Kürzlich berichtete ein Artikel in der „Zeit“, dem Zentralorgan deutscher Studienrätinnen, über einen Versuch, der angeblich beweise, dass der Markt die Moral zerstöre.
Hier ist der Link, und es erleichtert die Lektüre und Diskussion meines Beitrags, wenn Sie zunächst den „Zeit“-Artikel lesen:
http://www.zeit.de/2013/21/wirtschaft-markt-moral-experiment/seite-1
Um dennoch kurz den Versuch zusammenzufassen:
Es ging um „überflüssige“ Mäuse, die bei Genversuchen anfallen und danach von den Labors vergast werden.
In einem Versuch wurden Probanden – deutschen Studenten – gesagt, dass sie wählen könnten zwischen einer Belohnung von 10 Euro, dann müsste die Maus sterben, oder dem Verzicht auf die Belohnung. Dann würde das Geld gespendet, und die Maus würde leben. 45 Prozent der Studenten entschieden sich fürs Geld und also für den Tod der Maus.
Im zweiten Versuch wurde ein Verkäufer dazwischengeschaltet und die Summe, um die es ging, verdoppelt. Nun konnten die Probanden um das Leben der Maus per Computer feilschen. Einigten sie sich nicht, lebte die Maus. Einigten sie sich auf eine Aufteilung der 20 Euro, starb sie. In diesem Fall entschieden sich 75 Prozent für das Geld. Und zwar wurde das Leben der Maus von Verhandlungsrunde zu Verhandlungsrunde billiger.
Womit „bewiesen“ war, was der – nach eigenem Bekunden „linksliberale“ – Versuchsleiter beweisen wollte: In einer Marktsituation sind wir eher bereit, unsere moralischen Bedenken über Bord zu werfen.
„Unter den Ökonomen schlägt das Bonner Experiment schon Wellen“, so die „Zeit“. Das muss man hoffen. Denn der Versuch hat mit Wissenschaft ungefähr so viel zu tun wie Mäuse mit Menschen.
1. Beginnen wir, erstens, mit der Versuchsanordnung. Ob die Probanden – sämtlich Studenten, die sicherlich zwischen einem Experiment und der Wirklichkeit unterscheiden können – wirklich glaubten, die Mäuse würden tatsächlich, je nachdem, wie sie sich entschieden, getötet, darf entschieden bezweifelt werden. Und wenn ja, dann hatten ja die Wissenschaftler mit ihrer Versuchsanordnung schon den moralischen Maßstab sehr tief gelegt. Offenkundig ging es hier, völlig legitim, um ein Spiel mit dem Leben von Tieren.
2. Fragen wir uns, zweitens, wer wirklich unmenschlich ist: Der „Markt“, bei dem – immerhin – Menschen bereit waren, auf Geld zu verzichten, um Tiere zu retten, oder die Forschungseinrichtung, die im Interesse der reinen Wissenschaft regelmäßig Hunderte von Mäusen vergast?
3. Überlegen wir, drittens, wie die Ergebnisse ausgefallen wären, wenn – analog dem berühmten Milgram-Versuch – den Studenten in einer Kontrollgruppe befohlen worden wäre, die Mäuse zu töten oder töten zu lassen. Wenn also keine Marktsituation da wäre, sondern die einer Kommandowirtschaft. Erinnern wir uns: Beim Milgram-Versuch waren die meisten Probanden bereit, einem lernschwachen Schüler auf Befehl des Forschungsleiters potenziell tödliche Stromstöße zu verabreichen, obwohl sie seine Qualen durch eine Glasscheibe sehen und seine Schreie hören konnten. (Der Schüler wurde durch einen Schauspieler gespielt, die Stromstöße waren virtuell; aber das wussten die Probanden nicht.)
4. Bedenken wir, viertens: Was hat dieser Versuch mit einer echten Marktsituation zu tun? Um die von Uwe Jean Heuser selbst bemühten Beispiele Billigfleisch und Billig-T-Shirts zu bemühen: Die Frage, ob man bei Aldi und H&M einkauft, statt beim Neuland-Fleischer und im Edelboutique, hat eher was mit der Einkommensverteilung zu tun als mit dem Gewissen. Ab einem bestimmten Einkommen handelt man nach dem Berliner Prinzip: „Lieber wat Jutet, dafür’n bisken mehr.“ Im Übrigen hat der Verbraucher hierzulande ein Recht auf die Annahme, dass auch bei der Massentierhaltung und beim Import billiger Kleidung auf das Einhalten bestimmter Standards geachtet wird. Dass dem oft nicht so ist, stimmt zwar; aber das wissen wiederum eher die Leute, die das Geld haben, die „Zeit“ (oder die „Welt“) zu abonnieren, als die Konsumenten des Frühstücksfernsehens. Auch hier haben wir es also mit einer sozialen Frage zu tun.
Ob also das Experiment überhaupt etwas über die reale Welt aussagt, geschweige denn „bewiesen“ hat, kann man also getrost bezweifeln.
Zum Glück werden in jener realen Welt Tag für Tag Versuche angestellt. So schreibt der „Economist“ in einem seiner Leitartikel vom 1. Juni 2013, dass wenigstens eines der im Jahre 2000 aufgestellten so genannten „Millenniumsziele“ der Vereinten Nationen – die Halbierung der Zahl der Menschen, die unter der absoluten Armutsgrenze von US$1,25 pro Tag leben müssen – vorzeitig erreicht wurde, nämlich 2010. Das sind fast eine Milliarde Menschen. Könnte man das in den nächsten zehn bis 15 Jahren wiederholen, wäre das materielle Elend in der Welt – wer weniger als einen Euro täglich zum Leben hat, ist nicht arm, sondern elend – faktisch eliminiert.
Wie der „Economist“ schreibt, hängt der „Kollaps“ der Armutszahlen seit 2000 im Wesentlichen mit dem Wachstum in den sich entwickelnden Ländern zusammen; und dieses Wachstum ist vor allem dort zu finden, wo der Kapitalismus und der freie Handel sich entwickeln konnten. „China ist für dreiviertel dieser Leistung verantwortlich“, schreibt das Blatt, kein Bewunderer der Kommunistischen Partei Chinas und ihrer Politik. „China hat zwischen 1981 und 2010 680 Millionen Menschen aus der Armut herausgezogen und seine Rate absoluter Armut von 84 Prozent im Jahre 1980 auf gegenwärtig zehn Prozent reduziert.“
Das sind atemberaubende Zahlen. Und sie hängen zusammen mit der Übernahme der kapitalistischen Marktwirtschaft durch die KP, die 1981 beginnt. Wie sagte Deng Hsiao-Ping, der Architekt dieser Kursänderung: „Mir ist es egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hautsache, sie fängt Mäuse.“ Deng war kein sympathischer Mann, obwohl gewiss sympathischer als das Ungeheuer Mao Tse-tung, aber von Mäusen verstand er etwas, und von Experimenten in der realen Welt auch.
Der Markt mag also in einem fragwürdigen Experiment einige hundert virtuelle Mäuse das Leben gekostet haben, die im realen Leben ohnehin der Wissenschaft geopfert wurden. Im realen Leben hat der Markt einer Milliarde Menschen wenigstens die Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben vermittelt. Das kann ich kaum unter Zerstörung der Moral fassen.
Adam Smith, der Theoretiker des Freihandels, war ja – wie der Bonner Versuchsleiter Armin Falk anmerkt – Moralphilosoph. Smith machte sich über die Moral der Marktteilnehmer keine Illusionen. Aber eben deshalb setzte er auf den Markt: der Ausschluss der Konkurrenz, meinte er, käme der Einladung an die Produzenten gleich, eine Verschwörung gegen die Konsumenten zu bilden.
Auch Falks Versuch war eine Verschwörung. Gegen die Probanden. Hätte er zum Beispiel die Studenten aufgefordert, in Arbeitsgruppen Ideen zu entwickeln, wie Labormäuse möglichst kostengünstig zu retten wären: Vermutlich hätte sein Experiment mehr erbracht als die Bestätigung seiner eigenen Vorurteile, denen – und seinem eigenen akademischen Ruf – er das Leben vieler Tiere geopfert hat.
Dass die „Zeit“ wiederum das alles nicht durchschaut, verwundert nicht. Sie hat nicht die höchste Auflagenzahl aller deutschen Wochenblätter dadurch erreicht, dass sie die Ansichten ihrer Leser und Leserinnen in Frage stellt.
@ EJ
Sie haben mein Dilemma gut beschrieben: Konsumdemokratie ebnet die Konflikte der Völker ein, indem es den Menschen die Fähigkeit nimmt, ein Volk zu sein und sie zu Konsumenten erzieht. Das eine Problem wird gelöst, es entstehen neue. Dieses neoliberale Multikulti führt zu Monokulti – da sollte man sich nichts vormachen. Wobei Kultur vom Apple Marketing definiert wird. Je nach Tageslaune graust es mir mal vor dem einen, mal vor dem anderen. Theoretisch habe ich das Dilemma für mich noch nicht gelöst.
Zusatz: Auch die Israelis werden religiöser. Jenseits des Kindergesichts, näher am Talmud.
Der sogenannte Markt, wozu auch die Medien gehören, hasst das selbstverständlich. Aber der liebe Markt schafft sich selbst ab, weil er zu areligiöser Ichbezogenheit bzw. krankhaftem Narzissmus und Sterilität führt, während die Orthodoxen bereit sind, sich für Kinder aufzuopfern.
@ EJ
„Als ich von der Konsumentendemokratie geschrieben habe, ist mich das Gruseln angekommen. Wer möchte gern zur unbedeutenden, austauschbaren Mücke unter Milliarden Mücken werden? Wer möchte gern unwesentlich werden? Trotzdem habe ich mich Stevanovic gegenüber, als ich behauptete, die Balkankonflikte müssten nicht “ewig” sein, ziemlich genau der Argumente der Konsumentendemokratie bedient. Nur sie kann aus den ethnischen, nationalen, religiösen und sonstigen Konflikten herausführen.“
Ich widerspreche: Mit den Entwicklungen des Marktes, die Sie vermutlich korrekt beschreiben, wuchs die Religiosität, auch falsch verstandene, wieder an, möglicherweise auch das privat gelebte Christentum und seine Traditionen, was sich in Kirchenzugängen in Deutschland nicht widerspiegeln kann, weil niemand freiwillig Kirchensteuer zahlt.
Ethnische Konflikte haben zu-, nicht abgenommen. Sie finden zwar nicht auf dem Balkan statt, dafür aber in Nigeria, Burma, Indien, Malaysia, auf Sumatra und natürlich im Nahen Osten. Ein Palästinenser, der neben einer israelischen Firma wohnt, hat dort u.U. Arbeit, aber es nützt nichts.
Ich sehe außerdem an Oberklassenjahrgängen, die ich durch meine Kinder kenne, dass alle ganz verschieden sind. Der uniforme Markt ist was für Rentner und Vierzehnjährige. Die fortgesetzte Infantilität, die in unserer Generation gepflegt wurde, dank der 68er, ist im Rentenalter angekommen. Der Rentner trägt immer noch Bluejeans, die ihm aber nicht mehr steht, seine Alte ist blondiert.
Die Jungen wollen sich unterscheiden. Die Muslimas tragen mehr Kopftücher als früher, um zu zeigen, dass sie Muslimas sind. Der Markt wird von wenigen gehasst (OWS, Blockupy), von den meisten wird er ab 18 Jahre belächelt. Nicht belächelt wird, wenn eine wesentliche Marktteilnehmerin bzw. -bestimmerin so viele Felder besetzt, dass sie nicht mehr unterscheidbar ist, also die Verwischung der Unterschiede im Parlament, der Verlust an Demokratie auf höchster Ebene.
Den Menschen kriegt der Markt nicht klein. Der normale Mensch zankt mit seinem Bruder. Kommt ein Außenstehender dazu, zankt er zusammen mit seinem Bruder gegen den und dessen Bruder. Ist das der Nachbar und kommt einer aus dem nächsten Dorf, zanken die vier Nachbarn zusammen gegen den Fremden. Dann beide Dörfer gegen die nächste Stadt usw. Das ist, anders formuliert, ein bekannter Witz.
Der Mensch hat schon 5000 Jahre mit seinem Bruder gezankt (Kain und Abel) und wird das auch noch 5000 Jahre tun. Das fängt beim Aufwachsen an und dient der Charakterformung. Wenn Ihr Markt das abschaffen wollte, müsste er alle in einem Stadium der Infantilität lassen, und darum bemüht er sich tatsächlich redlich, wie man an dem infantilen Medium von diesem Kindergesicht (M.Z.) sieht, facebook, Infantilität hoch 3. Und der, der’s geschaffen hat, hat ein Kindergesicht. Die Nerds sehen oft so aus. Ihre Welt macht nicht erwachsen. Der letzte Wahlkampf in den USA wurde von Nerds organisiert, die auf eine in bald 70 Jahren vom Fernsehen teilverblödete Wählerschaft trafen. Gleichzeitig versucht er (der Markt), hier vermischt mit Staat, die Leute zu überwachen oder zu steuern, wie man hier sieht:
http://www.welt.de/politik/aus.....daten.html
Meiner Ansicht nach hat Ihr berühmter Markt, worunter wir doch bitte nur einflussreiche Großfirmen und Banken mit Einfluss auf die Politik verstehen wollen und nicht den Mittelstand, längst eine Kriegserklärung gegen den unabhängigen Bürger abgegeben. Regulieren können Sie da nichts, es ändern sich nur die Akteure. Wichtiger ist, die Menschen darüber aufzuklären, also zurück zu Bildung.
Und wenn das durch Ausdünnen und Niveauverschlechterung mittels Gesamtschulen nicht funktioniert, müssen die, die es können, es privat möglichst weit verteilen, etwa so wie in Fahrenheit 451. Hierzu braucht man nur einen jüdischen Weisheitssatz: Und wenn du nur ein Leben rettest, rettest du damit die ganze Welt. Also: Wir sind auf uns gestellt und begreifen den Nächsten, zu dem wir Zugang haben, am besten nicht als Konkurrenz.
@M.B.
bestimmte Akteure (Ihr Pkt. 2): Verbände, Lobbyisten von Großwirtschaft und öffentlicher Verwaltung, die die Gesetzgebung und Staatshaushalte so beeinflussen, daß nur die Großen überleben. Leicht verständliches Beispiel: Viele Groß-Distributoren (Aldi & Co) könnten gar nicht so marktdominierend bleiben, wenn nicht unser Autobahnsystem durch staatliche Subventionen so konkurrenzlos billig gehalten würde. Daher ist (Ihr Pkt. 1) die „Konzentration..“ keineswegs „..ein fester Baustein unseres derzeitigen Wirtschaftssystem(s)„, sondern politisch so gewollt.
nicht-seriöse, nicht-nutzenbringende und nicht-sinnvolle Arbeiten.. Personaloptimierung (3): Alles was am Menschen z.B. psychotechnisch herumdoktort. Heere von Personalern, Personalberatern (fest angestellt!), es gibt sogar Typberater, Bewerbungsberater.. (Parisiens „Gleichmacher der politischen Moderne„).
@EJ
„Wo steht da etwas von Planwirtschaft?“ Genauso nirgendwo, wie bei mir „Ideologie“. Also sollten wir da doch lassen: Ich versuche hier, mal einen Weg durch Weglassen von Staat (falsche Förderung) und nicht durch mehr Staat /Gesetze /Beschränkungen zu formulieren. So wie ein Gärtner, der sich über eine Schneckenplage ärgert und auf die Idee kommt, mal weniger zu wässern. Die gleichmachende Kraft des derzeitigen (sie sagen neoliberalen, ich sehe andere Ursachen) Marktes sehen (leiden) Sie wie ich und, davon gehe ich mal aus, Parisien. Sie wollen direkt beschränken, ich möchte erstmal die Förderung der falschen Strukturen, die zum jetzigen Markt führen zurücknehmen. Sie schreiben von Marktbegrenzung, ich davon, falsche Rahmenbedingungen zu entfernen.
Es der typische sozialdemokratische Fehler, keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Betrieben und Existenzen zu machen.
Und es ist der typische Fehler von Konservativen, zu sehr aus der Vergangenheit zu schließen: Für Indien, Iran, Balkanländer wäre/ist der Markt und seine derzeitige Ausprägung eine Erlösung – für uns wird er zur Geißel. Alles eine Frage der Dosierung. Irgendwann sollte man aufhören Antibiotika zu nehmen.
@EJ
angesichts der zunehmenden “ Datentransparenz “ wäre es doch das Ziel, sich (in peripheren Bereichen möglich) sich wieder dem Markt zu entsagen oder?
Oder werden Sie zunehmend fatalistisch und geben das Kämpfen auf?
EJ: ‚Was etwa derblondehans (in seiner Nacht sind alle Katzen grau) monomanisch als Sozialismus wittert, ist nichts anderes als Liberalismus.‘
… schwarze Schuhe sind wärmer als gefütterte.
Liberalismus – lat. liber: ‚frei‘; liberalis, ‚die Freiheit betreffend, freiheitlich‘ … siehe meine Chefe in Johannes 8, 36 Wenn euch also der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei.
Sozialismus guckst Du hier!
@EJ
!Nur sie kann aus den ethnischen, nationalen, religiösen und sonstigen Konflikten herausführen.“
Die Konsumentendemokratie???
Sollten wir nicht besser diesen Ausdruck durch:
Bürgerdemokratie ersetzen??
Wenn alles auf Konsum basiert, wo bleibt da noch das “ bürgerliche Engagement “ ?
@Parisien: Wobei ich den Eindruck habe, dass sich dieses Konzept inzwischen auf beiden Seiten findet, ja, der Sozialismus sich blendend vor diesen Karren spannen lässt.
Sozialismus? Welcher Sozialismus? – Die „Widersprüche“ finden innen, im System statt.
Was etwa derblondehans (in seiner Nacht sind alle Katzen grau) monomanisch als Sozialismus wittert, ist nichts anderes als Liberalismus. Der Liberalismus ist deswegen liberal, kann deswegen liberal sein, weil ihm alle Unterschiede zwischen den Menschen tolerierbar unwesentlich sind. Substantielle, wesentliche Unterschiede, Unterschiede, die uns in der Substanz, in unserem Wesen unterscheiden, gibt es für den Liberalismus nicht.
Ob Schwul, ob Hetero, ob Mann oder Frau, ob Kroate, Serbe oder Bosniake – gib ihnen den Markt! Gib ihnen die Möglichkeiten des Marktes, setze sie den Unsicherheiten des Marktes aus! Und du disziplinierst und reduzierst sie in den Zwängen des Markts. Sie werden funktionieren. Ob Schwul, ob Hetero, ob Mann oder Frau, ob Christ oder Muslim, ob Kroate, Serbe oder Bosniake – Demokratie und Markt machen sie gleich.
Alle Unterschiede zwischen den Menschen werden zur unanstößigen, unwesentlich privaten, zur freundlich tolerierbaren Arabeske. Der Mensch ist nicht mehr des Menschen Wolf. Alle Beißwerkzeuge sind nur noch auf die Große Wurst (des Marktes) ausgerichtet. Gebissen wird nur noch in die Große Wurst. Denn nur die nährt noch. – Sozialismus? Wo?
Die „Widersprüche“ finden innen, im System statt!
Als ich von der Konsumentendemokratie geschrieben habe, ist mich das Gruseln angekommen. Wer möchte gern zur unbedeutenden, austauschbaren Mücke unter Milliarden Mücken werden? Wer möchte gern unwesentlich werden? Trotzdem habe ich mich Stevanovic gegenüber, als ich behauptete, die Balkankonflikte müssten nicht „ewig“ sein, ziemlich genau der Argumente der Konsumentendemokratie bedient. Nur sie kann aus den ethnischen, nationalen, religiösen und sonstigen Konflikten herausführen.
@ KJN
Sie zitieren mich. Wo steht da etwas von Planwirtschaft?
Sie wollen den Markt. Und Sie leiden unter dem Markt. Sie leiden darunter, dass der Markt kein anders (Unterscheidungs-)Kriterium als das der Verwertbarkeit, heißt: nichts anderes als Arbeit und Konsum kennt und will. Sie sollten sich das klarmachen. Und Sie sollten zur [pathosmodus on] Rettung des Menschen [pathosmodus off] , wie ich, für Marktbegrenzung plädieren (ohne dass Ihnen deshalb vor Schreck irgendwelche Kaltgetränke aus der Hand fallen). Marktbegrenzung ist der schwierige, aber einzige Ausweg. Ein Balance-Akt (nicht zwischen den Systemen, sondern) innerhalb des liberalen Systems.
@KJN
„alles soll Markt werden: Was Sie vermutlich meinen ist Konkurrenz und “rating” in allen Lebensbereichen (“Supermodel”, Partnerbörsen, Personaloptimierung überhaupt). Es sind bestimmte Akteure im Markt, die das vorantreiben. Wenn die Konzentration nicht (auch durch die Politik!) so forciert würde, hätten auch diese Akteure Erwerbsmöglichkeiten mit seriöser, nutzenbringender und somit sinnvoller Arbeit.“
1.Die Konzentration wird nicht forciert, sondern ist ein fester Baustein unseres derzeitigen Wirtschaftssystem.
2. Was sind für Sie bestimmte Akteure am Markt?
3. Was sind für Sie nicht-seriöse, nicht-nutzenbringende und nicht-sinnvolle Arbeiten?
Und was verstehen Sie unter Personaloptimierung?
@EJ
Einiges klarzustellen (wie ich es einsortiere):
Werbung: Dient mir in meiner Argumentation als der Versuch einer objektivenWahrnehmung eines Menschenbildes durch eine Interessengruppe: Die Werbewirtschaft will die (nicht handelbaren) Gefühle, Sehnsüchte der Menschen ansprechen (und durch Verknüpfung mit einem zu verkaufenden Produkt nutzen, keine Frage). Sie erkennt also (richtigerweise) einen Menschen jenseits vom homo ökonomikus (eigentlich trivial). Von welchem Menschenbild allerdings geht der Versuchsplaner aus? (dazu komme ich noch).
Erziehung (zur Genügsamkeit): Von mir nicht zwecks „Training für Arbeitsmarkt“ o.Ä. favorisiert, sondern zur Immunisierung gegen Manipulation (z.B. durch Werbung, Arbeitgeber etc.). Das darf aber m.E. nur Ausdruck eines Willens im Sinne von „Kinder stark machen“, also im Interesse der Erzogenen (finde dich erstmal!) sein. Alles andere wäre Missbrauch.
alles soll Markt werden: Was Sie vermutlich meinen ist Konkurrenz und „rating“ in allen Lebensbereichen („Supermodel“, Partnerbörsen, Personaloptimierung überhaupt). Es sind bestimmte Akteure im Markt, die das vorantreiben. Wenn die Konzentration nicht (auch durch die Politik!) so forciert würde, hätten auch diese Akteure Erwerbsmöglichkeiten mit seriöser, nutzenbringender und somit sinnvoller Arbeit.
Töchter und gender mainstreaming: Ich habe leider keine Tochter, aber ich würde besonders darauf achten, daß sie bessere Bildung erhält, damit sie nicht von einem Mann abhängig wird. Väter sind wohl so. Und die überwiegende Zahl der Frauen in meiner Familie und Verwandschaft waren und sind starke Frauen, avanciert oder erfolgreich selbständig (ich kenne es kaum anders). Gender mainstreaming hat damit nichts zu tun, es will die Geschlechter-Unterschiede nivellieren, also in die Natur der Menschen eingreifen (->totalitär). Ich gehe davon aus, daß solche Eigenschaften bei Frauen und Männern normalverteilt sind und sich sowieso überschneiden, was erklärt, daß es Physikerinnen und Modedesigner gibt. Lediglich die Mittelwerte der Häufigkeiten bestimmter Eigenschaften unterscheiden sich. Ich weiß nicht, wo da ein Problem sein soll. Auch Frauen verwahren sich zu Recht gegen die Neutralisierung von als „allzu weiblich-traditionell“ titulierten Eigenschaften.
Lesen können:
„Man schafft den Markt ab und ersetzt ihn durch Planwirtschaft (EJ’s Lösung).“ vs.
„Und? – Glückwunsch! Im Moment “bestimmt” eher Ihre Ideologie die Entscheidungen der Politik und unser gedankenloses Marktverhalten. Alles in Butter für Sie. Sie haben allen Grund, sich zu freuen.“
Da sehen Sie mal, wie das ist 😉
Und der Versuch:
Da wird also einer studentischen Klientel in einem Versuch die Möglichkeit gegeben, „moralische Fehler“ in einem konstruierten Marktgeschehen zu begehen und dann wird beklagt, daß in der Folge tatsächlich „moralische Fehler“ begangen werden und das mit „Zahlen“ quantifiziert, die nichts, aber auch rein gar nichts weder über moralische Fehler, noch über Markt aussagen. Vielleicht darüber, daß Menschen moralische Fehler begehen. Wer hätte das gedacht?
zum Schluss:
„@ Parisien: Aber noch wichtiger als Bildung scheint mir die Stärkung des Individuums, der Persönlichkeit. Und hier liegen meiner Ansicht nach erhebliche Schwächen in der Gleichmacherei der politischen Moderne, die auf Gleichmacherei in uniformierten Moden stößt, so dass man doch inzwischen viele austauschbare Gleichgemachte findet.
Tja, damit treffen Sie in’s Zentrum, gehen Sie massiv an’s Eingemachte….Die Austauschbarkeit der Individuen…“
Ich denke, wir liegen her mit unserer Wahrnehmung von vielem nicht so weit auseinander – nur mit den Schlussfolgerungen. Würde mich eher beunruhigen, wenn das anders wäre.
@ EJ
Vielen Dank für Ihre Antwort. Wobei ich den Eindruck habe, dass sich dieses Konzept inzwischen auf beiden Seiten findet, ja, der Sozialismus sich blendend vor diesen Karren spannen lässt.
… jau! .. Wir sind nicht rechts, wir sind nicht links
… wie wohltuend anders … als die SOZIALISTEN.
APo: ‚Wie der Markt die Moral zerstört‘
… anders. So: Wie Sozialismus die Moral zerstört
‚Maßstäbe der Dreistigkeit setzte Kohls Amtsnachfolger Gerhard Schröder (SPD), der, kaum aus dem Kanzleramt ausgezogen, beim russischen Staats-Gaskonzern Gazprom und beim Erdgasleitungsprojekt Nord Stream anheuerte, das er als Regierungschef mit durchgeboxt hatte. Beim kasachischen Präsidenten Nasarbajew, der ausrangierte europäische Regierungschefs als Sympathiebotschafter sammelt wie andere Leute Briefmarken, steht Schröder übrigens auch auf der Gehaltsliste.‘
Pfui Teufel.
@ Parisien: Aber noch wichtiger als Bildung scheint mir die Stärkung des Individuums, der Persönlichkeit. Und hier liegen meiner Ansicht nach erhebliche Schwächen in der Gleichmacherei der politischen Moderne, die auf Gleichmacherei in uniformierten Moden stößt, so dass man doch inzwischen viele austauschbare Gleichgemachte findet.
Tja, damit treffen Sie in’s Zentrum, gehen Sie massiv an’s Eingemachte.
Die Austauschbarkeit der Individuen ist „neoliberales“ Konzept. Bis vor einigen Jahren lief das unter dem Label Konsumentendemokratie. (Der Begriff ist sofort von Werbeindustrie aufgegriffen worden. Und nicht zufällig. Für die „ernsthaften“ Neoliberalen (man hat schließlich auch seinen Stolz) ist er deshalb nicht mehr gut verwendbar. Trotzdem ist die Herstellung der Konsumentendemokratie in der Sache (auch ohne Begriff) noch immer neoliberales Ziel.)
Ziel der Herstellung der Konsumentendemokratie ist die Entsubstantialisierung des Individuums. Das Individuum, das durch sein Denken, Verhalten und Reden „Substanz“, also ein gewisses Maß an Unabhängigkeit, Eigenwilligkeit und Souveränität behauptet, also Ihre „Persönlichkeit“, wird als Ursache aller denkbaren Konflikte ausgemacht. Die (starke) „Persönlichkeit“ entzieht sich Demokratie und Markt oder sie dominiert Demokratie und Markt. Und beides ist schlecht. Deshalb muss nach neoliberalem Konzept die „Persönlichkeit“ entsubstantialisiert, abgebaut werden.
Nach neoliberalem Konzept dürfen die Unterschiede zwischen den Individuen nur so groß sein, wie sie durch – politisch harmlosen, aber marktbeflügelnden – Konsum herstellbar sind. Konsumentendemokratie!
Was „früher mal“ Konflikte zwischen eigenwilligen Persönlichkeiten, also Konflikte zwischen Menschen unterschiedlicher kultureller, religiöser, sozialer, politischer usw. Herkunft und Substanz waren, soll – und zwar mit universalem Anspruch – auf harmlosen demokratisch-politischen und auf Marktwettbewerb reduziert werden.
Es ist nicht nur so, wie Sie sagen bzw. beklagen. Es soll so sein! Mode und Marke sollen mich „definieren“ und „profilieren“. Mehr und anderes aber nicht. Kultur soll zur universalen Popkultur werden. Familie soll zur nur noch funktionalen Patchwork-Familie werden usw. usf. – Das ist neoliberales Konzept. Und erkennbar zunehmend neoliberale Realität!
@ Roland Ziegler
Ihre Kinder hatten vermutlich noch nie Mäuse in der Wohnung. Die Sache mit Mäusen und Ratten kippt in dem Moment um, wo man mehr von ihnen um sich sieht. Gegen Mäusephilie hilft ein längerer Aufenthalt in einem warmen feuchten Land mit Palmen und Palmratten und Ameisenstraßen. Es ist schön kühl und sauber hier, da kann man sich den Luxus von Mäuse-Petaismus leisten.
Unterfüttert wird das von einem unverhohlenen Misstrauen gegenüber chemischen Industrien und Labors.
@ EJ
Was Sie über Abhängigkeiten schreiben, ist m.E. richtig und findet sich auch in dem Stück über Kubrick, das ich oben verlinkt hatte.
Was Sie über Bildung als Antidot zum Sklavendasein der Werbung schreiben, erscheint mir auch richtig. Aber noch wichtiger als Bildung scheint mir die Stärkung des Individuums, der Persönlichkeit. Und hier liegen meiner Ansicht nach erhebliche Schwächen in der Gleichmacherei der politischen Moderne, die auf Gleichmacherei in uniformierten Moden stößt, so dass man doch inzwischen viele austauschbare Gleichgemachte findet.
??? … ooops? … Korrektur
o.t.: Freunde, meine Prognose von 20 – 30% Stimmenanteil für die ‚Alternative für Deutschland‘ zur nächsten Bundestagswahl scheint zu pessimistisch … 😉
Bei der Sat.1-Sonntagsfrage zur Bundestagswahl votieren 42 % der Abstimmenden für die AfD. Der Rest der Parteien wurde auf die Plätze verwiesen.
… oi, oi, oi, oi (… Seeadler beim Landeanflug …)
o.t.: Freunde, meine Prognose für die Alternative für Deutschland von 20 – 30% Stimmenanteil zur nächsten Bundestagswahl scheint zu pessimistisch … 😉
Bei der Sat.1-Sonntagsfrage zur Bundestagswahl votieren <a href="http://de.ibtimes.com/articles.....tm"42 % der Abstimmenden für die AfD. Der Rest der Parteien wurde auf die Plätze verwiesen.
@ KJN: Man schafft den Markt ab und ersetzt ihn durch Planwirtschaft (EJ’s Lösung).
Ärgerlich! Sie können nicht lesen. Das ist nicht im Entferntesten meine „Lösung“.
Weekend! Sonne! Offline!
Unser Hausökonom Alan Posener ist auch ein IT Experte:
http://www.welt.de/wirtschaft/.....achen.html
@EJ
„Bedeutet “Markt” für uns Marktteilnehmer tatsächlich und in jedem Falle, dass immer auch noch der allerletzte Blutstropfen herausgequetscht werden muss?“
Wenn wir alle und ständig Marktteilnehmer sind und wahrscheinlich schon immer als Menschen Marktteilnehmer waren, dann ist der Markt ein Phänomen wie Ebbe und Flut, oder ein Gefühl wie Liebe und Zorn oder auch eine Beschreibung der Welt wie Klima, Eiszeit oder Vogelzug gen Süden. Somit ist der Markt ein Mechanismus, der im Zwischenmenschlichen greift. Somit sind auch Kategorien wie moralisch/unmoralisch fehl am Platz oder führen immer zu bestimmten Ergebnissen. Bei Liberalen ist jeder Progress durch Markt, bei Linken Ausbeutung als Ergebnis jeder Arbeitsteilung, kurz: jeder kann dem Markt anhängen, was ihm beliebt. So wie Krieg der Vater aller Dinge oder der Zerstörer der Welten, Liebe das höchste Gefühl oder das reinste Elend sein kann. In einer Arbeitsteiligen Welt ist jeder Nicht-Markt ein wie immer erlangtes Almosen – Leistung ohne Gegenleistung.
Somit ein klares NEIN! Markt bedeutet an sich nicht viel, muss also auch nichts! Markt kann winwin, winloose etc sein.
Guns don’t kill people. People kill people.
@ KJN
Meine 2. Antwort an Sie ist zwar noch nicht veröffentlicht. Trotzdem korrigiere ich schon mal blind den vorletzten Absatz. Da hatte vermutlich ich nämlich ein Genderproblem. Womöglich etwas verwirrt und verwirrend habe ich Vater und Tochter (in den Personalpronomen) nicht ausreichend auseinander gehalten:
Und noch eine letzte Frage (zu Ihrem Genderproblem): Für Ihre Tochter bzw. für deren Erziehung gilt all das nicht, was für Ihren Sohn bzw. dessen Erziehung gilt? Ihr Schema „Bildung -> Fortkommen -> Unabhängigkeit“ gilt für Ihre Tochter nicht? Sie steht nicht unter Marktzwang? Den Marktzwang delegieren Sie an ihren künftigen Partner?
@Stevanovic: Neu ist da nix, das stimmt. Wenn der moralische Wert dem finanziellen Wert zuwiderläuft, ist man gerne bereit, ein Auge zuzudrücken bzw. die Weitsicht generell einzuschränken. Wenn man dann auch noch auf Anbieterseite ein bisschen die Spuren verwischt, wird das dankbar angenommen.
Herr Posener weist darauf hin, dass man als Vebraucher davon ausgehen sollte, dass der Markt so reguliert (!) ist, dass nur moralisch akzeptable Produkte überhaupt angeboten werden. Ich finde, da hat er recht; das ist eine wichtige Aufgabe des Staates.
@EJ: Ja, das stimmt wohl; ich bin nicht sehr bewandert in den linken Theorien (auch nicht in den neoliberalen, gebe ich zu). Richtige Marktteilnehmer, die produzieren, anbieten und nachfragen, sind „die da unten“ sicher nicht; eher reine Konsumenten, die vielleicht mal auf Anweisung ein Rädchen im Getriebe produzieren (müssen).
Immerhin hat Herr Posener auch gesagt, der Markt sei weder moralisch noch amoralisch. Das scheint dem Automatismus doch entgegenzustehen. Ja, vielleicht sagt er noch was dazu.
Ein sonniges Wochenende für alle! Ich muss mich jetzt ausklinken.
@schmierie: Ja, im Ergebnis sehe ich das auch so wie Sie jetzt. Sie schwanken allerdings, was die Beurteilung des Lebens einer Maus angeht; vorher hatten Sie ja geschrieben: „Leider ging es dem unmoralischen Versuchsleiter offensichtlich nur um die Vernichtung und nicht um die Rettung der Mäuse“ und nun haben Sie das korrigiert; nun sei es nicht mehr unmoralisch, sondern albern.
Das ist ein interessanter Punkt, und wie Sie sagen, gibt es große Varianzen beim moralischen Urteil bzgl. Mäuse. Das zeigt, dass dieses Urteil gesellschaftlich unwichtig ist. Wie Sie selber gesehen haben, kann man das Experiment nicht unmoralisch finden, ohne den moralischen Wert einer Maus anzuerkennen. Deshalb sagen Sie jetzt, es sei lediglich albern. Denn ein Versuch, bei dem z.B. das Zerknüllen eines Papiers mit 10 Euro belohnt wird, wäre ja nicht unmoralisch, sondern tatsächlich albern.
Stevanovic, Parisien und nun auch Sie haben sich gegen den moralischen Wert einer Maus ausgesprochen; meine Kinder sprechen sich deutlich dafür aus. Ein klarer Dissens. Wem soll ich folgen: den zynischen Alten oder den naiven Jungen? Natürlich den Jungen, meinen Kindern, wenngleich ich schon auch finde, dass die in diesem Punkt ein wenig übertreiben.
@ KJN
Ich nehme die Polemik gegen Sie (oben, am Ende meines Kommentars) zurück. Und versuche eine weniger „legalistische“ Antwort an Sie.
Sie fragen mich, wer bestimmt, was der Markt sein soll. Im selben Atemzug, gehen Sie davon aus, dass ich eine bestimmte Werbung kenne, weil Sie annehmen, dass sie mehr oder weniger regelmäßig in mein Haus kommt, wie sie in mehr oder weniger alle Häuser kommt. – Werbung ist nicht Markt?
Die Werbung dient Ihnen als mehr oder weniger selbstverständliche Referenz. Gleichzeitig erklären Sie mir aber, dass es Ihre und meine Aufgabe (gewesen) sei, (unter Inhaftnahme der gesamten Familie) unsere Kinder davon abzuhalten, genau das haben zu müssen, was sie in der Werbung sehen, auf die Sie sich beziehen. – Der Markt ist nicht expansiv, expansiv über das Willkommene hinaus?
Sie erziehen Ihren Sohn – sicher nicht nur, aber eben auch – nach gut kapitalistischer Manier zum Verzicht auf vorschnelle Triebbefriedigung, um mit dem angesparten Kapital – „Bildung“ – sein „Fortkommen“ und seine „Unabhängigkeit“ zu gewährleisten (und womöglich zu beschleunigen). – Sie machen damit Ihren Sohn nicht fit für den Markt? Der Markt verlangt solche Fitness nicht?
Und Sie tun das, weil der Markt, wie Sie sagen, „keine Macht ist und keine Autorität“? Der Markt würde Ihren Sohn, wäre er mit Chips und Cola vor den mit Werbung gespickten RTLs und Super-RTLs usw. usf. groß geworden, nicht durch mindestens relativen oder, im Extrem, durch völligen Ausschluss strafen? – Für Ihre Erziehung und, vor allem, für Ihren Sohn selbst gibt es keinen Biographie bestimmenden, keinen existenziellen Marktzwang?
(Wenn ja, wäre das nicht, wenn auch auf ganz anderem Niveau, im Prinzip exakt der Marktzwang, der den Leuten in Bangladesch keine Wahl lässt?)
Und noch eine letzte Frage (zu Ihrem Genderproblem): Für Ihre Tochter bzw. für Ihre Erziehung gilt all das nicht, was für Ihren Sohn gilt? Ihr Schema „Bildung -> Fortkommen -> Unabhängigkeit“ gilt für Sie nicht? Sie steht nicht unter Marktzwang? Den Marktzwang delegieren Sie an Ihren künftigen Partner?
Der Markt hat viele Herren. Sie und mich z.B., nämlich als Erzieher unserer Kinder, die wir ihm liefern und die wir für ihn fit machen, damit sie ihn (nach Möglichkeit wie ihre Muttersprache) beherrschen. Alle, die materielle Wünsche befriedigen wollen und müssen, sind mehr oder (meist) weniger erfolgreiche Herren des Marktes. Sie bestimmen über ihn, über sein Wie und seine Ausdehnung. Und werden – immer ausgreifender und tiefgreifender – von ihm beherrscht.
Es haben doch Roland Ziegler mit
„Dass dieser Prozentsatz (der Mäusetöter) dann noch anwächst, wenn man einen Computer/Vermittler dazwischenschaltet, ist durch die Abstraktion ebenfalls einfach erklärbar.“
und Parisien mit
„Bündelung“ auch erkannt worum es geht (man denkt ja schon, man wäre umnachtet): Um krasse Fehlentwicklungen im Markt. Und da gibt es zwei Möglichkeiten (ja, EJ), dieses zu verbessern:
1) Man schafft den Markt ab und ersetzt ihn durch Planwirtschaft (EJ’s Lösung).
2) Man fragt nach den Ursachen für amoralisches Verhalten (da hat hier außer Parisien und Stevanovic, ggf. dbh (?), hier offensichtlich niemand Lust zu)
1) wird nicht gehen, auch im Sozialismus gibt’s Markt, der ist da nur schwarz.
2) offensichtlich sehr, sehr schwer..
Doch ein dritter Weg in Sicht?
Jetzt komme ich zu Ihnen M.B.: Ich denke nicht, daß ich verkläre. Wir sagen ja beide „small is beautiful“. Tatsächlich wäre die Bündelung der grenzdebilen Ex und Hopp – Interessen auf Kosten der dadurch abhängig gewordenen zurückzudrehen. Da sich aber unsere Politik bei ihrem Machterhalt lieber auf große „leistungsfähige“ Unternehmen stützt (Parisien hat das auch erkannt) und entsprechende Infrastruktur zur weiteren Zentralisierung und Konzentration der Wirtschaft weiter fördert (jetzt werden z.B. wieder Wohnraumprogramme in den Städten aufgelegt), wird das so weiter laufen, bis das ganze kippt. Nach 1).
Bei mir kippt jetzt auch was und zwar der Schalter an der Computer-Steckerleiste, denn es wartet ein langes WE draußen auf mich.
Lieber KJN
„Der Markt hat keine Macht und ist keine Autorität. Die Probanden entscheiden selber, was sie tun.“
Lieber KJN das ist leider für mich etwas
“ Märchenstunde “ (um es provokativ zu formulieren)
Ich habe im Rahmen ein anderer Stelle auf diese Untersuchung hingewiesen:
http://www.ted.com/talks/james.....world.html
http://arxiv.org/pdf/1107.5728.pdf
http://www.plosone.org/article.....ne.0025995
http://blogs.scientificamerica.....a-bow-tie/
Aufklärung tut not, nicht “ Verklärung „
@ KJN: Wer – bitte! – ist die geheimnisvolle Macht, die bestimmt was Markt sein soll?
Sofern es um legalen Markt geht (und nicht um grauen oder Schwarzmarkt oder sonstige Märkte, die nicht oder nur indirekt als Märkte bezeichnet werden, wie Menschenhandel usw. usf.), die Politik. Wer oder was sonst?
Und dann gibt es noch die Ideologie, die zwar anders, aber auch irgendwie „bestimmt“, nämlich etwa indem sie die Entscheidungen der Politik beeinflusst. Im Angebot sind im Augenblick:
z.B. die eine: Der Markt hat keine Macht und ist keine Autorität. Die Probanden entscheiden selber, was sie tun. Und die Menschen in Bangladesh (letztlich) auch, wie sie leben wollen und welche (Scheiß-) Chancen sie ergreifen wollen.
und z.B. die andere: Der Markt hat Macht und ist Autorität. Nicht alle Probanden können über ihr Tun entscheiden. Die Menschen in Bangladesh können (letztlich) nur die (Scheiß-) Chancen ergreifen, die ihnen geboten werden.
(Und? – Glückwunsch! Im Moment „bestimmt“ eher Ihre Ideologie die Entscheidungen der Politik und unser gedankenloses Marktverhalten. Alles in Butter für Sie. Sie haben allen Grund, sich zu freuen.)
@ Stevanovic: Keine Ausbeutung des Kongos, keine Mobiltelefone oder PCs. Und trotzdem versuchen alle diese Produkte im Angebot zu kaufen.
Aber Ihnen fallen diese „Widersprüche“ aber immerhin doch auf. Wir alle sind Marktteilnehmer. Aber wir alle sind doch nicht nur Marktteilnehmer. – Das Verbot der Kinderarbeit, so weit es durchgesetzt ist, hat Adidas et.al. pleite gehen lassen? Wenn die Väter und Mütter der Kinder jetzt die Fußbälle nähen, stehen die Familien sich dann jetzt schlechter? Kik kann sich nicht um die Produktionsbedingungen seiner Klamotten kümmern? Und wir können nicht, statt 3 Euro, 3 Euro 50 für’s T-Shirt aus Bangladesch zahlen?
Bedeutet „Markt“ für uns Marktteilnehmer tatsächlich und in jedem Falle, dass immer auch noch der allerletzte Blutstropfen herausgequetscht werden muss? Wir sind gleichgültige, gedankenlose Stoffel, das – ja! Aber sind wir tatsächlich auch immer der gierige Marktteilnehmer (wie ihn die Markt-Theorie behauptet)?
@ Roland Ziegler: die Linken meinen, die Mehrheit der Marktteilnehmer – nämlich die, die unten stehen – seien moralisch (gut).
Hm … direkt und so(!) – mit dem Begriff „Marktteilnehmer“ – befragt, würde ein Linker das wahrscheinlich eher nicht meinen. Er würde auf die Zwangslage derer, die unten stehen, verweisen, auf ihre Erpressbarkeit, und verneinen, dass sie überhaupt irgendwie Marktteilnehmer sind.
Erst wenn Klassen- Lage-Bewusstsein in’s Spiel kommt, Erkenntnis der gleichen Interessenlage und Solidarität, und(!) so die Möglichkeit und Bereitschaft entsteht, etwas an der Erpressbarkeit derer, die unten stehen, zu ändern, kommt eine ethische Komponente hinzu. „Gut“ sind diejenigen, die unten stehen, dann aber nicht als Marktteilnehmer, sondern weil sie solidarisch sind und die „schlechte“ Situation ändern wollen oder sogar ändern.
(Wegen mangelnder Aktualität erspare ich mir den Hinweis darauf, dass diejenigen, die unten stehen, nach gewissen klassischen Lehren, auch „gut“ sind, weil sie gleich den ganzen Markt aushebeln und überwinden wollen.)
Für Herrn Posener scheint es nun so zu sein, dass der Markt grundsätzlich weder amoralisch noch moralisch ist, aber beides jederzeit werden kann, je nachdem, wie die Teilnehmer handeln.
Vielleicht sagt er was dazu. – Ich glaube, Posener ist da ganz klassisch: Der individuelle Marktteilnehmer ist nach allen gängigen Maßstäben (unmoralisches) gieriges Kameradenschwein, immer auf seinen individuellen Vorteil bedacht. Alle Marktteilnehmer sind so. Aber das Wunder des Markts – deshalb ist er gut, immer! – macht daraus ein Plus für alle. Alle individuellen Marktteilnehmer sind tumbeste Egoisten. Trotzdem wächst daraus gesellschaftlicher Reichtum. Wie gesagt, ein Plus für alle. Die Reichen werden reicher, die Armen sind nicht mehr ganz so arm.
Besser lesbar hier (tut mir leid):
Lieber EJ, ich werde Sie nur noch einmal mit meinem Konservativismus belästigen, vielleicht auch weil ich Sie ziemlich erst nehme und von Ihnen die Info habe: “Ich könnte Sie leichter verstehen, wenn Sie sagen würden: Ich bin konservativ. Ich hätte gern, dass es so ist, wie es einmal war (oder: wie es natürlich ist).” Warum? Weil mir spätestens bei “..wenn sogar (irgendwie) alles Markt sein soll, wird der Markt immer für eine a-soziale, gegebenenfalls für eine verbrecherische Veranstaltung gehalten werden. Und das völlig zu Recht.” die Hälfte meines Kaltgetränkes in die Tastatur geschwappt ist.
Lieber EJ, ich werde Sie nur noch einmal mit meinem Konservativismus belästigen, vielleicht auch weil ich Sie ziemlich erst nehme und von Ihnen die Info habe: „Ich könnte Sie leichter verstehen, wenn Sie sagen würden: Ich bin konservativ. Ich hätte gern, dass es so ist, wie es einmal war (oder: wie es natürlich ist).“ warum? Weil mir spätestens bei „..wenn sogar (irgendwie) alles Markt sein soll, wird der Markt immer für eine a-soziale, gegebenenfalls für eine verbrecherische Veranstaltung gehalten werden. Und das völlig zu Recht.“ die Hälfte meines Kaltgetränkes in die Tastatur geschwappt ist. Wer – bitte! – ist die geheimnisvolle Macht, die bestimmt was Markt sein soll?? Sie kennen den Werbespot von Mastercard „unbezahlbar- für alles andere gibt es Mastercard“? Selbst die Werbefuzzies wissen, daß bei ihrer Klientel nicht alles „Markt“ ist. Unsere – Ihre und meine Aufgabe ist es gewesen, unserem Nachwuchs genau das klarzumachen, daß es nicht darum geht, ständig das neueste I-Phone zu haben. Gegen alle Widerstände, Verwandschaft, verwöhnen wollende Großeltern (wer kann ihnen das verdenken?) kinderlose Tanten, Onkel (ebenso..) „Elite“-Schulen-peer-group usw. usf. „Das ist ein Kampf gegen Windmühlen“ hörte ich oft genug. Quatsch! Vaterrolle! Wahrgenommen! Ohne Genderkram (kluge Eltern zanken nicht)! Funktioniert (später)! Unser Job! Was meinen Sie, wo mein „Konservatismus“ herkommt? Bildung -> Fortkommen -> Unabhängigkeit. Dafür stehe ich.
Der Markt hat keine Macht und ist keine Autorität. Die Probanden entscheiden selber, was sie tun.
Und die Menschen in Bangladesh (letztlich) auch, wie sie leben wollen und welche (Scheiß-) Chancen sie ergreifen wollen.
Wenn wir etwas daran verbessern wollen, sollten wir durchaus T-Shirts bei „KIK“ kaufen, aber nicht im 10er-Pack, sondern nur soviel, wie wir wirklich brauchen. Und eine Nähmaschine – die werden wir mittelfristig brauchen – mit oder ohne Systemwechsel (puh.. schon wieder..) zum Sozialismus (dann haben wir eine).
@Ziegler
Ohne wie die Antifa zu klingen zu wollen: Keine Ausbeutung des Kongos, keine Mobiltelefone oder PCs. Und trotzdem versuchen alle diese Produkte im Angebot zu kaufen.
Auf der anderen Seite ohne Zwangsarbeit und Abgaben, keine Entwicklung in Diktaturen, juckt dort aber auch keinen. Kein Moskauer geht zu Fuß, wenn er die Metro nutzen kann. Sogar Dissidenten fuhren mit ihr.
Konkurrenzsituation, Markt oder nicht – die wenigsten haben das Gemüt eines Franz von Assisi. Die Erkenntnis ist nicht wirklich neu.
@Roland Ziegler Sagen wir mal mit der Mäuseadoption hätte man einen finanziellen und einen „pseudomoralischen“ Erfolg erzielt (und nebenbei die Unterhaltspflicht für einige Mäuse).Ich kann nach wie vor der Entscheidung für oder gegen das Mäuseleben keinen moralischen Wert zuerkennen. Einige Probanden werden das sicher anders sehen. Zum Glück war ja offenbar kein Peta Aktivist dabei. Wir sind uns aber sicher darin einig, dass man durch das Setting des Experiments keine neuen Erkenntnisse erwarten konnte. Es war eher albern als unmoralisch und konnte gar kein anderes Ergebnis zeitigen.
Apo ./. M. B. Natürlich. Sie können weder mit Adam Smith noch mit Karl Marx, ja nicht einmal mit John Maynard Keynes oder Milton Friedman die Komplexität des Weltmarkts fassen.
… wenn man(n)/frau möchte kann man(n)/frau Berge versetzen. Man(n)/frau muss es nur wollen.
Hayek zum Beispiel, wenn er meint monetäre ‚Phänomene‘ [sic!] vs. realer Produktionsstruktur sind ursächlich für die Entstehung von Rezessionen.
… weiter Heyek: ‚Wahr ist, dass eine soziale Marktwirtschaft keine Marktwirtschaft, ein sozialer Rechtsstaat kein Rechtsstaat, ein soziales Gewissen kein Gewissen, soziale Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit – und ich fürchte auch, soziale Demokratie keine Demokratie ist.‘
… recht hat er.
…Korrektur: die Linken betrachten die Amoralität der „Bonzen“ als Ergebnis des amoralischen Marktes (nicht umgekehrt, wie ich es soeben fälschlich dargestllt habe).
Nochmal zur Unmoral des Experiments: Wenn man Korruption wirklich experimentell erforschen will, dann muss man eine Korruptionssituation – d.h. eine unmoralische Situation, künstlich schaffen. Das ist natürlich imemr unmoralisch, daran führt kein Weg vorbei.
@EJ: Die Frage ist, inwiefern die Unmoralität der Teilnehmer auf den Markt durchschlägt. Sowohl die Neoliberalen als auch die Linken sind sich ja darüber einig, dass die „Marktführer“ – die Bonzen – unmoralisch, d.h. egoistisch handeln. Diese Einigkeit ist bemerkenswert. Der ideologische Dissens besteht nur bei der Beurteilung „des Rests“. Die Neoliberalen glauben, das egoistische Prinzip würde für alle gelten; d.h. alle seien unmoralisch; die Linken meinen, die Mehrheit der Marktteilnehmer – nämlich die, die unten stehen – seien moralisch (gut). Für die Neoliberalen ist also die grundsätlziche Moralität des Marktes ein Ergebnis aus der Unmoralität aller Teilnehmer; für die Linken ist die grundsätzliche Amoralität des Marktes das Ergebnis der Amoralität einiger weniger Teilnehmer.
Für Herrn Posener scheint es nun so zu sein, dass der Markt grundsätzlich weder amoralisch noch moralisch ist, aber beides jederzeit werden kann, je nachdem, wie die Teilnehmer handeln. Bangladesh wäre dann das Ergebnis des Handelns unmoralischer Teilnehmer, aber weder ein zwangsläufiges Ergebnis (wie bei den Linken) noch ein notwendiges kleineres Übel (wie bei den Neoliberalen).
…äh, umgekehrt: in der direkten Entscheidung entscheiden sich natürich MEHR Leute für das Leben der Maus. Hatten wir ja oben shcon diskutiert.
@schmierie/Alan Posener: Wenn man eine Mausadoption mit Geld belohnt, hat man (im Fall der Adoption) ja einen doppelten Wert: einen finanziellen UND einen moralischen. Dann sollte man sich eigentlich nicht darüber wundern, wenn sich sehr viele Teilnehmer für diesen doppelten Wert entscheiden. Hier gäbe es überhaupt nichts zu schlussfolgern.
Der Witz dieses Experiments ist es aber gerade, die Wertarten – Moral und Geld – gegeneinander auszuspielen und zu sehen, wer unter welchen Bedingungen das Rennen macht (Korruption). Und hier sehen wir, dass in der direkten Entscheidung weniger Leute sich für das Leben der Maus entscheiden als in der indirekten, abstrakten.
Dass also ein bestimmter Prozentsatz der Teilnehmer sich für das Geld und gegen die Moral entscheidet, ist angesichts des eher geringen moralischen Stellenwertes einer Maus sehr einfach erklärbar. Dass dieser Prozentsatz dann noch anwächst, wenn man einen Computer/Vermittler dazwischenschaltet, ist durch die Abstraktion ebenfalls einfach erklärbar. Dass das ganze Setting des Experiments selber nicht moralisch ist, lässt sich kaum bestreiten, zumal es keine neuen Erkenntnisse gibt.
@ Alan Posener weil ständig der Fehler gemacht wird, von der Moralität oder Immoralität der Marktteilnehmer auf die Moralität oder Immoralität des Marktes zu schließen.
Das liegt vielleicht daran, dass Sie bzw. die „Kapitalisten“ zu gierig sind? Dass Sie/ sie alles haben, alles zum Markt machen wollen?
Wenn Sie den beklagten Fehlschluss vermeiden wollen, müssen sie sich schon trauen, die Immoralität der Marktteilnehmer auf ihr genuines Feld zu beschränken.
Nach kapitalistischer Lehre sind alle Marktteilnehmer a-sozial eigennützig, und insofern ohne Moral. Wenn dennoch der Fall „Bangladesch“ nicht dem Markt zugerechnet werden soll, müssen Sie ein Kriterium angeben, das „Bangladesch“ vom Markt unterscheidet und „Bangladesch“ vom Markt ausschließt. Und sie müssen das Kriterium legitimieren. Wer setzt es mit welcher Autorität? – Und Sie müssen es setzen!
Anders gesagt: Wenn Sie den Markt nicht theoretisch und praktisch beschränken, heißt: wenn Sie a-sozial eigennütziges Markthandeln nicht von beliebigem a-sozial eigennützigen Handeln unterscheiden, wenn sogar – und Sie wissen besser als ich, dass es diese „neoliberale“ Tendenz gibt – … wenn sogar (irgendwie) alles Markt sein soll, wird der Markt immer für eine a-soziale, gegebenenfalls für eine verbrecherische Veranstaltung gehalten werden. Und das völlig zu Recht.
(Nicht der Kapitalist Posener, aber der Restlinke APO weiß natürlich, dass solche Überlegungen vergebliche Liebesmüh, totaler Quatsch sind. Der Kapitalismus hat nicht nur kein Interesse daran, sich irgendwie zu begrenzen. Er hat auch Macht genug, es nicht zu müssen. Er will das Zwielicht: „Bangladesch“? Her damit! Möglichst viele! Tote? Gehen mir am Arsch vorbei. Die Kohle muss stimmen! Bisschen Verlust is‘ immer.)
@Parisien
„Eines Tages wird Frau Mann verklagen können, wenn er ihr ihr bis dahin etabliertes Grundrecht auf einen Orgasmus nicht erfüllt.“
Möchten Sie mir mehr darüber berichten?..
Im Ernst: Die eskalierte Anspruchshaltung – das sehe ich so wie Sie – macht nicht nur das Geschäftsleben in einer Art und Weise kaputt, daß nur noch Großunternehmen (und Staat) das bedienen können (ein Schelm wer Absicht dahinter vermutet?), sondern auch die Beziehungen und Familien. Die Vision der romantischen Liebe, lebenslang sozusagen. Beziehungen als Wellness-Kur. Psychologen und Paartherapeuten können sicher ein Lied davon singen. Apropos: Psychologen mischen natürlich in dem Spiel kräftig mit: Gibt es noch Eltern, die ihre Kinder nicht traumatisieren? (Kinder haben in eiener slchen Welt natürlich keinen Platz mehr.)
Ich halte Hedonismus nicht für etwas per se schlechtes – aber er hat seinen Preis. Dem Markt die Schuld dafür zu geben folgt in etwa der gleichen Logik, wie dem Messer die Schuld für den Meuchelmord zu geben.
Es fehlt das Korrektiv – Egon Friedell die dritte:
“Die Freiheit hat nämlich nur für zwei Klassen von Menschen einen Wert: für die sogenannten privilegierten Stände und für den Philosophen. Die ersteren haben sich das Talent, Freiheit angenehm oder nutzbringend zu verwenden, durch ein generationenlanges Training mühsam erworben; der letztere hingegen hat die Freiheit immer und überall, in jeder Lebenslage und unter jeder Regierungsform. Die große Majorität der Menschheit jedoch, die weder durch Züchtigung noch durch Philosophie in den Stand gesetzt ist, frei zu sein, würde der trostlosesten Langeweile verfallen, wenn sie nicht durch tausende Zwangsregeln von sich selbst und ihrer inneren Leere abgelenkt würde.Man gebe einem Hafenarbeiter., einem Kommis, einem Turnlehrer oder einem Briefträger die volle Verfügung über seine Zeit und seine Person, und er wird trübsinnig oder zum Schurken werden.”
(aus: Kulturgeschichte der Neuzeit , Band 2, Seite 851)
@ Schmierie: So isses.
@ Moritz Berger: Natürlich. Sie können weder mit Adam Smith noch mit Karl Marx, ja nicht einmal mit John Maynard Keynes oder Milton Friedman die Komplexität des Weltmarkts fassen.
Das versuche ich auch nicht. Ich habe nur Adam Smith zitiert, weil ihn der bonner Versuchsleiter zitiert hat. Und weil ständig der Fehler gemacht wird, von der Moralität oder Immoralität der Marktteilnehmer auf die Moralität oder Immoralität des Marktes zu schließen.
@Parisien,
sorry, es sollte 42 🙂 heißen
Lieber Herr Ziegler,
zum Thema Gier hier etwas von Tomáš Sedláček:
http://www.spiegel.de/spiegel/.....30225.html
Und hier ein paar Puzzlesteinchen:
„Ist ein gieriges Leben ein gutes Leben? Wollen wir das? Die Antwort ergibt sich von selbst. Ich halte mich an Aristoteles. Ökonomie sollte die Wissenschaft vom Glück sein. Und ein glückliches Leben ist nach Aristoteles ein zufriedenes Leben.“
„Das Eigeninteresse lenkt das menschliche Verhalten, aber Smith wusste, dass der Mensch sich nicht durch das egoistische Prinzip allein erklären lässt. Von seinem Zeitgenossen Bernard Mandeville und dessen These, dass private Laster öffentliche Vorteile erzeugen, dass aus der Selbstsucht des Einzelnen das Allgemeinwohl des Ganzen entstehe, hat er sich klar distanziert. Entgegen seiner Wirkungsgeschichte bin ich der Ansicht, dass Smiths Erbe darin besteht, moralische Fragen in die Ökonomie einzubeziehen – ja, dass gerade sie ihren Kern bilden. Für die modernen Ökonomen ist die Frage von Gut und Böse dagegen fast ketzerisch. “
„Krisenzeiten sind gut, um die richtigen Fragen zu stellen. Wir müssen uns von der Wachstumsobsession in der Ökonomie verabschieden. Wir müssen heraus aus dem manisch-depressiven Zyklus, in dem unsere ökonomische Lebenswirklichkeit sich bewegt. Und dafür müssen wir uns mehr mit der manischen als mit der depressiven Phase beschäftigen, wir müssen das generelle Ziel der Wirtschaftspolitik ändern. Statt Maximierung des Bruttoinlandsprodukts muss es Minimierung der Schulden heißen.“
Und an Parisien:
Sie haben mich an einer anderen Stelle im thread um Antworten gebeten.
Ich sage 42 :-9
@ Roland Ziegler: Ich würde den Markt mit einem Werkzeug vergleichen, das als solches ebenfalls nciht moralisch ist. Ein Hammer ist eine prima Sache, solange man ihn nicht zum Köpfeeinschlagen benutzt.
Der Vergleich trifft. Und sehr gut. Weil er die ethische Indifferenz des (technischen) Tuns – in diesem Falle: des Hämmerns – zeigt. Dem Hammer und dem Hämmern ist gleichgültig, wofür er/ es gebraucht wird. Dem technischen Apparat „Markt“ ebenfalls. „Uns“ aber nicht.
Diese Idee “Gier ist gut, weil Gier im Markt grundsätzlich etwas Gutes bewirkt” ist natürlich etwas seltsam und viel zu “apo”-diktisch.
Ja. (Berufskrankheit vermutlich.) Will man nicht etwa Manchester-Kapitalismus oder noch erheblich schlimmeren Scheiß damit legitimieren, setzt „Gier ist gut“ Beschränkung und Kontrolle voraus. (Hat APO aber gestern – Stichwort: „Gewerkschaften“ – nachgeliefert, wenn auch nur im marktimmanenten Ansatz.)
Finanzkrise
Hatte ich als ein Beispiel von vielen im Kopf, als ich von „sonstigen Gangstereien“ und dem „fließenden Übergang zwischen Markt und Mord“ sprach.
„Gier ist nicht gut, aber nicht zu ändern; machen wir das Beste draus!“ wäre eine passendere Losung.
@EJ: Ich würde den Markt mit einem Werkzeug vergleichen, das als solches ebenfalls nciht moralisch ist. Ein Hammer ist eine prima Sache, solange man ihn nicht zum Köpfeeinschlagen benutzt. Und natürlich muss man eine Werkstatt beaufsichtigen, dass der Hammer u.ä. nicht zu gefährlichen Sachen zweckentfremdet wird.
Diese Idee „Gier ist gut, weil Gier im Markt grundsätzlich etwas Gutes bewirkt“ ist natürlich etwas seltsam und viel zu „apo“-diktisch. Gier im Markt bewirkt nicht immer etwas Gutes (wie wir in der Finanzkrise sehen konnten), nur unter bestimmten Umständen, auf die man achten muss.
Eine alternative Versuchsanordnung, die z.B. die Adoption einer Maus finanziell belohnt und dann in Relation zum ersten Versuch gestellt würde, wäre auch interessant gewesen. Hätten dann durch Einschalten eines Verkäufers mehr als 75% eine Maus adoptiert, wäre damit doch die überlegene Moral des Marktes bewiesen worden ?
Leider ging es dem unmoralischen Versuchsleiter offensichtlich nur um die Vernichtung und nicht um die Rettung der Mäuse.
Wo befinden sich eigentlich derzeit die angeblich geretteten Exemplare?
Lieber Herr Posener,
in Anlehnung an Ihren Satz (dem ich zustimme)
„Das zeigt natürlich auch, dass billige Parolen bei der analyse der Wirjklichkeit nicht viel helfen.“
kann man bezüglich Ihrer Thesen zum Markt und zu Adam Smith es auch mit Thomas Straubhaar formulieren:
“Straubhaar: Vielleicht ist die Lehre gerade, dass es die einfachen Weisheiten nicht mehr gibt. Vielleicht war diese Einfachheit auch eine große Illusion. Die Welt ist zu komplex. Und wir sollten dringend bescheidener werden.”
Die einfachen Weisheiten, die Sie hier via Adam Smith propagieren gibt es leider nicht mehr.
Gestern gefunden und wirklich lesenswert (über Stanley Kubrick in Tiefe und Detail):
„But make no mistake: this is not a film about the „private dreams and frustrations“ of what Victor condescendingly calls „ordinary people“; it is about really rich people, the kind that Lord Wendover in Barry Lyndon and Mr. Ullman in The Shining call „all the best people.“ And it shows us that these people are empty and amoral, using their social inferiors as thoughtlessly as if they were possessions, ultimately more concerned with social transgressions like infidelity than with crimes like murder–just as the film’s audience is more interested in the sex it was supposed to be all about than the killing that is at its core.“
http://www.visual-memory.co.uk/amk/doc/0096.html
@ KJN
„Du darfst – die große Show im kleinen Restaurant abziehen, weil die Teller nicht genügend vorgewärmt sind usw. usf. und wenn du das nicht machst, bist du blöd, unattraktiv, was weiß ich.“
Das ist noch gar nichts:
http://www.welt.de/regionales/.....unken.html
Habe nie wieder was davon gelesen. Die Männer waren danach auf freiem Fuß.
Sie haben völlig Recht in diesem Punkt: Maßlose Anspruchshaltung.
Schuhe online ohne Anprobieren? Schwachsinn.
Am Essen mäkeln statt es zu genießen? Überdruss.
Das Essen nicht mehr ehren? Verlust an christlichen Werten.
Die Reisekosten zurückfordern, weil man nicht richtig lesen kann, hierbei auch übersetzen? Manche haben es darauf angelegt.
Eines Tages wird Frau Mann verklagen können, wenn er ihr ihr bis dahin etabliertes Grundrecht auf einen Orgasmus nicht erfüllt. Überspitzt, aber genau auf solchen Wegen bewegt sich das.
Auf achgut heute morgen: Ob die Nahrungsmittelspekulanten schuld seien…
Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine gewisse Summe an Geld übrig. Dann sehen Sie, dass Weizenfelder in großem Umfang bestückt werden mit Ölpflanzen, Biomasse, Solarpanelen und Windturbinen. Worauf würden Sie wetten? Ist das kriminell? Nein, es ist pure Logik von Ökonomen.
Ich würde sagen, dass es nur kriminell ist, wenn dieselben, die die Felder zweckentfremden, auf Weizenknappheit wetten. Damit sind wir beim „Bündeln“. Das ist heute das eigentliche Problem. Banken, Großwirtschaft, Politik und Teile der Medien in demselben Boot. Alle starren wie gebannt auf Hüttler und schreien „nie wieder“, schaffen sich aber Teile jener Zeit wieder an (es ist leichter hierbei, an die Entwicklung in Italien unter Mussolini zu denken), und weil keiner so redet wie Hüttler und auch niemand so aussieht, wird das lange nicht bemerkt. Langsam etabliert sich ein Einparteiensystem, alles unter dem Vorwand Zeitknappheit. Parlamentarische Debatten? Über Gender, Homoehe und so’n Kiki, nicht wirklich über die wesentlichen Belange, z.B. den ESM.