Denunzianten sind doppelt ekelhaft, sie üben Verrat und sind feige. Nicht nur, dass sie jemanden anschwärzen wollen, nein, sie wollen dies unerkannt tun, so dass jenem der Schaden bleibt und ihnen keine Verantwortung erwächst. Heckenschützen, die nicht die Courage haben, zu dem zu stehen, was sie meinen, sagen zu müssen. Denunziantentum ist eine soziale Praxis in Diktaturen. Die Nazis haben es gefördert und die Stasi. Und nun auch der ADAC und die Grünen.
Der ADAC will eine demokratische Organisation werden, indem er eine Möglichkeit zur anonymen Denunziation von Fehlverhalten schafft. Das trompetet er voller Stolz in die Welt. Was da als tolle Idee verkauft wird, passt zur restlichen Verlogenheit des Neuanfangs. Das wirkliche Kalkül ist, ich zitiere hier interne Erwägungen der Berater des ADAC, dass man in der Vereinsführung Schweinereien erfährt, bevor sie in der Süddeutschen Zeitung stehen. So gewinnt man Zeit und kann noch klammheimlich etwas machen, das die PR-Leute „clean your act nennen“. Wenn der neue Ethik-Beirat des ADAC diese Praxis deckt, ist er schon heute erledigt.
Zweites Beispiel: In Berlin, Bezirk Pankow, regieren die Grünen und die Alt-Roten und installieren eine staatliche Garantie „gesunder Lebensverhältnisse“ durch die Einrichtung von „Milieuschutzgebieten“ gegen „Überfremdung“. Es wurde ein „Zweckentfremdungsgesetz“ beschlossen, das die Nutzung von Wohnungen der autochthonen Bevölkerung (Prenzelberger) durch Touristen verhindern soll. Die Bevölkerung wird zum Blockwarttum aufgefordert und darf anonyme Hinweise an die Behörden geben, wenn der Milieuschutz verletzt wird.
Als Indizien nennt Jens-Holger Kirchner (Grüne) allen Ernstes: regelmäßiger Wäschewechsel, englische Sprache und Fantasienamen an Klingeln. Fünfhundert anonyme Hinweise von Nachbarschaftsinformanten liegen schon vor. Die Behörden können gar nicht so schnell abarbeiten, wie denunziert wird. Die besten Chancen hatman vermutlich, wenn man die ortübliche „gesunde Lebensart“ hat undSchackelin Kwiatkowksi heißt, die Bettwäsche nicht wechselt und auch Hochdeutsch eine Fremdsprache ist. Schwäbisch geht am Prenzelbergnatürlich auch.
Was sich hier zur sozialen Praxis des Denunziantentums auswächst, beginnt natürlich früher. Schon die alberne Unart der Blogosphäre, nur unter Spitznamen seine Meinung sagen zu können oder extensiv zu pöbeln, gehört zum Syndrom. Das Informalitätsgebot der Netzkommunikation ist ohnehin pubertär; dort, wo es dazu dient, die Täter von Rufmord zu tarnen, ist es einfach ekelhaft. Ich unterhalte mich nicht mit erwachsenen Menschen, die sich „horny69“ oder „bigprick“ nennen und im bürgerlichen Beruf auf Sparkassen oder in Finanzämtern den Biedermann geben.
Man kann die Feigheit des Verrates tarnen hinter stolzen Begriffen wie dem des Whistleblowers. Mich beeindruckt das nicht. Faseleien von demokratischer Meinungsbildung sind perfide. Die Feigheit des Heckenschützen widerspricht jeder bürgerlichen Kultur. Sie ist ein Auswuchs von Diktaturen und sie schafft Diktaturen.
Gestern abend bin ich schwankenden Schrittes aus Harry’s Bar gekommen und habe mit meinem Freund Davide Desanzuane noch eine geraucht. Wir stehen auf dem Weg zu seinem Büro am San Marco vor einer Bronzetafel, die einen Löwenkopf zeigt, dessen Maul offen steht. Übermütig will ich die Öffnung als Aschenbecher missbrauchen, als ermir in den Arm fällt.
Die „Bocca di Leone“ war in finsteren Zeiten eine feste Einrichtung der venezianischen Stadtoberen, die zur Denunziation aufforderte. Hier konnte man gefahrlos Freund wie Feind verraten. Es schüttelt uns. Und so zitiert mein italienischer Freund mit liebenswertem Akzent einen deutschen Dichter, den deutschesten aller deutschen Dichter, Hoffmann von Fallersleben: „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.“
Petze, Petze ging in Laden,…
Dieser Kinderreim, jedenfalls so wie ich ihn interpretiere und soweit er heute noch bei der Erziehung in Gebrauch ist, soll sagen: Der „Lohn“ fürs Denunzieren bringt am Ende nur Ärger. Nicht die schlechteste Lehre,wenn es um Sandkasten-Freundschaften geht.
Allerdings, selbst wenn diese Lehre auch im Erwachsenenleben fruchtet: Nicht nur ausgebuffte Kommunikations-Experten wissen, dass Denunzianten nie aussterben werden. Leider, kann man sagen, aber das ist zutiefst menschlich. Gerade absenderlos gesteckte Informationen werden ihren Reiz immer behalten. Für Empfänger und Absender, wohlgemerkt.
Die Wistleblower-Organisationen in Unternehmen z.B. wollen das neben den üblichen Flurfunk-Informationen nutzen – egal welcher Unsinn zwangsläufig auf dem Tisch des Compliance-Officers landet (Ist das schon mal untersucht worden? Ernsthafte Info erbeten).
Umso mehr kommt es auf die Bewertung der zugeworfenen Informationen an (Variation der bekannten Knochentheorie). Was ist ein echter Regelverstoß? Was ein Fake? Da kann man böse reinfallen. Das ist oft sogar gewollt; dahinter steckt also wirklich ein Lump
Aber es gibt durchaus noch subtilere Wege als den (heute meist elektronischen) „Ich-weiß-was-Briefkasten“, um in der Kommuniktionsarbeit – für was und wen auch immer – seine Ziele zu verfolgen. Das ist so neu auch nicht – allerdings im Vergleich zur platten Denunziation schon eher hohe Schule. Wer das beherrscht, kann davon u. U. ganz gut leben. Und womit? Mit Recht.
Nein, nein, mehr sag ich hier nicht dazu. Mitnehmen – lieber Leser – solltest Du aber eins: Lumpen lauern überall. Selbst wenn es um erklärte Meinungsäußerungen geht. Spitze Finger sind bei Quellen- und Inhalsprüfung angezeigt.
Nur noch soviel zur sozialen Praxis des modernen Denunziantentums speziell in und um Berlin: Parksünder werden hier seit einiger Zeit mittels App fürs Smartphone unter dem Stichwort „Petze“ angeschwärzt. Also nochmal – Vorsicht! Ehrlich!
Dieter Krause
Bis heute weiß ich nicht, wer mich beim Verfassungsschutz als KPD-Kader denunziert und jene sorgfältige, aber unvollständige Liste meiner Teilnehme an (legalen) Demonstrationen zusammengestellt hat, die mir 1977 zur Begründung meiner Nichtverbeamtung vorgelegt wurde. Aber das war nicht Denunziation, sondern Schutz der FdGO und bleibt darum bis nach meinem Tod das Geheimnis der charakterlosen Genossen, die sich damit ein kleines Zubrot verdient haben.