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Gähn-Nummer Europawahl: Kippen wir unbemerkt nach rechts?

Eines Tages wird Thilo Sarrazin an die Spitze der AfD treten, und keiner wird es merken. Da, wo früher Daniel Cohn-Bendit war und Joschka Fischer, da sind jetzt Gregor Gysi und Anton Hofreiter, zweimal Hans Wurst.Keine Opposition im Bundestag. Keine Opposition im Europawahlkampf. Es herrscht in der Politik eine Friedhofsruhe, die beklemmt. Ich habe Angst um Europa.

Ist der grüne Hofreiter ein kleiner Hanswurst? Über diesen führenden Politiker der Grünen kursiert im Netz ein Song, in dem er als ein solcher veralbert wird. Ursprünglich entstammt der Sketch wohl einem NDR-Programm; dort ist er aber von der Website verschwunden. Man darf vermuten, dass der bayrischeHans Wurst einen Anwalt eingeschaltet hat, der das dem Sender untersagt hat, weil es Schmähkritik ist. Mir war der nichtssagende Herr nur wegen seiner unsäglichen Frisur aufgefallen, die als Habitus dem Umfang seiner Taille nicht mehr entsprach. Aber an solchen adipösenBerufsjugendlichen ist die Grüne Partei nicht arm. Man riecht den Stall, aus dem die Tierchen stammen. So wie man den Ossis bei den Linken (vulgo: Zonen-Gysi) den DDR-Charme ansieht.

Was darf Satire? Der Höhepunkt der politischen Kultur in Großbritannien war für viele Bürger dieser edlen Demokratie eine Puppenshow namens Spitting Image, die wirklich verletzend und unverschämt war und die Grenzen des guten Geschmacks weit überschritt. Man hat auch das Körpersprachliche der Politiker gegen sie genutzt. Spott und Hohn nahmen Gestalt an über jene, die herrschen. Leicht vorstellbar, welche Puppen man aus der mit ihren Armen notorisch eine Vulva formendenKanzlerin machen könnte. Von dem englischen Komiker Rowan Atkinson stammt der Satz: „Das Recht zu verletzen steht über dem Recht, nicht verletzt zu werden.“ Wenn man das auf Religionen anwendet, die einen Ikonoklasmus kennen, geht die Post ab. Warum sage ich das hier mit dem geschraubten Begriff des Ikonoklasmus? Weil ich mir den Shitstorm auf facebook ersparen will.

Die Parteiführung der französischen Faschisten in der Front Nationale verbietet gerade ihren lokalen Kandidaten auf facebook Witze, die als politisch inkorrekt gelten. Man darf afrikastämmige Politiker nicht mehr mir Schimpansen vergleichen oder die Flagge des Staates Israel verbrennen lassen und darauf bestehen, kein Antisemit zu sein. Hier entsteht das Milieu, dessen rhetorische Ausbrüche dann mit dem Satz beginnen: „Man wird doch noch sagen dürfen…“ Es fragt sich, ob es besser wäre, wenn die Antisemiten sogenannte Judenwitze reißen dürften, weil man dann wenigstens wüsste, woran man ist. Auch in Sache „Frauen und andere Behinderte“ ist mir ein offenes Wort lieber als die verschmitzten Chauvinisten. Diese verklemmten Ressentiments gehen mir auf den Geist.

Die Tabuisierung faschistischer Alltagskultur wertet diese auf, nicht ab. Ich hasse diesen Stolz, den irgendwelche Subproleten empfinden, wenn sie sich ein Hakenkreuz haben tätowieren lassen. Die Glatzen sollen zeigen dürfen, wes Geistes Kind sie sind. Man wird den Völkermord an den Juden nicht ungeschehen machen, indem man heute den Verkauf von Hitlers Buch „Mein Kampf“ verbietet. Kürzlich fragte mich ein amerikanisches Fernsehteam auf dem Ku-Damm, ob ich es nicht furchtbar fände, dass historische Zeitungen aus der Weimarer Republik wieder als Reprints zu kaufen seien. Ich habe es nicht geschafft zu erklären, dass wir einen Faschismus nicht verhindern, indem wir Zeitungen verbieten und Quellen sperren. Die junge Journalistin wird mich als Steigbügelhalter abgebucht haben.

Womit ich bei Thilo Sarrazin bin. Ich werde über seine Bücher kein Wort verlieren. Ich will schildern, was ich sah. Ich habe den Herrn mit seiner Ehefrau auf einem Berliner Ball tanzen gesehen. Das war sehr eindrucksvoll, ein Erlebnis der dritten Art. Seine Bewegungen haben etwas so Mechanisches, dass man für eine Sekunde an einen Roboter glaubt. Das Paar ist korrekt, aber ärmlich gekleidet und versprüht so viel Lebensfreude wie eine Flasche Sagrotan. Und mit jeder Bewegung, den die freudlose Lehrerin mit dem freudlosen Senator vollführt, wandert der Blick beiderbettelnd über die Tanzfläche in die Gesichter der anderen, Anerkennung erheischend. Auch wir blicken zu Boden. Die Szene hat etwas vom Tanz der Vampire, in dem die Wiedergänger versuchen, sich im Spiegel zu erblicken.Bis heute habe ich den so typischen Geruch von billigem Rasierwasser und Mottenpulver in der Nase.

Natürlich gehört Sarrazin in die AfD. Er gehört an ihre Spitze. Die Alternative für Deutschland ist das Auffangbecken jener Ressentiment-Träger, denen der soziale Mut fehlt, sich über die „Juden in den Banken“und die „Affen unter den Asylsuchenden“ so zu äußern, wie es mal üblich war in diesem Land. Was man dazu gelernt hat, ist, dass man im Zeitalter des Kosmopolitischen nicht mehr ausländerfeindlich ist, sondern nur noch europaskeptisch. Das eingangs gepriesene England hat mittlerweile eine offen faschistische Partei, die United Kingdom IndependenceParty (UKIP) des Nigel Farage. Er darf in TV-Debatten sagen, dass er der gesamten politischen Klasse misstraut und einen Aufstand der Straße gegen das Establishment haben will. Und von den Flamen in Belgien hört man, dass sie gerne die Wallonen an Frankreich verkaufen und den Anschluss an Holland wollen, eine Lösung Krim also. Warum auch nicht?

Was hat das alles mit den kleinen Hanswurstis zu tun?Zunächst mal nichts. Die Grünen und die Linken sind keine rechten Parteien. Aber eine rechte Opposition sind sie auch nicht. Von ihnen wäre ein Beitrag zu Europa zu erwarten; da kommt aber nichts. Da aber nun jede Splittergruppe einziehen wird ins Europäische Parlament, sollte um Europa mit deftigen Argumenten gekämpft werden. Ich fordere eine Verwahrlosung der diplomatischen Sitten. Wir wollen eine Wahlkampf mit Hauen und Stechen sehen.

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5 Gedanken zu “Gähn-Nummer Europawahl: Kippen wir unbemerkt nach rechts?;”

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    Genau deswegen wähle ich auch die AfD. Mein engster Freund ist übrigens aus Afrika, aus Ghana. Ja, ja, die AfD, nur braunes Gesoks, oder wie? Oh und ich bin nich jung, keine grauen Haare und früher wure Grün gewählt, aber deren Euromärchen machen die unwählbar.

    Jeder hier schreibt für SPD und CDU, oder wo bleiben die dringend notwendigen Diskussionen über den Euro und die Demokratie der EU? Genau, nichts davon zu hören oder zu sehen.

    Ich muss also, um die Elite und Journalisten unter Druck zu setzen, die AfD wählen, weil ohne Druck scheint es gar nicht mehr zu gehen.

    Ich bin es leid Banken retten zu müssen während die ARD mich darüber aufklärt, dass reiche Griechen dank der EU noch immer geschont werden. Es reicht. Die AfD ist dringend notwenig.

    Im NSA Skandal haben SPD und CDU sind anti-europäisch verhalten. Wird das von Journalisten auch so betitelt? Nein, nur die AfD ist anti-europäisch, jede andere Partei auf keinen Fall.

    Die AfD redet gegen Europa. SPD und CDU haben gegen Europa ENTSCHIEDEN. Reden oder handeln, was ist schlimmer? Mmmmmm 😉

  2. avatar

    Herr Kocks,
    dann müssen Sie außerparlamentarische Opposition machen!
    Der Beitrag ist schon mal gut, aber hat zu wenig Reichweite. Gehen Sie mal auf die englische Wikipedia und fügen Sie bei der UKIP das Attribut fascist hinzu. Dann analog bei der deutschen Version faschistisch.
    Das lesen tausende Europäer. Alle die zu UKIP recherchieren landen dort.
    So geht Opposition heute.

  3. avatar

    Sehr geehrter Herr Kocks!
    Tres amusant das hier:
    http://starke-meinungen.de/blo.....#more-4278

    Fishfingers, davon erholt man sich schwer.
    Die „Zopftrulla“ in Stöckeln (Louboutins?) auf Krücken. Eine Inszenierung, meinen Sie. Ich auch. Ein korrupter Hefezopf.
    War vor einiger zeit in Epoisses. Das Diner wie immer vom feinsten. Der Epoisses in zwei Varianten, eine etwas älter, eine jünger. Lieber wähle ich die jüngere. Außerdem eine Reblochon-Art, mit Bleu vermischt, délicieux. Ich bedaure, wie immer beim Käse in France, vorher schon etwas verzehrt zu haben. Das Essen außerhalb des Elysée-Palastes, in dem ein einfacher, ehrlicher, zu Ehren gekommener Mann schlecht residiert, exzellent wie immer. Dagegen fiel mir ein anderes Problem auf: Monotonie. Fahrten durch Rapsmais und Maisraps, stundenlang, dazwischen ein eindrucksvolles Feld voller Solarzellen, neue Kreisverkehre in jedem einzelnen Kaff von 1000 Frustrierten, billige Neubauten, billige Lagerhallen, der Wahn ist in der nördlichen Bourgogne angekommen. Nicht mehr lange, dann halten sie dort fishfingers in Mayo von U-Marché oder Lidl auch für das höchste der Gefühle. Der maisrapsrapsmais bedeckt fläachendeckend die nördliche Bourgogne. Ich warte auf E10-Wein. Derweil schütte ich lieber bei Shell Superpower ‚rein, damit der Motor noch eine Weile hält. M.f.G.
    P.S. Man sagte mir, Epoisses sei nicht exportierbar. Fahren Sie nach Nordburgund, aber nur kurz, sonst träumen Sie noch monoton von einem kaffigen frisch betonierten Kreisverkehr, an dem Sie stundenlang stehen und auf einbiegende Verkehrsteilnehmer warten, während Sie Rapsmaisfelder zählen.

  4. avatar

    Daraus wird nichts, Herr Kocks; es wird keinen Wahlkampf mit Hauen und Stechen geben. Mit dem Urteil zur Fünfprozenthürde wurde die Tatsache offenbar, dass das europäische Parlament keine Macht hat. Erst muss die Macht vom Parlament ausgehen, dann macht man auch entsprechendes Geschrei zur Wahl.

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    Herrlich:

    „Womit ich bei Thilo Sarrazin bin. Ich werde über seine Bücher kein Wort verlieren. Ich will schildern, was ich sah. Ich habe den Herrn mit seiner Ehefrau auf einem Berliner Ball tanzen gesehen. Das war sehr eindrucksvoll, ein Erlebnis der dritten Art. Seine Bewegungen haben etwas so Mechanisches, dass man für eine Sekunde an einen Roboter glaubt. Das Paar ist korrekt, aber ärmlich gekleidet und versprüht so viel Lebensfreude wie eine Flasche Sagrotan. Und mit jeder Bewegung, den die freudlose Lehrerin mit dem freudlosen Senator vollführt, wandert der Blick beiderbettelnd über die Tanzfläche in die Gesichter der anderen, Anerkennung erheischend. Auch wir blicken zu Boden. Die Szene hat etwas vom Tanz der Vampire, in dem die Wiedergänger versuchen, sich im Spiegel zu erblicken.Bis heute habe ich den so typischen Geruch von billigem Rasierwasser und Mottenpulver in der Nase.“

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