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Was Günter Grass umtreibt

Ach ja, Günter Grass. Über sein „Gedicht“ zur israelischen Atombombe brauchen wir keine weiteren Worte zu verlieren. (Dennoch erscheint in der „Welt“ vom Mittwoch ein Artikel von mir zum Thema.)

Das Merkwürdige ist ja, dass alle Versuche, ihn in ein Schema – immer schon Nazi und Judenfeind gewesen, siehe seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS, oder immer schon Islamversteher gewesen, siehe seine Reaktion auf die Mohammed-Karikaturen, oder immer schon ein Weichei gegenüber dem Kommunismus, siehe seinen Widerstand gegen die Wiedervereinigung – zu pressen, an der Komplexität des Menschen Günter Grass scheitern.

Was den Kommunismus betrifft, so gebe ich zwar zu, dass ich das Stück seit langem nicht mehr gelesen habe; aber mir scheint, „Die Plebejer proben den Aufstand“ war nicht nur ein clever gebautes Drama, sondern eine vernichtende Kritik Bertolt Brechts und seines Opportunismus gegenüber dem SED-Regime.

Gegenüber der Studentenbewegung blieb Grass gerade aus einem soliden sozialdemokratischen Antikommunismus heraus auf Distanz, schrieb auch darüber ein Stück, dessen Titel ich vergessen habe, das mich damals sehr geärgert hat. Jedenfalls kann man ihm, denke ich, nicht Anbiederei an die 1968err vorwerfen.

Was sein Verhältnis zum radikalen Islam angeht, so werde ich ihm immer zugute halten, dass er 1989 aus der West-Berliner Akademie der Künste austrat, weil diese aus Sicherheitsgründen – sprich: aus Feigheit vor den Mordkommandos der Mullahs – eine  Solidaritätsveranstaltung für Salman Rushdie verweigert hatte. Hierzu zwei Artikel aus der „Berliner Zeitung“ anlässlich seiner Wiederaufnahme:

http://www.berliner-zeitung.de/archiv/rushdie-und-grass-in-der-berliner-akademie-in-die-hoelle-mit-dem-ajatollah,10810590,9429638.html

http://www.berliner-zeitung.de/newsticker/nicht-ohne-meinen-rushdie,10917074,9429990.html

Dass in „Was gesagt werden muss“ so gar nichts gesagt wird über die terroristische Geschichte des Teheraner Regimes, verwundert  mich  angesichts dieser Geschichte denn doch.

Dass Günter Grass aber kein Antisemit in irgendeiner sinnvollen Bedeutung des Wortes ist, das scheint mir so klar wie die Tatsache, dass „Was gesagt werden muss“ ein antisemitisches Gedicht ist.

Dass der Erfolgsautor seine kurze Mitgliedschaft in der Waffen-SS so lange verschwiegen hat, muss man auf das Konto Opportunismus verbuchen. Dass er als 17-Jähriger ein glühender Nazi war, hat er aber längst bekannt. Bei anderen seiner Generation war es eher so, dass sie ihre Mitgliedschaften zugaben (oder auch nicht), aber – wie die Ossis nach der Wende – behaupteten, innerlich immer Distanz zum Regime gehalten zu haben.

Deshalb (und weil ich selbst mit 21 einer kommunistischen Organisation beitrat) tue ich mich schwer, wegen der Waffen-SS-Geschichte in Wallungen zu geraten. Und man muss ja annehmen, dass er sein schriftstellerisches und politisches Leben zum großen Teil der Tilgung der deshalb empfundenen Schuld gewidmet hat.

Zweifellos enthält die „Blechtrommel“ eine der genauesten Beschreibungen jenes verschwitzt-verschwiemelten kleinbürgerlichen Niveaus, aus dem die SA und die Partei ihre Leute rekrutierte. Noch sein Widerstand gegen die Wiedervereinigung speist sich aus dem Misstrauen in die „geglückte Demokratie“ der Bundesrepublik, trotz Willy Brandt; und dieses Misstrauen, obwohl es heute nicht politisch korrekt ist, das zu sagen, war ehrenwert, wenn auch nicht begründet. Immerhin wurde es von Maggie Thatcher und Francois Mitterrand geteilt.

Was ist also passiert? Wie konnte aus dem Mann, der sich solidarisch erklärte mit Salman Rushdie, der Mann werden, der die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen verurteilte, obwohl sie erheblich weniger blasphemisch sind (wenn es denn Grade der Blasphemie gibt), als es Rushdies großer Roman ist?  Wie konnte aus dem Mann, der die linken Verirrungen der Studentenbewegung und den Opportunismus Brechts kritisierte, der seine „Plebejer“ am 17. Juni 1953 auf der Bühne die Wiedervereinigung unter (dem SPD-Vorsitzenden) Ollenhauer fordern ließ, der Gegner der Wiedervereinigung aus linker Verirrung heraus werden? Wie konnte aus dem Mann, der über seine eigene Nazi-Verblendung erschrak, der Hobby-Dichter werden, der – während in Syrien das Volk zusammenkartätscht wird von einem Regime, das mit dem Teheraner Regime verbündet ist – Israel unterstellt, „das iranische Volk auslöschen“ zu wollen?

Ich gestehe, dass mir das ein Rätsel ist. Ich bin nicht bereit, ihm irgendetwas nachzusehen. Wer austeilt wie Grass, muss auch einstecken können. Aber ich würde gern verstehen, was ihn umtreibt.     .

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76 Gedanken zu “Was Günter Grass umtreibt;”

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    @ Lyoner: diese Intervention verstehe ich nicht

    Was an meiner Intervention verstehen Sie nicht? Dass „der Westen“ eine Verhaltensnorm bezeichnet, die er gegen die „draußen“, die die Verhaltensnorm nicht haben, (oft) nicht anwendet? Und dass man das – mit Grass – als „Heuchelei des Westens“ bezeichnen könnte?

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    @ EJ

    hm… hm … das klingt jetzt aber divinatorisch wie die Orakel der Pythia, hm … hm … welche Dämpfe haben Sie inhaliert, Kamille, Eukalyptus?

    Spaß beiseite: diese Intervention verstehe ich nicht. können Sie konkreter werden?

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    Hm … hm … Ich habe noch nicht sehr viele „Interpretationen“ des Grass-Gedichts lesen können. Mir scheint aber, dass eine deutliche Bereitschaft der Interpreten besteht, ein schlechtes Gedicht auch schlecht zu lesen.

    Zu Beginn des letzten Viertels unterstellt Grass uns bzw. seinen Lesern, dass sie sein Gedicht vor allem als ein auch west-kritisches bzw. antiwestliches lesen bzw. verstehen. Und zugegeben: ich schweige nicht mehr, weil ich der Heuchelei des Westens überdrüssig bin

    Grass gesteht diese von ihm bisher verschwiegene Lesart /Motivation des Gedichts regelrecht widerwillig zu: zugegeben. Warum tut er das nur widerwillig bzw. warum meint er, das nur widerwillig tun zu können?

    Meine These (noch unter allem Vorbehalt geäußert!): Grass weiß bzw. ahnt, dass er sich mit einer Kritik des Westen („der (heuchelnde) Westen“ als asymmetrischer Gegenbegriff im Sinne Kosellecks verstanden) in unlösbare Aporien verstricken würde. (Grass selbst kann ja nicht umhin, ein deutliches Gefälle bzw. eine deutliche Asymmetrie zwischen den Iranern bzw. dem iranischen Großmaul und dem Westen zu erkennen!)

    Ich denke vor diesem Hintergrund muss man das Grass-Gedicht lesen. Dann wird auch sein antisemitischer Charakter deutlich: Für die Selbst-Widersprüche des Westens (seine Maßstäbe innen sind andere als nach außen) die in gesamt-westlicher Perspektive nicht oder nur schwer auflösbar sind, müssen mal wieder die Juden herhalten, als Sündenbock (zur symbolischen Lösung unserer Probleme) herhalten.

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    Was Günter Grass umtreibt, kann ich auch nicht beantworten. Ich muss zugeben, dass ich die Bücher von Günter Grass nicht gelesen habe, obwohl ich mir irgendwann einmal eine Liste aller Literaturnobelpreisträger ausgedruckt hatte und versuchte diese dann Schriftsteller für Schriftsteller abzuarbeiten, so kam ich auch zu Samuel Agnon usw. Mit Agnon wurde plötzlich ein anderes Thema wieder für mich wichtig: Israel und die Juden.
    Es ist noch gar nicht lange her, da habe auch ich meine Sorgen um den Konflikt zwischen Israel und dem Iran geäußert. Ich hatte geschrieben: Dabei stellte ich die Frage: Wie gefährlich ist der Iran? Auch ich bin in Sorge über die Entwicklung im Nahen Osten und habe von den Angriffsszenarien in der Presse gelesen, von einem atomaren Erstschlag Israels allerdings nichts. Grundsätzlich will ich zu Günter Grass Motiven nicht spekulieren, dies passiert in der Presse ja ausreichend. In dem Gedicht vermisste ich allerdings jede Empathie für die israelischen Bürger, die ja in erster Linie von einem atomaren Schlagabtausch bzw. eventuell auch anderen Waffen betroffen wären.

    Vor etwa einem Jahr habe ich angefangen hier zu schreiben, das Thema Holocaustverdrängung und Atomophobie. Für mich war dies ein sehr anstrengendes Jahr, da es die Vergangenheit und meine dazu gehörigen Emotionen noch einmal aktiviert hat, man setzt sich nicht nur den äußeren sondern auch den eigenen inneren Zwängen aus. Sehr oft, besonders in der letzten Zeit, musste ich mein Schutzschild wieder stabilisieren. Dies gelingt mir immer schlechter, ich hätte meinen Kindern eine normalere Mutter gewünscht.

    Wenn ich mir die Arbeitsdefinition „Antisemitismus“ ansehe, muss ich feststellen, dass ich mich in einem älteren Thread auch antisemitisch gegenüber Hendryk M. Broder geäußert habe, zu mindestens konnte man dies auch so interpretieren, als ich im Zusammenhang mit der Buchvorstellung „Deutschland schafft sich ab“ feststellte: Ich kann seine Sorge um Israel verstehen. Dies auch noch mit meiner Vorgeschichte. Oder vielleicht gerade wegen meiner Vorgeschichte? Mich hat in den 80-iger Jahren schon die Hitlerverehrung mancher Palästinenser irritiert. Dies war auch der Grund warum ich mich letztlich mit der Frage: Warum es diese Judenfeindlichkeit gab? Dies passte einfach nicht in mein Bild vom Islam.

    Allerdings finde ich das Hendryk M. Broder, besonders die Linken kritisiert. Ist er der „Bewährungshelfer“ der Linken? Sind die Rechten weniger gefährlich?

    Setzt man anstatt Juden in dieser Arbeitsdefinition Muslime, Türken oder vielleicht Sinti und Roma (für den Beitrag letzte Woche) ein, hätte damals sofort diesen Vorwurf hören müssen. Nun habe ich hier im Blog verstanden und ich wusste es eigentlich schon vorher, dass es sehr wohl einen Unterschied zwischen Antisemitismus und Rassismus gibt, der auch aus der Tatsache resultiert, dass sich zwei Weltreligionen auf das Judentum beziehen und sich daraus Konflikte ergeben.

    Nun muss man gleichzeitig aufpassen, dass der Rassismus- bzw. Antisemitismusvorwurf nicht wirklich zum Totschlagargument verkommt, gleichzeitig finde ich solche Aufreger, wie das Bild mit dem Roma-Kind in der Weltwoche einfach böse.

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    @ derblondehans

    „Derjenige ist souverän, der über den Ausnahmezustand gebietet“ sagte Carl Schmitt. Na denn, aber was ist, wenn die Furcht des Herrn eher anschwillt als abschwillt?

    Sie schreiben: „Deutschland billigt er diese Souveränität nicht zu. Warum?“

    Was vermuten Sie?

    @ Rita E. Groda

    Sehr schade. Können Sie nicht nachvollziehen, dass eine Aussage, dass ich für mein lenorweichgespültes Gewissen Israel opfern würde, verstörend ist? Für weniger als das ist man schon zum Antisemiten erklärt worden.

    Ich gebe zu, mein Ton ist manchmal nicht suaviter in modo, zuweilen auch arrogant. Wenn ich jemand angreife, meine ich dies jedoch, sei es bei Ihnen, sei es bei Posener oder anderen. Das bedeutet für mich jedoch nicht mehr und nicht weniger als ein Schachzug; das ist nicht essentiell, ich muss daran nicht kleben bleiben. Deswegen: nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

    @ Alan Posener

    Wahrscheinlich bin ich zu naiv, wenn ich die Erwartung hege, dass man, Sie und wir, auf einem Blog wie Starke Meinungen, der die Welt nicht aus den Angeln hebt, etwas ungeschützter und freier die Argumente pro und contra Israel wagt und testet. Ich glaube, ich setze dabei hauptsächlich bei Ihnen zu viel voraus; ganz unbeobachtet ist unser und Ihr Treiben hier nicht; da bleiben Sie doch besser in den hedges oder Zäunen der konformen Lehre eines Broder, Herzinger, Wergin oder eines Mathias Döpfner.

  6. avatar

    Cher Apo,

    sie beschreiben sehr gut die Komplexitaet von Grass.

    Im Zusammenhang mit diesen Zeilen :

    …oder immer schon ein Weichei gegenüber dem Kommunismus, siehe seinen Widerstand gegen die Wiedervereinigung – zu pressen, an der Komplexität des Menschen Günter Grass scheitern…

    Was verstehen sie unter Weichei?
    Ist dies etwas negatives??

    Sind wir nicht alle toe-dipper or wusses?

  7. avatar

    @Lyoner

    … Alan Posener verlangt für Israel Souveränität und das Recht diese mit allen Mitteln zu verteidigen. Dagegen ist nix zu schreiben. Meine ich.

    Deutschland billigt er diese Souveränität nicht zu. Warum?

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    @Lyoner: Daß Sie in Ihrem besonderen Drang recht zu haben mich diffamiert haben, meine Fairness beleidigt und in Frage gestellt haben – das werde ich Ihnen weder verzeihen noch einach so durchgehen lassen.

    Ich darf Sie doch sicher daran erinnern, daß ich bei letzter und passender Gelegenheit – dem Herauswurf aus dem Forum – öffentlich und mehrmals für Sie Partei ergriff, aus Gründer der eigenen Überzeugung und des eigenen Demokratieverständnisses.
    Und mir damit sozusagen den“Liebesentzug“ nicht nur von Alan Posener eingehandelt habe, der sich ziemlich sauer seither mir gegenüber zeigt, weil ich mich angeblich und immer wieder auf die Seite des Antisemiten stellte.

    Nein, Lyoner; ich bin kein blondes Dummchen, dem man wie einem Hund das Köpfchen streichelt und ihm versichert, daß man es gar nicht so gemeint hat.

    Sie habens es so gemeint – sie wollten Posener treffen und haben mich geschlagen!!
    Was Sie betrifft ist das jetzt Ende meiner Durchsage!!

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    @ KJN

    Sie schreiben „Ich hatte bereits erwähnt, daß in Israel die Nerven blank liegen und Lyoner (auch Dr. Strebel) stimmten mir, ersterer direkt, zu.“

    Stimmt, ich habe Ihnen zugestimmt, jedoch mit einer Ergänzung, dass dies nicht nur mit externer, sondern auch mit interner Stimulation zusammenhängt.

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    Lieber Alan Posener,

    ich ziehe es vor, auch von Ihnen als Lyoner tituliert zu werden; der Grund ist offensichtlich: ich gerate zuweilen in die Gefahr, von Ihnen & Ihren Spießgesellen als „Antisemit“ diffamiert zu werden, und das wird ja über die Waffenlinien hinweg als Totschlagargument empfunden; nach Broder (um einen Ihrer Sspießgesellen, sie nennen ihn „Freund“ zu benennen) sollte man damit in eine diskursive Quarantäne eingesperrt werden. Sie kennen die Google-Algorithmen, was dabei herauskommt, wenn Sie „XY + Antisemit“ googeln. Und das ist gänzlich unabhängig davon, wie berechtigt oder unberechtigt das ist.

    Warum tun Sie sich so schwer, eine simple Frage zu beantworten? Über die Politik Israels in den „Gebieten“ und ihre Agenda haben Sie sich doch auch schon ein Urteil bilden können, oder etwa nicht? Ich habe ja gerade Sie gefragt; bei Ihnen müßte doch zutreffen „Noch einmal: Kontext. Autor. Adressat. Situation. Absicht. Folgen. Verantwortung.“ Also kommen Sie Ihrer Verantwortung nach! Doch anstatt zu antworten, versuchen Sie mich zu pathologisieren: „obsessiv“, „katholisch sozialisierter und beschädigter Mensch“, „Salonlinker“, nicht wahr? Dass Sie wie der Teufel um das Weihwasser herumschleichen, das ist doch für jeden hier offensichtlich, oder etwa nicht, KJN, derblondehans, Roland Ziegler, Rita E. Groda, EJ et alienas?

    Ihr werter „Freund“ Broder hat mal vor dem Bundestag die Faustformel vorgetragen, die auch Sie benutzen, die allerdings immer weniger überzeugt, ganz im Gegenteil

    „Zunächst einmal hat der Antisemitismus (Antizionismus, Israelkritik) wenig mit Juden (Zionisten, Israel) und gar nichts mit deren Verhalten zu tun. … Was auch immer der Jude (Zionist, Israel) tut (oder unterlässt) , der Antisemit (Antizionist, „Israelkritiker“) macht ihm das zum Vorwurf. Deswegen nutzt es nichts, wenn der Jude (Zionist, Israel) sein Verhalten ändert, um dem Antisemiten (Zionisten, „Israelkritiker“) entgegen zu kommen… Basiert der Antisemitismus (Antizionismus, „Israelkritik“) also auf hysterischen Ängsten, Erfindungen, Projektionen und Neidgefühlen, haben die Xenophobie, Islamophobie, Arachnophobie, Agoraphobie e tutti quanti eine reale Basis.“

    Jetzt wird nicht nur in der Springer-Presse, aber hauptsächlich dort gejammert und geklagt, dass die öffentliche Meinung in Deutschland so gar nicht übereinstimmt mit der veröffentlichten Meinung der Mainstream-Presse. Na ja, da kommt doch als Interpretation nur in Frage, dass die Deutschen mindestens so einen Knacks haben (pathologisch sind) wie ich und dass die „Israelkritik“ hier gar nichts mit dem Verhalten der Juden/Zionisten/Israels zu tun hat (Broder) oder nicht den richtigen Ton trifft (Posener): Deutsche haltet die Schnauzen. Sie wundern sich, dass viele das Gefühl haben, dass Israel zu kritisieren ein Tabu ist (im übrigen war dies nie meine Meinung; aber „Von den einzigwahren Freunden Israels“ ist eine quantité negliable)? Lieber Herr Posener, Sie & Ihre „Spießgesellen“ täuschen sich gewaltig.

    Was mich betrifft: Ich gehöre keineswegs zu denen, die gegen Israel agitieren; ich treibe mich auf keinen Foren (weder SPIEGEL-Online, WELT-Gruppe, SZ, FAZ, Junge Freiheit etc) umher, außerdem wäre jeder in meinem Bekanntenkreis überrascht, wenn jemand das über mich behaupten würde; dies ist z.Z. mein einziges Forum (mein Blog schlummert), weil ich hier Ihnen und anderen Israel-Apologeten auf den Zahn fühle, Ihnen damit Gelegenheit gebe, Ihre Argumente auf Stichhaltigkeit zu überpüfen; bisher haben Sie das ebenso erbärmlich wie Meister Broder, dessen selling position ja darin besteht, zu jeder Zeit und Unzeit die Antisemitismuskeule zu schwingen, gemacht; statt sachlich zu diskutieren, die Kritik an der Agenda Israels abzuwägen, haben Sie es vorgezogen entweder direkt ad hominem zu argumentieren und zu diskreditieren oder die Berechtigung insbesondere der „deutschen Arier“ zu delegitimieren.

    Unbehaglich ist mir der gereizte Ton der Debatte. Dabei will ich keineswegs behaupten, dass mein zuweilen ebenfalls aggressiver Ton ausschließlich eine Reaktion ist; ich habe auch meine Aktien daran als Krieger. Ich kann auch Ihre Argumente bezüglich Loyalität durchaus nachvollziehen, auch wenn ich sehe, dass der Loyalitätsdruck für Israelis und Juden immens ist; ein Kritiker ist dort leicht ein „selbsthassender Jude“. Gut gefallen hat mir in diesem Zusammenhang die Stellungnahme von Fritz Stern zu Günter Grass in der FAZ (http://www.faz.net/aktuell/feu.....16774.html). In Bezug auf die Beurteilung der Politik Israels und die Gefahren, die durch die „Freunde Israels“ bestehen, liegen Fritz Stern und meine Wenigkeit nicht weit auseinander. M.E. wird Israel nur dann genesen können, wenn es realisiert, dass die Einschätzung und Wertschätzung in der Welt auch von seinem Verhalten abhängt und von dem Phantasma einer essentiellen pathologischen Feindschaft Abschied nimmt.

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    @KJN: Freut mich, dass Sie einsteigen; dann steigen ich auch wieder ein. M.E. haben Sie in wesentlichen Punkten recht, treffen aber falsche Folgerungen.

    Erster Punkt: Ja, das Gedicht übt Kritik an Israel, richtet sich aber in erster Linie an die deutsche Öffentlichkeit. Das ist nicht scheinheilig, sondern normal, wenn man auf deutsch in Deutschland ein Gedicht publiziert. Das galt auch für Brecht, an dessen Qualitäten als politischer Lyriker hoffentlich kein Zweifel besteht. Hätte Grass trotzdem besser Kritik an Nordkorea üben sollen? Welchen Sinn sollte ein solches „antinordkoreanisches“ Gedicht haben, das weder hier noch in Nordkorea noch sonstwo irgendein Schwein interessiert? Dieses Gedicht mit seiner provokanten Israelkritik sorgt für Furore in der deutschen Öffentlichkeit, für eine überfällige Debatte zu Atomwaffen und Kriegsgefahr im Nahen Osten, wie z.B. wir sie hier führen, und das ist gut so, es ist eine beabsichtigte, gute Wirkung dieses Gedichts.

    Zweiter Punkt: Ja, die Geschichte des jüdischen Volks und Deutschlands ist miteinander verbunden. Gerade das ist doch aber ein guter Grund, Israel – und nicht Nordkorea – anzusprechen, oder nicht? Womit wir drei gute Gründe haben, die Grass motiviert haben könnten: 1.) Es gibt die Möglichkeit, auf die Debatte in Israel eine Wirkung auszuüben (Das ist nicht die wichtigste Intention des Gedichts, wie Sie einwenden; ja, aber es ist eine). 2.) Es gibt die Möglichkeit, hierzuland eine Debatte zur Kriegsgefahr und Atomwaffenproblematik auszulösen (Das ist offenbar wenigstens teilweise gelungen). 3.) Die existentielle Verbundenheit mit Israel steht einer kritischen Auseinandersetzung mit der dortigen Politik nicht im Wege, sondern legt sie im Gegenteil nahe.

    Diesen drei rationalen Gründen steht Poseners absolute Psychoerklärung gegenüber, der alles per Handstreich vom Tisch wischt und sagt: „Alles Quatsch, der einzige Grund, warum Grass über Israel schimpft, liegt in seinem Ressentiment. Aus welchem Hut er, der früher Freiheitskämpfer, diese dunklere Emotion plötzlich hergezaubert hat, ist mir ein Rätsel; weiß jemand Rat.“

    Dazu kann ich nur sagen: Die dunklere Emotion mag es geben. Wenn es, wie Hannes Stein zeigt, in anderen Texten Bestätigungen dafür gibt, können wir das mit aufnehmen.

    Vollends ratlos bin ich jedoch angesichts des häufig zu lesenden Vorurteils, Grass habe sich Vorteile errechnet, wenn er gegen ein Tabu verstößt, Israel zu kritisieren, und das würde ihm jetzt frenetischen Beifall zutragen. Welches Tabu? Was für ein Beifall? Gemeint können doch nur Forenkommentatoren sein, sonst gibt es nirgendwo Beifall. Schauen Sie sich z.B. Christian Ströbele an, der macht doch seit Jahrzehnten nichts anderes als USA und Israel als Aggressoren zu bezeichnen! Diese Rhetorik kennt doch jeder in- und auswendig.

    Nein, das Neue, das jetzt für Furore gesorgt hat, muss mit der zugespitzten Situation, dem sich anbahnenden Krieg und den, wie Sie sagen: blank liegenden Nerven zusammenhängen. Und deshalb ist das auch nicht das Ende der deutsch-israelischen Freundschaft. Selbst wenn Grass am Ende seines Lebens nicht dem Antisemitismus, sondern dem Teufel persönlich verfallen wäre, könnte er wohl kaum mit einem einzigen Gedicht das Ende einer so komplexen Beziehung einläuten. Herrje, welche Kräfte sollen denn plötzlich die Dichter über das Weltgeschehen haben! Das wäre wahrlich der Treppenwitz des Jahrhunderts. Schlimmstenfalls könnte ein Gedicht eine dürftige Schminke entfernen, die man sich dann ohnehin abschminken sollte.

    Aber auch das ist Quatsch. Die Freundschaft besteht, die Demokratien sitzen in einem Boot und jeder weiß das; gemeckert wird trotzdem, und wem das nicht passt, der meckert seinerseits. Und so kritisieren die einen Israel und die anderen die Israelkritiker und die dann wiederum die Israelkritikerkritiker usw. usf.

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    Tja, ich bin 17 Jahre alt, das Alter in dem Grass seinen Weg gefunden hat.
    Ich bin aufgewachsen mit der Bildung über die historischen Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte, glaubte immer, dass es neben den bösen Rechten des letzten Jahrhunderts und deren Wurmfortsatz in der Nachkriegszeit, es die guten Deutschen gab und gibt, die verhindern, dass Rassismus und Antisemitismus je wieder in Deutschland erstarken kann, die eifrig gegen einen Springerverlag zu Felde ziehen, der aus Apologetik, Eschatologie und Chiliasmus, gut gemeint aber schlecht gemacht in die falsche Richtung lenkt, die den Nazitäter und Helfer enttarnen und den Verbrecher ihre gerechten Strafe zu führen. Der sozialistische Teil ist im Laufe meiner Politisierung an Anbiederung an die Verbrechensregime aller Welt gestorben, der ökologische Teil an einer anti-anthropozentristischen Ideologie, die nicht weiß ob sie eine UN-Resolution mittragen soll, die eine Abschlachtung von Menschen in Nordafrika verhindert hätte, der sozialdemokratischen Teil, an einer Hass auf die Finanzmärkte, die Progressivmus erst ermöglichen, statt auf den politischen Gegner.

    Einzig allein mit Vertrauen auf die großen Intellektuellen, konnte ich Frieden schließen mit dem Deutschen, doch Grass hat diesen Frieden mit seinem nuklearen Erstschlag zerstört. Grass hat nicht Israel getroffen, sondern den Glauben, dass es in Deutschland die Menschen gab, die wegen ihrer Erfahrungen im Nationalsozialismus erkannten, dass die Ideologien dieser Zeit falsch und verachtenswert waren, den Glauben, dass die Ritualmordanklage zu Pessach mit dem 8. Mai aus der Welt gegangen ist.

    Ich kann noch weniger als Sie sagen, was Grass umtreibt, er ist für mich einfach nur ein Deutscher und der Deutsche ist gestorben, geistig, 1933.

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    @Roland Ziegler: „Der Gedanke, dass Grass oder sonstwer aus Deutschland ein Gedicht an die Adresse von Nordkorea richtet..
    Leider war aber das Gedicht eben nicht an einen anderen Staat gerichtet, sondern fällt hierzulande auf allzu fruchtbaren Boden: Endlich mal ein „Mutiger“ der nach all den „Verboten“ Israel und der Welt mal sagt, wo der Hammer hängt! Das kapiert sogar eine Regierung Nethanyahu, weil in Israel schon genau beobachtet wird, was in Deutschland so abgeht, auch wenn so getan wird, als würde die Eiche das nicht kümmern, wenn.. naja, Sie wissen schon. Leider macht diese Regierung den größten taktischen Fehler, den man da machen kann und reagiert darauf, und das auch noch sofort, so daß auch jedem Depp klar wird, daß hier mal wieder das „jüdische Meinungskartell“ in den Medien (um nicht schlimmere Ressentiments zu unterstellen) zuschlägt. Günter Grass ist ja nun alles andere als doof und medien-unerfahren und müsste um die Wirkung genau wissen. Das Gedicht ist daher – ja – „ekelhaft“ scheinheilig und die Berater Nethanyahus besorgniserregend inkompetent. (Warum lässt man da nicht einen Mann, wie Avi Primor, der die diesbezüglichen „Besonderheiten“ der deutschen Seele besser kennt, ran.) Das ganze ist zu diesem Zeitpunkt höchst gefährlich, weil Israel – mehr als es zugibt (was Gründe hat) – von der Solidarität anderer Länder abhängig ist.
    Ich hatte bereits erwähnt, daß in Israel die Nerven blank liegen und Lyoner (auch Dr. Strebel) stimmten mir, ersterer direkt, zu. Sehen Sie die völlig empathiefreie Reaktion von Dr. Strebel darauf, die in etwa bereits die Ursache für die fehlende Bereitschaft einer Regierung, ja vielleicht auch eines Volkes erklärt, keine Schwäche mehr zuzugeben. Auf die Geschichte brauche ich da gar nicht mehr hinzuweisen.

    Die Geschichte des jüdischen Volks und Deutschland ist nun mal – eben nicht „nur“ durch den Holocaust miteinander eng verbunden, was aber offensichtlich vielen (vielleicht auch auf israelischer Seite) zunehmend lästig wird. Das Ende der Deutsch-Israelischen Freundschaft scheint also gekommen [1] und – ehrlich gesagt – das gefällt mir gar nicht.

    @Rita E. Groda: „Israel stört einfach..“
    So ist es wohl – offensichtlich.

    [1] http://www.welt.de/debatte/kom.....denkt.html

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    Lieber Herr Kaufmann, Mercator, „Lyoner“, wie Sie wollen: Entweder Sie wollen eine sachliche Diskussion, oder Sie reden verächtlich von „Ihnen und Ihren Spießgesellen“. (Als da wären?)
    Sie wissen, dass ich allein schon Ihre Obsession mit Henryk M. Broder und den „wahren Freunden Israels“ für ein Symptom tieferer Verstörung halte. Nun könnten Sie erwidern, dass auch die Israelis eine Obsession mit Israel haben; und viele Juden auch. Aber sehen Sie, da ist eben ein Unterschied. Und den haben nicht die Juden gemacht.
    Natürlich sind die Bürger dieses kleinen Staates obsessiv mit der Existenz, der Bedrohung, der Zukunft des Landes befasst, aber auch mit den Taten und Untaten ihrer Regierungen; und übrigens ist das ungesund, und viele Israelis entfliehen regelmäßig dieser obsessiven Atmosphäre, um die Köpfe wieder klar zu bekommen.
    Und natürlich haben viele Juden eine Israel-Obsession, weil Israel ein jüdisches Projekt ist, weil fast jeder Jude dort auch Verwandte hat, weil jeder Jude potenziell das Recht auf Einwanderung nach Israel hat und weil jeder Jude überall in der Welt mit seinem Leben dafür haftbar gemacht werden kann, was irgendein Irrer von Israel hält, wie man zuletzt in Toulouse erlebte.
    Die jüdische Obsession mit Israel ist also nicht schön, aber nachvollziehbar.
    Die Obsession von Christen und Ariern, zumal deutschen Ariern, mit diesem Lan steht – angesichts seiner realen Bedeutungslosigkeit in internationalen Angelegenheiten und der relativen Harmlosigkeit selbst seiner schlimmsten Verbrechen (die nicht geleugnet werden sollen: 120 Tote in Deir Yasin zum Beispiel, oder das von Christen -!- begangene Massaker von Sabra und Shatila, das Israel nicht verhindert hat, mit über 800 Toten, um zwei der beschämendsten zu nennen) im Vegleich zu dem, was tagtäglich anderswo in der Welt passiert – auf einem anderen Blatt, die speist sich aus anderer Quelle, die ist eben nicht geheuer, und nach der „Arbeitsdefinition“ des Antisemitismus, die von der EU erarbeitet und angenommen wurde, kommt eine solche Obsession, eben weil sie „double standards“ anlegt, dem Antisemitismus zumindest nahe.
    Hier ist der englische Text der Definition, die ich hilfreich finde:

    http://fra.europa.eu/fraWebsit.....-draft.pdf

    Hier die deutsche Übersetzung:

    http://www.european-forum-on-a.....ch-german/

    Es dürfte nach alledem klar sein, dass Grass mit seinem Gedicht in mehrfacher Hinsicht die Kriterien der EU erfüllt: das Machwerk legt doppelte Standards an, indem es Israel eine völkermörderische Absicht unterstellt, dem Iran aber nicht, obwohl der Iran mit der Auslöschung Israels gedroht hat, Israel aber nicht mit der Auslöschung des Iran; es unterstellt – allein – Israel eine Politik, die „den Weltfrieden gefährdet“, obwohl Israel weder in Afghanistan noch im Irak noch in Libyen Krieg geführt hat oder führt, und zieht immerhin unterschwellig einen Vergleich zwischen Israel und den Nazis, indem es behauptet, für die israelischen Militärplaner seien eventuelle ziviele deutsche Opfer „nur Fußnoten“. Dass Grass in Interviews von einer „gleichgeschalteten“ deutschen Presse (von wem „gleichgeschaltet“?) sprach und Israel mit der DDR verglichen hat, kommt noch hinzu.
    Ich habe Ihnen mehrfach – auch in freundlicher privater Korrespondenz – vorgeschlagen, sich einem Thema zu widmen, das Ihnen eher hilft, mit den Traumata Ihrer katholischen Erziehung fertig zu werden, als ausgerechnet dieses, bei dem der christliche Antjudaismus mit anderen Mitteln fortgesetzt wird. (Übrigens glaube ich, dass dies, die ungesunde Fixierung der christlichen Kultur auf die jüdische Tradition, von der sie sich ständig wieder abgrenzen muss, und auf das „Heilige Land“ als Sehnsuchtsobjekt, eine tiefere Wurzel der negativen Israel-Fixierung darstellt als die Indoktrinierung durch die Nazis.) Aber ich habe das Gefühl, bei Ihnen – wie in anderem Zusammenhang bei Islamophoben – stoße ich auf eine Abwehr, gegen die weder Argumente noch Emotionen etwas ausrichten.
    Zu dieser Abwehr gehört es, dass Sie immer wieder israelische oder jüdische Autoren zitieren, die mit der Politik Israels auf das Härteste ins Gericht gehen. Ich selbst stamme aus einer Familie, die mehrheitlich antizionistisch eingestellt war (und sich dann doch dank der zarten Überredungskünste ihrer deutschen Mitbürger in Palästina wiederfand), und die in Israel mehrheitlich zur Linken gehört. Mein Cousin gehört zu den Gründungsmitgliedern der pazifistischen Me’eretz Partei, meine Cousine zu den Aktivistinnen von „Checkpoint Watch“. All das wissen Sie und wissen die meisten meiner Leser, und dennoch scheinen Sie nicht zu begreifen, weshalb ich nicht einfach diese Menschen, die ich liebe und bewundere, hier zitiere. Der Grund ist dieser: diese Leute stehen in Israel für ihre Worte und Taten ein. Sie sind Ziel von Terroristen und von iranischen Raketen; sie haben in Israels Armee gekämpft, und ihre Kinder müssen in der Armee dienen; sie sind dort als Linke und „Gutmenschen“ nicht dem Beifall einer Menge ausgesetzt, deren Motive suspekt sind, sondern der Kritik der überwältigenden Mehrheit, die ihre Motive suspekt findet. Verstehen Sie?
    Der Kontext jedes Worts ist entscheidend. Kritik an Israel, formuliert von einem Zionisten, ist etwas grundlegend anders als dieselben Worte, gesprochen von einem Europäer. David Grossman, der seinen Sohn im Feldzug gegen die Hisbollah verloren hat, der aber nicht daran denkt, das zionistische Projekt aufzugeben, seine Heimat aufzugeben, hat ein naderes Recht auf Kritik als es irgendein Salonlinker hier hat, der für gar nichts einsteht, wsenn es denn darauf ankommt.
    Die meisten Israelis und Juden begreifen das instinktiv, oder wenn nicht instinktiv, dann früher oder später. Es gibt Autoren, die Bücher wie „Israel! Um Himmels Willen Israel!“ oder „die Irren von Zion“ geschrieben haben und dann erschrocken sind über die offenen Arme, die sie hier empfangen wollten.
    Noch einmal: Kontext. Autor. Adressat. Situation. Absicht. Folgen. Verantwortung.
    Oder anders gesprochen: Israel hat als Demokratie genügend Kritiker im Land, es braucht keine Nachhilfe. Im Iran hingegen hat die Opposition keine Stimme, und wenn ein wie Sie katholisch sozialisierter und beschädigter Mensch wie Günter Grass, der die Wahl hatte, sich zur Stimme der deutschen Kritik oder der iranischen Opposition zu machen, sich für ersteres entschied, so ist das eben mehr als nur ärgerlich für Israel; es ist – und darauf wollte ich mit meiner Frage hinweisen – ein Verrat am iranischen Volk und an der freiheitlichen Haltung, die Grass selbst vor dreißig Jahren einnahm. Ein Verrat, der nur erklärbar ist durch das Überwiegen einer stärkeren, dunkleren Emotion.

  15. avatar

    Nun gut, Sie haben ein wenig überspitzt, als Sie mir unterstellten, ich würde Israel um jeden Preis als Moloch darstellen wollen oder Israel für mein lenorweichgespültes Gewissen opfern. Normalerweise ist man dann als Antisemit unten durch. Ich habe Ihnen bereits verziehen, liebe Frau Rita.

    Vielleicht ist das so, wie Sie schreiben, dass Israel dort unten, legitimiert durch Holocaust II Phantasmagorien, einen Job erledigt, der vielen in den Kram passt. „Henry Kissinger“ hat sich wie folgt geäußert:

    http://www.dailysquib.co.uk/wo.....-deaf.html

    Was meinen Sie?

  16. avatar

    Nachtrag an Lyoner: Nachdem mir vorgestern bei Illner so eindrucksvoll vorgetragen wurde, die Atombombe wäre eminent wichtig für den nationalen Stolz und die Identität des Iran (ich dachte doch tatsächlich immer der Stolz eines Volkes speise sich aus Freiheit und sozialer Gerechtigkeit) kann ich nicht umhin auch dem Iran die Atombombe mit Freude zubilligen.

    Die Marionette der Mullahs, Präsident Achmadineschad, ist dann dermaßen unter Druck …….
    Entweder er hält seine großspurigen Versprechungen und greift Israel an, oder er tut das Wahrscheinlichere ……………

    Der Weltfriede, das können Sie mir unbesehen glauben, ist den meisten Nationen scheissegal.
    Israel stört einfach, nicht den Weltfrieden, eher den Ölfrieden usw. Auch die USA wäre vermutlich nicht wenig erleichtert, wenn Israel das Iran-Problem löst; und noch ein paar arabische Nationen dazu.

  17. avatar

    Lieber LyonerA: Auch ich werde langsam ziemlich sauer!Ich hatte Ihnen eine Frage gestellt, wo hab ich Sie diffamiert?

    Sie dürfen bei Ihren Darstelungen überspitzen, ich nicht?

    Privat hatte ich einmal mitgeteilt, daß ich bei bestimmten Sachverhalten nicht kompatibel bin, bzw. jede öffentliche Auseinandersetzung meide.
    Das haben Sie anscheinend vergessen.

    Meinen Vergleichsmaßstab kennen Sie genau. Sollten Sie meinen diesen veröffentlichen zu müßen; ich kann Sie nicht hindern.

    Ich bin auf Biermann und Moris engegangen, wie von Ihnen gewünscht.
    Auf weitere Provokationen bin ich nicht bereit einzugehen, bzw. werde ich nie eingehen.

    Last and least, Sie sollten besser erst lesen, und erst dann behaupten, nämlich ich hätte Sie diffamiert.
    Diese Behauptung erscheint jedem Normalen hier sehr irre.
    Diffamierung gehört nicht gerade zu meinem bevorzugten Handwerkszeug. Da unter diesen Umständen eine vernünftige Kommunikation mit Ihnen nicht möglich ist überlasse ich es zukünftig anderen Sie zu diffamieren.

  18. avatar

    …sorry Alan Posener, ich glaube jetzt habe ich Sie gerade gründlich missverstanden; meine Frau hat mich soeben darauf hingewiesen, dass Sie nur Grass meinen. Da meine Frau unklare Bezüge immer besser beurteilen kann als ich und mir außerdem gesagt hat, dass ich die Argumente der anderen in Ruhe stehen lassen und nicht so persönlich nehmen soll, was vollkommen stimmt, gehe ich jetzt also mit ihr ins Wochenende und grüße Sie und auch alle anderen Diskutanten ganz herzlich; ich mache jetzt, nach viel zu vielen Worten, eine kurze Pause.

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    A. Posener.: Inzwischen hab ichs doch noch kapiert, dass Sie nur mich meinen können, der gemeinsam mit Herrn Kaufmann und Dr. Strebel vom Antisemitismus umgetrieben wird und „vor lauter Juden den Wald nicht sehen“ kann. Ich habe mich hier etwas für Grass ins Zeug gelegt. Einem Nobelpreisträger und bedeutenden Künstler vertraue ich eher als einem Bundesbanker, das mag naiv sein. Wenn ich in Ihren Augen dabei das Ressentiment von Grass verharmlost habe, kann ich die Sicht nachvollziehen. Ein Rätsel ist mir aber, wieso ich mir dabei das Ressentiment selber zueigen gemacht habe, von ihm „umgetrieben“ werde und nun vor Juden den Wald nicht sehe. Sie haben uns hier im Dunkeln des Kommentariats gefragt, was Grass umgetrieben hat, es sei Ihnen ein Rätsel. Ich habe Ihnen dazu geantwortet, was ich denke, was Grass fühlt. Nun zeigt sich, dass es Ihnen wohl doch kein Rätsel ist, sondern Sie die Antwort längst kennen. Meine Antwort muss Ihnen nicht passen, Sie können gerne dabei bleiben, dass es das übliche kleine Teufelchen ist, das in der Seele von Grass hockt und dort alle Fäden zieht, ohne dass Grass es merkt. Aber wenn ich nicht in gleicher Weise daran glauben will, sollten Sie nicht auch gleich dasselbe Teufelchen in mir sehen.

  20. avatar

    Korrektur:

    Zu Ihrem Ablenkungsmanöver, dass man sich doch besser mit Nordkorea, Pakistan etc. beschäftige, hat Roland Ziegler das Nötige gesagt. Im übrigen standen diese Adressaten für mögliche Gedichte nicht zur Debatte.

    @ Roland Ziegler

    Das war von Posener etwas schludrig geschrieben; aber ich bin mir sicher, dass Sie nicht gemeint waren.

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    @ Alan Posener

    Sie schreiben: „… dem Antisemitismus, der Zeigenossen wie ihn, Herrn Kaufmann aus Potsdam und Dr. Strebel aus Berlin umtreibt, so dass sie vor lauter Juden den Wald nicht sehen, in dem die wirklichen Gefahren lauern.“

    Da wir immmer wieder Schwierigkeiten haben, zwischen berechtigter Israelkritik und nicht akzeptabler Delegitimierung des Existenzrechts Israels (dies ist doch die belastbarste Definition von Antisemitismus, oder sehen Sie das anders?) habe ich Sie immer wieder gebeten, mir dabei behilflich zu sein, mir dabei zu unterscheiden helfen. Zuletzt habe ich das (ich verweise darauf als pars pro toto) hier gemacht:

    http://starke-meinungen.de/blo.....ment-13328

    „@ Alan Posener

    Sie haben in Ihrer Meditation zur Karwoche geschrieben: “Es versteht sich von selbst, dass mit dieser grundsätzlichen Haltung des Verlags eine Kritik der jeweiligen israelischen Regierung und ihrer Politik durchaus vereinbar ist, ja dass eine solche Kritik im Interesse der Lebensrechte des israelischen Volkes geboten sein kann. … Kritik, die vor allem Israel delegitimieren soll, Kritik, die nicht ausgeht von den Lebensrechten des israelischen Volks, ist nicht akzeptabel.”

    Ich will Sie um eine Beurteilung bitten. Noam Sheizafs Analyse “One or two states? The status quo is Israel´s rational choice” (http://972mag.com/one-or-two-s…..ice/39169/) ist eine akzeptable Kritik in Ihrem Sinne? Wenn ich daraus und aus einigen anderen Beobachtungen schließe, dass der “Friedenprozess”, dem sich Israel verpflichtet fühle und der nur durch die Palästinenser verhindert werde, eine fromme Lüge ist, dass Israel eine stille Annexionspolitik in Judäa und Samaria betreibt, Stein für Stein, Haus für Haus das Land “befreit” und die Rechte der Palästinenser delegitimiert – ist das noch eine akzeptable Kritik oder bin ich damit bereits in den Untiefen eines antizionistischen und antisemitischen Vorurteils?“

    Sie sehen, es liegt mir schon an Ihrer Beurteilung, nur hätte ich das gerne konkret und begründet. Ist das bereits antisemitisch? Da Sie bisher – wie der Teufel um das Weihwasser – um eine konkrete Argumentation herumgeschlichen sind, mich jetzt jedoch (und wieder mal) pauschal als Antisemiten zu diffamieren versuchen, vermute ich, dass Sie entweder ein Schwachkopf oder ein Lump sind. QED? Moshe Zuckerman hat darauf hingewiesen, dass die Antisemitismus-Diagnose in Deutschland nur noch eine interessengeleitete, perfide Diffamierungstaktik ist.

    Im übrigen sollte Ihnen zu denken geben, dass Sie und Ihre Spießgesellen nicht überzeugen, eher das Gegenteil bewirken. Hier eine Umfrage in der gewiß antisemitismusverdächtigen FTD: http://www.ftd.de/politik/deut.....19546.html

    Was zu Ihrem Ablenkungsmanöver, dass man sich doch besser mit Nordkorea, Pakistan etc. zu beschäftige, hat Roland Ziegler das Nötige gesagt. Im übrigen stand dies nicht zur Debatte.

  22. avatar

    Liebe Frau Groda,

    Sie sind ja wahrhaft steigerungsfähig. Nachdem Sie mir vor kurzem unterstellt haben, dass ich „um jeden Preis beweisen will, daß Israel der böse Moloch ist, der alles und jeden unterdrückt“, dafür jedoch bisher eine Begründung und Belege schuldig geblieben sind, tragen Sie jetzt noch fetter auf „Den Staat Israel zu opfern zugunsten Ihres und anderer lenorweichgespülter Gewissen, das ist keine akzeptable Option!!!!!!!!!!!!!!!“
    Das ist höchst interessant; aber ich würde doch zu gerne wissen, woraus (aus welchen Kommentaren meinerseits) Sie, Gnädigste, schließen, dass ich den Staat Israel opfern will und das zugunsten meines weichgespülten Gewissens. Zeigen Sie es mir! Ich habe Gewissen, mit dem ich mich nicht aufplustern will, schon gar nicht andere beschämen, bisher immer so verstanden, dass ich gewissenhaft meine Hypothesen und „starke Meinunghen“ zu belegen versuche. Offenbar ist dies nicht genug; bitte erläutern Sie mir Ihr Gewissen, das angeblich nicht weichgespült ist, damit ich einen Vergleichsmaßstab habe. Neben dieser Meditation bitte ich Sie, Ihre Zähne an diesen beiden Betrachtungen zu wetzen:

    – in der Financial Times: http://www.ftd.de/politik/inte.....21663.html

    – auf SPIEGEL online: http://www.spiegel.de/politik/.....44,00.html

    Es würde auch Ihnen, Madam, nichts schaden, konkreter zu werden und nicht einfach meinungstark los zu diffamieren. In alter Verbundenheit. Be Seder?

    Ich stimme Ihnen zu, dass akademische Diskussionen über deutsche Kollektivschuld nicht wegweisend sind. Da Sie um konstruktiven Lösungsvorschläge bitten, hier gleich zwei, allerdings in lakonischer Kürze:

    1. Sicherheit durch Kooperationen, nicht durch Konfrontationen suchen; Aufgabe des Siedlungsbaus und Anerkennung des Existenzrechts eines palästinensischen Staates. Wenn die Zwei-Staaten-Lösung nicht gewollt wird, Anerkennung der vollen Bürgerrechte für die palästinensischen Mitbürger in dem Judenstaat.

    2. Wenn Israel gegen eine atomare Proliferation im Nahen Osten ist, wäre es zielführend, auch das eigene atomare Arsenal einer internationalen Überprüfung zugänglich zu machen und als Verhandlungsmasse in einen regionalen Friedenprozess einzubringen. Aufgabe der Samson-Option.

    Säge ich damit an den Existenzrechten Israels, Gnädigste?

  23. avatar

    …kleine Korrektur: China könnte man natürlich auch ein kleines Gedicht widmen. Russland zählt auch nicht zu den sattelfesten Demokratien. Israel, zwar sattelfeste Demokratie, wird das erste Gedicht gewidmet, weil es einen Angriff – keinen atomaren Angriff, aber einen Angriff, der dann einen Gegenangriff nach sich zieht usw. – glaubhaft angekündigt.

    Wenn Pakistan einen Angriff auf Indien glaubhaft ankündigt, wird es Zeit für ein weiteres Gedicht von Grass, da haben Sie recht.

  24. avatar

    @Alan Posener: Ich verstehe nicht, wieso Sie nur diese eine Ursache als relevant und diskutabel gelten lassen; Sie argumentieren doch sonst nicht so monokausal. Wenn Sie die Antwort schon zu wissen glauben, warum fragen Sie dann noch, was Grass umtreibt?

    Der Gedanke, dass Grass oder sonstwer aus Deutschland ein Gedicht an die Adresse von Nordkorea richtet, ist kein so übler Witz; Nordkorea ist ein völlig isolierter Staat, der durch gar nichts, am allerwenigsten durch Gedichte, erreichbar ist. Genausogut könnte man sich an die Adresse der Außerirdischen richten. Viel besser sieht es bei Iran und bei Pakistan leider auch nicht aus. Womit auch schon die Liste der Schurkenstaaten, an die man ein solches Antiatom-Gedicht richten könnte, schon zuende ist; übrig bleiben die Demokratien.

    Es stimmt schon: die Rolle des Iran ist mit dem „unterjochten Volk“ und dem „Maulhelden“ viel zu unterbelichtet. Hier könnte man sogar, angesichts der revolutionären Umtriebe in jüngerer Zeit, am ehesten die Hoffnung hegen, dass Appelle von außen ins Land – an die Bevölkerung, nicht an die Eliten gerichtet – fruchten könnten. Hier liegt nach meiner Meinung ohnehin der Schlüssel zur Lösung: in der iranischen Bevölkerung.

    Grass adressiert sein Appell aber an die Elite, an die Entscheidungsträger, und die sind in Iran durch sowas nicht zu beeindrucken.

    Antikriegslyrik richtet sich zunächst an die Staaten des Westens, an die eigene Adresse; das mag man bedauern, aber war immer so und liegt nicht am Ressentiment. Zu Zeiten des Kalten Kriegs hat man Gedichte an die Adresse der USA gerichtet (vielleicht haben Sie das Gedicht von Bertold Brecht von der begrenzten Vorstellungskraft gelesen, das ich in Ihrem vorherigen Thread gepostet habe?).

    Der Grund, warum solche Kritik an Israel oder an die USA gerichtet wird, ist durch die „barrierefreie“ Erreichbarkeit der Eliten und Öffentlichkeiten gegeben. Vielleicht ist das nicht der einzige Grund, aber es ist ein guter. Wenn ein unvernünftiger und ein vernünftiger Mensch miteinander steiten und es gefährlich wird, richtet man sich eben an den vernünftigen; das ist ganz rational.

    P.S. Ich weiß jetzt nicht, ob Sie mich oder Grass in den Topf von Herrn Kaufmann und Dr. Strebel stecken wollen, ich hoffe Grass, aber es ist in jedem Fall unpassend, wie vermutlich auch Herr Kaufmann und Dr. Strebel aus dem Topf bestätigen können.

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    Oliver Strebel ist mir schon öfter hier als Muslimhasser aufgefallen. Israelhasser ist er auch. QED. Und in beiden Fällen beruht sein Hass nicht auf Wissen. Ebenfalls QED. Das Gute an der Grass-Geschichte ist, dass sie immer klarer werden lässt, wie Islamophobie und Antisemitismus zusammengehören.
    Roland Ziegler hingegen will alle möglichen Ursachen für Grassens Israelhass finden: Sorge, Wut, Schuld, Eitelkeit und Bösartigkeit. Aber dass sich diese Eigenschaften ausgerechnet gegen Israel richten und nicht etwa gegen Nordkorea, das soeben eine Langstreckenrakete erprobt hat, gegen den Iran, der seine eigenen Bürger terrorisiert und zusammen mit Nordkorea dem sauberen Herrn Assad eine – von Israel kürzlich in einer Art Generalprobe rückständefrei zerstörte – Atomwaffenanlaghe geliefert hat, oder gegen Pakistan, das Nordkorea und den Iran mit dem atomaren Know-How ausgestattet hat – das ist eben nur erklärbar aus dem 4. Punkt: dem Antisemitismus, der Zeigenossen wie ihn, Herrn Kaufmann aus Potsdam und Dr. Strebel aus Berlin umtreibt, so dass sie vor lauter Juden den Wald nicht sehen, in dem die wirklichen Gefahren lauern.

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    @Karl-Peter: Und hätten Sie Sarrazins Buch gelesen, würden Sie auch nicht auf die komische Idee kommen, Sarrazin sei ein Islamkritiker oder der Islam wäre sein Hauptthema. (Ihr Zitat)

    Das sehen die Herausgeber dieses Buches auch so:
    Es stimmt: Sarrazins „Islamkritik“ ist nur ein Nebenprodukt eines umfassenden Projekts, dessen Hintergrund bisher weitgehend im Dunkeln blieb. Sarrazins Thesen blasen nämlich zum Angriff auf den Sozialstaat; sie polemisieren gegen soziale Durchlässigkeit und kämpfen für die Verbreitung einer aggressiven Ideologie der Ungleichwertigkeit. Deren Botschaft: Alle gesellschaftlichen Gruppen außerhalb des Bildungsbürgertums sind minder. Und besonders minder sind die sozial Schwachen.
    (Quelle: Martin Niggeschmidt: Der Mythos vom Niedergang der Intelligenz
    http://www.von-galton-zu-sarra.....ehrung.htm)

    Wo bleibt aber die Diskussion über die Thesen. Wenn ich die Kommentare unter dem Artikel von Alan Posener http://www.welt.de/kultur/arti.....indet.html in der Welt betrachte, dann muss ich feststellen, viele dort glauben an die Richtigkeit der Thesen Sarrazins.

    @Roland Ziegler: Wir hatten hier im Februar über Inzest geschrieben. Hier ein Hinweis zum Thema Heirat: Cousin und Cousine
    Risiko bei Cousin und Cousine nur gering erhöht
    Nicht tabuisiert ist dagegen die Ehe zwischen weiter entfernt Verwandten, etwa zwischen Cousin und Cousine. In Deutschland spielt diese Ehe mit nur 0,5 Prozent aller Eheschließungen zwar kaum eine Rolle, in der türkischen Bevölkerung dagegen sind nahezu 20 Prozent aller Eheleute Cousin und Cousine. Aus humangenetischer Sicht kein Problem, sagt Bartram.
    Das gelte allerdings nicht, wenn bestimmte Erbkrankheiten in der Familie bereits bekannt sind, ergänzt Bartram. Dann sei das Risiko bei allen Verwandten-Ehen deutlich erhöht. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist die Bluterkrankheit, von der viele Mitglieder in den europäischen Königshäusern betroffen waren, weil die königlichen Verwandten immer wieder miteinander verheiratet wurden.
    (Quelle: http://www.swr.de/nachrichten/.....index.html)

  27. avatar

    Was also treibt G.G. um? Ich würde folgende Bilanz abschließend ziehen; rein subjektiv natürlich, die Nummerierung soll dabei eine Gewichtung sein:

    1.) Sorge: An erster Stelle sehe ich die Sorge um einen Atomkrieg, die ich nicht für vorgeschoben halte. Diese Sorge wird explizit im Gedicht genannt, und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln. Die Kriegsangst ist eine fundamentale Macht, die im Sinne Hannes Steins direkt in den Jugenderfahrungen dieser Generation – als die Seele noch weich war – verwurzelt ist.

    2.) Wut: Damit verbunden, aber separat zu nennen, die Wut auf die israelische Regierung, die für Grass nicht nur die gegenwärtige Schuld an einer möglichen Eskalation, sondern auch an der Palästinaproblematik trägt, die ja auch, wenn auch nur am Rande bzw. Schluss, vom Gedicht angesprochen wird. Hier kann und sollte man Grass in vielerlei Hinsicht widersprechen. Die Wut, die ich hier meine, ist objektivierbar; sie ist nicht identisch mit einem gärenden rassistischen Ressentiment, aber leicht damit zu verwechseln.

    3.) Schuld: Diese Gefühle sind z.T. persönlicher existentieller Natur (bzgl. seiner SS-Vergangenheit), zum anderen Teil Sache seiner Generation (Kriegsschuld). Sie werden als Ursache nicht verdrängt, sondern ausdrücklich anerkannt. Viele seiner Kritiker in Deutschland sollten sich fragen, ob sie denn nicht von ähnlichen, unausgesprochenen Gefühlen zu ihrer Kritik an Grass geleitet werden.

    4.) Antisemitismus: Frühestens an dieser Stelle ist nach meiner Meinung das von Hannes Stein erwähnte und erläuterte Gefühl des Judenhasses zu nennen, das im Gedicht sein spätes Coming-Out erfährt.

    5.) Eitelkeit: Evt. ist aber auch das Gefühl der Bedeutungslosigkeit – schwierig auszuhalten für einen Nobelpreisträger – wichtiger. Diese Kraft wird jedenfalls von Reich-Ranicki für das „ekelhafte Gedicht“ verantwortlich gemacht.

    6.) Bösartigkeit. Die Lust am Pöbeln, am Krawall, am Skandal – alles bei Reich-Ranicki nachzulesen.

    Man sollte also nicht glauben, mit Antisemitismus eine Art Generalschlüssel in der Hand zu halten, der erklären kann, was Grass umtreibt. Das Problem der öffentlichen Diskussion ist, dass sie diesen Punkt viel weiter vorne verortet, als zentrale Ursache, möglicherweise sogar, im Sinne eines unangebrachten Essentialismus, als Wurzel allen Übels, auf die man alles andere reduzieren kann.

  28. avatar

    R.G.: Hier meine herzliche Bitte um Vorschläge …

    Israel sollte mal ganz einfach seine historische Schuld an der Destabilisierung einer ganzen Region eingestehen. Israel sollte Reparationszahlungen für gestohlenes Land und seine ermordeten Bewohner anbieten. Israel sollte ebenfalls Reparationszahlungen für die jahrzehntelang wiederholt zerstörte palästinensische Infrastruktur leisten. u.s.w. u.s.f.

    Israel sollte aufhören, Aufständische, denen ihr Land gestohlen, deren Infrastruktur und Universitäten zerstört und die systematisch im Elend gehalten wurden, als Terroristen zu bezeichnen und sie militärisch wie die syrische Regierung zu bekämpfen. u.s.w u.s.f.

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    @Alan Posener: Ein gutes Bild macht noch kein gutes Gedicht, das stimmt normalerweise, aber wenn das eine Bild die Abwesenheit anderer Bilder illustriert, dann wird eben diese Abwesenheit lyrischer Mittel – die prosaische Kargheit – zu einem Stilprinzip, zu einer ästhetischen Qualität.

    Hannes Stein gibt wertvolle Erklärungen, inwiefern Grass schon immer ein Problem mit Juden hatte. Aber diese Erklärung kennen wir schon; Hannes Stein vertieft sie lediglich. Wenn wir wissen wollen, was es sonst noch gibt, das Grass umtreibt, kommen wir an seiner Sorge vor einem Atomkrieg nicht vorbei.

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    Lieber Lyoner: Die Nerven in Israel liegen blank, so blank wie 1967, nur gab es da noch keine vermeintlichen oder reale Atomwaffen im Iran.

    Der Irre in Teheran ist nur eine Kopie der Irren von 1967.
    Damals sprach der Ägyptische Präsident Nassr von einem Vernichtungskrieg gegen Israel mit dem Ziel der endgültigen Vernichtung Israels. Und der Präsident des Irak nahm es nicht weniger wörtlich als Achmadineschad, er sprach vom „Ausradieren Israels von der Landkarte“.

    Die Bedrohung ist für Israel also nicht besonders neu. 1967 hat Israel mit einem Präventivschlag geantwortet.
    Es ist heute modern geworden zu behaupten, die bösen Israelis hätten mutwillig und aus heiterem Himmel die guten Araber überfallen. Dem war aber nachweislich ein wenig anders.

    Die heutige Situation, gegenüber 1967, ist nur insoweit anders, daß Israel über Atomwaffen verfügt und man beim Iran solche vermutet.
    Eine kriegerische Auseinandersetzung hätte also ganz andere, nachhaltigere Folgen.

    Das sehen die meisten Israelis, sowie vernunftbegabte Iraner ebenso.

    Frage: Soll Israel sich freiwillig vernichten lassen, im schlimmsten Fall.

    Seit Jahren lese und höre ich nur gut und weniger gut gemeinte Ratschläge an Israel.

    Einen konstruktiven Vorschlag, was Israel tun soll, bzw. wie man tatsächlich Frieden finden könnte, habe ich noch nie vernommen.

    Hier meine herzliche Bitte um Vorschläge, ich meine weitere konstruktive Vorschläge, nicht akademische Diskussionen über Deutsche Kollektivschuld.

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    @ Hannes Stein: Nein, ich habe das nicht vergessen. Trotzdem danke für die Erinnerung. Es stimmt: da sitzt etwas sehr tief und arbeitet in ihm. „Der Krebsgang“, bei dem nachträglich Rache geübt wird am jüdischen Rächer, ist besonders Übel. Und es stimmt, dass Grass ein kleines Meisterwerk wie „Das Judenauto“ nie hätte schreiben können.
    @ Karl-Peter: Sie können nicht lesen. Ich habe ja gerade geschrieben, dass weder Islam-Kritik noch Kritik an der Zuwanderung das Wesentliche seien bei Sarrazin; vielmehr ist das Neue an seinem Buch die Wiedereinführung von Eugenik und Sozialdarwinismus in den öffentlichen Diskurs.
    @ Roland Zielger: Mit letzter Tinte ist gut. Aber ein Bild macht noch kein Gedicht. Ansonsten ergibt Ihre Textarbeit ja nur, dass Grass einseitig und wenig faktengestützt argumentiert. Die Frage bleibt also: Warum? Da gibt, denke ich, Hannes Stein wertvolle Hinweise.
    @ Serdar: Benny Morris weiß also, was im israelischen Verteidigungsministerium geplant wird? I doubt it. Aber selbst wenn ein solcher Schlag geplant würde, der übrigens den Anlagen, nicht den iranischen Städten gelten würde, gibt es ein einfaches Mittel, ihn abzuwenden: Der Iran kooperiert vollständig mit der Internatioinalen Atomenergiekommission, legt seine Fabriken offen, erlaubt internationalen Kontrolleuren den Zugang zu seinen Einrichtungen – kurz: macht das, wozu es ohnehin vertraglich verpflichtet ist, und was alle anderen Unterzeichner des Nichtverbreitungsabkommens (z.B. Deutschland) tun. Wenn das Mullah-Regime das nicht tun will, dann deshalb, weil es etwas zu verbergen hat. und nun sagen Sie mir, was das sein könnte: die Produktion von Sahnebonbons?

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    @Lyoner: „Wir“, um den Majestatis Pluralis zu nehmen verstehen Sie jetzt aber überhaupt nicht mehr.!

    Was sage ich denn anderes, als Biermann und Moris, und das nicht erst seit vorgestern? Biermann hat sogar das“Atombömbchen“ in Hiroshima erwähnt, was außer mir gestern, sich noch keiner so recht getraut hat.Das Gleichgewicht des Schreckens, das man uns in Europa Jahrzehnte versucht hat plausibel zu machen, da es angeblich den Weltfrieden bewahrt hat.

    Biermann nennt eiskalt die Dinge und den Iran beim Namen, während sich Grass – vermutlich sogar unfreiwillig – zum Nationalhelden des Irans macht. Selbst bei seiner neuesten Kommentierung seines sog, Gedichtes verwurbelt er, spricht nicht den Namen Iran aus – warum diese Rücksichtnahme.
    —————————————————-

    Ich sage es hier so klar wie ein Biermann: Den Staat Israel zu opfern zugunsten Ihres und anderer lenorweichgespülter Gewissen, das ist keine akzeptable Option!!!!!!!!!!!!!!!

    —————————————————–

    Ich sage dies trotz der“Autosuggestionen, Samson Option und Hysterisierung mit MASADA Komplex……….

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    @ Serdar

    Ich bin neugierig, ob man hier auf Starke Meinungen Ihren Hinweis und meine weiteren Links zur Kenntnis nimmt oder noch nicht einmal ignoriert.

    Fraglich ist natürlich, wie relevant solche Überlegungen und Szenarien sind. Trotz der Autosuggestionen und Hysterisierungen mit dem Masada-Komplex, Samson Option und Holocaust II Mentekeln – KJN hat Recht, dass die Nerven blankliegen und die Entscheidungen der israelischen Politik „suboptimal“ sind – ist zu hoffen, dass sich in Israel nüchternere Sichten durchsetzen wie z.B. die Meir Dagans.

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    …vieleicht sollte ich die Pointe kurz erklären, sie ist nicht selbstverständlich. Die FAZ-Reporter können es gar nicht glauben, dass Reich-Ranicki das Bild von der Tinte so gut findet; sie fragen dreimal (!) nach, R.-R. bestätigt jedesmal, dass das Bild von der letzten Tinte ein sehr gutes sei und sagt bei der dritten Nachfrage: „Mit letzter Tinte. Letzte Tinte, das ist sehr gut. Verflucht noch mal! (Haut auf die Lehne seines Sessels.“

    Was also ist das Besondere, das ihn auf die Lehne hauen lässt? R.-R. hat erkannt, dass dieses schlagende Symbol von der letzten Tinte ihm all seine vorherigen Argumente aus der Hand nimmt: keine Reime, kein Rhythmus, kein besonderes Vokabular, keine Melodie, natürlich nicht, wie könnte es anders sein: Wer mit „letzter Tinte“ schreibt, der hat für sowas wie Reime oder Rhythmus keine Zeit, keinen Nerv bzw. keine Tinte mehr übrig. Er ist weit über 80 Jahre, da ist allen Nöten des Lebens die Tür versperrt, wie es im Faust II heißt, außer einer, der „Sorge“, die sich durchs Schlüsselloch eingeschlichen hat. Diese Sorge ist es – jedenfalls auch, neben der Eitelkeit und dem Antisemitismus – die ihn umtreibt: Sorge vor Atomkrieg und Auslöschung.
    Mag sein, dass das im Gedicht etwas steif, verschwurbelt und pathetisch rüberkommt, aber ohne ästhetische Qualität ist es nicht. Das weiß auch R.-R., sagt es aber nicht, weil er sich davon seine Botschaft nicht kaputtmachen lassen will.

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    Ein kleines Zitat zur ästhetischen Qualität, die nicht nur Herr Posener, sondern von W. Biermann über Herta Müller bis zu Reich-Ranicki auch alle anderen Experten vermissen:

    FAZ: Sehen wir uns das Gedicht doch noch einmal genauer an. Ist das überhaupt ein Gedicht?

    Reich-Ranicki: (Nimmt es zur Hand.) Nein. Ich sehe keine Reime. Gut, Reime müssen nicht sein. Gut, dann muss es Rhythmus sein. Nein. Gibt es nicht. Dann muss es das Vokabular sein, die Wörter, die Melodie. Es muss irgendwas sein. (Liest.) Es ist schrecklich. Es ist poetisch gar nichts. (Liest.) „Mit letzter Tinte“. Das ist natürlich sehr gut.

    🙂

    http://www.faz.net/aktuell/feu.....10933.html

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    Ich möchte es mir wirklich auch einmal erlauben ironisch und unsachlich zu werden, denn die neueste Rechtfertigung von Grass ist nicht weniger unklar und heuchlerisch, als die westliche die er nochmals anklagt.

    Es ödet mich unendlich an, daß in der Weltpolitik mit zweierlei Maß gemessen wird.

    Die angebliche Mutter der Demokratie, die USA, hat vor Jahrzehnten Atombomben (in Plural) in Nagasaki und Hiroshima abgeworfen; die Rechtfertigung war einen bestehenden Krieg schnell zu beenden.

    Welcher Hahn der Weltöffentlichkeit hat laut gekräht, beim Tod Tausender unschuldiger Menschen?
    Nein, die USA gilt vermutlich gerade deshalb als Vorbild in Demokratie und Menschlichkeit!!!!

    Darf ich darauf hinweisen, daß Israel noch keine Bombe abgeworfen hat, lediglich eine Drohung ausgesprochen hat, für den Fall der Fälle …..
    Trotzdem ist Israel weltweit der fürchterliche Aggressor!!!!!!!!!

    Es tut mir wirklich leid, zwar bin auch ich Kriegsgegner und Gegner von Atomwaffen.
    Andererseit habe ich noch alles Tassen im Schrank, im Gegensatz zu den Beschwörern der Apokalypse.

    Ich hoffe, das wird man doch noch sagen dürfen in unserem Land, oder, oder holt mich jetzt gleich der Verfassungsschutz oder die Gestapo? Könnte doch sein, wenn man z.B. Grass so liest!!!

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    Eine lesenswerte Erklärung, was Grass umtreibt, ist Wolf Biermann gelungen, der ein sehr guter Lyriker ist und Grass von seinem Standpunkt aus gleichzeitig verteidigt und ablehnt:
    http://www.welt.de/debatte/art.....uende.html

    Und hier noch eine lesenswerte Satire des Gutachslers Rainer Bonhorst auf die österliche Nachrichtenwelt, in der natürlich auch Grass vorkommt:
    http://www.achgut.com/dadgdx/i....._vorschau/

    Zwei Beispiele dafür, dass man in diesem Riesenwirbel der Ablehnung auch sehr gute Kommentare finden kann.

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    @Frau Groda: Ihr Lob freut mich aufrichtig, und ich gebe gern zurück, dass ich Ihre oft spontanen, immer klugen und originellen Einlassungen genauso gerne lese. Ich für meinen Teil bermühe mich eigentlich immer um Verständigung, lege aber eigentlich viel größeren Wert auf Dissens und das Nebeneinander unterschiedlicher Inhalte, Perspektiven und Stile.

    Auch im Fall Grass lassen sich mehrere Erklärungen miteinander kombinieren. Wichtig erscheint mir in diesem Sinne, dass die Zuschreibung der Eigenschaft „antisemitisch“ – egal ob auf Grass als Person oder nur auf das Gedicht, das dann zu einem singulären antisemitischen Ausrutscher würde – nicht als eine Art Ausknopf für weitere Beschäftigung benutzt wird. Man macht es sich zumindest sehr einfach, wenn man einfach „antisemitisch“ draufstempelt und es in die „Ablage P“ sortiert, nach dem Motto: antisemitisch, also Schrott und keines zweiten Blickes würdig.

    Wobei gegen Einfachheit nichts zu sagen ist, im Gegenteil. Aber wenn man es sich einfach machen will und das Gedicht wegen seines Antisemitismus keines zweiten Blickes würdigen will, dann sollte man es eben auch „nicht mal ignorieren“, wie der Berliner sagt. Stattdessen wird ein Riesenwirbel veranstaltet, ohne genauer hinzugucken.

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    Von Gerd Buurmann(?) las ich heute einen Leserbrief im Kölner Stadtanzeiger in dem er die narzisstische Kränkung eines „sich geirrt habenden“, Verführten anführt. Wie Hannes Stein schrieb: Das wurde nicht aufgearbeitet. Ich glaube, da ist viel Wahres dran. Das passt gut zur friedensbewegten Angst vor Kernwaffen (die an sich ja nichts schlechtes ist). Wenn dann beides zusammenkommt geht aber der Realitätssinn flöten..

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    Lieber Herr Posener: Sollte es eine Seelenverwandtschaft zwischen Ihnen und Uli Gellermann geben?
    Seine späte Rezension der Blechtrommel gestern greift einige auch Ihrer Argumente auf.
    Das Sie hier nicht den jüdischen Hysteriker geben finde ich lobens- und bemerkenswert!

    Ich würde Grass nicht Antisemitismus attestieren, allerdings eine gewisse Verantwortungslosigkeit.
    Wie war das noch? Wenn ein Journalist oder Publizist schreibt sollte er sich auch überlegen, was andere draus machen können oder werden.

    Der Iran hat Grass – gleich nach Erscheinen des Gedicht – sozusagen als Nationalheld ausgerufen. Das Gedicht sollte sofort übersetzt werden. Ob der Passus über den Iran wohl auch in der Übersetzung enthalten ist?
    Grass wurde also vom Iran – wie es despotische Staaten schon immer gehalten haben – vereinnahmt, als Deutscher Befürworter der Politik des Irans.

    @Roland Ziegler: Eine absolut brillante Analyse die Sie hier abgeben. Ihrer Logik kann ich mich nicht entziehen.
    Es macht großen Spaß Ihre Beiträge zu lesen und auch bei Ihnen zu lernen.

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    Ich weiß nicht, was Grassens Quellen für seine These, dass Israel den Weltfrieden bedrohe, vielleicht diese:

    – Benny Morris, Der kommende Atomkrieg zwischen Iran und Israel, WELT online 2008 (http://www.welt.de/wams_print/.....srael.html)

    – The War Game, The Observer 2003 (http://www.guardian.co.uk/worl.....okextracts)

    – Samson Option (http://en.wikipedia.org/wiki/Samson_Option)

    – Martin van Creveld „“We possess several hundred atomic warheads and rockets and can launch them at targets in all directions, perhaps even at Rome. Most European capitals are targets for our air force. Let me quote General Moshe Dayan: ‚Israel must be like a mad dog, too dangerous to bother.‘ I consider it all hopeless at this point. We shall have to try to prevent things from coming to that, if at all possible. Our armed forces, however, are not the thirtieth strongest in the world, but rather the second or third. We have the capability to take the world down with us. And I can assure you that that will happen before Israel goes under.“

    – Eine Antwort auf Grass: Letter-Poem to Grass: If we go, Everone goes (http://www.israelnationalnews......4SjHI5boy5)

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    Oliver Strebel: „2. Warum hackt Israel nur auf einem greisen SS-Ehemaligen herum und lässt den Süddeutschen Verlag ungeschoren?“

    Na vielleicht weil Israel sich mal wieder als Papiertiger präsentiert, der nur alte Männer bashen kann, vor dem mächtigen und einflussreichen süddeutschen Verlag aber einknickt.

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    Sarrazin hat sich im Gegensatz zu Grass nie als vermeintlicher Tabubrecher in Szene zu setzen versucht.
    Und hätten Sie Sarrazins Buch gelesen, würden Sie auch nicht auf die komische Idee kommen, Sarrazin sei ein Islamkritiker oder der Islam wäre sein Hauptthema.

    Also bitte, so ein doofer Versuch Sarrazin mit Schmutz zu bewerfen…

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    Wenn Sie verstehen wollen, was Grass umtreibt, gibt es m.E. nur zwei Möglichkeiten, an eine Erklärung zu kommen: Psychologie oder Textarbeit. Bei der psychologischen Erklärung hat die Flut der spiegelbildlich wütenden Publizistik gut vorgearbeitet: Im Angebot ist neben Antisemitismus die Not des an Ideen- und Bedeutungslosigkeit leidenden Nobelpreisträgers, die Alterssenilität eines bösen alten Mannes, der Schuldkomplex eines Ex-SSles…
    Textarbeit als Alternative lehnen Sie ab; das Gedicht sei unter Ihrem Niveau. Das ist sicher richtig, doch sollten Sie sich dennoch auf das niedrige Niveau dieses Gedichts herabbequemen, können Sie dort eine andere Art von Erklärung finden, wenn Sie etwas Wohlwollen mitgebracht haben und nicht vor Wut gleich die Augen verschließen. Grass äußert die Sorge vor einem atomaren Krieg, der von Israel begonnen werden und zur Auslöschung des iranischen Volks führen „könnte“ (so die konjunktivische Formulierung). Von einer möglichen Auslöschung Israels durch die Iraner ist umgekehrt keine Rede, obwohl sie doch explizit angekündigt worden ist. Diese Schieflage empört viele sehr, lässt sich aber erklären mit den Hinweisen, dass der Iran gegenwärtig noch über keine Atomwaffen verfügt und dass die Gefahr schon sehr oft öffentlich erwähnt wurde und deshalb bekannt ist. Die Ursache des Konflikts – die eliminatorischen Drohungen des „Maulhelden“ gegen Israel – wird im Gedicht nirgends angesprochen; Grass hält das offenbar nicht für nötig oder gar für falsch. Was sich jedoch definitiv nicht findet, ist die Forderung, dass der Staat Israel entwaffnet, abgeschafft oder grundsätzlich delegitimiert gehört. Stattdessen geht es um Krieg, und hier hat für Grass grundsätzlich derjenige die Schuld, der die Konfrontation eskalieren lässt und den anderen angreift. (Außerdem findet sich noch alles mögliche andere im Gedicht, das mit dem vorherigen Schweigen, dem jetzigen Reden und mit Schuld und Schuldkomplex zu tun hat; dies alles ist aber für eine nicht-psychologische Antwort irrelevant.)

    Vielleicht ist zum Schluss auch der Hinweis hilfreich, dass Grass sich bereits zu Zeiten des Kalten Kriegs gegen atomare Bewaffnung gestellt hat – hüben wie drüben. Damals richtete er sich insb. gegen die vom Westen vorgetragene Berechtigung, sich atomar zu bewaffnen; für ihn ist die atomare Bewaffnung selber der Skandal, und er richtet seine Worte an die, die er mit Worten erreichen kann.

  45. Pingback: Abgesang
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    Daß die Erwähnung der Auslöschung des itranischen Volkes im Gedicht von Grass über Israel hetzerischer Quatsch ist, braucht man, glaube ich, nicht zu diskutieren. Mich treiben aber zwei Fragen um:

    1. Warum druckt die Süddeutsche Zeitung den Quatsch.

    2. Warum hackt Israel nur auf einem greisen SS-Ehemaligen herum und lässt den Süddeutschen Verlag ungeschoren?

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    Du vergisst seinen Auftritt mit (eher: gegen) Yoram Kaniuk im Berliner Literaturhaus im Golfkrieg 91. Es muss im Maerz gewesen sein. Es war der Aftritt eines arischen Herrenmenschen. Du vergisst den Spielzeughaendler Markus in der „Blechtrommel“. Eine gut gemeinte Figur, aber lies mal nach, wie Grass ihn reden laesst! Du vergisst die juedischen Figuren in seinem Buch „Mein Jahrhundert“. (Musste ich als Redakteur des „Rheinischen Merkur“ mal lesen.) Sie mauscheln, und sie sind alle irgendwie veraechtlich. Du vergisst seine Novelle „Im Krebsgang“. Der Affekt gegen die Juden sitzt tief in ihm. Das wurde in seinen weichsten und verletzlichsten Jahren in ihn hineingeredet. Und anders als Franz Fuehmann, der seine ergreifende Erzaehlung „Das Judenauto“ just darueber schrieb, hat Grass diesen Affekt nur niederbekaempft und in seiner Brust verschlossen, nie literarisch bearbeitet.

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