnahmen (darunter die Regelung zur Wahl des Kommissionspräsidenten) wurden als „Vertrag von Lissabon“ eben ohne Volksbefragung durchgesetzt. Wo das nicht möglich war, etwa in Irland, musste das Volk so lange abstimmen, bis es so stimmte, wie die Befürworter der „immer engeren Union“ das wollten.
Nun soll das im Vertrag von Lissabon festgelegte Verfahren, bei dem der Rat der gewählten Regierungschefs einen Kandidaten „unter Berücksichtigung“ der Parlamentswahlen bestimmt, ausgerechnet im Namen der Demokratie auf kaltem Wege durch ein anderes Verfahren ersetzt werden. Eine solche Selbstermächtigung nennt man einen Putsch, und das bleibt ein Putsch, auch wenn hier keine Generäle putschen, sondern ein Parlament. Hier müssen die Staatschefs widerstehen, sonst ist auch der Vertrag von Lissabon, wie der von Maastricht, nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben ist. Dann ist im Namen der Demokratie die Rechtsstaatlichkeit ausgehoben worden.
Wenn der Rat wirklich „die Ergebnisse der Parlamentswahlen berücksichtigen“ will, muss er dem Parlament eine Persönlichkeit vorschlagen, die in der Lage ist, Europa zu reformieren, also erstens die Ziele von „Europa 2020“ zu verwirklichen oder wenigstens voran zu bringen; und zweitens zu begreifen, dass die Zeit des „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“ der europäischen Integration mit dieser Wahl und dem Aufstieg der Anti-Establishment-Parteien abgelaufen ist.
Weder Jean-Claude Juncker noch Martin Schulz sind solche Persönlichkeiten; im Gegenteil. Sie vertreten das Europa von gestern. Der Rat sollte zeigen, dass er die Botschaft der Wahlen verstanden hat; er sollte eine unabhängige Persönlichkeit als Kommissionspräsident nominieren; er darf nicht zulassen, dass Buchstabe und Geist des Vertrags von Lissabon verletzt werden; er darf dem Konflikt mit dem Parlament nicht aus dem Weg gehen.
Lieber EJ,
„Ach, seien Sie doch nicht so fantasielos!“
Nicht fantasielos sondern fassungslos 🙂
Alan Posener glaubt immer noch an den “ historischen “ Liberalismus à la Cameron und wagt sich nur zögerlich an eine Kapitalismuskritik heran.
Wenn ich in einem der früheren Beiträge lese, dass die Bankenreformen doch schon due ersten “ Erfolge “ gezeigt haben und nicht gesehen wird, dass nach Lehman vor Lehman hoch drei bedeutet.
Siehe auch den Artikel im Economist:
http://www.economist.com/news/.....ce-problem
zu Blackrock
dann frage ich mich schon, will man die Gefahren nicht sehen.
Ich persönlich überblicke auch nicht mehr die Konsequenzen des globalen Finanzmarktes.
Dann davon zu reden, der Markt und etwas staatliche Regulierung wird schon wieder alles regeln, ist letztlich eine Vogel Strauß Politik.
Und wenn ich dann wie wiederholt hier etwas von Adam Smith und seinem Bäcker lese, dann frage ich mich schon, ob wir hier oftmals noch eine realitätsbezogene Diskussion führen.
Wer weiß, dass die “ Rettung “ der Lehmann Krise innerhalb von Mitternacht bis 4.00 morgens erreicht wurde, denn müssen doch solche Entscheidungsprozesse erschrecken.
Fantasie haben für mich diese beiden Wirtschaftswissenschaftler:
http://www.heise.de/tp/artikel/41/41939/1.html
die wenigstens ansatzweise versuchen nach praktikablen Lösungen zu suchen und wenn sie sogar Anleihen bei Ayn Rand machen.
Von Hayek würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüßte welchen Einfluß die Finanzwirtschaft auf unsere heutige globale Ökonomie hat.
Und wie man heute in Microsekunden Milliardentransktionen abwickelt.
Aber um in der Sprache von Alan Posener zu bleiben:
Vielleicht habe ich wieder einmal zu dick auftragen.
🙂
Ich habe auch nicht ihr Buch gelesen, Alan Posener, aber folgende Rezension.
Es gibt also nicht nur die zwei Positionen für Westfälische Nationalstaaten und Westfälisches Europa, sondern nach Alan Posener und Jan Zielonka auch die des Neo-mediävalen Imperiums. Wobei die ersten beiden westfälischen Positionen nur vermeintlich widersprechend sind. Denn fordert die AfD nicht auch europaweite Steuerangleichung und ähnliches?
Was nun besser ist, weiß ich noch nicht. Ich bin aber entschieden gegen den jetzigen Bürokratismus der EU, der eigentlich von den Westfälischen Nationalstaaten ausgeht, die mit dem Finger auf die EU, in der sie selbst das sagen haben, also auf sich selbst zeigen. Wobei die EU gleichzeitig nach Wunsch der Westfälischen zu einem Superstaat werden soll.
Ist aber der Bürokratismus automatisch mit dem Westfälischen Staat verbunden, kann der nicht auch in einem Imperium entstehen?
Wahrscheinlich muss ich dazu einfach das Buch lesen…
Mir gefällt der Pragmatismus der britischen Merkel, im Gegensatz zur Faselei der SPD, die zwar von Demokratie, EU und Arbeitsplätzen redet, aber im Wahlkampf nichts über die Möglichkeit eines europäischen Energiemarkts sagte, der Arbeitsmarkt-, Umwelt- und Sicherheitsaspekte, also zwei genuin sozialdemokratische Themen umfasste.
Ob sie wirklich britisch ist, wird sich dann aber daran entscheiden, wie sie zur Finanztransaktionssteuer steht. 😛 (Oder sind die Briten plötzlich für die FTT?)
PS: Was ist los mit Parisien?
Bei Merkel kann jeder hören, was er will. Darum geht es ja. Naive oder ungeduldige Geister (besonders Alpha-Männchen) werden verführt, auf den Tisch zu hauen und finden sich dann nackt im Wind auf einer Lichtung wieder. Als ob es nie Kontakte zwischen Cameron, EVP und Kanzleramt gegeben hätte. Mutti nimmt die Mittelposition ein und verbindet die Enden, wie-eben- nur eine Mutti das kann. Und niemand fragt, warum es Streit über einen vorhersehbaren Wahlausgang gibt.
Dass die Briten Junker nicht wollen, war bekannt.
Dass die EVP Junker will, wissen wir auch nicht seit gestern.
Wenn sie jetzt heuchlerisch meint, UK müsste sich nicht erklären, warum lässt sie es zu so einer Situation kommen? Na, klar – jetzt schwebt sie salomonisch über den Dingen. Deswegen war es kein Putsch, sondern eine Debatte, die im Hintergrund hätte geführt werden können und die mit Muttis Moderation nun aus dem Ruder gelaufen ist. Es ist ja nicht abwegig, dass Merkel/Cameron in einem Telefonat klären, was passiert, wenn die EVP gewinnt. Und dann Elmar Brok steckt, die Nummer mit dem Spitzenkandidaten zu beerdigen.
Der genannte Kompromiss Donald Tusk ist in der EVP. Christine Lagarde ist in der EVP. Wie kommt man auf die Idee, Junker zu nominieren? Weil man glaubt, Mutti als Rückendeckung zu haben! Die natürlich weiß, dass halb UK aus der Hose hüpft.
Ihre Rede war der Gipfel der Unverschämtheit.
Lieber EJ, auch Ihr dick aufgetragener Sarkasmus macht Ihre Aussage nicht richtiger. ICH habe zwar im erwähnten Europa-Buch für eine stärkere Integration der Außen- und Sicherheitspolitik plädiert, also tatäschlich für geteilte Souveranität. Die Kanzlerin jedoch plädierte nur für mehr Gemeinsamkeit, also Absprachen unter souveränen Staaten.
Und mehr darf sie auch nicht fordern, weil das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Lissabonner Vertrag ganz klar gesagt hat, dass die Außen- und Verteidgungspolitik zu den Kernbereichen nationaler Souveranität gehören, die ohne Änderung der Verfassung – also Zweidrittelmehrheit im Parlament – nicht angetastet werden dürfen.
Dass ich die Europa-Dissidenten „hätscheln“ würde, ist auch blanker Unsinn. Lesen Sie meine Artikel über die AfD in der „Welt“ etwa. Zu UKIP habe ich noch nie ein freundliches Wort verloren, zu den Rassisten Geert Wilders oder Marine LePen sowieso nicht.
@ Moritz Berger: zu dieser Aussage fällt mir nicht viel ein
Ach, seien Sie doch nicht so fantasielos!
„Bei der Energie-, Klima- und Außenpolitik müsse Europa gemeinsame Lösungen finden“, versteht APO die Kanzlerin, „von mehr Integration“ will er aber nichts gehört haben. – Is‘ doch ganz klar! APO bereitet sein Zubrot für die Rente vor. Er demonstriert uns seinen Hörverlust, weil er anscheinend in’s Hörgeräte-Geschäft einsteigen.
Aber das dürfte ein schlechtes Geschäft für ihn werden: Man muss nur die von APO so freundlich gehätschelten Europo-Dissidenten fragen und man kann sich das Hörgerät sparen. Die haben garantiert gehört, dass die Kanzlerin „von mehr Integration“ sprach, als sie eine gemeinsame europäische Außenpolitik und damit nationalen (außenpolitischen) Souveränitätsverzicht zugunsten Europas forderte.
Lieber Alan Posener,
Sie haben schon wieder recht wenn man nur auf das geschrieben Wort in den Parteiprogrammen achtet.
Deshalb wählte ich ja auch die Bezeichnung, daß alle Parteien eine immer stärkere Integration wollen und diese auch seit Jahrzehnten betreiben.
Daß am Ende dieser immer stärker voranschreitenden Integration ein europäischer Bundestaat entstehen wird ist eine logische Schlußfolgerung meinerseits, und das dies auch so gewollt ist ist ebenfalls meine perönliche Bewertung.
Daß ausgerechnet die FDP (ich gestehe, das Programm habe ich nicht gelesen)die ehrlichste Partei ist erstaunt mich dann doch. Nicht erstaunlich ist es leider, das Ehrlichkeit in der Politik eher bestraft als belohnt wird.
…was mich auf den Gedanken bringt, dass es doch seltsam ist, wenn man in einem Arbeitsausschuss – denn nichts anderes ist das Parlament: ein Arbeitsausschuss des Wahlvolks – sitzt und hochbezahlt zum Ausdruck bringt, dass man diesen Ausschuss blöd und das dortige Herumsitzen noch blöder findet. Aber man kann es auch anders sehen: Wie schön, dass die Demokratie viel sanftmütiger ist als die Wirklichkeit! Wo man nämlich mit einer solchen Einstellung aus jedem Arbeitsausschuss sofort herausgeworfen werden würde. Schon klar: die Leute wurden gewählt, also sitzen sie dort bestens legitimiert und behaupten munter die Nichtexistenz dieser Legitimation. Eigentlich könnten sie aber genausogut woanders meckern, dann wäre der Selbstwiderspruch auch nicht so störend.
@Moritz Berger: Wenn ich den aktuellen Vorgang richtig verstehe, macht Cameron gerade eine politische Erpressung: „Juncker ist eine Symbolfigur des europäischen Parlaments, das wir, insb. unser würdiger Vertreter Mr. Farage, ablehnen. Wenn der europäische Rat Juncker vorschlagt, treten wir aus der EU aus.“ – Und nun findet Frau Merkel, dass die Mitgliedschaft der Briten wichtiger ist als Personal- und Symbolpolitik. Da stimme ich ihr sogar zu. Aber die Briten sind ihr nun was schuldig; mal sehen, was das für ein Preis sein wird. Mal sehen auch, ob das Parlament den britisch lancierten Ratskandidaten akzeptiert oder den Machtkampf weiterführt, um zu beweisen, dass es mehr ist als eine Quasselbude, dem mangels Gestaltungskraft nichtmal mehr eine Prozenthürde zusteht.
Nun, lieber Don Geraldo, seien Sie versichert, dass mir Ihre Zustimmung auch ein wenig unheimlich ist! Und deshalb widerspreche ich mit einem leichten Aufatmen: Keineswegs ist es so, wie Sie behaupten, dass alle großen deutschen Parteien für einen Europäischen Bundesstaat sind. Von den bundesdeutschen Parteien hatte nur eine das Ziel eines föderalen Europa im Programm. (Ich habe sie alle gelesen…) Und zwar die FDP, die ich deshalb nicht gewählt habe, obwohl ich sonst mit ihren Zielen sympathisiere, und deren Wahlergebnis, wenn man Sie und Roland Ziegler ernst nehmen soll, wohl bedeutet, dass es von Deutschland aus kein Mandat für die integrationistische Politik gibt, die das Europäische Parlament betreibt.
Kurz vor dem Ende der Kabushiki-gaisha fällt mit beim Wort Putsch nur ein:
Ein Putsch (auch Staatsstreich oder französisch Coup d’État [ˌkudeˈta] genannt) ist eine oft überraschende, meist gewaltsame Aktion eines Teils der Staatsorgane (oder einer Gruppe davon; oft handelt es sich z. B. um das Militär oder einen Teil davon) mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen und die Macht im Staat zu übernehmen.[1] Putschisten sind in der Regel hohe Militäroffiziere oder Führer paramilitärischer Organisationen. Es kommen aber auch andere „Putsche“ vor, z. B. in der Schweiz im Jahre 1839 der sog. „Züriputsch“ zur vorübergehenden[2] Ausschaltung des Liberalismus im Kanton Zürich, ein eher skurriles Ereignis.
aus:http://de.wikipedia.org/wiki/Putsch
Ist der vermeintliche Putsch nun ein skurriles Ereignis?
Analog dem Züri-Putsch besteht wohl die Gefahr den Liberalismus à la Cameron zu beseitigen.
On man die Beseitigung des britischen Finanz-Liberalismus allerdings als Hochverrat bezeichnen kann ??
Man schaue sich doch einmal fie Binker-Mentalität von Cameron an, hier die Londoner City zu verteidigen.
Und die dürftigen neue Finanzmarktkontrollgesetze der EU sind nur wieder window dressing.
Warum Cameron allerdings etwas gegen Juncker hat, verschließt sich mir.
Beoide sind doch eineige Zwillingen was den “ liberalen Finanzmarkt“ in Europa betrifft.
Sollten wir daher Juncker und Schulz wegen Hochverrats anklagen?
Nun ja:
„Edward Snowdon ist ein Verräter“
http://starke-meinungen.de/blo.....ment-22361
Soviel zu Putsch, Hochverrat und Verräter
Ach ich vergaß:
Es gibt auch “ Flachköpfe “ die allerdings laut diesem Artikel unterschätzt werden:
http://www.gehirn-und-geist.de.....fe/1052002
„Angela Merkels EU ist britisch und das ist gut so!“
http://www.welt.de/debatte/kom.....ut-so.html
Nun ja…..
zu dieser Aussage fällt mir nicht viel ein
Ein treffender Text, dem jeder Demokrat, Republikaner und Liberale zustimmen kann. Man darf das Recht nicht biegen.
https://www.facebook.com/sozialfreiheitlichesForum?ref=hl
Lieber Alan Posener,
nachdem ich Ihnen zumindest in diesem Pfad fast 100%ig zustimmen kann bin ich fast schon froh, Ihnen zumindest in einem Punkt widersprechen zu können;
„Es gibt ja entsprechende Umfragen. Und die belegen, dass es nirgendwo in Europa eine Mehrheit, geschweige denn Stevanovics “satte Mehrheit”, für einen Bundesstaat gibt.“
Entscheident sind nicht die Umfragen, sondern die Wahlergebnisse. Und von ein paar Abweichlern a la Gauweiler abgesehen sind die im Bundestag vertretenen Parteien allesamt dafür, die europäische Integration immer weiter zu treiben bis am Ende eine Art Bundesstaat entsteht. Der Unterschied zwischen den Parteien, z. B. Linken und CSU besteht letztlich nur in der Ausgestaltung dieses Bundesstaates, aber nicht im grundsätzlichen Ziel.
Diese 100-%-Parteien aus dem Bundestag haben auch bei der Europawahl fast 90% der Stimmen erhalten.
Solange die Menschen so wählen wie immer brauchen sie sich auch nicht zu wundern, das sie die gleiche Politik wie immer bekommen.
R.Z., Nachtrag … ooops? Korrektur …
Wegen der Schuldenkrise können die Euro-Staaten ihre sozialen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen. 123 Millionen Menschen sind Opfer der Armut, darunter 800.000 Kinder [sic!].
Sie sind die ersten Opfer einer verantwortungslosen Politik, die den Machterhalt über den Gesellschaftsvertrag gestellt hat.
Daher!
R.Z.: Zu den Volksabstimmungen kann man jedenfalls lesen: ‚Laut Gericht kann die Regierung nicht gezwungen werden, eine politische Forderung gegen ihren Willen zu realisieren. …‘
… doch, doch, sie kann gezwungen werden. Man/frau muss es nur wollen./a> Daher!
@ Alan Posener
Ich glaube nicht, dass ich Tagespolitik und Verfassungsfragen verwechsele. Tatsächlich habe ich das, was Sie „Tagespolitik“ nennen (die bundesdeutsche Ukraine-Politik), auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft. Und bin zu dem Schluss gekommen: Sie ist es. Obwohl der – per Umfrage festgestellte „Volkswille“ (der eben nicht der faktisch festgestellte Wählerwille ist!) – in eine andere Richtung zielt.
Sie selbst sprechen (an Roland gerichtet) in diesem Sinne deshalb auch nicht davon, dass der Wunsch des EU-Parlaments, Junker zum Kommissionspräsidenten zu wählen, verfassungswidrig, also illegal, sei. Sie bezweifeln lediglich die Legitimität des Parlamentsvorhabens. Sie behaupten mit anderen Worten lediglich, dass das Verhalten des EU-Parlaments politisch falsch, politisch unklug, ungerecht (oder etwas sonst dergleichen) sei.
Und darüber lässt sich ja durchaus reden. Wie Sie’s dann in Ihrem letzten Abschnitt (an den lieben EJ) auch tun. Und – siehe da! – jenseits der (legalistischen/ formalistischen/ nur binären) Ja-nein-Zuspitzung eröffnet sich die Aussicht auf ein politisch beackerbares Feld. Und was Sie, APO, an Europapolitik oder europäischer, wie Sie sagen, „Gemeinsamkeit“ vermissen, nennen andere „Vertiefung“. Und genau darum geht’s! Wo auch immer Sie beginnen wollen – bei einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik oder anderswo – und wie Sie’s auch immer nennen wollen: Es geht um Gemeinsamkeit und Vertiefung.
In dieser Perspektive kann ich mir sogar den – von Ihnen im Prinzip geforderten – Versuch der politischen/ politisch klugen Rücksichtnahme auf die Europa-Dissidenten vorstellen – mit dem Ziel ihrer EU-Integration. (Wobei die dissidenten Mägdelein und Knaben den ersten integrativen Schritt im Grunde schon selbst gemacht haben – aus den nationalen Parlamenten (in denen ihre Europa-Ablehnung eigentlich ihren logischen/ genuinen Ort hätte) hinaus gerade in’s von ihnen in seiner politischen Legitimität angeblich bezweifelte Europa-Parlament.)
Lieber Stevanovic, das kann man in der Tat so sehen.
Um Ihnen möglicherweise etwas entgegenzukommen: Ich habe mich tatsächlich auch darüber geärgert, dass Juncker nicht bei der CDU zur Abstimmung stand. Anders als es in der Wahlwerbung vorgegaukelt wurde. Genauso wie sich jemand, der ähnlich denkt wie ich, aber z.B. in Frankreich beheimatet ist, darüber geärgert haben wird, dass Schulz nicht auf dem Wahlzettel stand. Die Ursache unseres Ärgers besteht aber darin, dass wir Wahlzettel vorgesetzt bekommen haben, die nur dazu geeignet sind, ein Parlament zu wählen, das lediglich ein „Parlament“ sein kann, weil von ihm keine Regierunggewalt ausgeht. Also auf den Vertrag von Lissabon.
Welche Regierungsgewalt das im Einzelnen ist, die vom zu wählenden Parlament ausgehen soll – darüber kann man ja auch mit den Euroskeptikern reden. Ob das „nur“ ein paar nationale Absprachen sein sollen, die man im gemeinsamen Europaparlament trifft, oder ob das eine echte Vertiefung hin zu einer koordinierten Wirtschaftsregierung werden soll. Das ist ja alles offen. Aber es ist jedenfalls merkwürdig, dass schon allein die Simulation, ein Parlament zu wählen, von dem etwas mehr Macht als vorgesehen ausgehen würde (von „aller Macht“, die vom „Volke“ ausginge und im Parlament mündete, kann ja in dieser Simulation keine Rede sein), in einer Art allergischen Reaktion als „undemokratisch“ zurückgewiesen wird.
…und was meine vermeintliche Unterstellung angeht: Lesen Sie bitte noch einmal Ihre Bemerkung oben, 3. Juni 2014 um 14:07, dort finden Sie eine gute Begründung für die Unterstellung.
Lieber Herr Posener, ich irre hundertfach, aber auch Sie sind nicht gegen Irrtum gefeit. Zu den Volksabstimmungen kann man jedenfalls lesen:
„Laut Gericht kann die Regierung nicht gezwungen werden, eine politische Forderung gegen ihren Willen zu realisieren. Der Senat sei nur verpflichtet, über das Ergebnis eines Volksentscheids nicht leichtfertig hinwegzugehen. […] Einer Abstimmung über eine einzelne Sachfrage kommt in der Demokratie nicht annähernd die gleiche Bedeutung zu wie den Wahlen zu den Volksvertretungen.“
http://direkte-demokratie.de/t.....berlin.htm
Zur Rechtssicherheit: Das ist zwar etwas sehr Schönes, aber nichts, was originär mit Demokratie zu tun hätte. Es ist etwas Zweites. Rechtssicherheit können Sie auch in einer Monarchie, Diktatur oder einer haben. Und Technokratie, Korruption und schlechte Gesetze gibt es umgekehrt genauso in Demokratien.
Nein, Ihre Argumentation steht auf zwei Beinen, die beide arg wackelig sind: einem rechtlichen und einem demokratietheoretischen Bein. Je nachdem, welches Bein man gerade zum Einknicken bringt, verlagern Sie Ihr Gewicht auf das andere. Aber die Beine tragen nicht: Das Europäische Parlament hat weder illegal noch undemokratisch gehandelt. Es hat seinen Handlungsspielraum ausgenutzt, um eine Abstimmung zu ermöglichen. Nur weil es kein explizites Vorschlagsrecht im Lissaboner Vertag bekommen hat, darf man nicht davon ausgehen, dass ein eigener Vorschlag illegal, also verboten wäre. Hier gilt: Was vertraglich nicht ausgeschlossen ist, ist erlaubt. Also legal.
Und nochmal grundsätzlich: Der „Chef von Europa“ ist weder der Ratspräsident noch der Kommissionspräsident – dies sind nur die Stellvertreter, gewählt von Stellvertretern, die ihrerseits von Stellvertretern gewählt wurden – das ist Stellvertreterpolitik hoch drei. Sondern der Souverän, das Wahlvolk. Wenn man den Versuch unternimmt, den Chef auch „außer der Reihe“ zu befragen, kann das gar nicht undemokratisch sein.
Sie irren mehrfach, lieber Roland Ziegler. Um beim Einfachen zu beginnen:
Die Volksabstimmung zu Tempelhof bindet den Senat selbstverständlich. Man mag das gut oder schlecht finden, aber das ist so.
Und: Demokratie ist natürlich nicht, „in erster Linie: Wahlen. Abstimmungen. Und dann wird das getan, was die Mehrheit – mindestens 50,x % – will.“ Sondern auch eine gewählte Mehrheit muss sich an die Regeln halten und kann nicht einfach tun, was sie will. Man nennt das die „rule of law“ oder den „Rechtsstaat“.
Und dann: Sie konnten Martin Schulz wählen, weil er auf Ihrem Wahlzettel stand. Aber außerhalb Deutschlands konnte das keiner, so wie außerhalb Luxemburgs niemand für Juncker stimmen konnte. Deshalb ist die Behauptung, diese beiden wären sozusagen durch ein populäres Votum demokratisch legitimiert, Unsinn. In Großbritannien etwa, das zusammen mit Frankreich und Deutschland zwei Drittel des EU-BIP erwirtschaftet, stand nicht einmal die EVP (EPP) auf den Wahlzetteln, weil sie dort keine Kandidaten aufstellte!
Unterstellen Sie mir schließlich nicht, dass ich dafür bin, Nichtwähler zu zählen und Populisten zur Mehrheit zu erklären. Freilich ist der jetzige Machtkampf ein ausgezeichnetes Mittel für Integrationisten, den Schlag ins Gesicht zu verdrängen und vergessen zu machen, den sie bei den Wahlen erhalten haben.
Ähnliches gilt auch für Sie, lieber Edmund Jestadt. Sie verwechseln Tagespolitik (Ukraine) und Verfassungsfragen (Bundesstaat Europa). Lassen Sie einmal den Gedanken zu, der meinem Buch zugrunde liegt, nämlich: Die EU ist und wird in absehbarer Zukunft kein Nationalstaat, weil die Menschen und die Regierungen das mehrheitlich nicht wollen. Das heißt nicht, dass die EU-Bürger in der Mehrheit unverbesserliche und rückschrittliche Nationalisten wären. Diese Umwertung der Werte ist auf ihre Weise fast so bedenklich wie die russische Propaganda, die ukrainische Patrioten zu Faschisten und Agenden der USA/EU erklärt.
Die EU ist kein Staat, weil sie weder eine souveräne Außen- und Sicherheitspolitik betreiben noch eigene Steuern erheben noch Zwangsmittel gegenüber den Bürgern anwenden kann. Außerdem betreibt sie weder eine gemeinsame Währungs- noch eine gemeinsame Fiskalpolitik. In meinem Buch habe ich insbesondere darauf abgezielt, dass die EU im Bereich Außen- und Sicherheitspoiltik – einschließlich Nachbarsachafts- und Erweiterungspolitik – mehr Gemeinsamkeiten entwickeln muss, statt (als Ersatzhandlung) eine „immer engere Union“ in Bereichen anzustreben, die auch in einem Bundesstaat Sache der Einzelstaaten wären.
Ein Putsch wäre es dann, wenn das Parlament nicht über die vorgeschlagenen Kandidaten abstimmen würde. Das hier sind vergeigte Vorgespräche. Natürlich kann man einzelnen Fraktionen, den Weltrettungsphantasien der Sozis oder der Ignoranz der Konservativen oder der Mutlosigkeit der Liberalen die Schuld geben. Stimmt ja alles. Es gibt aber nur eine Stelle, die über solche Projekte entscheidet, die deutsche Kanzlerin und die CDU Vorsitzende, beides Merkel. Sie hat Junker beschädigt, Cameron in die Ecke gedrängt, die EU- Fraktionen lächerlich gemacht und der zu wählende Kandidat wird von ihrem Gnaden sein. Alle Seiten hatten das Gefühl, Merkel sei ein Verbündeter.
Es ist kein Putsch, es ist das System Merkel, wir kennen das Verfahren doch zu Genüge. Jungs, die laut schreiend über Glatteis segeln- mehr kann ich in Schulz und Junker nicht sehen. Gefährlich wird die Schwächung Camerons.
Nebenbei: das Parlament darf sich vieles wünschen, vorschlagen wird der Rat. Wie stark der ist, hängt von ihm ab.
…achso, noch kurz zu den Umfragen unter Nichtwählern: die sind irrelevant. Schlicht & ergreifend. Hier darf ich auch mal legalistisch sein. Ich habe mir als langjähriger Atomkraftgegner lange genug anhören müssen, dass die Umfragen irrelevant seien, solange sie nicht in entsprechende Wahlergebnisse umgemünzt werden. So sei es! Ich habe das Argument immer eingesehen.
Insofern kann ich auch nicht akzeptieren, wenn man eine 25-Prozent-Partei wie die Front National einfach mal eben zur Mehrheit erklärt und auf Nachfrage den nichtwählenden Wutbürger hinzuaddiert. Nein: es gibt eine Dreiviertelmehrheit GEGEN die Front National. (Dass das trotzdem noch viel zu wenig ist, steht auf einem anderen Blatt.)
@ Alan Posener: Es gibt ja entsprechende Umfragen. Und die belegen, dass es nirgendwo in Europa eine Mehrheit, geschweige denn Stevanovics “satte Mehrheit”, für einen Bundesstaat gibt.
Sicher. Es gibt Umfragen. Und was bedeuten sie in einer repräsentativen Mehrheits-Demokratie, in einer Mehrheits-Demokratie ohne imperatives Mandat?
Nehmen Sie die bundesdeutschen Ukraine-Umfragen und unsere (geradezu diametral entgegengesetzte) Ukraine-Politik als Beispiel. Die Diskrepanz zwischen Umfragewerten und faktischer Politik ist so krass, wie es selten eine war. (So z.B. in einer von Ihrer Zeitung in Auftrag gegebenen und veröffentlichten Umfrage dokumentiert.) Und? Die Ukraine-Politik des bundesdeutschen Parlaments und der bundesdeutschen Regierung halten Sie jetzt deswegen auch für einen Putsch?
(Was Schmidt/ Schulz betrifft – da haben Sie allerdings mal recht: Selten etwas so dummes und selbstwidersprüchliches gesehen wie das Zücken seiner „nationalen Karte“. Einen Aufschrei gab’s aber trotzdem nicht.)
@ Alan Posener: EJ, lesen Sie das letzte Kapitel meines Buchs, und nicht die Rezension irgendeines Flachkopfs
Sie wissen, dass ich nicht nur die die Rezension „irgendeines Flachkopfs“ gelesen habe.
Ich danke für die Belehrung. OK, also nicht den Chef der EU wählen. Wenigstens den Kommissionspräsidenten wählen? Nein? Zu undemokratisch?
Ich habe nicht Juncker gewählt, in der Tat, das konnte man nicht: der stand nicht auf dem Wahlzettel. Auf dem Wahlzettel stand jedoch Martin Schulz (und genau den habe ich – bitte um Nachsicht – u.a. deswegen auch gewählt).
Mein Punkt ist: Es ist sehr merkwürdig zu behaupten, eine Nichtwahl sei demokratischer als eine Wahl. Noch merkwürdiger wird es, wenn man im gleichen Atemzug auf ein Demokratie- und Legitimationsdefizit hinweist (was Sie meiner Erinnerung nach andernorts getan haben). Für meine Begriffe heißt Demokratie in erster Linie: Wahlen. Abstimmungen. Und dann wird das getan, was die Mehrheit – mindestens 50,x % – will (Minderheitenschutz ist nicht abstimmbar).
Wir Berliner konnten, wie Sie wissen, gleichzeitig ein Kreuzchen bei den Tempelhofer-Feld-Vorschlägen machen. Auch diese Wahl ist formal nicht regulär (=bindend) (soviel ich weiß) und insofern vergleichbar. Der gewählte Senat hat das Recht, auf dem Tempelhofer Feld das zu machen, was er für richtig hält, egal was die Abstimmung ergibt. Dennoch kommt kein Mensch, nicht einmal der Bürgermeister, auf die Idee, solche Abstimmungen, obwohl sie am formalen Regularium vorbeigehen, als „undemokratisch“ zu bezeichnen. Außer Ihnen.
Die Frage, wer was regeln darf, ist eben nicht trivial:
http://de.wikipedia.org/wiki/F.....smusreform
Das ist ein Putsch, lieber Stevanovic, weil es sich um eine Selbstermächtigung des Parlaments gegen die anderen verfassungsmäßigen Organe der EU darstellt, insbesondere gegen den Rat, der besser demokratisch legitimiert ist.
Und die Aussage, EVP und S&D hätten im Parlament eine „satte Mehrheit“, ist irreführend. Zusammen haben sie 403 von 751 Sitzen; das ist gewiss eine Mehrheit, aber eine „satte“ Mehrheit?
Keiner der „Spitzenkandidaten“ holte auch nur ein Drittel der zu verteilenden Sitze. Und dass diese zwei „Spitzenkandidaten“, die eigentlich GEGENeinander Wahlkampf führen sollten, nun FÜReinander gegen den Europäischen Rat kämpfen, ist eine Verhöhnung der Demokratie. Schröder 2005 und Steinbrück 2013 hatten immerhin so viel Respekt vor dem Wähler, dass sie zurücktraten und das Zimmern der Großen Ätsch-bätsch-Koalition anderen überließen.
Übrigens stand Juncker nicht als „Spitzenkandidat“ auf meinem Wahlzettel. Und Schmidt nicht als „Spitzenkandidat“ auf dem Wahlzettel irgendeines europäischen Landes außer Deutschland, wo er nicht die europäische, sondern die nationale Karte ausspielte: „Wer einen Deutschen an der Spitze der Kommission will, muss SPD wählen!“
Lieber Roland Ziegler, leider ist Ihre EU- Institutionenkunde mangelhaft. Sie unterstellen mir: „Was Sie sagen ist ungefähr: “He – plötzlich sollen wir wählen, wer EU-Chef werden soll? Wieso datt denn? Wie undemokratisch! Ein klarer Beweis für das Demokratiedefizit in der EU.”“
Aber der Kommissionspräsident ist nicht „Chef der EU“. Wenn überhaupt jemand „EU-Chef“ ist, dann der Ratspräsident; und aus dem Büro Hermann von Rompuys kam schon der Vorschlag, nur er solle den Titel „Präsident“ tragen, nicht aber der Parlaments- und der Ratspräsident, die „Vorsitzende“ genannt werden sollten.
Noch einmal: Sie haben nicht Juncker gewählt, ob Sie ihn nun für den künftigen „EU-Chef“ halten oder nicht. Sie konnten das gar nicht, selbst angenommen, Sie hätten wie ich CDU gewählt, was ich nicht annehme. Sie haben Abgeordnete für das Europäische Parlament gewählt. Und deren Rechte sind im Vertrag von Lissabon festgeschrieben, ob Ihnen das gefällt oder nicht. Es steht Ihnen ja frei, sich für eine Änderung der Verträge einzusetzen.
Sie fragen: „Sollen wir eine Kommission gründen zur Ermittlung, was die Nichtwähler mit ihrem Nichtwählen “eigentlich” gewählt haben?“ ich glaube nicht, dass das nötig sein wird. Es gibt ja entsprechende Umfragen. Und die belegen, dass es nirgendwo in Europa eine Mehrheit, geschweige denn Stevanovics „satte Mehrheit“, für einen Bundesstaat gibt.
Lieber EJ, lesen Sie das letzte Kapitel meines Buchs, und nicht die Rezension irgendeines Flachkopfs.
Vielleicht kommen der Frust und einiges an Aggressionspotential, weil eben diese Wahl die Chance nicht nur für die Abstrafung Europas, sondern eben auch ein Votum für Europa sein konnte. Die Hoffnung war nicht weit hergeholt, dass eben die Spitzenkandidaten zumindest einen Fahrplan mit den zur Gruppierung gehörenden Regierungen gemacht hätten, sprich sowohl Junker als Schulz mit Merkel, deren CDU/CSU immerhin die größte Fraktion innerhalb der EVP stellt und deren Koalitionspartner SPD immerhin den Gegenkandidaten.
S&D und EVP haben eine satte Mehrheit. Dies ist kein Votum in Sachfragen (weil nur Sitze vergeben werden), aber ein überragendes Votum für eben diese Fraktionen. Es ist deswegen kein Putsch. Es macht Sinn, wenn das Parlament, mit einer satten Mehrheit von nur zwei Fraktionen, einen Druck auf andere Institutionen aufbaut und Versucht, das faktische Gewicht zu seinen Gunsten zu verändern. Findet in der BRD im Dreieck Verfassungsgericht, Bundestag und Regierung ständig statt. Politisches Tagesgeschäft-oder?
Im Grunde (Ferndiagnose) sieht es Merkel wie Cameron. Weil sie die Karten aber nicht auf den Tisch legt, (ent)täuscht sie in dem Fall alle Seiten. Und DAS ist ein schlimmeres Ergebnis, als eine zu schnelle Vertiefung oder das Gegenteil, die Beschneidung der EU. Mehr noch als Grundsatzfragen, ärgert die Menschen die Sklerose der EU. Das hat viel mit Kommunikation zu tun.
Deswegen ist es kein Putsch, Merkel hat die EU-Vertiefer auflaufen lassen und damit das Parlament beschädigt, ohne jedoch in einen Diskurs über den day-after einzutreten. Das überlässt sie nun Cameron, der als Anti-Europäer-Sau durchs Dorf getrieben wird.
APo: Der “Economist” hat z.B. Christine Lagarde vom IMF ins Spiel gebracht. Mir wäre auch jemand wie Joschka Fischer recht.
… jau! Bonny & Clyde der Moderne. Das passt. Das sind die richtigen Führungsfiguren für die EU-Mafia.
Der/die/das Lagarde … Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Gelder … und ‚Joschka‘, dieser alte Kosovo-Krieger … da begunnen mir die Augen zu tropfen …
@Alan Posener: Ja, wer nicht wählt, muss das akzeptieren, was die anderen wählen. Die wählen dann für einen mit. Wie sollte es denn sonst sein? Sollen wir eine Kommission gründen zur Ermittlung, was die Nichtwähler mit ihrem Nichtwählen „eigentlich“ gewählt haben?
Was Sie sagen ist ungefähr: „He – plötzlich sollen wir wählen, wer EU-Chef werden soll? Wieso datt denn? Wie undemokratisch! Ein klarer Beweis für das Demokratiedefizit in der EU.“
@ Alan Posener
Ich glaube, APO, wir können sicher sein, dass das EU-Parlament über den Vorschlag des Rats entscheiden wird. Insofern wird alles korrekt ablaufen. Und ich halte das, wie Sie, ebenfalls für wichtig und viel.
Anders als Sie halte ich das Viele aber auch für noch viel zu wenig. Ohne das, was (schon vor der Europawahl und jetzt, danach) „drumherum“ an Politik abläuft, ist/ wäre die Wahl des Kommissionspräsidenten wenig bis nichts. Bestenfalls würde eine „fähige Frau“/ ein „fähiger Mann“ an die Spitze der Kommission gehievt. Und?
Wenn das vertraglich festgeschriebene Junktim zwischen Europawahl und Wahl des Kommissionspräsidenten irgendeinen („verfassungs“-/ vertragsgemäßen) Sinn haben soll, muss die Wahl des Kommissionspräsidenten eine Interpretation und eine Umsetzung des Ergebnisses der Europawahlen darstellen. Und zwar sowohl auf der Seite des vorschlagenden Rats als auch auf der Seite des abstimmenden Parlaments (das man – „verfassungs“-/ vertragsgemäß – zu involvieren, sich anderenfalls hätte sparen können). Und genau das ist es, was gerade im Umfeld der Wahl des EU-Kommissionspräsidenten geschieht.
Und davon, von der Interpretation des EU-Wahlergebnisses und der Diskussion um Europas Zukunft, können wir gar nicht genug bekommen bzw. haben, APO. (Auch wenn’s gerade nicht so in die von Ihnen gewünschte Richtung läuft.) Europa muss noch sehr viel mehr Thema werden, muss uns politisch noch sehr viel präsenter werden. (Insofern kann ich Parlament und Rat eigentlich nur zurufen: Druf, Leute! Immer feste druf! Lasst die Fetzen fliegen!)
@ Alan Posener: Übrigens, EJ: Was soll das heißen, ich würde die “Vertiefung Europas nicht mehr wollen”? Ich wollte sie noch nie. Dagegen habe ich sogar ein Buch geschrieben.
Oh ja! An Ihr Buch erinnere ich mich noch sehr gut. Ebenso an eine der Rezensionen, die im Hinblick auf die demokratische Ausstattung „Ihres“ Europas so nett davon sprach, dass Sie „das Lied des Kommissars singen wie nur irgendein stalinistischer Kader“. (Ich hatte das entsprechende Kapitel Ihres Buches, weit diskreter, nur „das schwächste Kapitel“ Ihres Buches genannt.)
Trotzdem meine ich, mich auch erinnern zu können, dass Sie – etwa im Umfeld der (damals Aufsehen erregenden) einschlägigen Kritik des Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog – gelegentlich ebenfalls einen Demokratiemangel der EU beklagt haben. Und wenn es zutrifft, dass (wie ich hier vor einiger Zeit mal geschrieben habe) die Forderung nach mehr Demokratie für Europa auch die Forderung nach der „Vertiefung“ Europas ist, haben Sie auch „Vertiefung“ verlangt.
Aber, bitte, ich bestehe nicht drauf. Auch möglich, dass Sie schon immer und konsequent für ein „flaches“ Europa waren.
Übrigens, EJ: Was soll das heißen, ich würde die „Vertiefung Europas nicht mehr wollen“? Ich wollte sie noch nie. Dagegen habe ich sogar ein Buch geschrieben.
OK, Roland Ziegler, point taken: Erst bei 50% plus haben wir eine Mehrheit. Und wie hoch war noch mal die Beteiligung bei der Wahl zum Europäischen Parlament?
Und richtig: Weder FN noch UKIP haben eine Mehrheit der Wähler hinter sich. Aber sie sind die jeweils stärksten Parteien in Frankreich und Großbritannien. Sie können natürlich sagen: Wer nicht wählt, der nicht zählt; und: Wir vertreten die Mehrheit der wählenden Minderheit gegen die Minderheit der wählenden Minderheit, und wir machen das halt so, wie wir das für richtig halten. Aber kommen Sie mir nicht mit europäischen Visionen und Demokratie.
http://carnegieeurope.eu/strategiceurope/?fa=55778
Es ist deswegen kein Putsch, weil das EU-Parlament ja niemanden gewählt hat oder wählen wird. Es ist ein politischer Vorstoß, ungeschickt gespielt, aber legitim. Was wer finden, ist ja ziemlich Wurst – es wurde trotz aller Empörung kein Recht gebrochen – weder von den einen, noch von den anderen.
„Erheblich ist, dass in drei von den vier ökonomisch wichtigsten und bevölkerungsreichsten europäischen Ländern die Mehrheit der WählerInnen diese Perspektive explizit abgelehnt hat.“
FN, Ukip, AfD und ähnliche haben nirgendwo eine Mehrheit bekommen, nirgends. Selbst in Griechenland haben Parteien, die der EVP oder S&D angehören, die Mehrheit. Kein abwegiger Gedanke, dass der Sieger der Wahl, trotz aller Verluste, Politik macht. Cameron ist nicht Mitglied der EVP, kann deswegen auch keine Versprechen der EVP kippen. Deswegen ist Camerons Wiederstand nachvollziehbar. Merkels Fall liegt anders. Sie hat einen „Spitzenkandidaten“ suggeriert (den sie eigentlich für doof hält) und beruft sich nun auf das Kleingedruckte (oder nicht – ändert sich ja schnell). Und das ist der Unterschied.
Lieber Alan Posener, denken Sie an Ihren Kühlschrank: manche Dinge verfallen, bevor sie zum Einsatz kommen.
Ansonsten: Nicht 25%, nicht mal 49%, sondern 50,x % ergeben eine Mehrheit.
Dass ICH, lieber Roland Ziegler, lieber EJ, zum jetzigen Zeitpunkt und für die absehbare Zukunft einen Europäischen Bundesstaat für völlig unrealistisch halte, ist unerheblich. Erheblich ist, dass in drei von den vier ökonomisch wichtigsten und bevölkerungsreichsten europäischen Ländern die Mehrheit der WählerInnen diese Perspektive explizit abgelehnt hat. Und – Kleinigkeit für Sie vielleicht – auch das Bundesverfassungsgericht.
Aber Sie sehen völlig richtig: Der vertragswidrige Vorstoß der großen Mitte-Fraktionen des Parlaments, so zu tun, als ginge es um die Wahl eines Europäischen Regierungschefs, und als liege das Vorschlagsrecht beim Parlament, und als wäre die Nichtbeachtung dieses Vorschlags ein undemokratischer Akt – dieser Vorstoß soll natürlich die Weichen in Richtung Bundesstaat stellen und ist darum nicht nur ein Verstoß gegen das Recht, sondern ein undemokratischer Akt. Denn die „Berücksichtigung“ der Wahlergebnisse erfordert zwingend die Wahl eines Kommissionspräsidenten, der das Votum der Wähler in Frankreich, Italien, Großbritannien, Dänemark, Holland und anderso zur Kenntnis nimmt. Und der begreift, dass diese Wahl – als Zeichen der Berücksichtigung der Wahlergebnisse – auf die vom Vertrag vorgeschriebene Weise erfolgt.
Und was Ihre Bemerkung angeht, lieber R.Z., das „Verfallsdatum“ des Vertrags von Lissabon sei bereits „überschritten“: Hallo? Dies ist die erste Wahl, bei der die Regelungen dieses Vertrags angewendet werden!
@Alan Posener: Ihre Replik verstehe ich nicht. Das Parlament darf den Kandidaten ablehnen, klar; es darf den gewählten Chef absetzen und – es darf darüber hinaus auch einen eigenen Vorschlag bei der Parlamentswahl machen, über den wir Wähler dann abstimmen, ob es dem Rat passt oder nicht. Dieses letztere sehen Sie offenbar anders. Mit dem „in Stein gemeißelt“ meine ich, dass man nicht so tun sollte, als wäre der Vertrag von Lissabon etwas anders als eine Übergangslösung, deren Verfallsdatum bereits überschritten ist.
@EJ: Sie sagen es. Alan Poseners Argumentation ist eine Scheinargumentation; er bemüht ungeeignete Argumente, um die europäische Staatsbildung zu verhindern. Denn über einen Vorschlag des Parlaments abstimnmen zu lassen, obwohl das formale Vorschlagsrecht beim Rat liegt, ist weder undemokratisch noch illegal.
Das Ziel – den europäischen Bundesstaat zu verhindern – ist ja völlig legitim, nur sollte man es auch offen sagen. So erscheint mir das wie unwilliges Herummäkeln an einer Wahl, um den Work-in-Progress der Einigung mit dem Vertrag von Lissabon im Status Quo festzunageln.
@ R.Z.: Jetzt rudern Sie ein wenig zurück: „Das Parlament hat eine Meinung.“ Klar darf das Parlament eine Meinung haben. Das Parlament darf auch den Kandidaten des Rats ablehnen. Und, wie gesagt, auch der vom Parlament dann gewählte Ratspräsident kann laut Lissabon-Vertrag jederzeit vom Parlament abgewählt werden. Wollen Sie mit einem wurstigen „Der Vertrag ist nicht in Stein gemeißelt“ dieses Recht des Parlaments in Frage stellen?
@ E.J.: Ich könnte mit Juncker als Kommissionspräsident leben. Ich halte es aber für sinnvoll, sich nach anderen Kandidaten umzusehen, die vielleicht weniger eng verwoben sind mit dem EU-Apparat. Der „Economist“ hat z.B. Christine Lagarde vom IMF ins Spiel gebracht. Mir wäre auch jemand wie Joschka Fischer recht. Ich verwehre mich aber gegen die Unterstellung, ein anderer Vorschlag als Schulz-oder-Juncker wäre „undemokratisch“ oder „uneuropäisch“.
Ich glaube, dass die nächste Wahl fürs Europa-Parlament ohne „Spitzenkandidaten“ und ohne die vom Parlament in die Welt gesetzte Lüge, damit würden die Bürger Europas über den Kommissionspräsidenten abstimmen, auskommen sollten. Wenn zum Beispiel eine entsprechende Abmachung und Erklärung des Parlaments Teil eines Deals wäre, der Juncker zum Kommissionspräsidenten macht, dann hätten Leute wie ich mit unserer „legalistischen“ Argumentation etwas erreicht.
@ Alan Posener: drei Worte zu viel
Es geht nicht um meine besserwisserische Kleinlichkeit. Nur am Rande jedenfalls 😉
Mit Ihrer, wie Roland richtig sagt: legalistischen Sicht gehen Sie an der mit dem Namen „Junker“ (kontra „Schulz“/ Staatsmann kontra Parlamentarier) verbundenen politischen Dimension des Vorgangs, man könnte auch sagen: an der Merkel’schen Intuition völlig vorbei. Und ich denke, Sie wollen daran vorbei gehen – gerade weil die Wahl Junkers den/ einen ersten signifikanten demokratischen Kompromiss zwischen europäischen Nationalstaaten und Europäischen Parlament darstellt. Schon der überaus vorsichtige, wenn nicht von erheblichem Misstrauen gegen das Europa-Parlament geprägte Junker-Vorschlag Merkels geht Ihnen zu weit. Warum? Ich denke, weil der Junker-Vorschlag bzw. das sich abzeichnende (und potenziell hoch symbolische) Einverständnis zwischen Europäischem Parlament und Europäischem Rat genau die „Vertiefung“ Europas darstellt, die Sie inzwischen (wahrscheinlich nicht zuletzt zugunsten Großbritanniens) nicht mehr wollen.
Verstehen Sie mich richtig, bitte: Ich will nicht Ihre (mehr oder weniger) geheimen Motive ergründen (und outen), sondern auf die politischen (Tiefen-)Dimensionen hinweisen, die Sie in Ihrer legalistischen/ formalistischen Argumentation – absichtsvoll oder nicht – aussparen und umgehen und nicht benennen. In dieser politischen (Tiefen-)Dimension geht es nicht um die juristisch korrekte Auslegung irgendwelcher Artikel und Paragraphen, die die Wahl des EU-Kommissionspräsidenten regeln, sondern um die damit verbundenen sehr verschiedenen, erheblich differierenden Vorstellungen davon, welchen Weg Europa künftig einschlagen soll. Und diese (Tiefen-)Dimension gehört hell ausgeleuchtet, meine ich. (Auch, um Ihre Argumentation nachvollziehen und bewerten zu können.)
Vielleicht kann man es so erklären, was daran demokratisch ist: Das Parlament macht Vorschläge, die Wähler stimmen in der EP-Wahl darüber ab. Dann werden die Vorschläge dem Rat präsentiert. So ist es gewesen.
Die Alternative dazu, die Sie fordern, lautet: Die nationalen Regierungen, die für nationale Belange gewählt wurden, einigen sich auf (=kungeln) Vorschläge; die Wähler halten sich komplett raus. Die dürfen erst bei der nächsten nationalen Wahl wieder ran, und dann können sie entscheiden, ob ihnen die nationale Politik gefällt UND ob ihnen die Europapolitik gefällt. Eine ziemlich komplexe Fragestellung. Was, wenn man hierzu zwei unterschiedliche Antworten hat? Z.B. national: SPD, europäisch: AfD? Dann ergibt sich ein unauflösbares Dilemma.
@Alan Posener: Welches Gesetz wurde denn nicht beachtet? Das Parlament hat keinen EU-Chef ausgerufen. Es hält sich doch an die bestehende Gesetze. Es ist aber nicht gezwungen, den Vertrag von Lissabon in Marmor zu meißeln. Es muss ihn lediglich befolgen. Das hat es getan. Nun liegt es am Rat, den richtigen Kandidaten aufzustellen. Dazu hat das Parlament eine Meinung.
Wollen Sie behaupten, dass dem Parlament eine solche Meinung nicht zusteht? Der Vertrag ist ein Kompromisswerk mit vorläufigem Charakter. Er ist nicht z.B. mit dem Grundgesetz zu vergleichen.
@ Roland Ziegler: Ja, ich argumentiere „legalistisch“. Mit anderen Worten: Verträge sind einzuhalten, Gesetze zu beachten. Das ist ein Grundsatz des Rechtsstaats. Der Vertragstext von Lissabon hat Gesetzeskraft, er ist, lieber Roland Ziegler, von Ihrem und meinem Parlament, dem Bundestag, gebilligt worden. Jetzt kommen Sie und sagen: Was schert mich das Gesetz? Können Sie gern, aber nicht im Namen der „direkten“ Demokratie, denn im Bundestag waren und sind Sie direkt vertreten, „direkter“ als im EP.
@ EJ: Gut, im Überschwang drei Worte zu viel. Korrektur. mit Dank für den Hinweis:
Die Passage lautet nicht: „Das EP wählt einen Kommissionspräsidenten, den der Rat bestätigen muss.“
Juncker mag ein honoriger Mann sein (obwohl …), aber nicht um ihn geht es, sondern um das Ziel des EP, einen Präzedenzfall zu schaffen, so dass der Vorgang in Zukunft faktisch so abläuft, dass das EP immer seinen Kandidaten durchbekommt.
Und nein, wir haben es hier nicht mit der UdSSR zu tun. Deshalb muss der Rat einen Kandidaten finden, für den das EP stimmen wird, das übrigens jederzeit den Kommissionspräsidenten absetzen kann. Die Entscheidungs- und Konsensfindung wird erschwert, wenn das Parlament von vornherein sagt: Der oder keiner. Was daran übrigens demokratisch sein soll, weiß ich nicht.
@ Alan Posener: Die Passage lautet nicht: „Das Europäische Parlament wählt aus seinen Reihen einen Kommissionspräsidenten, den der Europäische Rat zu bestätigen hat.“
Die Passage muss auch nicht so lauten. Denn Junker ist gar nicht Mitglied des Europäischen Parlaments und hat auch nicht für das Europäische Parlament kandidiert, so weit ich weiß.
Eine der Pointen des Vorschlags, Junker (und nicht Schulz) zu wählen, ist ja gerade, dass Junker als Premierminister seines Landes beinahe zwei Jahrzehnte lang Mitglied des Europäischen Rates war und ein geradezu ein prototypischer Vertreter der (so heftig kritisierten) „intergouvernementalen Regierung“ Europas ist.
Mit Junker würde eben gerade kein europäischer Parlamentarier/ Europa-Parlamentarier, sondern ein klassischer (europäischer) „Staatsmann“ durch das Europäische Parlament zum EU-Kommissionspräsidenten gewählt. Für alle, die nicht (right or wrong) Europa-Gegner und/ oder Europa nur in nationalen Kategorien denken können, ein kaum zu unterschätzendes „realistisches“ Symbol/ Symbol für den „demokratischen Realismus“ Europas.
Ebenfalls in diesen Zusammenhang gehörig, aber weit wichtiger ist etwas anderes:
Der tatsächliche Gesetzestext lautet: „Der Europäische Rat schlägt […] einen Kandidaten […] vor […] Das Europäische Parlament wählt diesen Kandidaten mit der Mehrheit seiner Mitglieder.“
Auch wenn mancher „National-Demokrat“ es gerne so verstehen will, „Der Europäische Rat schlägt vor – das Europäische Parlament wählt“, sollte vielleicht nicht gerade so verstanden werden, als stamme der Gesetzestext aus Stalins Zeiten oder als sei er in Nordkorea formuliert worden. Oder?
Volltreffer !!!!!!!!!!!!!!!
…Selbstkorrektur: illegal kann man es nicht finden. Welches Gesetz oder wenigstens Regelung hätte das Parlament denn verletzt? Es kann doch fordern, was es will.
Sie argumentieren legalistisch, als sei der Vertrag von Lissabon die Heilige Schrift der Demokratie, und Sie versuchen, den Spieß umzudrehen und das Parlament als „scheene Demokraten“, also undemokratisch, hinzustellen.
Gegen das legalistische Argument spricht, dass alle den Status Quo der EU als vorläufig und fehlerhaft ansehen, aber es nahezu unmöglich ist, auf normalem, institutionellen Wege zu einer vernünftigen Reform des Vertragswerks zu kommen.
Beim Versuch des Spießumdrehens muss man sich die Entscheidungsfindung klarmachen. Nationale Regierungen werden durch nationale Parlamente gebildet – indirekte Demokratie 1. Ordnung – und die Regierungen bestimmen dann weiter den EU-Chef – indirekte Demokratie 2.Ordnung. Der Stärkere gewinnt und man spielt über Bande. Dabei kann nur Filz herauskommen, und genau das ist es, was auch herauskommt und überall kritisiert wird: dass Brüssel zu einer verfilzten, undurchsichtigen, aufgeblähten, nicht ausreichend legitimierten Oligarchie wird oder bereits geworden ist.
Um hier Abhilfe zu schaffen, ist das Parlament auf die glorreiche Idee gekommen, einfach mal so zu tun, als hätten wir demokratische Verhältnisse, als hätte das Wahlvolk – es geht nicht um das Parlament – die Macht. Das kann man originell finden, illegal auch, aber jedenfalls nicht undemokratisch. Denn das europäische Parlament ist die einzige Instanz, die halbwegs direkt vom Wahlbvolk gewählt wird.
Was der Rat nun mit dem Wählervotum anfängt, ist laut Vertrag seine Sache. Klar kann er nach Gutdünken alles ignorieren und einen eigenen Vertreter an die Spitze Europas hieven. Dann aber sollte man sich nicht über den fortschreitenden Zerfall von Europa wundern.
Was mich als Normalwähler angeht – um mal eine persönliche Note einzubringen -: Ich möchte, dass meine Stimme bei der Wahl zum europäischen Parlament bei der Bildung der europäischen Regierung (zusammen natürlich mit den Stimmen aller anderen Wähler) grundlegend ist. Bei der Wahl des nationalen Parlaments wähle ich „meinen“ Vertreter für die nationale Instanz, bei der europäischen Wahl wähle ich „meinen“ Vertreter für die europäische Instanz.
So soll es sein, sonst wähle ich gar nicht. Ich möchte nicht, dass meine nationalen Vertreter zu meinen europäischen Vertretern werden. Ob das dem Vertragswerk entspricht oder nicht, ist für mich zweitrangig.
Insofern begrüße ich den vermeintlichen Putsch – dem jegliches Militärische abgeht und insofern überhaupt kein Putsch, sondern ein Trick ist – des Parlaments.
APo: ‚Mit anderen Worten: Lechts und Rinks sind austauschbar.‘
… jau! … alles wird gut! 😉