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Thomas Weber: Geschichte verdrehen statt Geschichte verstehen

Zugegeben, ich bin parteilich. Aber dass die „Welt“ mit einer Artikelserie zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg herkömmliche Sichtweisen in Frage stellt, zeigt mir, dass – entgegen den Unkenrufen von interessierter Seite – der Qualitätsjournalismus im Hause Springer gut aufgehoben ist. Dass bisher kein anderes deutsches Presseorgan in die Diskussion eingestiegen ist, könnte man fast als Zugeständnis werten, dass die Provokateure mit ihren Thesen Recht haben.

Dem ist aber nicht so. Das möchte ich am Beispiel des Essays von Thomas Weber über die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg belegen. Hier ist er:

Thomas Weber mag ein guter Historiker sein, das sagen mir jedenfalls Kollegen, die seine wissenschaftlichen Arbeiten kennen. Wenn er jedoch versucht, die Geschichte für seine politischen Zwecke zu instrumentalisieren, diskreditiert er sich selbst als Wissenschaftler, behauptet Dinge, die selbst ein Abiturient besser weiß, und schreckt – wie jeder Propagandist, dem die Botschaft wichtiger ist als die Wahrheit – vor der Quellenmanipulation nicht zurück.

Welche politischen Zwecke verfolgt Weber? Er formuliert sie am Ende des Essays so: „Wer (…) meint, Nationalismus führe an und für sich zu Kriegen, zieht die falschen politischen und gesellschaftlichen Lehren aus dem Weltkrieg und will eine Art europäischer Integration, die Nationalstaatlichkeit nicht einbindet, sondern überwindet. Das stößt unsere europäischen Partner vor den Kopf, die andere historische Erfahrungen gemacht haben. Die deutsche Erinnerung an den Ersten Weltkrieg steht damit ungewollt erfolgreicher europäischer Integration im Wege.“

Das ist nicht ganz falsch, und würde man die Vokabel „Nationalismus“ durch den Begriff „Patriotismus“ ersetzen, würde ich dieser Aussage zustimmen. Allein, es steht nicht zufällig das Wort „Nationalismus“ da. Darauf komme ich gleich zurück.

Natürlich soll die „europäische Integration die Nationalstaatlichkeit einbinden“. Denn auf absehbare Zeit wird die EU die Nationen nicht ersetzen. Diese Aussage muss man durch die Bemerkung qualifizieren, dass es in Westeuropa starke Tendenzen zum Zerfall der herkömmlichen Nationen gibt, man denke an die Unabhängigkeitsbewegungen in Schottland, Flandern, dem Baskenland und Katalonien, Korsika und der Bretagne sowie Norditalien. Zwar zielen diese Bewegungen ihrerseits auf eigene „Nationalstaatlichkeit“, aber erstens ist überhaupt nicht klar, ob die entstehenden Gebilde als Nationalstaaten überleben könnten, man denke etwa an Bosnien-Herzegowina oder das Kosovo; und es ist auch klar, dass diese Lockerungsübungen sehr viel damit zu tun haben, dass Brüssel zu einem wichtigen Pol wird, wichtiger als die  alte nationale Hauptstadt, und dass die Europäische Union als Friedensmacht (oder liberales Imperium) zusammen mit der in diesem Zusammenhang merkwürdigerweise nie erwähnten NATO die Sicherheit solcher kleinen, im Grunde genommen postnationalen Gebilde garantieren kann. Bosnien-Herzegowina und Kosovo zum Beispiel sind de facto Kolonien der EU.

Aber ob die Nationen tatsächlich zerfallen, ist keineswegs sicher. In Schottland etwa sieht es nicht so aus, als würden die Befürworter der Unabhängigkeit beim bevorstehenden Referendum eine Mehrheit bekommen. Gehen wir also davon aus, dass die herkömmlichen Nationen die wichtigsten Bausteine dessen bleiben, was Charles de Gaulle einmal „das Europa der Vaterländer“ nannte. Freilich werden sie nicht solche Bausteine bleiben, wenn in ihnen statt eines gesunden Patriotismus ein ungesunder Nationalismus Platz greift. Die Unterscheidung ist wichtig, und ich gehe davon aus, dass Weber als Historiker, der sich auch in der Ideengeschichte auskennt, das Wort „Nationalismus“ mit voller Absicht gewählt hat, zumal er es wiederholt:  Es sei eine falsche Lehre aus der Geschichte zu meinen, „der Nationalismus führe an und für sich zu Kriegen“.

Webers Essay ist also – wie zuvor der Essay, den er mit  Dominik Geppert, Sönke Neitzel und Cora Stephan veröffentlicht hat – ein Plädoyer für den Nationalismus. Speziell für den deutschen Nationalismus.

Was ja nichts Schlimmes ist. Ich zwar halte den Nationalismus – mit George Orwell – für eine verwerfliche Sache, für den Blutsbruder des religiösen und weltanschaulichen Fanatismus: „Patriotism is of its nature defensive… Nationalism … is inseparable from the desire for power.“ („Notes on Nationalism“, Mai 1945) Aber man kann den Nationalismus natürlich verteidigen – und etwa seine fortschrittliche Rolle in der Geschichte seit seinem Auftreten zusammen mit der Französischen Revolution betonen. Der damalige Nationalismus – der Drang, die disparaten Teile der erst zu bildenden Nation zusammenzuführen, eine nationale Wirtschaft, Kultur, politische Ordnung, eine Art volonté generale herzustellen: Das alles – „Deutschland, Deutschland, über alles!“ – hat seine Berechtigung.

Nur sollte man nicht so tun, als sei das nicht von Anfang an mit Krieg verbunden gewesen: Mit den revolutionären Kriegen Frankreichs, mit den deutschen Befreiungskriegen, mit den ewigen Kriegen der Nationen und Natiönchen auf dem Balkan, mit Bismarcks Kriegen gegen Österreich und Dänemark, mit dem Krieg 1870/71, um nur die wichtigsten europäischen Beispiele zu nennen.

Außerhalb Europas wäre neben den antikolonialen Kriegen in Südamerika vor allem der amerikanische Bürgerkrieg zu nennen, der unter anderem geführt wurde, um klarzustellen, dass es eine Sezession von der Union – die nun als Nation definiert wurde – nicht geben dürfe.

Der europäische Nationalismus gipfelte in zwei Weltkriegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Nationalismus der in die Unabhängigkeit gelassenen Kolonien zu zahllosen Kriegen geführt, man denke nur an die vom pan-arabischen Nationalismus getriebenen Kriege gegen Israel.

Zu meinen also, der Nationalismus „an und für sich“ führe nicht zu Kriegen, ist eine Behauptung, für die es herzlich wenig Belege gibt, um es milde auszudrücken, und die ein wenig so wirkt wie die Behauptung der Apologeten des Kommunismus, „an und für sich“ sei er eine gute Sache, nur, leider, leider, sei er nie richtig verwirklicht worden.

Nein, Christopher Clark hat Recht, wenn er die liberale Nationalitätenpolitik Österreich-Ungarns betont und den serbischen Nationalismus als Hauptschuldigen am Ausbruch des Weltkriegs ausmacht; und Timothy Snyder hat Recht, wenn er das supranationale Imperium Österreich-Ungarn sogar als Modell für die EU hinstellt:

http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/literatur-und-kunst/das-ende-des-habsburgerreiches-1.18208672

John Maynard Keynes hatte darum absolut Recht, als er den Versailler Friedensvertrag auch deshalb für ein Unglück hielt, weil er die Imperien zerschlug und den europäischen Nationalismus stärkte. Und die Gründerväter der Europäischen Union hatten ebenso Recht, als sie mit der Vergemeinschaftung von Kohle und Stahl dem deutschen und französischen Nationalismus den materiellen Boden entziehen wollten.

Europas Juden übrigens haben traditionell transnational und supranational gedacht. Das haben ihnen die Nationalisten immer und überall auch übel genommen, besonders aber in Deutschland, wie Götz Aly quellengesättigt in seinem Buch „Warum die Deutschen? Warum die Juden?“ nachweist. Schon die Befreiungskriege gegen Napoleon waren von Ausbrüchen des nunmehr nicht religiös, sondern national und sozial begründeten Antisemitismus begleitet. Als sich die Juden dann als Patrioten, ja Nationalisten, 1914 zu den Fahnen meldeten, wie etwa mein Onkel Karl als Sechszehnjähriger, nützte das ihnen auch nichts, jedenfalls nicht in Deutschland. Karl starb im australischen Exil.

Nicht nur in Deutschland gingen und gehen Nationalismus und Antisemitismus immer Hand in Hand.

Wer den Nationalismus wiederbeleben will, muss die Geschichte fälschen. Und nicht nur die.

Weber behauptet etwa, ohne jeden Beweis:  „Die Deutschen wissen es nicht – aber in ihrem Blick auf den Ersten Weltkrieg sind sie nichts ahnend die späten Opfer von Goebbels, der brillanten britischen Kriegspropaganda, der Kriegszensur und der Selbstzensur deutscher Offiziere. Das hindert sie daran, ihre eigenen Toten zu betrauern.“

Die heutigen Deutschen als „Opfer“ der Goebbels’schen und der britischen Propaganda – das ist nicht nur dégoutant, das ist Blödsinn.

Goebbels, so die These, habe die Trauer über die Weltkriegstoten nicht zugelassen, weil es der Heldenlegende widersprach. Die Entstehung dieser Heldenlegende wiederum hätten der Generalstab durch die Betonung der Leistung der „im Felde unbesiegten“ Armee und deutsche Offiziere durch die Zensur der Feldpost unterstützt. Die britische Propaganda wiederum habe die deutschen Soldaten als entmenschte „Hunnen“ dargestellt, die für zahllose Kriegsgräuel  verantwortlich seien. Deshalb also könnten „wir“ heute unsere Toten nicht betrauern.

Noch einmal: Blödsinn.

Wenn „die Deutschen“ die britische Propaganda im Ersten Weltkrieg internalisiert hätten, dann wäre es nicht nach 1918 zu jener Welle des Gedenkens gekommen, die dazu führten, dass in jeder Stadt, in jedem Dorf Gedenksteine, Türme, Tafeln für die Männer errichtet wurden, die „Für Gott und Vaterland“ gefallen waren. Gedenkorte, die nicht einmal die DDR-Regierung, die den Ersten Weltkrieg insgesamt als kriminelles imperialistisches Gemetzel verurteilte (und die in der gleichmäßigen Verteilung der Schuld am Krieg den Positionen Webers und Co. erstaunlich nahe kam), zu entfernen oder auch nur zu beschädigen sich traute, so stark war die Erinnerung daran in der Bevölkerung verankert. Die britische Kriegspropaganda konnte ja auf Dauer einmal die eigene Bevölkerung überzeugen, geschweige denn die deutsche!

Über die Nachwirkung der Goebbel’schen Propaganda kann man streiten. Dass Goebbels etwa mit der Betonung der „wahrhaft alttestamentarischen Rache“, die Amerika und Großbritannien durch Bombenkrieg und Morgenthauplan an Deutschland verübten, über das Ende des Dritten Reichs hinweg fortwirkte, kann man kaum bestreiten. Dafür aber, dass die von ihm propagierte Heldenlegende des Ersten Weltkriegs nachhaltig gewirkt hätte, kann Weber nicht eine einzige Quelle anführen. Sie lässt sich auch nicht belegen.

Denn der Kampf der Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg beginnt  doch nicht mit der Entnazifizierung. Er bestimmt auf weite Strecken das intellektuelle Leben der Weimarer Republik. Da sind, um nur zwei Romane als exemplarische Gegenpole zu benennen, Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ und Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“. Da sind die Bilder von Georg Grosz einerseits und die heroischen Plastiken der Gedenksteine andererseits. Und in Großbritannien tobte dieser Kampf kaum minder heftig, wie etwa Robert Graves’ erschütternde Kriegserinnerungen „Goodbye To All That“ belegen, oder die Verachtung und Verehrung, die dem gefallenen Antikriegsdichter – und Freund Robert Graves’ – Siegfried Sassoon entgegengebracht wird.

Remarque und Grosz, Graves und Sassoon haben, wenn man so will, den Kampf der Erinnerungen gewonnen. Nicht wegen britischer Kriegspropaganda oder Goebbelscher Rhetorik, sondern trotz der Propaganda und der Kriegsrhetorik. Weil dieser Krieg entsetzlich und nicht zu rechtfertigen war; Sieger kannte und Besiegte, aber keine Helden- und Schurkenstaaten. In Deutschland kommt hinzu, dass man gesehen hat, in welchen Abgrund das Regime führte, das in einer seiner ersten Handlungen Remarques Roman im Namen der gesunden Kräfte der Nation unter allgemeinem Jubel verbrennen ließ. Remarque und Grosz, Graves und Sassoon und die zahllosen anderen aus ihrer Generation, die das sinnlose Schlachten anklagten, transportieren noch heute die Trauer über die Toten.

Wie kann man behaupten, „die Deutschen“ würden durch Goebbels, die Briten, die eigene Zensur usw. daran gehindert, ihre eigenen Toten zu betrauern? Das kann nur jemand behaupten, der ohne Augen und Ohren durch die Welt geht und die erste Aufgabe des Historikers verrät: Sagen, wie es gewesen ist.  Und zwar deshalb, weil er den Nationalismus rehabilitieren will. Denn das erste Opfer jeder ideologischen Sichtweise ist immer die Wahrheit.

Ist diese Verfälschung der Geschichte eigentlich nur lächerlich, so ist eine andere Verfälschung empörend. Weber zitiert als (einzigen) Zeugen für seine Behauptung einer kollektiven deutschen Unfähigkeit zu trauern den Bundespräsidenten: „Joachim Gauck kann sich daher ‚eine deutsche Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg nur als Respekt vor dem Leid derer vorstellen, die damals durch uns bekämpft wurden’. Das klingt, als ob der Respekt vor dem Leid ‚unserer’ Toten unvorstellbar wäre.“

Ja, das klingt so, wenn man selektiv zitiert.

Tatsächlich sagt Gauck in der „Spiegel“-Titelgeschichte „1914 – Der nahe, ferne Krieg“ (30.12. 2013) einiges, und nur im Zusammenhang wird das vom Ideologen Weber ausgewählte Zitat verständlich, wie der Historiker Weber ja weiß. So endet der Essay mit einer bewegenden Erinnerung Gaucks an seinen Großvater, der knapp dem Tod an der Westfront entgangen war. Gauck sagt aber zum Beispiel auch Folgendes: „Völker schauen oft unterschiedlich auf die Welt, auch auf die Vergangenheit.“ Gemeint ist, dass etwa das offizielle Frankreich und das offizielle Großbritannien vorhaben, das kommende Jubiläum zu nationalen Heldenfeiern zu nutzen. „Der Bundespräsident sagt, das beunruhige ihn nicht, da er die Gründe kenne.“

Das ist eine entspannte, liberale Haltung, die man Thomas Weber empfehlen möchte. In diesem Zusammenhang nämlich ist der inkriminierte Satz eine leise Kritik an den Regierungen Cameron und Hollande; die deutsche Erinnerung schließt die Toten der Gegenseite nämlich ein. Und das ist gut so.

Gauck sagt überdies und in schöner Eindeutigkeit, er sehe sich, „als der Deutsche, der heute eine andere Nation repräsentiert und der sich erinnert an die unterschiedlichen Schrecknisse, die mit dem deutschen Staat verbunden sind.“  Das „Absolutsetzen des Nationalen“ habe „keinem der Kriegsgegner  glückliche Zeiten gebracht“. Kein Wunder, dass Weber sich in Zuge der Rehabilitierung des Nationalismus genötigt sieht, Gauck unterschwellig mangelnden Respekt vor „unseren Toten“ vorzuwerfen.

Gauck weiß, dass „plötzlich archaische Hassmechanismen wieder greifen können“, auch im befriedeten Europa, und dass die Erinnerung „auch vernarbte Wunden aufreißen“ kann. Konfrontiert mit Zahlen über die antideutsche Stimmung in Spanien, Italien und Frankreich, wo die Bundesrepublik verglichen werde mit „dem Reich des bramarbasierenden Kaisers Wilhelm II.“ (so der „Spiegel“, nicht Gauck), sagt der Bundespräsident:  „Man kann nur hoffen, dass die Stimmen der Aufgeklärten stärker ist als in der Zwischenkriegszeit.“

So ist es. Der Leser möge urteilen, ob Thomas Weber in diesem Sinne zu den Aufgeklärten gehört.

 

 

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59 Gedanken zu “Thomas Weber: Geschichte verdrehen statt Geschichte verstehen;”

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    @ Alan Posener

    Die Diskussion hat La France erreicht:
    „Grob zusammen gefasst lautete Chevènements Argument so: Das sei ja alles ganz hübsch und farbenfroh erzählt, was Professor Clark da schreibe, es erinnere ihn in seiner Mehrstimmigkeit gar an Kurosawas Film „Rashomon“, aber Clark vernachlässige dabei doch etwas die wesentlichen Gründe für den Krieg: das deutsche Großmachtstreben und den Flottenrüstungswettlauf mit England.

    Chèvenement (der aus der Festungsstadt Belfort stammt und sinnigerweise den Beinamen „Löwe von Belfort“ trägt – nach jener Skulptur Bartholdis, die an den Widerstandsgeist der belagerten Stadt im Krieg von 1870/71 erinnert) befand außerdem, Clark würde doch reichlich „French-Bashing“ betreiben in seinem Buch.“

    http://www.welt.de/geschichte/.....dient.html

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    @Parisien
    Ja, wer am laustesten schreit, mit dessen Stimme kann man sich in der Politik zusätzlich profilieren. Besonders anfällig dafür: Die Nanny-Parteien SPD/Grüne. (Die LINKE nicht, die ist gerechter: Alle gleich wenig.)
    So entstehen die politisch korrekten Feigenblatt-Projekte, die mit unserem Leben nichts mehr zu tun haben. (Nochmal: Ich habe nichts gegen Homosexuelle, Heterosexuelle, Transgender, Frauen, Männer, Behinderte, Nicht-Behinderte, mental, horizontal, vertikal Herausgeforderte usw. usf.) aber muss wirklich alles Politik werden, während die wirtschaftliche Grundlage der Mehrheit schleichend flöten geht, z.B. in solchen Wahnsinns-Projekten, wie der sog. Energiewende, die als Groß-Subvention der Mehrheit an eine exportierende Minderheit gedacht war und nun vor allem der chinesischen Produktion dient?
    Man mag nicht mehr – angesichts des Offensichtlichen – die Tagespolitik überhaupt zur Kenntnis nehmen, man ist angewidert.
    Während die Gefühllosigkeit einer Gesellschaft hinterrücks am Umgang mit den eigenen Kindern erkennbar wird. Das ist der Leichengeruch, der unsere Gesellschft durchzieht. (Nun.. Pathos schnell wieder abdrehen.)
    Die Elite-Förderparteien CDU/CSU/FDP sind da menschlicher: Da dürfen wenigstens die Besserverdienenden Helikopter-Eltern sein:
    „Wie wär’s mit einem schlichten schönen Tausch? Die Jugendherberge tut Ihr an die Außenalster und das Flüchtlingsheim nach Horn.“
    Was ich Ihnen damit sagen möchte: Wir, die noch-bürgerlichen müssen aufpassen, nicht die oft gegen ihren Willen von den Nannies auserkorenen Förder-Objekte stellvertretend verantwürtlich zu machen. Ein bulgarischer Billig-Arbeiter hat bekanntlich wenig Einfluss darauf, wo er „hinkommt“ (auch wenn er einen Uni-Abschluss hat).

  3. avatar

    @Ziegler

    Eben!Technische Fouls gehören zum Sport. Kein Grund zu weinen. Aber auch kein Grund sie sich gefallen zu lassen. Boris Johnson – herrlich! Jetzt könnte Herr Weber, wenn die Briten mit regulären Staatsbediensteten an der Auseinandersetzung teilnehmen, ja mit etwas Witz zurückschießen.

    Sie kennen die kürzesten Bücher der Welt?

    Amerikanische Geschichte
    Kochbuch der leckersten Spezialitäten Englands
    Die Lehre von der russische Organisationskunde
    Italienische Heldensagen
    Vom deutschen Humor

  4. avatar

    Noch’n Zusatz gerade gefunden:
    Wer am lautesten schreit, kriegt das:
    http://www.welt.de/regionales/.....-Lage.html

    Wer keine Stimme hat, kriegt z.B. die Jugendherberge in Hamburg Horn. Die Eltern beten zu Hause, dass die Gören die U-Bahnfahrt dorthin nachts heil überstehen. Die an der Außenalster kaufen sich unterdes Alarmanlagen.

    Wie wär’s mit einem schlichten schönen Tausch? Die Jugendherberge tut Ihr an die Außenalster und das Flüchtlingsheim nach Horn.

  5. avatar

    @ KJN
    Geschichte dazu: Mutter arbeitete, ungewöhnlich für jene Zeit. Als ich mit dem Kopf zuerst vom Barren fiel und das als Gehirnerschütterung diagnostiziert wurde, sollte ich in dem Bau bleiben. Ich hatte einen Willen und sagte nein. Mutter rief die Firma an und fragte,ob sie Urlaub haben kann, akut. Damals waren noch alle Bosse zivil. Natürlich konnte sie das. Die Eltern waren auch noch zivil. Sie hatten noch nicht den ganzen Jahresurlaub verplant. Mutter brachte mir den einzigen Plattenspieler ans Bett und schönstes Frühstück und backte nachmittags Kuchen. Die beiden schönsten Wochen meiner Kindheit. Endlich war sie mal eine Mutter. Gott hab sie selig. Die zweite Woche machten wir den Schulstoff nach, den ich versäumte. Sie hat mir mal erzählt, dass das auch ihre zwei besten Wochen waren. Sie arbeitete nur, weil Vater nicht genug verdiente und sie wollte, dass wir alle Abitur machten. Sie war klasse.
    Wie Sie sehen, gehe ich auf das Stichwort Ritalin ab wie eine Sylvesterrakete. Psychopharmaka für den Zappelphilip, wo sind wir hingekommen.

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    @ KJN
    Ich habe den ganzen Zinnober erlebt. Erlebt, wie Kinder, die brillant sind, immer wieder gemobbt werden, wie Kinder, die anders sind, in die Ecke gestellt werden, aber auch erlebt, wie Kinder, die eingeschränkt sind oder nicht gut in der Schule, von einzelnen Lehrern als Fußmatte für ihre Unzufriedenheit benutzt werden. Ich habe erlebt, wie in einem Land wie Deutschland für jeden etwas gemacht wird, der laut genug brüllt, also für den Erwachsenen. Kinder brüllen nicht, die werden ganz leise, haben Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen, die Eltern gehen zum Arzt, aber der findet nichts. Ich habe erlebt, wie Kinder im Restaurant betrachtet werden von 50jährigen sattverdienten Fettsäcken, die sich 500 g Spargel mit Hollandaise einverleiben. Es ist mir vollkommen unverständlich, wie man das nie erkannt hat und Kinder nur über die Leistung betrachten kann. Die Wirtschaft treibt die Politik, die Politik treibt Lehrer und Eltern, die Eltern haben schon in der Grundschule alle, durch die Bank, Angst, dass ihre es nicht schaffen. Ich habe so den Kanal voll davon. Und dann sollen die noch für den rundlichen Spargelfresser für die Rente schuften. Und dann wundert man sich, dass diejenigen, die nachdenken und die schon Opfer davon sind, sich von Geld nicht locken lassen, Kinder zu kriegen. Davon sagen einige: Fertig, das war’s. Mein Ast stirbt aus. Na, und. Wir selber Opfer des Systems, immer auf genügend Leistung aus, übersehen, dass ein Junge musikalisch hochbegabt ist, musikalisch und mathematisch und ganz woanders hingehört hätte, auf eine Musikschule. Übersehen wegen mainstream-Denkens. Und so vergeuden wir die Talente. Wir starren alle in eine Richtung. Und wir sollten uns nicht mit China oder Japan oder Korea vergleichen. Die haben eine ganz andere Mentalität. Die hatten Kamikaze-Flieger. Das ist Sparta. Wir aber sollten Athen sein. Athen oder Rom. Mut zur Verschiedenheit. PISA ist bullshit.

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    @ KJN
    Gefällt mir ebenso gut:
    „Die erste Gesellschaft, die nicht irgendwann ausstirbt, wird eine sein, die Menschen mit ihren “Fehlern” akzeptiert und ihre Kinder bei Nichtfunktionieren nicht mit Ritalin vollpumpt.“

    Wir sind da auf dem völlig falschen Trip. Als ich die Konservativen 2005 wählte wie auch bei Landtagswahlen die CSU, erhoffte ich mir naiverweise, dass die Kinder neu gestärkt würden, indem man die Frau, die bereit ist, maximal halbtags zu arbeiten und die Kinder wieder zu versorgen und nachmittags mit ihnen Hausaufgaben macht und sie von Fernsehen und Computer weitgehend abhält, zumindest soweit, dass sie nicht den ganzen Nachmittag damit verbringen, unterstützt, z.B. über stärkere Steuererleichterungen beim Alleinverdiener. Wenn keiner für die Kinder da ist, müssen sie natürlich mit Ritalin funktionsfähig gemacht werden. Therapeuten haben abends nicht auf. Grippe wird mit Grippostad oder sonst was schnell weggedrückt. Bettruhe nur möglich, wenn Großeltern zur Verfügung stehen. Die sollen alle ganz schnell und ganz effizient durch die Schule, um dann als Steuer- und Rentenzahler zur Verfügung zu stehen. Das dabei manches Kind unglücklich und verloren ist, scheint den Treibern zu entgehen. Die armen Lehrer können das nicht auffangen. Hinzu kommt, dass das schwitzende, niesende, hustende Kind die ganze Klasse infiziert, ja, in der Folge die gesamte Schule, die inzwischen zusätzlich nicht genug beheizt ist, bis der Lehrkörper auch noch um ein Drittel reduziert ist und Stunden ausfallen. Alles erlebt. Alles Mist. Diese erträumte Effizienz geht gegen die Kinder. Meine fragten uns schon, ob wir derzeit Kinder planen würden, wären wir wieder jung. No way, habe ich gesagt. Eher würde ich Bungee-Jumpen erlernen oder auf den Kilimandscharo steigen, no way. Eine heile Kindheit, was ist das schon heute für den Staat? Das alles mit eingebrockt von einer Tante, die ihre Kinder wohlbehalten bei den Steiners hatte. Hier sehen wir im Staat selber die Devise: Ich und das Leben der Anderen, übersetzt: Die Anderen sind egal, solange ich das anders machen kann.
    Ich kannte zwei Kinder mit ADHS. Die eine Mutter arbeitete voll und war mit Ritalin verheiratet, die andere Mutter arbeitete nicht und machte es mit Therapeuten. Der erste war besser in der Schule und meistens mental niedergebügelt, der zweite war grottenschlecht, aber glücklicher. Dieses Niederbügeln hin zu Leistung erinnert leider an Menschenauslese. Es ist grundverkehrt. Es ist nicht ganz so schlimm wie anno Sie wissen schon, wo man die in Anstalten vergaste, aber es ist verkehrt. Wir beweisen damit, dass wir immer noch nicht bereit sind (oder wieder nicht), mit Einschränkungen umzugehen. Da helfen auch die Feigenblätter freie Behindertenparkplätze en masse nicht. Die Kinder sind übel dran.

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    @Stevanovic: stimmt alles, aber wenn es natürlich ist, dass dem dominanten Deutschland das Hitlerbärtchen angeklebt wird, dann ist es ebenso natürlich, dass es das wieder abmacht 🙂

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    @ KJN

    Ich bezweifle, dass mir Heidegger gestattet hätten, „Seinsvergessenheit“ in diesem Kontext zu verwenden; sei´s drum, heuristisch uninteressant ist es nicht. M.E. dreht es sich nicht nur um das „Menschenbild“, sondern auch um das „Weltbild“ (Welterfahrung, Ahnung, Gefüge, Geworfenheit). Der Mensch ist nicht alles.

    Sehr gut gefallen hat mir Ihr Satz (auch wenn man auch hier mäkeln könnte, ich möchte jedoch hier nicht beckmessern):
    „Die erste Gesellschaft, die nicht irgendwann ausstirbt, wird eine sein, die Menschen mit ihren “Fehlern” akzeptiert und ihre Kinder bei Nichtfunktionieren nicht mit Ritalin vollpumpt.“

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