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Linke Antisemiten: Zur „Kritischen Theorie des Zionismus“

Obwohl Linke nach eigenem Selbstverständnis Antirassisten und Internationalisten sind, also „gar nicht antisemitisch sein können“, gab es innerhalb der Linken immer schon eine starke antisemitische Strömung.

Die Traditionslinie reicht von Karl Marx, der den Wucher als Wesen des Judentums ausmachte und die kapitalistische Gesellschaft darum als „jüdisch“ bezeichnete – eine nicht sehr originelle Idee, die er von Martin Luther geklaut hatte – über die 68er, deren antisemitisch-antizionistische Verstrickungen etwa Götz Aly und Wolfgang Kraushaar bloßgelegt haben, bis hin zu Teilen der Linkspartei, der Grünen und der SPD in unseren Tagen.

Besonders Henryk Broder hat – beginnend mit seiner Kampfschrift gegen „Linke Tabus“ schon 1976 – den Antisemitismus der so genannten „Neuen Linken“ immer wieder angegriffen und gezeigt, dass der Antizionismus eine – vielleicht die gegenwärtig bedrohlichste – Form des Antisemitismus darstellt. Auch dafür hat ihm die Deutsch-Israelische Gesellschaft 2011 mit ihrem „Ehrenpreis“ ausgezeichnet; was in meinen Augen die DIG – deren Ortsgruppen oft eher ein betulicher Honoratiorenverein sind als ein aktiver Anwalt Israels in Deutschland – sehr aufgewertet hat.

Umso erstaunter war ich, als ich auf der Internetseite der Hochschulgruppe der DIG in Rostock die Ankündigung eines Schulungsseminars entdeckte, bei dem es um die Aneignung einer „kritischen Theorie des Zionismus“ geht; also um die Kritik des Zionismus:

 

http://dighochschulgruppe.wordpress.com/2013/05/21/kritik-des-antisemitismus-kritische-theorie-des-zionismus/

 

Wer sich durch das Elaborat quält, stellt fest, dass es sich um eine Zusammenfassung der Theorie der „Antideutschen“ (mit denen ich mich gelegentlich auch hier befasst habe, so etwa im Beitrag „Bahamas goes Bananas“) zu Israel handelt. Die Antideutschen haben nicht nur einige Orts- und Hochschulgruppen der DIG gekapert und zu Schulungs- und Agitationsplattformen umfunktioniert; sie beziehen sich zuweilen auch auf den DIG-Preisträger Henryk Broder, völlig zu Unrecht; denn obwohl sich die Sekte dezidiert, ja geradezu martialisch pro-israelisch gibt, stellt sie in Wirklichkeit nur eine neue Verkleidung jenes „beständigen Gefühls“ (Broder) dar: eine neue Ausprägung des Antizionismus, also des Antisemitismus. Schauen wir, wie Stephan Grigat seine „kritische Theorie des Zionismus ableitet“:

 

„Soll der Antisemitismus nicht als ein bloßes Vorurteil verharmlost werden, sondern im ideologiekritischen Sinne als wahnhafte Projektion dechiffriert werden, so gilt es, sich den Begriff der „antisemitischen Gesellschaft“ zu vergegenwärtigen, der von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer entwickelt wurde. Was sind die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen die beschädigten Subjekte sich immer wieder für das Ausagieren des antisemitischen Hasses entscheiden? Und inwiefern kann angesichts eines fremdbestimmten gesellschaftlichen Daseins überhaupt von einer freien Entscheidung gesprochen werden?“

 

Das ist der Kern der antideutschen Ideologie: Im Verblendungszusammenhang kann der einzelne nichts für seinen Antisemitismus, für den er sich ja nicht frei entscheiden kann. Er ist nicht ein „Ressentiment“, wie Broder das beschrieb, sondern nur ein Symptom. Die Gesellschaft ist schuld, die Subjekte sind „beschädigt“. Erst andere „gesellschaftliche Bedingungen“, also eine andere Gesellschaft, würde keinen Antisemitismus mehr hervorbringen.

Eine nicht sehr originelle Idee, der alle Linke huldigen: Um das „falsche Bewusstsein“ aufzuheben – Religion, Nationalismus, Egoismus, Misogynie, you name it – muss die Gesellschaft „aufgehoben“ werden.

In der Praxis bedeutet das: die Antideutschen müssen überall „Antisemiten“ entdecken, um zu beweisen, dass es sich in Deutschland tatsächlich um eine „antisemitische Gesellschaft“ im Sinne ihrer Hausheiligen Adorno und Horkheimer handelt. Da ganz gewöhnliche Antisemiten ein wenig rar geworden sind, obwohl nicht so rar, wie manche meinen, verfielen die Antideutschen vor etwa zehn Jahren auf den Clou, den Antizionismus anzugreifen. Ihr Prozionismus ist also nur eine Verkleidung; es geht ihnen eigentlich und immer nur darum, das Vorhandensein der „antisemitischen Gesellschaft“ und damit die Notwendigkeit einer Fundamentalrevolution nachzuweisen.

 

Doch damit kommen die Antideutschen wiederum in theoretische Schwierigkeiten.

 

„Der Zionismus ist die unmittelbare Antwort sowohl auf den europäischen als auch auf den arabischen und islamischen Antisemitismus. In ihm existiert zwangsläufig ein Spannungsverhältnis zwischen universalistischem Emanzipationsanspruch und notwendigerweise partikularer Organisation in Form eines Nationalstaates. Wie ist der Zionismus als nationale Befreiungsbewegung der Juden und Jüdinnen vor dem Hintergrund einer kritischen Theorie der Gesellschaft zu begreifen?“

 

Nun, „vor dem Hintergrund“ der Kritischen Theorie ist der Zionismus gar nicht zu begreifen. Er ist eben nicht die „unmittelbare Antwort“ auf den europäischen (und schon gar nicht auf den „arabischen und islamischen“) Antisemitismus, und er ist auch keine „nationale Befreiungsbewegung“.

Der Zionismus hat eine lange Geschichte, die Jahrhunderte zurückreicht. Immer wieder sind Juden – aus religiöser Sehnsucht heraus – nach Zion aufgebrochen. Jerusalem war unter den Osmanen eine Stadt, deren Bevölkerung mehrheitlich jüdisch war. Der moderne Zionismus Theodor Herzls war viel mehr als eine Antwort auf den Antisemitismus. Er war eine Kritik an der Daseinsform des Diaspora-Juden. Erst die Bildung eines „Judenstaats“ würde die Selbstemanzipation der Juden von dieser Diaspora-Existenz ermöglichen.

Übrigens hatte Herzl die Situation der Juden in den arabischen Ländern gar nicht im Blick; und er hätte wohl kaum vorgeschlagen, dass jener Judenstaat unter den Auspizien des türkischen Sultans und des Kalifats errichtet wird, wenn er wegen des islamischen Antisemitismus besorgt gewesen wäre.

Der Zionismus ist also weit mehr als eine Antwort auf den Antisemitismus. Weit mehr als eine Notmaßnahme. Er ist das Programm der Schaffung eines neuen jüdischen Menschen. Und was die Bezeichnung als „nationale Befreiungsbewegung“ angeht: Die Unterstellung, die Juden in der Diaspora seien eine eigene Nation, die etwas anderes sei als das „Wirtsvolk“, ist ein bevorzugtes Argument der Antisemiten aller Länder, die damit die Loyalität der jüdischen Staatsbürger in Frage stellen.

Entscheidend ist aber die Kritik der Antideutschen, im Zionismus existiere ein „Spannungsverhältnis zwischen universalistischem Emanzipationsanspruch und partikularer Organisation in Form eines Nationalstaates (sic)“.   Quatsch. In der Kritischen Theorie existiert dieses „Spannungsverhältnis“, sprich: Widerspruch.  In der Kritischen Theorie wäre es am besten, die Gesellschaft wäre derart „universalistisch emanzipiert“, dass es weder Antisemiten noch Zionisten gebe. Im Zionismus exisitiert dieser Widerspruch nicht. Im Zionismus ist die nationale Organisation, die Konstituierung zum Staat vielmehr Voraussetzung der Emanzipation. Wer das nicht kapiert, begreift den Staat Israel nicht und kann schlechterdings das Anliegen dieses Staats in Deutschland nicht vermitteln.

 

Das haben die Antideutschen auch nicht vor. Nach dem Mittagessen geht es auf der Schulungssitzung wie folgt weiter:

 

„Der kategorische Imperativ nach Auschwitz. Über die Geschichte des Zionismus und die aktuelle Bedrohung Israels. Adorno formulierte einen neuen kategorischen Imperativ: alles Handeln und Denken im Stande der Unfreiheit so einzurichten, dass Auschwitz sich nicht wiederholen kann. Der Zionismus hat versucht, diesem Imperativ auf seine Weise gerecht zu werden, indem sich die israelische Armee konsequent gegen jeden Vernichtungsversuch zur Wehr setzte und setzt – mitunter präventiv und aggressiv. Was waren dabei die entscheidenden Situationen in der israelischen Geschichte von der Staatsgründung bis zur gegenwärtigen Konfrontation mit dem iranischen Regime? Was ändert sich durch den arabischen „Frühling“ für Israel? Und wie ist die globale Delegitimierungskampagne gegen Israel einzuschätzen?“

Adorno wieder. „Im Stande der Unfreiheit“, also in der noch unerlösten Gesellschaft, müsse man vor allem eine Wiederholung von Auschwitz verhindern. Und zwar müsse „alles Handeln und Denken“ diesem Ziel dienen. Adorno meinte damit, wenn wir ihn einmal ernst nehmen wollen, dass der demokratische Rechtsstaat verteidigt werden müsse, sozusagen als zweitbeste Lösung gegenüber der umfassenden Erlösung des Menschen aus jeder Unterdrückung. Die Antideutschen aber weigern sich, die Bundesrepublik als demokratischen Rechtsstaat und darum als verteidigungswürdig anzuerkennen. Für sie besteht die Umsetzung des Adorno’schen Imperativs in der unablässigen Schnüffelei nach Belegen für die Existenz der „antisemitischen Gesellschaft“. Dabei bedienen sie sich einer zirkularen Logik. Weil die deutsche Gesellschaft antisemitisch ist, muss es Israel geben. Dass es Israel gibt, belegt den antisemitischen Charakter der deutschen Gesellschaft.

Typisch ist überdies, dass sich die Antideutschen für die konkreten Ergebnisse des Zionismus, für das real existierende Israel auch gar nicht interessieren. Nichts findet man bei ihnen etwa über die Kibbuzim, das einzige freiwillige kommunistische Experiment der neueren Geschichte; denn es kann ja laut Adorno „kein richtiges leben im Falschen“ geben, und das „partikularistische“ Israel ist ja letztlich Teil des Falschen. Nichts findet man bei ihnen über die Umwandlung des Staats und der Gesellschaft unter den Likud-Regierungen und besonders unter der Ägide von Binjamin Netanjahu von einer Kommandowirtschaft mit starken sozialistischen Elementen zu einer kapitalistischen Markt- und Konsumwirtschaft; denn das wäre ja nach Adorno ein Zurückfallen in der Entwicklung, kein Fortschritt. Weder findet man dort etwas über die Entwicklung Israels zu einer multikulturellen und hedonistischen Gesellschaft noch zu den Konflikten innerhalb der Gesellschaft zwischen europäischen und orientalischen Juden, religiösen und säkularen Juden, arabischen und jüdischen Israelis  usw. usf.; kurzum nichts über das, was Israel heute ausmacht und die heutigen Israelis interessiert und sicher sehr viele Deutsche interessieren würde und jedenfalls interessieren sollte.

Stattdessen wird die ganze Geschichte des Staates Israel reduziert auf die Erfüllung von Adornos „kategorischem Imperativ“, bei dessen Vollzug Israels Armee „mitunter präventiv und aggressiv“ vorgehe. Dass es zwischen Prävention (1967 etwa der Schlag gegen die ägyptische Luftwaffe, 1980 die Zerstörung des irakischen Atomreaktors bei Osirak, 2007 des syrischen Atomreaktors) und Aggression einen Wesensunterschied gibt, wird durch das „und“ unterschlagen. So wird die  angebliche„Aggressivität“ der israelischen Armee zum Bestandteil einer Schulung unter dem Deckmantel der DIG. Sich da unschuldig zu fragen, was „die globale Delegitimierungskampagne gegen Israel“ zu bedeuten habe, zeugt von, sagen wir: Chuzpe.

 

„Die antideutsche Kritik solidarisiert sich mit Israel aus der Erkenntnis, dass die Welt, so wie sie heute eingerichtet ist, den Antisemitismus immer aufs Neue hervorbringt.“ So brachte Stephan Grigat schon vor Jahren das Bekenntnis der Antideutschen auf den Begriff. Die Welt muss also „anders eingerichtet“ werden, darunter tun diese Linksradikalen es nicht, und nur darum geht es diesen Leuten, nicht um Israel. Ich habe eine Weile gedacht, die Antideutschen stellten gegenüber dem dumpfen Antiimperialismus der traditionellen Linken, die regelmäßig Israel als „aggressiv“ brandmarkt, einen gewissen Fortschritt dar; mittlerweile sehe ich das anders. Es sind falsche Freunde Israels, die unter dem Deckmantel der Israelsolidarität eine perfide, dogmatische Ideologie propagieren, die Israel, ein bewundernswertes Land, und die Israelis, ein liebenswertes Volk, auf eine imaginierte Rolle als  Exekutoren eines „kategorischen Imperativs“ des Heiligen Theodor reduzieren. Die Antideutschen schaden Israel, sie schaden der deutsch-israelischen Freundschaft, und sie stellen damit, auch wenn sie – wie alle Antisemiten – behaupten, nur Israels Bestes zu wollen, objektiv nur eine besonders skurrile Spielart des linken Antizionismus dar.

 

 

Zum Nachlesen:

https://starke-meinungen.de/blog/2012/08/07/bahamas-goes-bananas/

 

http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article116823078/Falsche-Israelfreunde.html

 

http://freie.welt.de/2012/09/03/der-adorno-preis-und-die-wirrungen-der-dialektik/

 

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212 Gedanken zu “Linke Antisemiten: Zur „Kritischen Theorie des Zionismus“;”

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    Sich selbst ertragen zu können – daran arbeiten manche ihr Leben lang und verbrauchen dabei mitunter ideologische Konstrukte reihenweise.
    Tröstlich: in Israel läuft auf jeden Fall ein ganz anderer Film.

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    Hallo Herr Posener,

    Sie schreiben: „Eine Linke, die sich auf Karl Marx beruft, beruft sich also auf seinen Antisemitismus.“

    Wenn man Marx‘ Werk nicht im Ganzen kauft, sondern nur seine Ökonomiekritik – soweit ich weiß, hat er sein philosophisches Frühwerk ja widerrufen, spielt aber auch keine große Rolle, zur Ehrenrettung eines Toten muss man jetzt wirklich nicht antreten wenn’s einem nur um die Ökonomie geht -, und dann auch noch eine Kritik von diesem Frühwerk liefern kann, beruft man sich dann weiterhin auf seinen Antisemitismus?

    Eine weitere Frage: Wie können die Antideutschen jemanden zum Antisemitismus konvertieren, wenn sie den kritisieren? Geht das am Verstand der Leute vorbei?

    Mit freundlichen Grüßen. 🙂

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    Es wäre gar nicht so schwer herauszufinden, daß der Leiter des Seminars keineswegs zu den Kritikern des Zionismus gehört, wobei der unterstellte Kritikbegriff auch fraglich ist.
    „Umso erstaunter war ich, als ich auf der Internetseite der Hochschulgruppe der DIG in Rostock die Ankündigung eines Schulungsseminars entdeckte, bei dem es um die Aneignung einer „kritischen Theorie des Zionismus“ geht; also um die Kritik des Zionismus“.
    Kritische Theorie definierte sich – so seit dieser Begriff eingeführt wurde – gegen die traditionelle Theorie, die als unkritische Theorie deswegen gekennzeichnet wurde, weil ihr die Fähigkeit zur Selbstkritik, die Reflexion auf ihre eigenen gesellschaftliche Bedingtheit, abgeht.
    „Die Problematik der traditionellen Theorie besteht nun darin, dass in ihren diversen wissenschaftlichen Ausprägungen keine Möglichkeit gegeben ist, diese Verflechtung mit der Gesellschaft (und also ihre eigene gesellschaftliche Rolle) hinreichend zu reflektieren. Dieses Manko entsteht nach Horkheimer im Wesentlichen dadurch, dass ›traditionelle Theorie‹ sich auf Tatsachen bezieht, welche sie, weil diese in gewisser Hinsicht zugleich diejenigen sind, auf denen sie auch selbst beruht, nicht mehr hinterfragt. Sofern sie diese aber einfach als objektiv gegeben hinnimmt, verfällt sie damit einem folgenschweren Selbstmissverständnis. Die Tatsachen existieren nämlich nicht unabhängig von der jeweiligen Gesellschaft, sondern sind vielmehr das Produkt einer allgemeinen gesellschaftlichen Praxis, welche zugleich mit den Tatsachen auch die spezifische Erfahrungsweise derselben produziert / bestimmt. So kommt es, dass die traditionelle Theorie ihr Erkenntnisstreben immer nur auf Teilaspekte richtet, wodurch sie die vorgefundene Lage als Ganze affirmiert und sie als ihre eigene Bedingung permanent aufrecht erhält beziehungsweise reproduziert. Die gesellschaftliche Praxis als solche wird von den Individuen (die ihre Träger und Erzeuger sind) nicht durchschaut, das beschriebene Zusammenspiel als solches kann nicht auf seine Vernünftigkeit bzw. Unvernünftigkeit hin befragt werden. Diese Begrenztheit herkömmlichen theoretischen Denkens aufzudecken, wird nun zur Aufgabe der kritischen Theorie. Sie versteht sich in diesem Sinne nicht als Alternative zu den kritisierten Systemen, sondern als Kritik in Reinkultur, welche die Gesellschaft als Ganze, ihre Strukturen und Theorien, zum Gegenstand hat.“ Quelle:
    http://www.philosophie-woerter.....d1e27c77a8
    Wird mit einem Genitiv von Kritische Theorie der Gesellschaft, des Subjekts, der Moral usw. gesprochen, so bedeutet das nicht, daß Gesellschaft, das Subjekt usw. im Sinne der Ablehnung kritisiert wird, sondern daß erst einmal die Theorie auf ihre eigenen gesellschaftlichen Bedingungen reflektiert.

    Das „also“, das einen gültigen Schluß suggeriert, hat daher gar keine Berechtigung. Sonst wäre es ja so, daß die Psychoanalyse als Kritische Theorie des Subjekts das Subjekt verwerfen würde, obgleich sie dieses ja nur analysiert.
    Oder man verwendet Kritik, so wie Kant von Kritik der reinen oder der praktischen Vernunft spricht, daß es bedeutet, die Vernunft in ihre Elemente: Vernunft im engeren Sinne, Verstand, Urteils- und Einbildungskraft usw. zu zerlegen. Von griechisch „krinein“(unterscheiden) kommt das Wort Kritik ja auch her. In den Sinne hieße dann Kritik des Zionismus, daß man ihn differenzierend analysiert, aber keineswegs wäre dann daran etwas auszusetzen, daß man das tut.
    Daß ein falsches Bewußtsein auf seine gesellschaftlichen Bedingungen hin reflektiert wird, gehört zu einer Kritischen Theorie des Antisemitismus, die nicht diesen auf ein Vorurteil runterbringt, sondern im Kontext ihres gesellschaftlichen Realgrundes betrachtet, die Antisemitismus als eine Denkform hervorbringt, die eine vernünftige Betrachtung von Gesellschaft verhindert. Dies gründet allerdings nicht in subjektiver Denkschwäche, sondern in Verkehrung der Wirklichkeit selber, die in Ideologie mündet.
    Darunter wäre es, kein Antisemit zu sein, nur bloße Meinung, die genauso berechtigt wäre, wie der Antisemitismus; also eine ohnmächtige, hilflose Kritik am Antisemitismus, zu der dessen politische Form: der Antizionismus gehört.
    Eine Kritik der Antideutschen in überhaupt einem Sinne kann ich in dem Text nicht erkennen.
    Und ein Vorwurf, jene würden sich auf Adorno berufen, ist gar keiner. Denn mindestens beweisen sie dann ja doch den besseren Geschmack.

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    @ Christian

    Mit Nichten habe ich das Sujet kritisiert – ich kenne Adorno weder persönlich, noch habe ich sein Werk gelesen. Die kritische Theorie kann ich nicht kritisieren, weil ich sie schlicht nicht kenne.

    „Lesen Sie doch am Besten mal Primärquellen“ um dann was? Um mich von Typen immer gleichen Zuschnittes besser beeindrucken zu lassen? Um ihre Fixierung auf dieses Land zu verstehen? Sie nehmen meine Kritik an dem Gehabe und der Attitüde nicht im Ansatz ernst. Den wievielten gnostischen Zirkel muss ich den durchschreiten, um zu begreifen, dass für sie die Folklore, der Grund warum man andere Länder eigentlich mag, vollkommen egal ist. Und wenn ihnen dieses Land nur als Projektionsfläche dient, dann mit prolligem Verlaub, haben sie den gleichen Ansatz wie die revolutionären Konservativen. Für die bin ich auch durch die Gesellschaft entfremdet und als Carl Schmitt Uneingeweihter kein Gesprächspartner. Deren Israelkritik hat irgendwie auch nichts mit Israel zu tun. Lustiger weise haben die auch einen blinden Fleck, wenn es um Zigeuner geht, es sei denn, sie sind Flüchtlinge. Wie sieht es damit bei ihnen aus? Was haben sie bis jetzt für die Eigenstaatlichkeit der rumänischen Roma getan? Ach ja, wenn ich Adorno gelesen hätte, wüsste ich, warum Israel viel spannender ist. Haben sie Carl Schmitt, Spengler, Jünger und Konsorten wirklich gelesen, bevor sie die Rechte kritisieren? Machen sie deswegen einen Bogen um „Gegen Rechts“ Veranstaltungen? Unterstellt: wohl kaum.

    Um eine Bande elitärer Schnösel zu erkennen, nun, dazu habe ich schon genug Primärquellen studiert. Auch bin ich nicht entfremdet genug, als das mir Entblößungen dieser Art peinlich wären und wenn ich einen Bogen um die Geisteswissenschaften mache, machen sie dann einen Bogen um das Thema Gesellschaft? Das sind nämlich hauptsächlich Prolls, von denen sie so viel wissen, wie die von Adorno.

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    @Stevanovic

    „Ach ja, bei beiden dreht sich die Welt um Juden. Ein fremdbestimmter Proll der dabei böses denkt.“

    Beeindruckend, sich einer derart peinlichen Entblößung hinzugeben. Lesen Sie doch am Besten mal Primärquellen, auch und gerade jene die, dass Sujet begründeten, welches man ahnungslos „kritisiert“. Vielleicht sollte man auch einfach einen Bogen um im (aller-, aller) weitesten Sinne geisteswissenschaftliche Blogs machen. Lassen Sie das Proll stehen, es scheint in der Tat zuzutreffen.

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    Herr Posener, Sie irren sich. Ich habe weder Zeit noch Lust, Ihnen Ihre Lügen und Irrtümer um die Ohren zu schlagen. Ich brauche meine Zeit, um Schüler und Studenten zu indoktrinieren.

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    @ Ziegler

    Eine solche Haltung ist elitär – darum geht es. Das ganze ist eine Art gnostischer Zirkel, bei dem sich mit jedem Buch ein Stück der Wahrheit offenbart. Mit jeder durchgekauten Theorie Adornos, Marx oder sonst wem nähert man sich dem Zustand der Befreiung (Erleuchtung). Ein freies Leben ohne die gnostischen Kreise (Seminare) zu durchschreiten, ist nicht möglich. Auch Scientology ist ähnlich aufgebaut. Nachdem die Kreise durchschritten sind, folgt als Belohnung eine Karriere selbstständiger Mitarbeiter einer Zeitung, NGO oder Agentur, vielleicht als Publizist. Wieder mit Abstand zum fremdbestimmten Pöbel.

    Nicht zufällig ähnelt das ganze den Jungs von der konservativen Revolution. Erst wer Oswald Spengler und Ernst Jünger im Schlaf zitieren kann, kann überhaupt die Welt verstehen. Nicht zufällig entdeckt die rechte Szene gerade Adorno, der scheint gut für das elitäre Selbstverständnis zu sein. Auch diese Bewegung leidet, ist impotent und extrem erfolglos, was sie wieder in ihrer elitären Attitüde bestätigt. Beide Bewegungen brauchen diesen Misserfolg, denn wenn es alle verstehen würden….

    Ach ja, bei beiden dreht sich die Welt um Juden. Ein fremdbestimmter Proll der dabei böses denkt.

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    Ach, Alex Rernnarde, dass Sie MIR Ironie zu erklären versuchen, sie aber in meinem Beitrag, obwohl daumendick aufgetragen, nicht erkannt haben … Was soll ich sagen? Typisch antideutsch halt, weil: in ihrer Humorlosigkeit sind die Antideutschen – wie in ihrem Hass auf die eigene Nation – eben doch typisch deutsch.
    „Power of Will“: Die pubertäre Anspielung entlarvt sich selbst und den Schreibenden. Wie „Gruppe Morgenthau“ und so weiter. Interessant, dass derselbe Beitrag auch unter dem Namen DIG Hochschulgruppe Rostock gepostet wird. QED.
    Lieber agbw, Ihre Frage ist höchst interessant. Gelegentlich schreibe ich einen längeren Essay darüber, was ich alles in der KPD gelernt habe und wie sehr mir die dort erworbenen Fähigkeiten und Haltungen etewa im Schuldienst nützlich waren. Natürlich lernte man dort auch den politischen Gegner fertigmachen. Lesen Sie bei Gelegenheit meine Serie über den KBW in „Dem Volke dienen“, Zentralorgan des KSV. Ihnen passt bloß nicht, dass jemand anderes über diese Fähigkeiten verfügt, die Sie so gern gegen vermeintliche Feinde einsetzen. Also, ich kann auch anders, aber Sie haben es anders nicht verdient, und Ihre Beiträge hier zeigen das. Ich heiße dieses Gequatsche aber willkommen. Denn solange Sie sich mit mir beschäftigen, lassen sie Ihre Finger von anderen Leuten und hören auf, die Solidarität mit Israel zu sabotieren. Dafür danken die Israelis. Eines Tages werden auch Sie es mir danken.

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    Wenn die „Kritische Theorie“ (bzw. die Nachfolger) überall fremdbestimmte, beschädigte Subjekte annimmt und ihnen keine freie Entscheidung zubilligt, wenn sie dann obendrein noch behauptet, es gäbe kein richtiges Leben im falschen o.ä., dann muss man sich schon fragen, wie denn die tollen Kritischen Theoretiker es unter solch widrigen Umständen schaffen konnten, aus dem Schraubstock ihrer fürchterlichen Umgebung auszubrechen?

    Eine solche Haltung ist elitär, zusammen mit einem „Imperativ“ auch noch autoritär, ein total verkopftes Projekt, vergleichbar mit dem philosophischen Solipsismus.

    Zu behaupten, Marx sei kein Antisemtit, ist angesichts des Zitats von Herrn Posener geradezu dreist. Zumindest der Marx dieser Jahre war Antisemit, weil er dieses antisemitische Zeugs von sich gegeben hat. Warum er dieses Zeug von sich gab, ist eine andere Frage. Warum jemand Antisemit ist, ist immer eine andere Frage.

    Gleichzeitig heißt das aber nicht, dass alles, was Marx jemals von sich geegben hat, unbrauchbar oder falsch ist, nur weil er (ggf. auch nur zu einer bestimmten Phase seines Lebens) Antisemit war. Bei der Frage, ob seine gesellschaftlichen analysen zutreffend sind oder nicht, ist die Frage, ob er Antisemit war, völlig irrelevant.

    Ansonsten würde ich Steinmaus zustimmen und vorschlagen, man höre mal damit auf, gegen etwas oder jemanden zu sein, und fange mal dmait an zu überlegen, wofür man denn eigentlich ist. Israel ist in diesem Sinne nicht deshalb „gut“, weil jemand anderes, viele oder sogar fast alle gegen Juden sind, sondern weil es ein „gutes“ Land ist, ein guter Staat mit einer liberalen Demokratie. Dieses Werturteil wird nicht absolut, sondern im Vergleich zu den Nachbarstaaten getroffen; Israel kann und sollte selbstverständlich noch besser werden.

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    Serdar: Vielleicht ist das Wort “Nation” irreführend, vielleicht sollte man die Juden analog der Muslime wie eine “Ummah” definieren. Kein Scherz, das meine ich ernst. Statt Ummah kann man natürlich ein anderes Wort nehmen. So kommt man nicht in die Schwierigkeiten mit den Begriffen wie “Volk” oder “Nation”.

    … nun ja, werter Serdar, Ummah? … etwa wie Böhmer meint: Diese Menschen mit ihrer vielfältigen Kultur, ihrer Herzlichkeit und ihrer Lebensfreude sind eine Bereicherung für uns alle?

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    Sehr geehrter Herr Posener,

    wenn Sie gerade einmal nicht zu sehr damit beschäftigt sind, den khomeinistischen Kampfbegriff der Islamophobie hoffähig zu machen, würde mich interessieren, ob Sie bei der KPD-AO auch anderes gelernt haben, als eine Parteilinie auszugeben und Abweichler als Extremisten, Sekten etc. pp. zu diskreditieren. Der Hinweis auf Ihre K-Gruppen-Vergangenheit ist deswegen so interessant, weil Sie sich heute noch wie ein K-Grüppler aufführen, wenn auch nicht wie einer aus einer der offeneren. Was zu Ihnen zu sagen ist, wurde bereits dargelegt:

    http://abgwb.wordpress.com/wut.....n-posener/

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    „Ich wiederum habe es mit der inhaltlichen Auseinandersetzung versucht; mich daran erinnernd, dass – als ich, worauf kein Gegner je hinzuweisen müde wird, je dümmer, desto häufiger – vor 40 Jahren Maoist war“

    Genauso also, wie von vermeintlichen „Kritikern“, Sie eingeschlossen, permanent darauf hingewiesen wird, dass die „Antideutschen“ aus K- Gruppen hervorgegangen sind? (Obwohl jene Individuum, die heute der antideutschen Strömung zugerechnet werden, welche aus K- Gruppen hervorgingen doch vor allem zu deren Niedergang in nicht unerheblichem Maße beigetragen haben)

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    Ganz von vorn gedacht:
    Ich höre immer das Vorwort „Anti-„. Hier treffen sich Menschen, die nur wissen, was sie nicht wollen; ob sie auch wissen, was sie wollen? Auch im Begriff „Atheist“ findet sich diese Verneinung.
    Leben ist für mich dann wertvoll, wenn ich weiß, was ich WILL und BIN.
    Anti-Haltungen (egal in welche Richtungen) entstammen oft aus zu starken Spannungsfeldern aus der Kinder- und Jugendzeit.

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    Aber aber, Herr Posener, sind Sie in Ihrer weinerlichen Verbissenheit wirklich nicht in der Lage Ironie als solche zu erkennen? Da es so aussieht und nocheinmal für alle, auch die Ernsthaftesten, Humorlosesten: „Rotzlöffel“ war gar nicht erstgemeint, sondern IRONISCH. Dass Sie mit dem Wörtchen „antiautoritär“ gegen die Intention Broders aufs Neue und schon wieder versuchen, die DIG-Hochschulgruppe in den Dreck zu ziehen, spricht erneut (man lese die guten Kommentare) gegen Sie. Überhaupt: Warum schreien Sie über Dinge, über die Sie offensichtlich gar nichts wissen, wenn Sie weder den Brief noch die Stellungnahme Robbes kannten?
    Alle Antideutschen sind Ihnen bestimmt sehr dankbar für Ihre gutgemeinten pädagogischen Erziehungstips. Daran sieht man übrigens, dass Sie nicht nur Maoist waren, sondern auch Lehrer.

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    Etwas brüchig ist die ganze Logik aber schon. Gerade der „Bahamas“ ist doch schon lange kein „Hass auf die bürgerliche Gesellschaft“ mehr zu attestieren. Deren Agenda lautet „Ideologiekritik“, und bei „der Linken“ sind die Autoren genau deshalb so verhasst, weil sie als Apologeten des Konservatismus und der bürgerlichen Gesellschaft gelten. Fraglich ohnehin, die Bahamas eins zu eins zu setzen mit dem Label antideutsch. Sie selbst zumndest sieht sich schon längst nicht mehr dort.

    Wie irgendwo recht treffend geschrieben stand: Die Debatte mutet wie ein Wettstreit an, wer denn nun aus den edelsten Motiven heraus israelsolidarisch sei.

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    @Alan Posener & Hannes

    Vielleicht ist das Wort „Nation“ irreführend, vielleicht sollte man die Juden analog der Muslime wie eine „Ummah“ definieren. Kein Scherz, das meine ich ernst. Statt Ummah kann man natürlich ein anderes Wort nehmen. So kommt man nicht in die Schwierigkeiten mit den Begriffen wie „Volk“ oder „Nation“.

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    Lieber Olaf Schneyder, den Brief Henryk Broders kannte ich ebensowenig wie das Ultimatum Robbes an die DIG-Hochschulgruppe. Ich meide, wenn es geht, die „Achse“. Aber dass Henryk Broders die Mitglieder der DIG-Hochschulgruppe Rostock als „Rotzlöffel“ bezeichnet, würde ich an deren Stelle kaum als Unterstützung empfinden. Mir scheint, wir haben es eher mit zwei Erziehungsstilen zu tun: Robbes autoritärer Ordnungsruf und Broders antiautoritäre Verteidigung der Rotzlöffel. Ich wiederum habe es mit der inhaltlichen Auseinandersetzung versucht; mich daran erinnernd, dass – als ich, worauf kein Gegner je hinzuweisen müde wird, je dümmer, desto häufiger – vor 40 Jahren Maoist war, kaum einem Lehrer oder Dozenten begegnete, der sich die Mühe machte, mir den verbrecherischen Unsinn meiner Positionen auseinanderzubuchstabieren. Best, apo

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    Lieber Hannes,

    es ist, glaube ich, etwas Anderes, wenn sich die europäischen Juden in den Zeiten vor der bürgerlichen Emanzipation als Volk verstanden haben, oder wenn ihnen von modernen Antisemiten unterstellt wurde oder wird, eine eigene Nation zu sein.
    Gewiss, im Zarenreich gab es den BUND, der eine nationale Emanzipation der Juden anstrebte, zumal die meisten im so genannten „Ansiedlungsrayon“ in mehrheitlich jüdischenStädten und Dörfern lebten; und wer wird nicht der Meinung sein, dass sie hundertmal mehr Recht hatten als Lenins blutige Internationalisten? Aber das war eben die besondere Situation des „Völkergefängnisses“. Im Westen sah es anders aus.
    In Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien – und in den USA – allerdings gab und gibt es eine Mehrheit assimilierter Juden, die das Ansinnen, einer anderen Nation als jener, in der sie lebten, zugeschlagen zu werden, entschieden ablehnten. Und die sich übrigens – wie etwa meine Großeltern – eigentlich auch nicht konfessionell definieren lassen wollten. Sie wollten sich überhaupt nicht von anderen definieren lassen.
    Ich sperre mich dagegen, diese Haltung als durch den Holocaust widerlegt anzusehen. Ich bin dankbar, dass es Palästina gab, wo Teile meiner aus Deutschland vertriebenen Familie unterkommen konnten; und dass es Israel gibt. Aber ich bin auch dankbar, dass es Großbritannien gab, in dessen Armee mein Vater als Palästinenser gegen Hitlerdeutschland kämpfen durfte, und gibt; und dass es die USA gibt, ohne die – so fürchte ich – es für Israel noch ungemütlicher wäre, als ohnehin der Fall ist.
    Beste Grüße
    A.

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    @Schneyder

    Danke für den Link, ich dachte die DIG würde das tolerieren, nach dem Moto jeder Verbündeter sei willkommen. Ich habe mich geirrt. Die Freunde Israels sind doch nicht so willenlos, wie es mir schien.

  20. avatar

    @Kaschie: „An den Beiträgen von ‘Joris Dahlem’ und ‘In Zion’ merkt man, in was für einem Parallelkosmos sich die “Antideutschen” bewegen. Halluzinierend und ressentimentgeladen glauben sie doch tatsächlich, dass die jüngeren Bevölkerungsschichten mehrheitlich antizionistisch seien“

    Abgesehen davon, dass man an Ihrem Beitrag schön ablesen kann, wie schnell man zum „Antideutschen“ wird, ohne einer zu sein, rate ich Ihnen, sich mal in ein deutsches Gymnasium zu begeben und die dortigen Oberstufenschüler zu bitten, ihren Assoziationen zu „Zionismus“ und „Israel“ in einer anonymen schriftlichem Unfrage freien Lauf zu lassen. Dann sprechen wir uns wieder.

  21. avatar

    An den Beiträgen von ‚Joris Dahlem‘ und ‚In Zion‘ merkt man, in was für einem Parallelkosmos sich die „Antideutschen“ bewegen. Halluzinierend und ressentimentgeladen glauben sie doch tatsächlich, dass die jüngeren Bevölkerungsschichten mehrheitlich antizionistisch seinen oder dass alle Araber Israel vernichten wollen. Abgehoben, neben Marx und Adorno auf der Wolke schwebend, scheinen die „Antideutschen“ fast jeden Kontakt zur Realität verloren zu haben.
    Weder interessiert sich die Jugend mehrheitlich für Israel, noch ist die größte Sorge der meisten Araber, die Existenz Israels. In ihrem fundamentalistischen Wahn gleichen die „Antideutschen“ psychologisch gesehen ihren ärgsten Gegnern – den real existieren Antisemiten aller Couleur.

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    Sehr geehrter Herr Posener,

    da sich Ihr offensichtlich stark ressentimentgeladenes Stück nicht nur wie eine Denunziation liest, es sich vielmehr um eine solche handelt, wird nicht nur am Ton deutlich, sondern vor allem daran, dass Sie Falsches schreiben. Schon in Ihrem Welt-Artikel über die „Falschen Freunde Israels“ schreiben Sie von Hochschulgruppen aus anderen Universitätsstädten, die aus Antideutschen bestehen würden. Nun ist die Rostocker die erste und einzige DIG-Hochschulgruppe überhaupt. Die große Unterwanderung, die Sie so suggerieren, findet also schlicht nicht statt. Wie Sie überhaupt auf solche und ähnliche Verschwörungswörter verfallen, wo junge Leute sich aus mehr oder weniger freien Stücken dazu entscheiden, sich mit Kritischer Theorie zu beschäftigen und ihre Solidarität mit Israel nicht aufgehen lassen wollen in Ihrer folkloristischen Hingabe ans „wunderbare Land“ und „liebenswerte Volk“. Den Zionismus so konfessionalistisch verflachen zu lassen, wie Sie das tun, und worauf Hannes Stein dankenswerterweise schon hingewiesen hat, ist nicht nur peinlich – offensichtlich wissen Sie wirklich nichts vom Zionismus. Zionismus, also politische Idee, und das meint man gemeinhin wenn man dieses Wort benutzt, bezieht weder auf jede jüdische Auswanderung nach Palästina schlechthin noch endet seine Geschichte mit dem Tode Theodor Herzls. Vor allem letztere Tatsache impliziert sehr wohl, dass der bis heute praktizierte Versuch der Araber, den Judenstaat zu vernichten, das zionistische (Selbst-)Verständnis Israels bestimmt und notwendig macht. Dies bedeutet mitunter leider auch: aggressives Vorgehen gegen politische Feinde. Vielleicht war das gerade ein Grund, warum die Studenten und Studentinnen aus Rostock sich fürs Adorno-Lesen entschieden: Aggression und Krieg als das bezeichnen was sie sind, nämlich ebendies – ohne rationalisierend politisches Neu-Sprech zu benutzen um tragische, aber historisch eben notwendige Kriege schönzureden. Ob Herzl das bewusst war oder nicht, kann für Sie dabei doch nicht ernsthaft eine Rolle spielen.
    Anscheinend aber doch, da Sie Leute, die sich auf Marx berufen, des Antisemitismus zeihen. Womit Sie uns, jeden weiteren Kommentar erübrigend, beweisen, wie wenig Sie von Theoriegeschichte verstehen, die Sie zwanghaft an Personen und Gründer binden – was ungefähr so viel hieße, wie einem philosophischen Anhänger Platons die Verteidigung der Sklaverei vorzuwerfen.

  23. avatar

    Wann manche darauf „verfielen“, Antizionismus zu geißeln, scheint mir ein recht schwaches Argument dafür zu sein, denjenigen die Aufrichtigkeit Ihres Ansinnens in Bezug auf Israel abzusprechen. Es verkennt auch, dass Antizionismus sich erst seit Beginn des Jahrtausends, nicht nur, aber auch in Deutschland, zu einer richtigen Mainstreamideologie (bzw Bestandteil einer übergeordneten Ideologie) bei jüngeren Bevölkerungsschichten entwickelt hat. Wem von den Älteren bis dahin nicht aufgefallen war, was Jean Amery schon 1969 in prägnanten Worten enthüllte, der konnte wohl spätestens jetzt die Augen davor nicht mehr verschließen. Ich würde es auch begrüßen, wenn jüngere Anti-Antizionisten sich nicht in den Dunstkreis von Kommunismusromantikern (oder Islamophobikern) begeben würden, man muss andererseits aber auch konstatieren, dass man den sonstigen gesellschaftlichen Widerstand gegen diese perfide, weit verbreitete Judenhasserei im Gewand von Israelhass, Verschwörungstheorien mit USA und Israel als Protagonisten, strukturellem Antisemitismus wie in der Antiglobalisierungs- und Antikapitalismusbewegung, überwiegend in die Tonne kloppen kann. Nein, wo ein Antideutscher in Bezug auf Antizionismus Recht hat, da hat er Recht.

  24. avatar

    @Posener

    Mist, hätten sie das früher erwähnt, hätte ich ihnen ein Päckchen für meinen Bruder mitgegeben.

    Ich kann mir keinen Gedanken-Schah vorstellen, in dem jemand einem Israeli am Strand von Tel Aviv „Schachmatt, du musst gehen “ geben könnte, genauso wenig wird sich die Hamas von der Marx Interpretation beeindrucken lassen. Warum die Idee von Israel überhaupt immer und immer wieder von Pro&Contra durch einen intellektuellen Fleischwolf gedreht werden muss, ist mir Angesicht eines extrem lebendigen und sehr kreativen Landes ein Rätsel. Die Frage, was Israel eigentlich sein soll, halte ich für eine deutsche Frage, wahrscheinlich sogar europäisch, damit aber auch sehr egal. Aber vielleicht gibt es wirklich in einem Folianten voller gelehrter Geschwätzigkeit etwas, was die Jungs am Strand übersehen, vielleicht muss man nur richtig suchen und den Gedanken nochmal umdrehen. Die Tatsache, dass es die Jungs nicht die koschere Bohne interessieren würde, legitimiert sie dort zu sein, wo sie sind.

    Aber in einem Punkt haben sie recht: ihr Blog, ihr Thema.
    Viel Glück beim Suchen, meine ich wirklich, wenn sie was finden, was allen einleuchtet und diese Debatte beendet, bekommen sie eine Flasche Rakija von meinem Opa.

  25. avatar

    Herr Posener, könnten Sie lesen, hätten Sie schon lange gemerkt, dass ich kein „Apologet der Antideutschen“ bin. Aber das ist Ihnen, in Ihrem Furor wohl entgangen.

    Viel Spaß bei Ihrem Kleinkrieg gegen die Antideutschen wünscht Ihnen
    Kevin

  26. avatar

    Alan, Du tust in einem Nebensatz ab, dass Juden eine Nation seien und bezeichnest dies als antisemitische Behauptung. Aber vielleicht ist die Selbstwahrnehmung hier doch nicht ganz unwichtig? Die Idee, Juden seien eine „Konfession“ ist unter Juden relativ jung, sie kam erst nach und wegen Napoleon auf. Aber diese Selbstdefinition betraf nur einen kleinen Teil des juedischen Volkes (eben die Juden in Frankreich und Deutschland, ein bisschen auch in Grossbritannien), und sie ist, wie gesagt, sehr jung. Davor und danach und gleichzeitig haben Juden sich selbst als Nation begriffen, als „Am Jisrael“. Die Idee, Juden seien eine „Glaubensgemeinschaft“, ist m.E. christlich, nicht juedisch.

  27. avatar

    Bettina Röhl in der Wirtschaftswoche: ‚Die antideutsche Masche, die bei dem grünen Spitzenpersonal und im linken Lager insgesamt Platz greift, hat die Gesellschaft längst porös gebracht und das zeigt sich jetzt ganz konkret im Kontext der Flut.‘

    (… ahem, für die Gen. Stevanovic u.a. zur Genugtuung, habe B.R. zuerst bei kewil gelesen.)

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    99,75% Zustimmung

    Die sogenannten Antideutschen sind im Grunde nichts anderes als eine fundamentalistische DEUTSCHE Sekte. Und wie allen Sekten, geht es ihnen um Rettung. Nein, nicht der Welt („die Welt muss also ‚anders eingerichtet‘ werden“), nicht der Juden, der Zionisten und auch nicht der Israelis. Ihr verfluchtes deutsches Ego-Dasein, in dem sie hineingeboren und sozialisiert worden sind, wollen sie retten – oder vielmehr säubern … z.B. von antisemitischen Ballast. Geht nicht. Und erst recht nicht, wenn man nur fundamentalistischen Quatsch im Kopf hat. Das Lebenselixier dieser Fundamentalisten ist die projiziere bipolare Einteilung der Welt. Und na klar, man selbst ist integraler Teil der Guten. Zur Bestätigung besitzt man ein Arsenal an Israel-Winkelemente für diverse Anlässe. Und einmal im Leben gibt es die Reise an den Strand von Tel Aviv. Haben die Eltern auch gemacht – zum Solieisatz nach El Salvador und Nicaragua. Wenn sie heimkehren sind sie beseelt genug, um weiter ihren gruppenbezogenen Hass gegen Andere auszusprühen. Hauptsache das eigene Hemd bleibt strahlend weiß.

    PS: Die 0,25% fehlen, weil ‚Antideutsch‘ nicht in Anführungsstriche steht. Sie sind und bleiben handelnde Teile dieser Gesellschaft – im Positiven und Negativen – wie alle Anderen auch.

  29. avatar

    Werter Herr Posener, wenn Sie Marx nicht verstehen, ist das eine Sache. Marxisten aber als Antisemiten zu bezeichnen, weil sie Marxisten sind, ist eine inakzeptable Diffamierung.

  30. avatar

    Das was Joris Dahlem am Ende beschreibt, ist denke ich einer der Hauptgründe dafür, dass die Antideutschen eben nicht ständig erzählen, wie das heutige Israel aussieht. Dann hieße es nämlich noch viel mehr als sowieso schon, dass sie ja völkisch wären.
    Aber naja, nun sind sie halt auch noch Antisemiten. Sie sind ja sowieso schon alles mögliche: Neo-Marxisten, Neo-Liberale, Neo-Konservative, Neo-Stalinisten, Neo-Faschisten, und nun eben noch Neo-Anti-/Philosemiten. Vielleicht werden sie dann auch wie Irving Kristol als Neo- enden 😉

  31. avatar

    Lieber Kevin, vielen Dank für die Themenvorschläge. Würden Sie lesen, bevor Sie kommentieren, könnten Sie allein auf „Starke Meinungen“, von meinen Beiträgen für die „Welt“ und andere Organe ganz abgesehen, genug dazu finden. Aber Ihnen als einem Apologeten der Antideutschen geht es natürlich nicht darum.
    Lieber Joris Dahlem, ihnen muss ich wohl das Gleiche sagen. Denn ich sage nicht, dass die Antideutschen die antizionistische Stimmung erfunden hätten. ich sage, dass sie relativ spät darauf verfielen, den Antizionismus zu geißeln.
    Lieber Stevanovic: Es zwingt Sie ja niemand, das hier zu lesen, noch weniger, sich dazu zu äußern, wenn Ihnen das Thema nicht gefällt. Morgen treffe ich die Vizeaußenministerin der Republik Serbien, vielleicht komme ich auf Gedanken, die Sie eher interessieren. Aber hier schreibe ich das auf, was mich interessiert, und webnn es sonst niemanden interessiert, dann ist es halt so.
    Und ja, Israel wäre eine Realität, auch wenn Marx kein Antisemit und Herzl kein Zionist gewesen wäre. Aber ganz sicher ist Israel mehr als jedes andere Land der Erde außer möglicherweise den USA ein geistiges Produkt, ein intellektuelles Projekt. Vielleicht ein Grund, außer den vielen Israelfreunden hierzulande, warum der Judenstaat vielen so suspekt ist.

  32. avatar

    Unqualifizierter Einwurf am Rande, bezieht sich nicht auf eure Beiträge, sondern allgemein:

    Es fällt mir sehr, sehr schwer zu glauben, dass ich erst Marx und die Geschichte des Zionismus und die Facetten des Antisemitismus kennen muss, um eine Meinung zu Israel zu haben. Erwartet zu Japan auch niemand von mir.

    Überzeugt hat mich: http://www.youtube.com/watch?v=j9VX5jDPhW8

    Wenn man den unbedingt Sympathien für ein Land wecken möchte, sind da intellektuelle Schwanzvergleiche, wie sie in Deutschland zum Thema Israel und Juden gemacht werden, der richtige Weg? Meine Naivität, die ich gegenüber Israel habe (mein Opa hat den Krieg gewonnen – nein Hans, es war kein Unentschieden) muss ich hart verteidigen. Stellt euch vor, es tauchen Schriften von Theodor Herzl auf, in denen er darlegt, dass er von falschen Prämissen ausging und alles nur ein Missverständnis war. Marx, der seine jüdische Identität entdeckt hat. Who cares? Lösen wir Israel auf? Wohl kaum, weil es vollkommen irrelevant ist.

    So auch die Antideutschen. Was für eine verkopfte und durchideologisierte Klugscheisser-Atmosphäre muss in der DIG herrschen, dass die möglich sind. Und die allgemeine öffentliche Wahrnehmung zu Israel?

    Klar, man darf nicht sich nicht äußern. Und wisst ihr was: Die Leute merken das ganz richtig. Hinter jedem Baum steht ein Freund Israels um sein intellektuelles Teleskop zu präsentieren, Zitate mit Seitenangabe.

    Und dann die Frage: warum sehen die Menschen Israel nicht als normales Land? Weil du sie nicht lässt, mein lieber israelfreundlicher Intellektueller. Da braucht man keinen Antisemitismus, um als Normalo bei Thema Brechreiz zu bekommen.

    Deswegen fordere ich: Moratorium der Juden und Israelfrage! Wir nicht-Juden sind schlicht zu blöde, sie angemessen zu führen.

  33. avatar

    Meines Erachtens stoßen Sie, Herr Posener, eine durchaus wichtige Debatte innerhalb einer von mir immer als sehr heterogen empfundenen Gruppe deutschsprachiger – nunja – Israelsympathisanten an, zu der auch eine wohl eher schwierig einzugrenzende Strömung der „Antideutschen“ gehört. Ihre Kritikpunkte überzeugen mich allerdings nur teilweise, und Ihre Delegitimierungsversuche gegenüber den Antideutschen gar nicht.

    Recht gebe ich Ihnen damit, dass eine Auseinandersetzung mit dem Zionismus gestern und heute auf einer breiteren Ebene stattzufinden hat als nur auf der des euro-asiatischen Antijudaismus/Antisemitismus. Ich lehne auch die Gesellschaftsentwürfe der Antideutschen ab, sofern sie in teilweise verblödeter Form um Vokabeln wie Marxismus und Kommunismus kreisen.

    In Ihrem Bestreben, „den Antideutschen“ in Bezug auf Israel bzw das Israelbild der Deutschen unlautere Motive bis hin zur Judenfeindlichkeit zu unterstellen, fallen Sie jedoch hinter eigene Erkenntnisse zurück. Um den Nachweis einer vermeintlich nur imaginierten antisemitischen deutschen Mehrheitsgesellschaft zu führen, sei man bei den Antideutschen auf den „Clou“ (!) gekommen, Antizionismus als Spielart des Antisemitismus zu geißeln? Ohjee ohjee. Ich empfehle Ihnen ein Bad in der Menge, Lektüre einschlägiger repräsentativer Umfragen etc, um Ihren wohl etwas trübe gewordenen (oder schon immer gewesenen?) Blick auf die Realität deutscher Feuilleton-, Salon-, Küchen- und Kneipenmeinungen zu Israel und Juden zu schärfen. Und ein (wenn auch nicht sonderlich origineller) Clou war es höchstens, seine antijüdischen Ressentiments in antizionistische/antiisraelische Figuren zu kleiden, aber nicht das Hinweisen auf diese Taktik.

    Überhaupt will es so garnicht einleuchten, dass Sie einerseits bemängeln, Antideutsche seien auf einer geradezu manischen Suche nach Antisemiten, um dann selbst entsprechende Urteile zu fällen, um den größtmöglichen Wirkungstreffer zu landen. Und was die Plakativität eines pauschalen Prozionismus betrifft: Wenn ich so etwas lese wie „die Israelis, ein liebenswertes Volk“, scheinen Sie diese unterstellte Plakativität in einer etwas anderen Form noch übertrumpfen zu wollen. Auf Volkskunde bitte unbedingt verzichten.

  34. avatar

    Lieber Herr Posener,

    es ist schön zu sehen, dass Sie Ihren Mao nicht vergessen haben. Es ging ja nicht um „gestatten“, sondern ich habe nur kommentiert. Gestattet?

    Dennoch wäre es m.E. wichtiger, sich mit den wirklichen Herausforderungen für Israel-Freunde zu beschäftigen, anstatt auf linken Spinnern rumzuhacken, deren Bedeutung sowohl in der DIG wie auch in der deutschen Linken gegen Null tendiert.

    Einige Beispiele, die auch für Israel Bedeutung hätten: Kennzeichnungspflicht für israelische Waren, fortgesetzter Handel mit Iran, Verhindern eines Hisb’allah-Verbots, ausschließlicher Fokus auf Israels Siedlunsgbau, etc.

    Aber vielleicht ist das halt einfach, als den gesamtgesellschaftlichen Antizionimus zu thematisieren. Damit heimst man sich wahrscheinlich keine likes ein.

    Cheers!

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    Lieber Ahmad Ali, immer erst lesen, dann sülzen:

    In seiner Schrift „Zur Judenfrage“

    http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_347.htm

    variiert Karl Marx mehrmals die Behauptung, die kapitalistische Gesellschaft sei „jüdisch“. Ein Beispiel unter vielen allein aus dieser Schrift:

    „Nun erst konnte das Judentum zur allgemeinen Herrschaft gelangen und den entäußerten Menschen, die entäußerte Natur zu veräußerlichen, verkäuflichen, der Knechtschaft des egoistischen Bedürfnisses, dein Schacher anheimgefallenen Gegenständen machen. (…)
    Weil das reale Wesen des Juden in der bürgerlichen Gesellschaft sich allgemein verwirklicht, verweltlicht hat, darum konnte die bürgerliche Gesellschaft den Juden nicht von der Unwirklichkeit seines religiösen Wesens, welches eben nur die ideale Anschauung des praktischen Bedürfnisses ist, überzeugen. Also nicht nur im Pentateuch oder im Talmud, in der jetzigen Gesellschaft finden wir das Wesen des heutigen Juden, nicht als ein abstraktes, sondern als ein höchst empirisches Wesen, nicht nur als Beschränktheit des Juden, sondern als die jüdische Beschränktheit der Gesellschaft.
    Sobald es der Gesellschaft gelingt, das empirische Wesen des Judentums, den Schacher und seine Voraussetzungen aufzuheben, ist der Jude unmöglich geworden, weil sein Bewußtsein keinen Gegenstand mehr hat, weil die subjektive Basis des Judentums, das praktische Bedürfnis vermenschlicht, weil der Konflikt der individuell-sinnlichen Existenz mit der Gattungsexistenz des Menschen aufgehoben ist.
    Die gesellschaftliche Emanzipation des Juden ist die Emanzipation der Gesellschaft vom Judentum.“

    Eine Linke, die sich auf Karl Marx beruft, beruft sich also auf seinen Antisemitismus. Das gilt natürlich auch für die Antideutschen und für Sie.

  36. avatar

    Was hier vor allem erschreckt ist weniger der Rassismus (also das „Identitäre Denken) der Antideutschen, sondern die Ahnungslosigkeit mit der ein Feuilleton-Intellektueller vom Werk Adornos schreibt. Chuzpe zeigt vor allem Herr Bahners, der glaubt, lesenden Lesern unbemerkt den »radikalen Kritiker des Bestehenden« als »Liebhaber der zweitbesten Lösung«, verkaufen zu können.

  37. avatar

    Zu Marx:

    >>Die Traditionslinie reicht von Karl Marx, der den Wucher als Wesen des Judentums ausmachte und die kapitalistische Gesellschaft darum als „jüdisch“ bezeichnete<<

    Das ist jetzt nicht ernst gemeint, oder? Nirgendwo in dem Werk von Marx und Engels findet sich eine Charakterisierung der kapitalistischen Gesellschaft als "jüdisch". Im Grunde hatte ich ab dem Punkt keine Lust mehr, weiter zu lesen.

    Dennoch sollte man diesen Punkt diskutieren. Ich gehe mal davon aus, das soll eine Anspielung auf das Werk "Zur Judenfrage" des jungen Marx von 1943 sein.

    Das dient Nazis schon lange als "Beleg", dass "die Marxisten" die "eigentlichen Antisemiten" seien, und nicht sie selbst. Die intellektuelle Redlichkeit sollte es gebieten, hier Marx im Kontext zu verstehen und auch die Nazi-Propaganda in dieser Sache zu kennen. Marx' Frühschrift ist eine Replik auf ein antisemitisches Traktat des "Aufklärers" Bruno Bauer. Marx denunziert es als antisemitisch (freilich gab es da den Begriff des Antisemitismus noch nicht) und skizziert die Grundzüge der kommenden politischen Emanzipation der Juden. Das alles am Vorabend der antisemitischen politischen Bewegung.

    Marx' "Zur Judenfrage" ist noch heute eine schöne Inspirationsquelle für die These, dass nur eine strikt säkulare Gesellschaft die Bedingung für vollständige Religionsfreiheit sein kann. Dass die jüdische politische Emanzipation (in Deutschland und Europa) bedeutet, die Macht der Kirche im Staat radikal zu beenden. Übrigens schwebt dem jungen Marx hier die USA als Idealbild eines säkularen Staates vor, in dem sich dennoch allerlei Sekten munter bewegen, aber halt keine staatliche Macht über die anderen bekommen.

    Marx' scheinbare antijüdische Polemik ist eher als Weckruf an die eigenen Leute (Marx ist selber jüdischer Herkunft und wurde Zeit seines Lebens und bis heute deswegen entsprechend denunziert), sich von den Fesseln des traditionellen Daseins zu lösen und für ihre politische Emanzipation in der (antijüdisch gesinnten) Mehrheitsgesellschaft zu kämpfen. Das kann auch als Appell gegen Segregation und Assimilation gelesen werden. Und ja, sicher auch gegen die später populäre Idee des Zionismus.

    Das macht Marx wohl nicht nur zum Opfer der Antisemiten (die ihm unterstellen, selber der größte Antisemit zu sein), sondern auch einiger Zionisten, die glauben, so "die Linke" an sich als antisemitisch denunzieren zu können. Gerade Marx und Engels waren das nicht. Andere Linke schon, insbesondere der Sozialdemokrat Dühring und der Anarchist Marr.

  38. avatar

    Puh, hier gerät ja einiges durcheinander. Vorab sei angemerkt, dass auch ich glaube, dass es sich beim Antideutschtum um eine Variante des Antisemitismus handelt. Auch folge ich der These, dass Proisraelismus nicht automatisch kein Antisemitismus sei. Ganz im Gegenteil, und das sieht man eben nicht nur an den Antideutschen, sondern auch an den Philosemiten von Rechts, namentlich dem Spektrum von „Politically Incorrect“, die ich mal als Pro-Israel-Faschisten bezeichne.

    Geschenkt ist auch die Feststellungen, dass große Teile der Antiimps im Grunde antisemitisch ticken. Aber hier beginnt die grundlegende Differenz in der Analyse. Dieser Antisemitismus ergibt sich nicht aus dem Antizionismus, sondern „deren“ Antizionismus ist antisemitisch motiviert. Ich setze „die“ in Anführungsstriche, weil ich sie nicht alle über einen Kamm scheren will.

    Antisemitismus bei der antiimperialistischen Linken lässt sich heute gut in der Syrienfrage festmachen. Alle Kräfte, die pro-Assad sind (und sich dabei noch als Linke definieren), verteidigen gleichzeitig die Hisbollah und das Mullah-Regime. Sie sind nicht unbedingt Freunde des (schiitisch geprägten) Islamismus, aber die Allianz ist deutlich sichtbar. Diese Kräfte verstehen sich als der letzte Widerstand gegen Israel und den US-Imperialismus, oder um es querfrontiger zu sagen, „USrael“. Diese wähnen sie in einer Front mit „Al-Qaida“, einer Chiffre für „die Sunniten“ und letztlich ein Ventil für Islamophobie (welche hier auch als Spielart des Antisemitismus begriffen werden kann).

    Dieser letzte „Widerstand“ gegen Israel muss bloß immer mehr ohne Palästinenser auskommen, denn die sunnitischen Palästinenser sind gegen das Assad-Regime, insbesondere die Hamas befindet sich immer mehr in offener Konfrontation zur Hisbollah. Wofür werden sich die „antiimperialistischen“ Linken entscheiden? Meine Prognose: Es geht ihnen nicht um die arabische Sache, sondern gegen das, was sie unter „Israel“ subsummieren, u.a. eine Projektionsfläche ihres eigenen Antisemitismus („die Opfer wurden zu Tätern“).

    Meine These ist, dass der „Antizionismus“ dieser Antiimps sich immer mehr als Farce erweist, so wie die gesamte Widerstands-Propaganda der Achse Mullahregime-Assad-Hisbollah. Deren „Antizionismus“ ist ein Gebäude aus wirren Verschwörungstheorien und Machtphantasien, eine riesige Propagandashow um vom Faschismus des iranischen und syrischen Regimes abzulenken, um als Befreier der unterdrückten Völker zu posieren. In diese Riege fallen so Faschings-Mussolinis wie Hugo Chavez und Muammar al-Gaddafi.

    Das ganze zweifelhafte Spektrum des „Al-Quds-Tages“ ist ein weiterer Indikator für die Antisemiten mit antizionistischem Mäntelchen. Nehmen wir rechtsesoterische Verschwörungstheoretiker wie den Möchtegern-Assad-Agenten Christoph Hörstel und seine ganze Fangemeinde „im Internet“, bis hin zu KenFM, Elsässer, „Hinter der Fichte“, „Alles Schall und Rauch“, „Antiimperialistische Aktion“ usw.

    Nur: Um gegen „den Zionismus“ zu sein, muss man nicht zu diesen Wahnsinnigen gehören. Man kann das auch aus einer inneren Sympathie für linke jüdische Positionen heraus, für jüdische Emanzipation, usw. Ein Gradmesser könnte hier das Verhalten in der Beschneidungsdebatte kombiniert mit der Haltung zu Mullahs-Assad-Hisbollah sein.

    Da geben sich „Antizionisten“ und „Antideutsche“ nämlich nicht viel. So gesehen stimmt die These vom Antisemitismus auf der Linken, aber man macht es sich zu einfach, denn das ist eine Degeneration der Linken auf „beiden Seiten“, die längst nicht mehr links ist.

    So viel erstmal.

  39. avatar

    Alexander & Apo: ‚Es bräuchte mehr demokratische Linke, die diese Rolle übernehmen, damit man die Antideutschen allein mit ihrem Adorno lassen kann. … Lieber Alexander, Ihren letzten Satz unterschreibe ich 100 Prozent.

    Help! … ob vielleicht jemand der Genossen erklären könnte, was denn eine ‚demokratische Linke‘ oder ein ‚linker Demokrat‘ ist … ????

    … oder was die sein wollen ?? … oder was die kosten? … oder was das kostet ??

  40. avatar

    Lieber Kevin, Maos Theorie des „Hauptwiderspruchs“ in Ehren; ich erlaube mir hier auch die Arbeit am Nebenwiderspruch. Gestattet?
    Lieber Frank, wie ich in meinem Essay schreibe, habe ich eine Zeitlang auch so gedacht wie Sie. Inzwischen sehe ich das anders. Ich glaube nicht, dass Sektierer wie die Antideutschen „viele Menschen“ zur „israelsolidarischen Linken“ bringen und auf diese Weise „große Verdienste“ erwerben. Ich glaube eher, dass viele Menschen sich die Antideutschen anschauen und sich denken: „Die spinnen, die Israelfreunde!“ Wie gesagt, ein „Leiderleider-Zionismus“ nach dem Motto „Lieber Zionismus als Antisemitismus“, läuft jederzeit Gefahr, in Antisemitismuzs umzukippen. Wie man bei einigen Antideutschen während der Beschneidungsdebatte sah.

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    Leider erscheint es mir, als ob die deutsche Pro-Israelische Fraktion sich zu 95% damit beschäftigt, der deutschen marginalisierten Linke Antisemitismus nachzuweisen. Ich lese sehr viel über antisemitischen Mainstream, über Deutsche mit Täterstolz, über Ungleichbehandlung und doppelte Standards. Über Siedlungen redet diese Szene nur, wenn es um den Beweis von Antisemitismus in Deutschland geht. Kurz: Es geht nie um Israel.

    Vielleicht tue ich ihm unrecht, aber außerhalb der Welt-Redaktion schafft es Broder immer wieder jedes Interesse in der Öffentlichkeit von Israel weg und zum deutschen Bauchnabelpuhlen zu lenken. In meiner Umgebung muss ich erst eine Stunde über Broder reden, um dann 5Minuten für Israel zu bekommen.

    So habe ich nirgends eine Auseinandersetzung mit der Regierung Netanjahu gelesen, die das diplomatische Desaster vor der UN erklärt. Auf Israels Seite waren 8 Länder, u.a. Marschall Inseln. GB Australien, die EU haben sich alle enthalten. Jetzt können natürlich Antisemiten überall sein – ich habe aber Schwierigkeiten mir die Welt als permanente Weltverschwörung zu erklären, sei es der Juden oder der Antisemiten. Ich höre von der Pro-Israel Seite immer man dürfe Israel kritisieren, um dann aber kein Wort über Liebermanns Leistungen als Außenminister zu lesen, ohne die die UNO Abstimmung nun mal nicht zu verstehen ist.

  42. avatar

    Der leider unlängst verstorbene Nürnberger Autor Robert Kurz schrieb bereits 2003 ein Buch dazu: „Die antideutsche Ideologie: Vom Antifaschismus zum Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten“
    http://www.amazon.de/antideuts.....3897714264

    Wie es besser geht, schreibt Kurz zB. hier: „Auch große Teile der globalen Linken begannen umstandslos die Glorifizierung des alten „Antiimperialismus“ auf die islamistischen Bewegungen und Regimes zu übertragen. Das kann nur als ideologische Verwahrlosung gekennzeichnet werden, denn der Islamismus steht gegen alles, wofür die Linke jemals eingetreten ist; er verfolgt jedes marxistische Denken mit gnadenloser Unterdrückung und Folter, er stellt Homosexualität unter Todesstrafe und behandelt die Frauen als Menschen zweiter Klasse.“ Robert Kurz, „DER KRIEG GEGEN DIE JUDEN“

    Trotzdem haben auch die Antideutschen großes Verdienst, indem sie den Antisemitismus von links aufgreifen und kritisieren. Viele Menschen kommen dann über diesen Weg zur Israelsolidarischen Linken. Auch den Zusammenhang mit dem dazugehörigen Antiamerikanismus und Kapitalismuskritik auf Wutbürgerebene mitsamt Islamophilie wird in Publikationen gut herausgearbeitet.
    Aber jede Weltanschauung hat Problemfelder, das ist richtig. Würde man das abstreiten, begäben wir uns in theologische Bereiche 😉

  43. avatar

    Lieber Herr Posener, Ihre Kritik an den Antideutschen in aller Ehren. Aber Ihre Bewertung,“Die Antideutschen schaden Israel, sie schaden der deutsch-israelischen Freundschaft“, ist einfach nur lächerlich. Wie genau soll man sich das vorstellen? Der jüdische Staat ist also den wirren Theorien der Antideutschen ausgeliefert? Deutsche würden gar nicht mehrheitlich denken, Israel führe einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser, gäbe es nur keine Antideutschen? Also, lieber Herr Posener, bitte widmen Sie sich den wirklichen Feinden des Judenstaats, von mir aus auch denjenigen, die sich in der DIG tummeln. Diese sind dann aber mehrheitlich Mitglieder etablierter Parteien oder der Kirchen und nicht irgendwelche „Genossen“ völliger unbedeutender Hochschulgruppen oder K-Gruppen.

  44. avatar

    Lieber Alexander, Ihren letzten Satz unterschreibe ich 100 Prozent. Aber wichtiger als die Kritik des linken Antisemitismus ist die positive Darstellung Israels. Die DIG wird oft als „Reisebüro“ kritisiert, weil sie Gruppen und Individuen nach Israel bringt. ich halte das für eine ganz wichtige Arbeit.

  45. avatar

    Lieber Herr Posener, ich denke, dass Sie recht haben. Bemerkenswert an den Antideutschen finde ich ihre widersprüchliche Haltung dazu, was antisemitisch ist: Wenn man zum Beispiel Islamophobie und Antisemitismus auch nur auf einer psychologischen Ebene vergleicht, sei das eine schreckliche Verharmlosung. Andererseits sei alles „deutsche“ Ausdruck von Antisemitismus, da es ja aus der falschen deutschen Gesellschaft stamme. Dies gelte nicht nur für den Antizionismus, der ja tatsächlich antisemitisch ist, sondern auch für den deutschen Sozialstaat und und und. Der Grund für diese widersprüchliche Haltung scheint mir zu sein, dass die Antideutschen, wie Sie richtig schreiben, als Bestätigung für ihre Theorie überall Antisemitismus finden müssen. Andererseits darf es auch keinen falschen Antisemitismus geben, der der Theorie zuwiderläuft. Hat man ein Bündnis zwischen deutschem und islamischen Antisemitismus ausgemacht, muss Antisemitismus pro-islamisch sein und Islamophobie kann nichts mit Antisemitismus zu tun haben.

    Außerdem leugnen Antideutsche die Macht von Ideen und damit letztendlich auch die Gefahr des Antisemitismus. Bei Ihnen ist Antisemitismus immer Folge der psychischen Deformation des Individuums, die wieder Folge der falschen Gesellschaft ist. Als ob in der falschen Gesellschaft alle unabhängig voneinander auf den selben Schwachsinn kommen. Dass so eine Einstellung beim Kampf gegen antisemitische Ideen schädlich sein kann, liegt auf der Hand.

    Allerdings haben die Antideutschen bei der Kritik des linken Antizionismus/Antisemitismus sicherlich Ihre Verdienste. Es bräuchte mehr demokratische Linke, die diese Rolle übernehmen, damit man die Antideutschen allein mit ihrem Adorno lassen kann.

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