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Angriff von rechts

Von Adrian Zielcke:

Wir leben auf einer Insel der Seligen. Deutschland zieht den Rest Europas. Es geht ja bei weitem nicht nur um so kleine Länder wie Griechenland und Zypern. Italien ist überschuldet und in weiten Teilen weltweit nicht konkurrenzfähig.

Seit 150 Jahren pumpt der reiche Norden des Stiefels Geld in den Süden. Der Erfolg ist gleich Null. Spanien ist pleite, Portugal ebenso. Großbritannien ist entindustrialisiert, die Londoner City bringt Geld in das Land, die Banken sind Englands Unglück. Denn diese verhindern zusammen  mit der New Yorker Wall Street die notwendige Regelung des entfesselten Kapitalismus. Margret Thatcher und Ronald Reagan haben die althergebrachte Bankenordnung zerstört und damit letztendlich die Frage provoziert, wer eigentlich den Westen beherrscht: das Kapital oder die demokratischen Staaten. Frankreichs Industrie ist großenteils in einem jammerwürdigen Zustand. Wer kauft noch französische Autos? Das Ansehen von Präsident Hollande erreicht immer neue Tiefstwerte.

Zu Recht. Denn der Präsident  tut immer noch so, als könne er die Krise der französischen Industrie, den Verlust immer weiterer Arbeitsplätze mit einer Politik der ruhigen Hand beherrschen. Kann er aber nicht.  Vom Osten Europas und dem Balkan wollen wir lieber schweigen. Lediglich Polen, Tschechien und die Slowakei haben den Weg in die Gegenwart gefunden.

Wohin führt das alles? Was wird aus Europa, wenn Millionen Menschen keine Aussicht haben, jemals einen guten Arbeitsplatz zu erhalten, der sie und ihre Familie ernährt?

Und  wir? Wir jammern, wir nörgeln, wir sind unzufrieden. Wir haben zwar sichere Arbeitsplätze, hervorragend aufgestellte Unternehmen, wir bauen die besten Maschinen und die besten Autos, die Gott sei Dank alle Welt haben will. Aber zufrieden sind wir nicht.

Einige unzufriedene Zeitgenossen haben jetzt ein Ventil gefunden, sie haben eine neue Partei gegründet. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber die ,,Alternative für Deutschland“, die bei der Bundestagswahl in allen Wahlkreisen antreten will, schöpft in trüben Gewässern.

Ihre Mitglieder sind zumeist ältere Herren, Wissenschaftler, Journalisten, Unternehmer. Sie träumen nicht von einer guten Zukunft, sondern vom Weg zurück in die gute, alte Zeit, als die D-Mark noch eine der besten Währungen  war, und überhaupt die ganze Welt noch in Ordnung war. Die Konsequenz: ,,Deutschland muss sich ein Austrittsrecht aus der Eurozone erzwingen“, heißt es im Wahlprogramm.

Man stelle sich einen Moment vor, die Initiative hätte Erfolg, Deutschland verlässt die Eurozone und führt die D-Mark wieder ein. Was wäre die Folge? Alle Welt würde sich auf die D-Mark stürzen, der Kurs würde in schwindelerregende Höhen steigen, der Rest-Euro würde fallen und fallen: In Europa könnte kaum jemand noch deutsche Produkte kaufen, die deutsche Industrie wäre der chinesischen Herausforderung nicht mehr gewachsen, weil ihre Produkte zu teuer würden.

Dennoch ist die Sehnsucht nach der guten, alten Zeit lebendig, ja sie wächst. Thilo Sarrazin hat mit seinem Buch,, Deutschland schafft sich ab“, schon einmal vorgemacht, wohin uns rechte Populisten bringen können. Die Salafisten spielen den Islam-Hassern in die Hand.

In vielen europäischen Ländern gibt es inzwischen fremdenfeindliche Parteien, hier Gott sei Dank noch nicht. Aber das Potenzial für rechte Verführer ist riesig. In westdeutschen Großstädten sind oftmals rund 50 Prozent und mehr der Grundschüler aus Migrantenfamilien. Aus dem Osten strömen Roma und Sinti ein. Über den Mittelmeerraum kommen über Griechenland Flüchtlinge aus aller Welt in das vermeintliche Paradies Deutschland.

Wenn das kein Stoff für Rechtspopulisten ist! Wir haben keinen Jörg Haider. Wir haben eine besonnene Kanzlerin, die genauso durch den Nebel der Eurokrise watet wie wir alle. Es gibt kein Lehrbuch für diese Krise. Aber wenn Europa nicht zusammenhält, dann geht mehr in die Brüche als der Euro.

Angela Merkel bringt mit ruhiger Stimme Europa auf den Kurs: Weg vom Schuldenmachen, hin zu solider Finanzpolitik. Das bringt nach innen und nach außen Härten mit sich. Aber der Weg zurück ist keine Alternative. Die ,,Alternative für Deutschland“ kann jedenfalls für die Kanzlerin gefährlicher werden als es der merkwürdige Kanzlerkandidat der SPD ist.

Adrian Zielcke war von 1970 bis 2010 Redaktionsmitglied der Stuttgarter Zeitung, davon die letzten zwanzig Jahre als Ressortleiter Außenpolitik. Jetzt arbeitet er als freier Autor und freier Journalist.

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12 Gedanken zu “Angriff von rechts;”

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    Lieber Herr Posener,

    eine kleine Anmerkung zum allgemeinen Verständnis:

    Der Bergbau (sprich der Abbau von Steinkohle wird in derr generellen Klassifikation nicht zum Bereich Industrie gezählt.

    Ich bezog mich (und auch die BBC wie auch Dyson auf das verarbeitende Gewerbe (manufacturing sector) Auch der Bereich Energieerzeugung fällt nicht unter den terminus verarbeitendes Gewerbe.

    Vielleicht lag es daran, dass wir in unserer Diskussion bislang nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen konnten.

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    @ DonGeraldo

    Auf republikanischer Seite hört man gelegentlich, das Ehepaar Clinton gehöre hinter Gitter.
    Das wird natürlich als „tea party“ abgetan, ohne die Hintergründe dieses Vorwurfs auszuloten.

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    Ein Grund für die derzeitige weltweite Finanzkrise wird selten genannt, deshalb einfach mal nachlesen:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Glass-Steagall_Act

    Für die Aufhebung des bewährten Trennbanken-Systems waren weder Thatcher noch Reagan verantwortlich, selbst Dubbelju Bush ist ausnahmsweise mal unschuldig. Verantwortlich war der fatalerweise immer noch von einigen als Säulenheiliger bewunderte Bill Clinton.

    Ansonsten haben Herr Posener und Herr Schäfer schon alles sagenswerte zu diesem schwachen Beitrag gesagt.

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    Ja, lieber Moritz Berger, das ist ein weites Feld. Ihr Zitat von 2002 endet mit der Aufforderung der Industriellen, Großbritannien möge dem Euro beitreten. So viel zur Weitsicht der „Leistungsträger“.
    Maggie Thatcher hat mit Industrien aufgeräumt, die zu groß und zu unproduktiv waren; die meisten waren übrigens ganz oder teilweise in staatlicher Hand. Auch in Westdeutschland hat man die Steinkohle stillgelegt, und das war gut so, und die nur mit staatlicher Förderung zu betreibende Atomindustrie geht den gleichen Weg. Im Vergleich zur Bundesrepublik jedoch war (und ist) der Mittelstand in Großbritannien zu klein.
    Man kann so etwas nicht aus der Hand schütteln. Siehe Ostdeutschland nach der Wende und der dortigen Deindustrialisierung. Aber indem die alte, unproduktive und auf Kosten aller anderen Sektoren subventionierte Großindustrie zum Teil abgewickelt wurde, entstand immerhin der Raum, in dem sich so etwas entwckeln konnte und kann.

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    Bürger eines freien Landes gründen eine Partei, die sich gegen den ständigen Vertragsbruch der EURO-Staaten wendet. Herr Zielcke diffamiert diese Bürger als von der Vergangenheit träumende ältere Herren. Haben diese ältere Herren das Recht auf politische Partizipation altersbedingt verwirkt? Oder ist es die Chuzpe, die alternativlose Politik der Regierung nicht als alternativlos anzuerkennen, die Herr Zielcke geißelt?

    Wie aber bekommt Herr Zielcke die Kurve nach rechts, um seiner Überschrift gerecht zu werden? Stimmt, da gibt es doch diesen Herrn Sarrazin. Und die Salafisten, die den Islam-Hassern in die Hand spielen. Und die fremdenfeindlichen Parteien außerhalb Deutschlands. Und das riesige Potenzial für rechte Verführer. Und aus dem Osten strömen Roma und Sinti ein. Und Flüchtlinge aus aller Welt kommen nach Deutschland.

    Die Parteigründer der „Alternative für Deutschland“ haben all dieses im Blick und starten jetzt ihren „Angriff von rechts“. So zumindest, kurzgefasst, die Einschätzung von Herrn Zielcke. Ist das seriöser Journalismus?

    Ich nenne es üblen, manipulativen Journalismus!

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    @Alan Posener

    Hier noch ein paar Fakten zur Wiederholung: 8 Februar 2002!!!

    „It is a myth that the UK can survive on services alone,“ he said, „manufacturing is essential rather than optional to a healthy economy.“

    The CBI and other industry bodies are hoping that the sector can be kept alive by developing more specialised high-technology products.

    But there are few signs of a turnaround in the 20 years of decline in the UK’s manufacturing sector .

    Things have got even worse in recent years, due to the strength of the British pound which is undermining competitiveness even further.

    And companies such as Anglo-Dutch food giant Unilever and car makers Nissan and Honda have already warned that they may be forced to go elsewhere unless the UK embraces the euro.

    http://news.bbc.co.uk/2/hi/business/1806463.stm

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    Lieber Herr Posener,

    ich finde es immer wieder überraschend wie Sie Ihre zweites Heimatlanf über eden grünen Kell loen.. wir hatten gerade St. Patricks Day.

    Das Dilemma in UK ist nicht allein das Versagen der Blair Regierung sondern auch die von Maggi Thatcher angeschobene Deinstralisierungspolitik mit dem Focus auf den Ausbau des Londoner Finanzierungssektors.

    Das von Ihnen hervorgerufene Wachstum UK´s beruhte doch mehr oder wenigere auf dem wachstum des Finanzsektors und nicht der Industrie!!!

    Vielleicht sollten Sie zukünftig sich ein wenig mehr den Industriellen Großbritanniens zu hören, statt den Genomen der Londoner City.

    Here ein statement von Dyson:

    http://www.bbc.co.uk/news/uk-20942015

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    @Adrian Zielcke
    „Wir haben zwar sichere Arbeitsplätze,“
    im öffentlichen Dienst
    „hervorragend aufgestellte Unternehmen,“
    deren Fertigungstiefe in Billiglohnländern liegt und die kaum Steuern zahlen
    „wir bauen die besten Maschinen“
    in Spezialbereichen, die nur wenige bezahlen können und daher hemmungslos kopiert werden
    „und die besten Autos, die Gott sei Dank alle Welt haben will.“
    aber nicht bezahlen kann.
    Träumen Sie weiter gut.

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    Lieber Herr Zielcke, da Sie einen sehr germanozentrierten Blick haben, nenne ich Ihnen ein paar erfolgreiche europäische Länder: Polen. Schweden. Norwegen. Dänemark. Die Schweiz. Was haben sie gemeinsam? Sie sind nicht in der Eurozone. Norwegen und die Schweiz nicht einmal in der EU. Das müsste Ihnen zu denken geben. Sie sagen es selbst: Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Zypern und, ja, auch Frankreich sind nicht konkurrenzfähig. Was haben sie gemeinsam? Sie sind in der Eurozone. Das müsste Ihnen zu denken geben.
    Stattdessen aber ziehen sie über die Banken her, als seien sie an der Misere dieser Länder schuld. Ein Ablenkungsmanöver.
    Ihre Suada gegen Großbritannien ist überdies von keinerlei Sachkenntnis getrübt. Das Land hatte 2007 mehr als ein Jahrzehnt Wachstum hinter sich. Leider hat Labour das reichlich sprudelnde Steuergeld nicht weise eingesetzt. Nachträglich das politische Versagen der Linken Margaret Thatcher anzulasten, ist nicht redlich und nicht durch die Tatsachen gedeckt. Aber wozu Tatsachen, wenn man eine Meinung hat? Wer recherchiert, ist bekanntlich meinungsschwach.

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    Europa hat sein wertvolllstes Pfund weggeworfen, der friedliche Wettbewerb unter seinen Nationen. Alles geht mittlerweile unter im Brüsseler Einheitsbrei, die Ausgleichsmechanismen wurden abgeschafft und jetzt gelten europäische Solidarität (die slowakische Oma subventioniert mit ihrer Rente das Gehalt des griechischen Lokführers).
    Kulturell und wirtschaftlich soll jetzt allen das deutsche Modell übergestülpt werden. Die EU fährt sich gerade selbst an die Wand und die Völker im Aufbruch werden nicht auf uns warten.

    PS… ich krieg heute Grüße aus Singapore, …der will weiter nach Ko Phangan (Thail), dann nach Australien, ein anderer Ableger sitzt in Istanbul, einer in Zürich… – und ich bin kein “Zigeuner”, als europäisch äußert bodenständig, würde ich mich bezeichnen…

    ~~~~

    “Nach meiner Erfahrung ist der ärgste Feind und Verderber der Menschen der auf Denkfaulheit und Ruhebedürfnis beruhende Drang nach dem Kollektiv, nach Gemeinschaften mit absolut fester Dogmatik, sei diese nun religiös oder politisch.”

    Hermann Hesse

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    A.Z.: Angela Merkel bringt mit ruhiger Stimme Europa auf den Kurs: Weg vom Schuldenmachen, hin zu solider Finanzpolitik. Das bringt nach innen und nach außen Härten mit sich. Aber der Weg zurück ist keine Alternative.

    … noch so ein Alternativloser, der wohl ebenso wie die Ex Probleme mit der Finanzmathematik hat. Etwa wie, wenn die Ex meinte, das Absenken der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (O-Ton Ex) … ‚bedeutet für die Arbeitnehmer ein Prozent mehr Bruttolohn‘. … muhahaha!

    Spruch aus dem Wirkungskreis der ehemaligen FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda:

    … wir bauen auf und reißen nieder, Arbeit gibt es immer wieder. Leider können wir nicht überall sein.

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