Zu den vielen Stolpersteinen auf dem Weg zu einem Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn – vorausgesetzt, es gibt diesen Weg – gehört Israels Beharren darauf, als „jüdischer Staat“ anerkennt zu werden. Dies wird oft missverstanden – meines Erachtens oft mit Absicht missverstanden.
Es geht, um es vorweg zu sagen, nicht um die Anerkennung der Tatsache, dass die Staatsreligion Israels das Judentum ist.
Es gibt Staaten, auch Demokratien, in denen die Staatsreligion institutionalisiert ist, von der „Islamischen Republik Iran“, wo die Mullahs den Staat kontrollieren, bis zur Türkei, wo der Staat die Moscheen kontrolliert, von Großbritannien, wo das Staatsoberhaupt nominell auch Oberhaupt der Staatskirche ist, bis Deutschland, wo es zwar offiziell keine Staatsreligion gibt, wo aber die großen christlichen Kirchen institutionell mit Staat und Gesellschaft verwoben sind.
In Israel hat das Rabbinat einen enormen Einfluss zugestanden bekommen; so gibt es beispielsweise keine Zivilehe und darum auch keine zivile Scheidung. Die Kehrseite dieses Missstands ist, dass diese Angelegenheiten in der arabischen Bevölkerung vom Imam geregelt werden. Israel, das von Islamophoben wie Geert Wilders immer gelobt wird als Bastion des antiislamischen Abwehrkampfs, ist vermutlich der einzige westliche Staat, in dem die Scharia anerkannter teil der zivilen Rechtsprechung ist.
Der Mehrheit der Zionisten ging es nie darum, eine Theokratie zu schaffen. Im östlichen Schtetl hatten sie bereits eine Parallelgesellschaft erlebt, in der das Wort des Rabbiners oft mehr galt als das Gesetz des Landes, und genau solchen Zuständen wollten sie entkommen. Es gab zwar explizit religiöse Zionisten, und zwar lange vor Theodor Herzl, aber Herzl ging es eben nicht um die Religion, sondern um die Rasse – genauer um Volk und Nation. Herzl war ein Kind seiner Zeit, in der die alten europäischen Reiche zerfielen und der moderne Nationalismus entstand. Ein anderes Kind dieser Zeit war Kemal Atatürk.
Es galt als ausgemacht, dass in einer idealen Welt ein „Staatsvolk“ seinen eigenen – kulturell relativ homogenen, durch eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Werte zusammengehaltenen – Staat haben sollte. Herzl forderte nicht mehr und nicht weniger für die Juden. Sie sollten sich als Staatsvolk konstituieren. Dadurch würde der Antisemitismus verschwinden, der mit dem Aufstieg des Nationalismus zunahm und nun nicht mehr nur religiös, sondern auch national und rassistisch begründet wurde.
Es ist kein Zufall, dass Adolf Hitler aus Österreich stammt; er ist ein Produkt der Zersetzung des Habsburgerreichs durch den Nationalismus. Die Juden waren ja die letzten Getreuen des multikulturellen Habsburgerreichs, die einzigen „Europäer“ auf einem Kontinent, wo die Ehrenbezeichnung „Kosmopolit“ einen schlechten Klang bekam. Auch Herzl war zunächst radikaler Befürworter der jüdischen Assimilation gewesen, bevor ihm der Dreyfus-Prozess in Frankreich klar machte, dass der Dank für die Assimilation der Hass war.
Die Ideologie der Epoche wurde ironischerweise vom amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson formuliert, der in Versailles das „Selbstbestimmungsrecht der Nationen“ propagierte. (Ironisch deshalb, weil dieses Selbstbestimmungsrecht beschworen wurde, um das Recht der Polen, Tschechen, Slowaken, Serben, Kroaten usw. zur Sezession von den Verliererreichen des Ersten Weltkriegs zu begründen, während doch der amerikanische Bürgerkrieg geführt worden war, weil Abraham Lincoln ein Sezessionsrecht einzelner Bundesstaaten oder einer Gruppe von Staaten völlig zu Recht verneinte.)
Es ist kein Zufall, dass in Versailles zum ersten Mal das Recht der Juden auf eine „nationale Heimstätte“ in der früheren osmanischen Provinz Palästina anerkannt wurde.
Als Imperialist – was ich damit meine, will ich hier nicht ausführen, verweise auf mein Buch „Imperium der Zukunft“ (2009) – bin ich kein Freund der „Selbstbestimmung der Völker“. Kulturell bin ich Kosmopolit, als Anhänger des Kapitalismus bin ich für den freien Austausch von Waren und Menschen, für Freihandel und Freizügigkeit, gegen Grenzen und Zölle. Für mich verbindet sich Nationalismus immer mit Engstirnigkeit, Antisemitismus, Xenophobie, Dummheit.
Mütterlicherseits stamme ich ja aus einer Familie, die erstens bunt gemischt ist – englisch, schottisch, deutsch – und zweitens Kolonialbeamte, Soldaten und Missionare hervorbrachte, die immer außerhalb Englands zuhause waren – in Ghana, Ceylon, Malaya. Väterlicherseits stamme ich aus einer hochgradig assimilierten deutsch-jüdischen Familie, deren Mitglieder in ihrer Mehrzahl den Zionismus für lächerlich hielten. Das prägt. Und:
Vom griechisch-türkischen „Bevölkerungsaustausch“ unter der Ägide des Völkerbunds, mit dem die 5000-jährige griechische Präsenz in Kleinasien liquidiert wurde, über die Vertreibung der Deutschen aus Pommern, Schlesien, Böhmen und Mähren usw. bis hin zu den „ethnischen Säuberungen“ nach dem Zerfall Jugoslawiens hat der Nationalismus nur Unglück über die Völker gebracht. (Sie merken, dass ich von den Verirrungen des deutschen Nationalismus nicht rede.) Zum Glück wird der Nationalismus in der Europäischen Union nach und nach überwunden, wenn auch unter Schmerzen und nicht ohne Rückschläge. Aber das ist eine andere Geschichte. (Und wieder verweise ich auf mein Buch „Imperium der Zukunft. Warum Europa Weltmacht werden muss“.)
Wie kann ich mit dieser Einstellung Zionist sein?
Müsste ich nicht einem binationalen, multikulturellen Staat Palästina das Wort reden?
Ist der Zionismus nicht ein überholtes Konzept, Produkt des europäischen Nationalismus, fremd in der neuen, postnationalen Welt?
Theoretisch ja.
Praktisch leider nein.
Beginnen wir mit meiner Familie. Was half es etwa meinem Vater, dass er es, wie er in seiner Autobiografie schreibt, absurd fand, als Deutscher „in der Wüste unter Kamelen“ zu leben? Nach 1933 fand er nur dort Zuflucht. Und viele andere auch. „Kommst du aus Überzeugung oder aus Deutschland?“ So lautete ein Witz, der in Palästina unter Zionisten zirkulierte. Die Unterscheidung war jedoch hinfällig geworden. Wer nach Palästina kam, war gerettet. Wer in Deutschland blieb, wurde vernichtet. Die Zionisten hatten die meisten deutschen Juden nicht theoretisch von ihrem Standpunkt überzeugen können. Hitler überzeugte sie praktisch.
Im wunderbaren Buch „Memories After My Death“, den von seinem Sohn geschriebenen postumen Lebenserinnerungen Tommy Lapids, eines liberalen, antireligiösen israelischen Journalisten und Politikers, findet sich die Anekdote, wie Tommy als Kind in Budapest zusammen mit seiner Mutter und den anderen Bewohnern des jüdischen Viertels, eines Tages abholt wird und zur Erschießung an die Donau geführt wird. Während eines alliierten Luftangriffs können die Mutter und er entkommen. Und was tun sie? Da sie keinen sicheren Ort kennen, gehen sie in das Haus zurück, aus dem sie abgeholt wurden. Das, schreibt Lapid, blieb ihm als Lehre: Juden müssen einen Ort haben, an den sie zur Not gehen können.
Dieser Ort ist ein Staat, in dem Juden (ob sie religiös sind oder nicht) die Mehrheit bilden. Viele Juden wollen nicht dort leben; aber seit dem Holocaust wird nur eine verschwindend kleine Minderheit, selbst in Amerika, wo die Stellung der Juden sicher erscheint, selbst in Großbritannien, wo mit Benjamin Disraeli schon im 19. Jahrhundert ein Jude Premierminister werden konnte, selbst in Frankreich und Holland – nur eine verschwindend kleine Minderheit glaubt, Israel sei als Lebensversicherung, als letzte Zuflucht verzichtbar. Ich gehöre nicht zu dieser Minderheit.
Ja, die Teilung Palästinas war nicht schön, wenn sie auch keine „Naqba“ war, keine Katastrophe, wie die Araber behaupten, und wenn sie auch viel zivilisierter und weniger blutig vonstatten ging als die Teilung Indiens in einen hinduistischen und einen islamischen Staat, als die Schaffung eines ethnisch homogenen türkischen, griechischen, tschechoslowakischen, polnischen Staats. Und ja: Irgendwann in einer fernen Zukunft wäre es schön, wenn Palästina als eine Art Schweiz mit autonomen jüdischen und arabischen Kantonen Mitglied der Europäischen Union als Nachfolgerin des Osmanischen, Habsburger und britischen Imperiums werden könnte.
Der Weg dorthin geht aber über die Anerkennung des Rechts der Juden, einen Ort zu haben, an den sie gehen können, weil sie dort die Mehrheit sind. Über die Anerkennung des Ergebnisses des Zionismus, des jüdischen Staats Israel. Der so lange unverzichtbar sein wird, wie es Antisemitismus in der Welt gibt. Und der vielleicht das einzige Produkt des europäischen Nationalismus ist, auf das Europa stolz sein kann.
Ach Posener: Mit Moral sind Sie bei mir an der falschen Adresse, das sollten Sie doch inzwischen wissen.
By the way, Sie sind doch der Kirchenspezialist und müßten doch eigentlich wissen, daß Moral und Kirche, egal welche, nicht viel miteinander zu tun haben.
Angesichts der Tatsache, daß Mutter Theresa tot ist, scheint mir Gauck noch die beste Wahl.
Bei der ihm seit gestern nachgesagten Selbstgerechtigkeit scheint es mir wahrscheinlich, daß er seine Steuererklärung korrekt macht.
Wenn nicht, dann schicken wir ihn eben auch zum Teufel und zahlen ihm einen Ehrensold, so selbstverständlich, wie dem Herrn Wulff.
Lieber Lyoner, Sie haben hier einiges präzisiert, was nicht von der Hand zu weisen ist.
Genau so wenig, wie Herr Obama, kann ich hier ein Rezept vorschlagen, wie meinen Zwiebelkuchen. Das wäre übrigens ein Thema für einen intensiveren Kontakt im kleinen Kreis.
Alle:
Ich möchte noch ein wenig bei der Ursachenforschung bleiben, was spezifisch Deutsche Israelkritik betrifft.
Auf die Israelis hat man in den letzten 40 Jahren alle Deutschen, bzw. auch Europäischen Wunschvorstellungen projeziert. Israel sollte besser sein, als alles vorher dagewesene. Die Opfer sollten die wesentlich besseren Menschen sein, als die Täter.
Mit welchem Recht eigentlich?
Man hat den Juden nach dem 2. WK immer wieder den offenen und unterschwelligen Vorwurf gemacht,warum sie sich nicht gewehrt hätten, gegen Deportation und Vernichtung. Man hat Ihnen den Vorwurf gemacht sich wehrlos zur Schlachtbank führen zu lassen. Und nie hat man sich ernsthaft bemüht die Gründe dafür zu realisieren.
Die Gründe hierfür waren ganz sicherlich ernsthaftes Vertrauen in das eigene Volk – denn die Juden waren ja auch Deutsche – trotz aller Progromerfahrungen konnten sich Juden nicht vorstellen, von einem Kulturvolk eine solche Behandlung zu erfahren. Hinzu kam, daß von der eigenen Deutschen Bevölkerung nicht viel Hilfe zu erwarten war.
Die Israelis haben aus der Geschichte eine für sie richtige Schlußfolgerung gezogen, nämlich sich zukünftig zu wehren, und nicht besonders vertrauensvoll zu sein.
Darf ich vielleicht daran erinnern, daß ein zimperlicher Mossad, sicherlich keinen der Deutschen Massenmörder erwischt hätte, besonders angesichts der vielen Altnazis in den Regierungsanfängen der Bundesrepublik, der Rattenlinie usw.
Israel muß nicht zwangsläufig besser und anständiger sein, als alle anderen Länder der Welt auch.
Allerdings ist zu beachten, daß nur wenige Länder der Erde unter einer solchen Bedrohung existieren, wie Israel.
@ Alan Posener
Ob Herr Gauck seine Freundin heiratet oder nicht, sollte Ihnen so schnuppe sein wie mir. Auch seine Steuerklasse ist für sein Amt nicht von Belang, so lange er rechtmäßig mit seiner „alten“ Frau verheiratet ist, muss er auch für sie einstehen und sie bekommt auch seine Pension. So ist das hier in unserem Rechtsstaat. Das geht allenfalls seine Glaubens-Brüder und Schwestern an, zu denen ich zumindest nicht gehöre.
Was mich u.a. an Gauch stört:
Ich will keinen Pfaffen als Bundespräsidenten!
Was hätten wir hier für einen Aufstand, wenn jemand einen katholischen Priester als Kandidaten benannt hätte. Aber an teilweise salbadernde evangelische Kirchenfunktionäre (Heinemann, Weizsäcker, Herzog und Rau) auf der Bundespräsidentenkanzel haben wir uns offensichtlich schon gewöhnt.
Ob es wirklich widerlich ist, wenn man sich als alternder Mann in eine jüngere Frau verliebt und diese heiratet, möchte ich leise anzweifeln. Joschka Fischer, auch ein Katholik, wäre dann besonders widerlich. Willy Brandt vielleicht nur ein bisschen?
Mich geht das Privatleben unserer Politiker nichts an, solange sie sich nicht erpressbar oder strafbar machen oder sich korrumpieren lassen.
Wer über Israel spricht sollte nicht nur das wissen, was in den Zeitungen steht.
Auch in Israel gab es versöhnungswillige und friedensverheißende Visionäre. Vermutlich kennen nur noch ein paar Juden den Namen Schalom Ben-Chorin.
Er war ein Jüdischer Visionär, den auch Altkanzler Schmidt nicht zum Arzt geschickt hätte.
Er hatte überwältigende Visionen von Israel und von Frieden unter den Völkern.
Humor hatte er noch obendrein.
Schalom Ben-Chorin (1939)
Wenn ich ein Fischlein wär
„Geteiltes Leid – ist halbes Leid“ –
Das trifft nicht immer zu,
Man teilt und feilt – doch ob das heilt…
Ich glaub’s nicht – glaubst es du?
Bis jetzt hat man sich nur gekeilt
Allein das Land blieb heil:
Was eh zu klein, jetzt wirds geteilt
Und jeder hat sein Teil!
Ob das so salomonisch ist –
Ich glaub’s nicht – glaubst es du?
Ich fürcht dass das mehr komisch ist
Und keinem bringt es Ruh.
Wenn zwei nicht satt zu kriegen sind
Mit einem Braten schon,
Ob die dann wohl zufrieden sind
Mit halber Portion?
Die Rechnung geht halt gar nicht auf
Wie man’s auch dreht und wend’t.
So hemmt man nicht des Schicksals Lauf
Wenn’s ringsherum schon brennt.
Ich weiß schon wie zu teilen wär,
Zu löschen auch der Brand:
Die Juden kriegen halt das Meer
Die Araber das Land.
Das nennt man dann binational
Ist auch humanitär.
Nur eins daran ist recht fatal:
Was tut ein Jud im Meer?
Ach wenn ich nur ein Fischlein wär
Ein End hätt die Geschicht.
Ich schwämm vergnügt im blauen Meer…
Doch leider bin ich’s nicht..
Quelle: Compakt
@Jean-Luc: Es ging um Israel. Mein Marokaner, wie sie das apostrophierten, hat mich verblüfft, ja geradezu entsetzt mit seinen Gedanken.
Er verstand absolut nicht, daß Israel die besetzten Gebiete wieder verläßt.
War er vielleicht der einzig normal denkende Mensch unter vielen Millionen? Oder nur ein weiterer Irrer unter Millionen Europäischer irrer Besserwisser.
Ich fühle mich nicht nicht so kompetent – wie Sie – zu urteilen, daß überlasse ich anderen Irren.
Eigentlich hatte ich mich hier lediglich kurz wieder eingeschaltet, weil das teilweise unreflektierte Gewäsch, Israel betreffend, einem selbst beim Lesen zu Zornausbrüchen provoziert.
Harmonisiert mal schön hier weiter, solange es nicht Israel betrifft.
Mir bereitet Alan Posener immer dann das größte Vergnügen, wenn er von seinen Utopien und Friedensreichen in ferner Zukunft phantasiert, einem „semitischen Bündnis“ oder einem Europäischen Imperium als „Nachfolgerin des Osmanischen [sic!], Habsburger [sic!] und britischen [sic!] Imperiums“ – in diesem Reich geht die Sonne nicht unter – mit „Palästina als einer Art Schweiz mit autonomen jüdischen und arabischen Kantonen“.
Ich (und die meisten anderen „Israelkritiker“ einschließlich Pöttering) haben nichts gegen die „Anerkennung des Rechts dert Juden, einen Ort zu haben, an den sie gehen können, weil sie dort die Mehrheit sind“ – um dort politisch, kulturell, sozial, wirtschaftlich „autonom“, nach eigenem Gesetz, zu leben. Insofern habe ich als exemplarischer „Israelkritiker“ auch nichts gegen eine nationale Definition im Gegensatz zur lediglich viktimologischen Begründung, die Alan Posener gibt („Israel als Lebensversicherung, als letzte Zuflucht“ – habe ich etwas übersehen?). Eine ironische Pointe hat Poseners Begründung insofern, als die „letzte Zuflucht“ ausgerechnet der Ort sein soll, an dem die Gefahr für die Juden am größten ist, nachdem sie in der gesamten westlichen Welt eine doch sehr ansehnliche und komfortable Position erreicht haben, selbst der jüdischen Gemeinde im Iran kein Härchen gekrümmt wird. Indem Posener (und die geschätzten Kommentatoren, die hier mit ihren deutschen mentalen Krümmungen apportieren) die Konfliktlage in Israel/Palästina/Nahen Osten als ein jüdisches Verfolgungsnarrativ recodiert, lenkt er von folgenden Tatbeständen und auch von Strategien der Konfliktlösung in unserer Zeit ab:
Der Konflikt zwischen den Palästinensern und den Israelis ist ein Interessenkonflikt, Interessen, die miteinander kollidieren. Beide Seiten fühlen sich im vollen Recht und delegitimieren die andere Seite. Israel, die „einzige Demokratie im Nahen Osten“, die postuliert, eine „offene Gesellschaft“ zu sein, ist seit über 40 Jahren eine Besatzungsmacht, die über die „arabischen Kantone“ („gated communities“) nach Belieben herrscht, alles einschränkt und reglemementiert, was Posener als Bannerträger eines liberalen Kapitalismus lieb und teuer ist. Unter dem Mantel des „Friedensprozesses“ werden die „Gebiete“ peu à peu annektiert, ein Ausgleich damit immer schwieriger, z.B. http://www.tagesspiegel.de/pol.....kommentare:
„So ist es im Friedensabkommen von Oslo festgelegt, die Idee war, dass alle Gebiete stufenweise palästinensischer Herrschaft unterstellt werden. Die C-Gebiete machen 61 Prozent der besetzten Westbank aus, in der eines Tages ein Palästinenserstaat entstehen soll. Hier leben heute nur noch schätzungsweise 150000 Palästinenser. Es werden immer weniger, weil die israelische Armee Beduinen und Palästinensern meist keine Genehmigungen zum Bau von Häusern, Schulen, Wasserleitungen erteilt und sich weigert, die Ortschaften ans Stromnetz anzuschließen. Dafür werden jüdische Israelis hier systematisch weiter angesiedelt. Die Idee von Oslo war, dass alle Gebiete nacheinander palästinensischer Herrschaft unterstellt werden. Kritiker vermuteten schon 1993, dass Israel einen ganz anderen Stufenplan verfolgt: Die Palästinenser dürfen sich – mit Einschränkungen – in den unzusammenhängenden A- und B-Gebieten selbst regieren, die wie Inseln im Meer des C-Territoriums liegen. C wird mit jüdischen Siedlungen, militärischem Sperrgebiet und Naturschutzzonen in Beschlag genommen. Lange hat sich niemand um das Vorgehen Israels in den C-Gebieten geschert, obwohl das Jordantal zu den fruchtbarsten Anbaugebieten der Region zählt und dort viele der kostbaren Wasservorkommen liegen. Doch der EU ist mittlerweile bewusst, dass sie die von ihr geforderte Zwei-Staaten-Lösung abschreiben kann, wenn dieses Land für die Palästinenser nicht mehr zur Verfügung stünde, weil Israel Fakten vor Ort schafft.“
Wenn wir dem Vater Benjamin Netanyahus, Benzion N. glauben wollen, ist der „Friedenprozess“ für die Administration Netanyahu & Lieberman ein Ablenkungsmanöver
„With the consent of his son, the prime minister, the father gave an interview to Amit Segal on Channel 2 News, and this is what he said about the Bar-Ilan speech advocating the establishment of a Palestinian state: „He [the prime minister] doesn’t support it. He supports it under conditions that they [the Arabs] will never accept. That’s what I heard from him, not from myself. He proposed the conditions. They will never accept those conditions, not one of them,“ said Netanyahu Sr.“ (http://www.haaretz.com/print-e.....t-1.385262)
Sehen Sie das anders, liebe Freunde der Starken Meinungen? Lieber 68er, was meinen Sie? Haben Sie ein Auge auf diese Entwicklungen? Liebe Frau Groda (welcome back), könnten Sie Ihren Vorschlag einer „ernsthaften Einbindung Israels in diverse Revolutionen und Friedenskonzepte“ präzisieren? Wenn die Juden eine Mehrheit in ihrem jüdischen Staat Israel bilden wollen, was ich befürworte, müßten sie die besetzten Gebiete räumen und für einen palästinensischen Staat freigeben. Wenn sie jedoch, aus Gründen eines tief verwurzelten Messianismus á la Gush Emunim, das ganze Land vom Mittelmeer bis zum Jordan, Judäa und Samaria, als jüdische Heimstätte in Besitz nehmen wollen, wofür genügend Indizien sprechen, werden sie entweder nicht die Mehrheit sein können oder sie müssen die Palästinenser „transferieren“. Tertium datur, Alan Posener? Warten auf den St. Nimmerleinstag?
Sind Sie, lieber Alan Posener, nicht durch eine Ahavat Israel motiviert? Scheuen Sie sich nicht, Ihre Loyalität darzustellen. Warum sollten Sie nicht Zionist sein – wie derblondehans und ich deutscher Patriot, auch wenn Sie uns mehrfach beschieden haben, dass wir besser daran tun, den Kapitalismus zu lieben als unser Volk? Jetzt würde mich jedoch noch interessieren, was für Sie „freier Austausch von Menschen“ („Kulturell bin ich Kosmopolit, als Anhänger des Kapitalismus bin ich für den freien Austausch von Waren und Menschen, für Freihandel und Freizügigkeit, gegen Grenzen und Zölle“) ist?
Zusatz: Geis ist Mitglied im Kuratorium des Forums Deutscher Katholiken.
@ Rita E. Groda:
Alois Glück, CSU und ZK Deutsche Katholiken, findet es nicht richtig, Gauck in seiner Lebensform zu kritisieren:
– Die Diskussion über die „wilde Ehe“ Gaucks wurde unter anderem vom Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück (CSU), kritisiert. Glück sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Herr Gauck benennt seine Lebenssituation offen, das ist zu respektieren.“
http://www.welt.de/politik/deu.....issen.html
Gucken Sie mal diesen hier an, der davon anfing,und seine Beziehung zu Martin Hohmann:
http://de.wikipedia.org/wiki/Norbert_Geis
Habe noch nicht herausbekommen, ob er evangelisch ist.
Dieser ist mit „Spießer“ möglicherweise verharmlost. Mit dem Türken lässt er sich schlecht vergleichen, weil Gauck sich wehren kann.
In Deutschland immer aktuell?:
„An eine Kette solcher Episoden, denen Zitate aus Kaiserreden als Leitfaden dienen, wird Heßling einerseits als Tyrann dargestellt, dem die Hierarchie der Gesellschaft des Kaiserreichs Macht verschafft, andererseits als Untertan, der von der „Zugehörigkeit zu einem unpersönlichen Ganzen, zu diesem unerbittlichen, menschenverachtenden, maschinellen Organismus“ geprägt ist und unter ihm leidet.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Untertan
@ Rita E. Groda:
Ich habe selbst Zweifel an Gauck, aber dass er seine, übrigens sehr sympathisch und differenziert wirkende LG nicht heiratet, gehört natürlich nicht dazu. Ist mir völlig schnuppe. Meistens heiratet man ja, weil man Kinder hat oder haben will. Das fällt hier weg. Ich finde, er sollte sie jetzt erst recht nicht heiraten.
Übrigens ist bekannt, dass gutgehende Beziehungen nach Eheschließungen manchmal schlechter werden. Ich würde ihm daher eindeutig davon abraten.
Geheimnis: Nach Eheschließungen lassen die Bemühungen der Frauen oft nach, weil sie das Ersehnte bekommen haben. Das ist wie mit dem lange ersehnten Hund, den man dann keine Lust hat, zu bürsten oder bei Regen auszuführen, wenn man ihn endlich hat.
@ Roland Ziegler: Warum sollte man beim Anblick der Schweizer Fahne ausgerechnet an Geschlechtsverkehr denken? Es sei denn man ist Freudianer und denkt immer an Geschlechtsverkehr.
@ Rita E. Groda: Den Vorstoß von Norbert Geis fände ich in der Tat absurd und abstoßend, wenn Gauck nicht Pastor wäre. Verpflichtet dieses moralische Amt denn zu gar nichts? (Übrigens fand ich auch Wulffs Art, seine abenutzte Ehefrau gegen ein neueres Modell einzutauschen, nicht gerade fein, besonders widerlich aber bei einem Katholiken.) Und man würde schon gern wissen, welche Steuerklasse Gauck bei der Steuererklärung angibt. Oder gelten die Maßstäbe, die man an Wulff anlegte, für Gauck nicht? Das ist jetzt off topic, aber Sie haben angefangen…
@parisien: Absolut einverstanden mit Ihnen, genau das meinte ich ja.
Denken Sie an den Fall Gauck. Da kommt doch heute so ein Spießer von der CSU, glaube ich, daher und fordert Herr Gauck auf zu heiraten.
Für mich ist ein schwuler Außenminister genau so undiskutiert akzeptabel, wie ein in Trennung lebender Bundespräsident mit Lebensgefährtin.
Das nennt sich dann Multi-Kulti-Republik!
Was unterscheidet diesen Spießer in Deutsch von dem Spießer in (z.B.) Türkisch, der seine Tochter zwangsverheiraten möchte?
@Frau Groda
„Er als(gebildeter und vernünftiger Muslim) könne es absolut ncht nachvollziehen, daß z.B. Deutschland nach dem 2. WK auf Gebiete verzichtet hätte. Er sprach da besonders auf das Elsaß an.“
Da hat ihr Marokkaner diesen Film von Coluche gesehen:
http://fr.wikipedia.org/wiki/V.....a_Lorraine
Und nur zur Erinnerung ein “ Heimatlied “ aus dem Alsace und der Lorraine:
Vous n’aurez pas l’Alsace et la Lorraine
Et, malgré vous, nous resterons français
Vous avez pu germaniser la plaine
Mais notre cœur, vous ne l’aurez jamais
http://www.youtube.com/watch?v=TN3a4kOl4Yo
Aber in der Zwischenzeit gibt es die trinationale Eurorégion Oberrhein:
http://books.google.de/books?i.....38;f=false
http://www.oberrheinkonferenz......einregion/
und auch diese Euroregion:
http://de.wikipedia.org/wiki/Saar-Lor-Lux
Was wuerde ihr Marokkaner sagen, wenn die Saharouis ihr Land von Marokko zurueckverlangen??
http://de.wikipedia.org/wiki/Spanisch-Sahara
@ Rita E. Groda:
„Unsere heutige Deutsche Gesellschaft verbürgerlicht dieser Tage immer mehr, im absolut negativen Sinne.“
schrieben Sie. Das kann sein. Aber man kann Bürger sein und gleichzeitig Bohemien im Sinne von Erich Mühsam, indem man nur die unvergänglichen Werte des Bürgertums annimmt, die wichtigen, wie zum Beispiel Kinder gut erziehen. Die Konventionen und Gewohnheiten und Moden jedoch kann man ablehnen. Man ist dann irgendwann ein Bürger ohne bürgerliche Freunde. Aber man findet ohne weiteres andere Freunde und bleibt dennoch ein Bürger.
Anm.: Erich Mühsam, geboren in Lübeck, wurde schon 1934 im KZ Oranienburg ermordet.
@ Hans Schmidt:
Ihre Frage „Oder kann es auch sein, dass der israelische, jüdische Staat beim Wegfall der arabischen Bedrohung und das Antisemitismus (was wirklich irgendwann zu hoffen ist) ein Teil von einer politischen Gemeinschaft, wie die EU, im Nahen Osten wird?
Ist dann die jetzt notwendige Identität noch nötig?“
hatte Alan Posener schon vorher beantwortet:
„Noch in den 1930er und 1940er Jahren träumte David Ben Gurion von einem “semitischen Bund”, der die antiimperialistisch-nationalistischen Staaten Israel, Syrien, Jordanien und Ägypten umfassen sollte. Wenn wir wieder dort angekommen sind, können wir über die Weiterentwicklung, vielleicht über die langfristige Überwindung des Zionismus reden. Nicht vorher.“ Zitat Alan Posener heute, 10:24h
@ Jean-Luc:
– Cher Parisien,
“Sein ewiges Genörgel über dies und jenes in Deutschland ging mir schließlich auf die Büchse.”
versus:
“Home is where you grumble the most and are treated the best”
Der Widerspruch ist mir auch schon aufgefallen. So gesehen hat er was von Heinrich Heine.
@Parisien: Sie haben mir da noch ein interessantes Stichwort gegeben, Rückgabe von Gebieten.
Beim letzten Gaza Konflikt, als in meiner“Heimat“ Tausende Migranten auf der Strasse waren, gegen Israel, habe ich längere Zeit die islamischen Foren verfolgt.
Da schrieb doch tatsächlich ein marokanischer, ehemaliger Deutsch Migrant, einem anderen Muslim, daß er weder Deutschland noch Israel verstehe.
Er als(gebildeter und vernünftiger Muslim) könne es absolut ncht nachvollziehen, daß z.B. Deutschland nach dem 2. WK auf Gebiete verzichtet hätte. Er sprach da besonders auf das Elsaß an.
Mir hat es doch glatt die Sprache verschlagen, bei dieser Diskussion. Welcher gleichwertige Nachkriegs Deutsche hätte es jemals nur gewagt so einen Gedanken je zu haben, zu denken?
Dies war eine der interessantesten Diskussionen der Internet-Neuzeit, die ich je verfolgte.
Liebe Parisienne: Als hineingeborener Deutscher Katholik möchte ich in diesem Zusammenhang mal Anselm Grün zitieren, wie er das gestern bei Lanz tat.
Als dieser ihn gestern fragte, warum er die klerikale Laufbahn im Kloster wählte, anstatt Ehe und Normaloberuf, antwortete A. Grün: “ Ich hatte Angst in der weltlichen Laufbahn total“zu verbürgerlichen“, meine geistige Unabhängigkeit zu verlieren.“
Das war meiner unmaßgeblichen Meinung nach eine der geistreichsten Bemerkungen, die er nach mehreren Hunderten von Büchern von sich gab.
Unsere heutige Deutsche Gesellschaft verbürgerlicht dieser Tage immer mehr, im absolut negativen Sinne.
Israelkritik, sagen nicht nur, meinen nicht nur kompetente Psychologen, ist ein mißglückter Versuch sich zu entschulden, sich vor einer nicht immer sichtbaren Deutschen Verantwortung gegenüber den Juden zu drücken.
Selbstverständich sind die Nachkriegsgenerationen schuldlos am Holocaust und dem Elend von mehr als 6 Millionen Juden, auch wenn sich viele schuldig fühlen. Von der Verantowrtung dafür, daß mit Juden nie wieder so etwas passiert, ist aber kein Deutscher und Europäer befreit.
Viele meinen, sich mit Israelkritik von dieser Bürde befreien zu können, sich die Schuld oder Verantwortung von den Schultern abstreifen zu können.
Menschlich ist das zwar irgendwie verständlich – letztlich aber ist das kein richtiger Befreiungsackt, nur eine Phrase.
Israel endlich einmal ernst zu nehmen, sich nicht nur auf die innenpolitische Situation mit Hamas und Palästinensern zu konzentrieren, sondern sich mit der kompletten Situation in Nahost zu beschäftigen mit einer ernsthaften Einbindung Israels in den diversen Revolutionen und Friedenskonzepten – das wäre Emanzipation von der Vergangenheit.
Cher Parisien,
„Sein ewiges Genörgel über dies und jenes in Deutschland ging mir schließlich auf die Büchse.“
versus:
„Home is where you grumble the most and are treated the best“
🙂 🙂
was den Regionalismus und den Nationalismus betrifft….
wir auch heute noch territoriale Streitigkeiten:
http://www.tagesanzeiger.ch/sc.....y/17175313
Wenn ich diese Satz von Frau Grota lese:
Mir ist absolut schleierhaft, warum es die heutigen Deutschen als Todsünde betrachten wollen, daß die Juden in ihrem Staat die Mehrheit sein wollen mit einer eigenen Sprache, während man sich in Deutschlabd fürchterlich darüber aufregt, wenn Migranten unsere Sprache nicht beherrschen.
dann stellt sich für mich die Frage, wie bereiten sich die Israelis auf den Tag X vor, wenn die arabische Minderheit aus demographischen Gründen die Mehrheit ist?
Oder kann es auch sein, dass der israelische, jüdische Staat beim Wegfall der arabischen Bedrohung und das Antisemitismus (was wirklich irgendwann zu hoffen ist) ein Teil von einer politischen Gemeinschaft, wie die EU, im Nahen Osten wird?
Ist dann die jetzt notwendige Identität noch nötig?
Cher Parisien,
„Sein ewiges Genörgel über dies und jenes in Deutschland ging mir schließlich auf die Büchse.“
versus:
„Home is where you grumble the most and are treated the best“
🙂
APO schrieb: „Ja, die Teilung Palästinas war nicht schön, wenn sie auch keine „Naqba“ war, keine Katastrophe, wie die Araber behaupten, und wenn sie auch viel zivilisierter und weniger blutig vonstatten ging als die Teilung Indiens in einen hinduistischen und einen islamischen Staat, als die Schaffung eines ethnisch homogenen türkischen, griechischen, tschechoslowakischen, polnischen Staats.“
Angenommen, ich hätte APO’s Tochter das Gesicht zerkratzt und mich damit herausreden, daß das ja nicht so schlimm wäre, wie wenn ich sie, sagen wir mal, geblendet hätte. Ja dann würde auch APO abgrundtiefe Bosheit dieser Argumentationsweise erkennen.
@ Rita E. Groda:
Allein, dass Sie bei diesem Thema wieder einsteigen (ich habe Ihre erfrischende Schärfe vermisst) beweist, wie das Stichwort „Heimat“ Leute aus den Löchern kriegt.
Ich war mal kurz davor, antideutsch zu werden. Es wäre so ein bequemer Ausweg aus der Schuld. Paradoxerweise hat mich Henryk Broder, dem ich durchaus viele gute Eigenschaften zugestehe wie z.B. Humor, und außerdem eine traumatische Elterngeschichte, davon abgebracht. Sein ewiges Genörgel über dies und jenes in Deutschland ging mir schließlich auf die Büchse. Man muss auch ein Maß finden, im Sinne von „ein gutes Haar“ an etwas, jemandem lassen. Man muss das ganz besonders, wenn man noch zwei, drei, vier andere Länder hat, in denen man theoretisch leben könnte.
Ich musste mir daher mein Land neu definieren. Gerade die Tatsache, dass wir von Freunden umgeben sind und selbst keine Absicht hegen, ein Nachbarland zu überfallen, macht es leicht, dieses Land zwar zu kritisieren, aber auch zu mögen und ihm auch wieder eigene Rechte und Definitionen zuzugestehen.
Das hat mit Israel null zu tun, wie Sie ja richtig sagen. Israel wurde von Anfang an angefeindet. Israel ist so ziemlich das einzige Land, von dem man verlangt, dass es Gebiete, die es in Kriegen, die es nicht nicht mal selbst angezettelt hat, gewonnen hat (z.B. Golanhöhen), wieder abgibt. Wenn man das konsequent verfolgen würde, müsste Polen, das von Deutschland angegriffen würde, auch einiges wieder abgeben. Israel wird von zu vielen Leuten als Verursacher aller Probleme und Sündenbock betrachtet. Hier allerdings bin ich auf Broders Seite: Das ist vermutlich meistens nichts weiter als dünn verschleierter Antisemitismus.
Unabhängig von Israel muss man in Deutschland aufpassen, dass dieses neue Deutschland, das mit dem von 1933-45 wenig zu tun hat, sich von seinen Schuldgefühlen befreit und sich nicht von Wirtschaftsinteressen durch die Mühle drehen lässt.
Eine ganz andere Gruppe, die ethnisch homogen ist (während wir das nie waren), kommt übrigens sehr schlecht weg: Die Kurden, verteilt auf vier Länder. Die Kurden, von den Briten irgendwie übersehen, hätten ein eigenes Land verdient. Und das Land hätte sogar ein Ölfeld. Keines der vier Länder (Türkei, Syrien, Iran und Irak) wäre bereit, den Kurden kampflos ihre Gebiete zuzugestehen. Sie gehen mit den Kurden um wie andere arabische Länder mit den Palästinensern. Es ist dieselbe Mentalität, die den Palästinensern zum Verhängnis geworden und den Israelis in die Schuhe geschoben wird. Die Kurden bekamen kein Land, die Palästinenser durften sich in Nachbarländern nicht integrieren, damit ihr vermeintliches Rückkehrrecht nach Israel (mal 5 genommen) aufrechterhalten wird. Beide Völker sind Spielbälle umliegender Mächte.
Die meisten Deutschen, die Israel unreflektiert kritisieren, sind übrigens Wichtigtuer, habe ich festgestellt. Sie wissen, wenn sie sich an Israel vergreifen, werden sie gelesen. Das beste Mittel, in Deutschland talentfrei literarisch bekannt zu werden, ist Hauen auf Israel. Broder macht dann den Rest. Oder würden wir sonst Ken Jebsen kennen? Es gibt zwei Möglichkeiten, sich einen Namen zu machen: Die eine ist Talent, die andere Israelschmäh.
Ich fasse mal zusammen: APo ist Zionist, seine Heimat ist die McNair-Siedlung.
Ich bin ein Patriot, meine Heimat ist DEUTSCHLAND.
Damit kann ich leben.
Man kann Heimat auch mit einer Nation assoziieren, eine nationale Heimat haben, warum denn nicht. Das ist weder falsch noch ein Problem, das jemand überwinden soll. Es geht zwar auch anders, ohne Heimat, doch mit ihr geht es auch. Und niemand legt fest, dass die Heimat etwas Tolles sein muss. Für manche ist sie tatsächlich ein Problem, dass überwunden werden muss. Sie möchten ihr den Rücken kehren, an einem Ort leben, an dem sie gerade nicht zuhause sind, an dem sie keiner kennt, Ruhe haben und frei von de rbedrückenden Heimat sein können. Das ist alles sehr unterschiedlich. Für mich vermitteln beispielsweise bereits die gelben Ortseingangsschilder auf den Bundesstraßen das Gefühl von Heimat, oder das typisch deutsche verregnete Dunkelgrün. Alles mögliche. Der eine denkt beim Anblick der Schweizer Fahne an seine Heimat, ein anderer an Geschlechtsverkehr, um einen alten Witz zu zitieren. Das ist alles in Ordnung. Kritisch wird es erst, wenn jemand eine bestimmte Staatsform beansprucht, um seine Heimat abzusichern oder wiederherzustellen.
Wie Parisien sagt:
„Insofern ist Israel in einer völlig anderen Situation, in einer typisch jüdischen. Wo immer sich Juden in der Geschichte ansiedelten, drohten ihnen sofort Gefahren.“
So isses. DAS allerdings haben sich die Zionisten nicht vorstellen können. Sie dachten, indem die Juden beweisen, dass sie einen eigenen Staat schaffen können, indem sie als Bauern und Handwerker arbeiten, indem sie sich räumlich von den unverbesserlich antisemitischen Europäern trennen, lösen sie das „Judenproblem“. Aber gerade weil sie sich geirrt haben, bleibt ihr Projekt notwendig. Noch in den 1930er und 1940er Jahren träumte David Ben Gurion von einem „semitischen Bund“, der die antiimperialistisch-nationalistischen Staaten Israel, Syrien, Jordanien und Ägypten umfassen sollte. Wenn wir wieder dort angekommen sind, können wir über die Weiterentwicklung, vielleicht über die langfristige Überwindung des Zionismus reden. Nicht vorher.
@ Jean-Luc:
„Home is where you grumble the most and are treated the best.“
Steht auf einem Schild, das aus England ist.
Und in der Tat, wo wir am meisten meckern, sind wir auch zu Hause. Man sieht das auch an Heinrich Heine. Seine Heimat ist der Rhein, in den er seine Sehnsüchte projiziert, und Deutschland, über das er unaufhörlich schimpft. Paris war nur sein Schlafzimmer.
Oben klingt „jung“ an. Glücklich fehlt. Wo man jung und glücklich war, ist vermutlich Heimat. Ich habe davon vier: Bayern, Südengland, Paris und New England, hier vor allem Massachussetts. Eigentlich auch noch Venedig, weil ich dort oft war und ohne Karte zurechtkomme. Also fünf Heimaten, davon eine extrakontinental. In letzterer kann man sich ziemlich frei bewegen. Sicherheit ist ein wesentlicher Faktor. Ein Amerikaner brachte mir bei, wie man in Boston mit dem Auto um den Slum einen Umweg fährt und in NYC die Bronx meidet. Sich Zuhause fühlen hat auch mit Sicherheit zu tun.
Insofern ist Israel in einer völlig anderen Situation, in einer typisch jüdischen. Wo immer sich Juden in der Geschichte ansiedelten, drohten ihnen sofort Gefahren.
Dann ist Sprache wichtig. In allen meinen Heimaten verstehe ich die Sprache und kann mich zwischen gut und hervorragend verständigen. Jemand, der die Sprache nicht kann, kann kein Heimatgefühl entwickeln. Er kann nur schizoid leben, mit seinem Eigenen in der Fremde auf einer Insel.
Alan Poseners Heimat Berlin finde ich im Grunde schrecklich, verbaut, hässlich, chaotisch, stellenweise ärmlich. Aber trotzdem fahre ich gern dorthin, denn die Berliner sind nett. Die Ur-Berliner sind großartig, und auch die persischen, kurdischen, türkischen und palästinensischen Taxifahrer, die oft sogar studiert haben, sind sympathisch. Berlin ist vermutlich die Großstadt mit den aufgeschlossensten Menschen. Nun ja, man sollte für sie deutsch können, sonst bleibt einem das verschlossen.
Lieber Herr Posener,
Ihren Kommentar vom 21.Februar finde ich eigentlich wesentlich interessanter, als Ihren Beitrag über Ihren Zionismus.
Diese Passage finde ich ausgezeichnet, während die meisten Diskutanten das bis heute nicht verinnerlicht haben:
„Wo und wie (und ob) man das finden kann, was Sie ansprechen, nämlich Heimat, muss unabhängig von der nationalen Frage gelöst werden; so empfinde ich Berlin als heimat, aber München nicht. Ebenso das von Ihnen zu Recht angesprochene Problem des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft.“
Übrigens, genau meine Rede seit mehr als 40 Jahren.
Die das nicht verstehen, daß Heimat eine sehr persönliche Angelegenheit ist, unabhängig von Nationalität und Nationalstaat, können nur die nicht kapieren, die in eine intakte Demokratie hineingeboren wurden, die nie in die Verlegenheit kamen, bedingt durch politische Veränderungen,sich ihre Heimat selbst zu suchen, bzw. selbst zu definieren.
Für mich ist Heimat da, wo Familie und Freunde sind, wo eine Sprache gesprochen wird, die ich verstehe, und das muß nicht unbedingt zwangsläufig meine Muttersprache sein. Nach alter Familientradition(meine Großmutter hat mir das mitgegeben) trage ich in meiner überdimensionalen Handtasche immer Pass, Geburtsurkunde, die besten Fotos meiner Lieben und mein Lieblingsbuch herum. Man kann ja nie wissen; das ist auch ein Stück meiner Heimat, und nicht selten nannte man mich schon spöttisch Golda Meir, wegen dieser Tasche.
So wie Sie selbst gebe ich da gerne persönlichen Nachhilfeunterrucht mit den eigenen Familienverhältnissen!
By the way, diese Diskussion hier über Israel spottet ebenso jeglicher Beschreibung, wie auf anderen Foren auch.
Israel mit Deutschland zu vergleichen ist dermaßen idiotisch, daß ich mir nur an den Kopf greifen kann.
Deutschland exisitert in einem Europäischen Staatenverbubd von“Freunden“.
Israel ist umgeben von nicht nur einem arabischen Staat, von vielen arabischen Staaten, die dessen Existenzberechtigung bestreiten und dieses Land am liebsten eliminieren würden.
Für mich ist es eine historisch berechtigte Tatsache, daß besonders Juden einen Ort haben sollten, an den sie sich notfalls flüchten können.
Mir ist absolut schleierhaft, warum es die heutigen Deutschen als Todsünde betrachten wollen, daß die Juden in ihrem Staat die Mehrheit sein wollen mit einer eigenen Sprache, während man sich in Deutschlabd fürchterlich darüber aufregt, wenn Migranten unsere Sprache nicht beherrschen.
Aber, wie wir im Fall Wulff gesehen haben, goutieren gerade die Deutschen nur was schick aussieht; und momentan ist es schick Israel permanent zu kritisieren.
zur Ergaenzung:
Heimat – A German Dream: Regional Loyalties and National Identity in German Culture 1890-1990 (Oxford Studies in Modern European Culture)
http://www.amazon.de/Heimat-Re.....0198159234
Heimat, die ich meine…
http://www.youtube.com/watch?v=2JmHW1Feg20
Wer so etwas in jungen Jahren regelmäßig miterleben durfte, braucht eigentlich keine Heimat.
@ Jean-Luc
Mein Beitrag zum Thema aus meiner Mutterstadt:
Neusser Heimatlied
http://www.youtube.com/watch?v.....re=related
1. Als ich noch ein kleiner Junge war, sagte Mutti einst zu mir: schau dir uns’re schöne Stadt mal an und dann merke dir, schöner kann’s woanders auch nicht sein, zieht es dich ins fremde Land, einmal treibt das Heimweh dich doch heim und du hast erkannt:
Refrain:
Dort, wo die Erft den Rhein begrüßt einst meine Wiege stand. Wo stolz Quirin den Himmel mißt,
da ist mein Heimatland.
Ich grüße dich Novesia mit Herz und frohem Sinn
und singe dir ein Gloria, weil ich ein Neusser bin
und singe dir ein Gloria, weil ich ein Neusser bin.
2. Römer zogen einst durch unser Land, bauten eine schöne Stadt, die auch heute noch in junger Zeit einen Namen hat.
Stolz und groß ist die Vergangenheit, die aus deinen Mauern spricht, Gott beschütze dich für alle Zeit, Dich vergeß‘ ich nicht.
Refrain:
Dort, wo die Erft den Rhein begrüßt…
3. Heimatstadt, Du mein Novesia, Du liegst mir doch nur im Sinn. Treu sein will ich Dir ein Leben lang, wo ich immer bin.
Grüßt von weitem dann das Obertor und ich seh‘ mein Elternhaus, sing vor Freude ich ein Lied Dir vor in die Welt hinaus.
Refrain:
Dort, wo die Erft den Rhein begrüßt…
(Muss man das noch weiter kommentieren?)
Zur Ehrenrettung des linken Rheinlands hier noch ein etwas niveauvolleres Liedgut aus Köln:
Heimweh noh Kölle
(Ich möcht zo Foos noh Kölle jon)
von Willi Ostermann
http://www.youtube.com/watch?v=ECZ7-V5G0AI
@Apo
Ubi bene ubi patria
Vielleicht fragen wir einmal was fuer jeden von uns „Heimat “ bedeutet “
– mon pays natal
– homeland/native land
Zur Ergaenzung:
The German Idea of Heimat
http://publishing.cdlib.org/uc.....nd=ucpress
Die musikalische Definition von Heimat:
Jacques Brel : Mon plat pays
http://www.youtube.com/watch?v=6H_XLcpHVBA
oder auch Woody Guthrie
http://www.youtube.com/watch?v=XaI5IRuS2aE
Hier ein paar Zitate zu Heimat:
Herder: Da, wo man sich nicht erklären muß
Robert Frost:Home is the place where, when you have to go there,
They have to take you in
Karl Jaspers:Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde
Andrey Sinjawski:Heimat ist kein geographischer Begriff. Man trägt sie in sich selbst
Horst Bienek:Heimat kann man nicht vererben. Sie ist in meinem Kopf. Und sie ist in meiner Seele
Sophie Scholl:
Ich drücke mein Gesicht an seine dunkle, warme Rinde und spüre Heimat – und bin so unsäglich dankbar in diesem Augenblick.
Christian Morgenstern:Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird
Dostojewski:Ohne Heimat sein heißt leiden
Novalis:
Wo gehn wir denn hin? Immer nach Hause
@ APo:
Immerhin stimme ich bezüglich Israel mit Ihnen überein: Juden brauchen einen eigenen Staat, in dem sie bestimmen.
Aber braucht Israel solche Parazionisten?:
„It feels like the eve of some creative destruction.“
Letzter Satz bzw. Unsatz von Niall Ferguson’s Stück „Israel and Iran on the eve of destruction“ in „thedailybeast“.
Tränengas (vermutlich) gegen Mikis Theodorakis in Athen, Schlagstöcke gegen Schüler in Valencia:
„Eigentlich alles ganz legitim. Doch die Jugendlichen hatten die Rechnung ohne die Polizei gemacht. Bereits am ersten Tag kam es zu Verhaftungen, die Polizei ging mit Schlagstöcken und Reizstoffen gegen die Demonstranten vor. Das alles erinnerte eher an einen Einsatz gegen randalierende Fußball-Rowdys. Am Montag eskalierte die Lage dann ganz.
Drei Stunden lang kam es zu Auseinandersetzungen und Schlägereien auf dem Rathausplatz in Valencia, die Polizei nahm 26 zum Teil minderjährige Schüler fest. „Das sind doch noch halbe Kinder, was tun sie denn da?“ empörte sich eine ältere Frau, als ein Polizist einen Jugendlichen in Gewahrsam nahm. Auch ein halbes Dutzend Journalisten, darunter die Reporterin Pura Gómez von Radio Nacional, wurden von der Polizei angegriffen.“
http://www.welt.de/politik/aus.....e-ein.html
…hinzufügen möche ich noch, dass es kein Zufall ist, dass es eine liberale Demokratie ist, die diese solidarische Schutzfunktion Israels ausübt. Eine Diktatur kann einen solch universalistischen Anspruch (der sich ja an Verfolgte auf der ganzen Welt richtet) gar nicht einlösen. Entsprechend grotesk wirken die Ansprüche, die Diktaturen in Afrika anmelden, Schutzmacht für alle Afrikaner zu sein.
@ derblondehans und KJN:
„Das was mit Griechenland veranstaltet wird – immer wieder Hoffnung machen und weiter auspressen, dann wahrscheinlich doch rauszuwerfen um das in Europa etablierte Finanzierungssystem zu retten ist allerdings eine riesige Sauerei, da stimme ich Ihnen und Mikis Theodorakis zu.“
Ich auch. Habe immer nur fleißige Griechen kennengelernt.
Das von Israel repräsentierte Solidarprinzip für Juden richtet sich auf den Schutz von Verfolgten und unterscheidet sich in seiner Ausprägung von anderen Staaten. Allerdings würde ich den anderen Staatsbürgern ihre nationalen Gefühle nicht ausreden wollen; das ist zwecklos. Gefühle gibt es viele verschiedene; was man tun sollte, ist über die Staatsform nachdenken. Warum ist ein Föderalismus besser als ein isolierter Nationalstaat? (Denn den Glauben, es gäbe eine „postnationale Welt“, teile ich nicht. Was es m.E. geben wird, sind föderale Verbände von Nationalstaaten, die sich behaupten können – und einflusslose Nationalstaaten als Spielbälle.)
Zurück zum Solidaritäts- oder Schutzprinzip. Dieses Prinzip gibt es auch sonst, aber für Israel dürfte es besonders ausgeprägt sein. (Vergleichbar mit dem, was die Rastas für die Schwarzen in Äthiopien einrichten bzw. wahrhaben wollten. Das funktionierte aber nicht; die Schwarzen haben kein vergleichbares Schutzgebiet.) Chinesen haben im Fall rassistischer Verfolgung wahrscheinlich auch die Möglichkeit, eine Einbürgerung in China zu erreichen. Aber der Staat China definiert sich nicht über die Schutzfunktion, sie bietet sie nur am Rande.
Auch in Israel ändert sich die Gewichtung; die Schutzfunktion ist nicht das einzige. Jetzt, wo der Staat über mehrere Generationen besteht, tritt es in den Hintergrund zugunsten von Prinzipien, die den Alltag bestimmen. Viele Leute ziehen nach Israel, nicht weil man dort sicher, sondern weil man dort gut leben kann. (Im Gegenteil: Ein Leben in Israel ist mittlerweile unsicherer als in vielen anderen Staaten, dafür sorgen die arabischen Nachbarn.)
Diese „Alltagsprinzipien“ sind es, die ich besonders anerkennenswert finde: die hier bereits angesprochene Offenheit, eine hohe Toleranz allen möglichen Formen des sozialen Lebens gegenüber, die Multikulturalität. Wäre dies anders, wäre mir der israelische Staat egal; er wäre dann wie jede andere Diktatur. Eine afrikanische Diktatur mag sich noch so sehr als Schutzmacht aller Schwarzen aufspielen; sie ist mir egal. Eine Schutzmacht für die Schwarzen, die unendliches Leid erlebt haben und noch immer erleben, gibt es nicht. Diese Tatsache kann man aber nicht gegen Israel verwenden.
@KJN
Two thousand years ago the proudest boast was ‚Civis Romanus sum‘. Today, in the world of freedom, the proudest boast is ‚Ich bin ein Grieche‘.
@derblondehans
Das was mit Griechenland veranstaltet wird – immer wieder Hoffnung machen und weiter auspressen, dann wahrscheinlich doch rauszuwerfen um das in Europa etablierte Finanzierungssystem zu retten ist allerdings eine riesige Sauerei, da stimme ich Ihnen und Mikis Theodorakis zu.
@ Alan Posener
Ich glaube wir sind einer Meinung.
Ich habe ja ausdrücklich gesagt, dass Israel eine offene Gesellschaft bleiben soll.
Ich selbst war noch nie in Israel, aber nahe Verwandte waren da, die mir berichtet haben, dass die Radikalorthodoxen teilweise durchaus daran arbeiten, die Offenheit der Gesellschaft einzuschränken und man dies im Alltag nicht nur als Araber sondern auch als Israel durchaus zu spüren bekommt.
Sicherlich müssen sich die Israelis zunächst selbst um ihre Gesellschaft kümmern, aber wenn einem der Weltfrieden nicht völlig gleichgültig ist, sollte die Weltgemeinschaft (nicht unbedingt Deutschland) schon ein Auge darauf werfen, in welche Richtungen sich die Gesellschaften im Nahen Osten (nicht nur Israel) entwickeln.
Ansonsten könnten wir die Diskussion hier auch lassen und DSDS angucken.
@ Parisien
zu 1)
Reden, reden, reden…
zu 2)
Mir geht es nicht um Globasisierung oder Mobilität im neoliberalen Sinn. Mir geht es darum, dass jeder zunächst als Mensch angesehen wird und nicht nach wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt wird.
Das sollte nicht nur jeweils für ein Land gelten sondern für die gesamte Welt. Steht für die BRD irgendwo in Art. 3 GG und das finde ich eigentlich gar nicht so radikal, wie es hier von einigen empfunden wird.
AN DIE INTERNATIONALE ÖFFENTLICHE MEINUNG –
Die Wahrheit über Griechenland von Mikis Theodorakis
Es gibt eine internationale Verschwörung mit dem Ziel der Vollendung der Zerstörung meines Landes. Sie begannen 1975 mit Ziel die neugriechische Kultur, sie fuhren mit der Perversion unserer neueren Geschichte und unserer nationalen Identität fort und versuchen jetzt, uns mit Arbeitslosigkeit, Hunger und Verelendung auch biologisch auszulöschen. Wenn sich das griechische Volk nicht vereint erhebt um sie zu aufzuhalten, ist die Gefahr der Auslöschung Griechenlands existent. Ich siedele sie in den nächsten zehn Jahren an. Von uns wird nur das Andenken an unsere Zivilisation und unsere Kämpfe für die Freiheit verbleiben. (…)
Europäische Nationalstaaten sind als Reaktion auf den europäischen Feudalismus entstanden.
Israel aber wurde in der Folge der antisemitischen Auswüchse des europäischem Nationalismus gegründet.
Daß man nun versucht, den Nationalstaat in Europa zu überwinden, hat ja wohl vorwiegend wirtschaftliche Gründe, oder um in der Welt zu bestehen. Wie lange man dafür wohl noch brauchen wird?
Man fragt sich daher schon, woher die besondere Strenge gegenüber einem „jüdischen Nationalismus“ stammt.
@ 68er:
Ihre Aussage (1):
„Wir brauchen Menschenstaaten und keine Nationalstaaten, keine religiös oder ethnisch begründeten Staaten und keine durch eine bestimmte Leitkultur begründeten Staaten.“
Was wollen Sie mit denen machen, die das so nicht wollen? Wegjagen? Enteignen? Entmündigen?
Ihre Aussage (2):
„Ziel sollte es nicht sein, dass es EINEN Ort auf der Welt gibt, wo die Juden hingehen können, wo sie die Mehrheit sind, sondern auf eine Welt hinzuarbeiten, wo jeder überall hingehen kann, wo er will und überall – auch als Teil einer Minderheit – nicht diskriminiert wird.“
Was wollen Sie mit den Leuten machen, die darauf pfeifen, an jeden Ort der Welt gehen zu wollen? Die sesshaft sein wollen? Sie wollen Nomaden züchten. An sich sind Nomaden den Sesshaften unterlegen und zwar schon lange. Das erzwungene Nomadenleben der Juden führte zwar auch zu großem Geist, weil man nur den Kopf mitnehmen kann, aber hauptsächlich zu kontinuierlicher Dezimierung.
Bei Auflösern wie Ihnen wäre ich mir nicht mal sicher, ob man den Kopf noch mitnehmen dürfte. Interessant ist für mich hierbei der Aspekt, dass Sie des heutigen Kapitalismus‘ williger Helfer sind, obwohl Sie, wenn Nomen Omen ist, ursprünglich aus einer anderen Ecke kommen.
Schon mal bemerkt, dass die meisten Leute Ihr Konzept nicht wollen? Auch nicht die Amerikaner. Sie wollen ihre Länder, ihre Kulturen, behalten.
@ 68er: Sie haben ja im Prinzip Recht. Aber nur im Prinzip. In der wirklichen Welt brauchen die Juden Israel als jüdischen Staat, und zwar auf andere Weise als etwa die Holländer Holland, die Mexikaner Mexiko oder die Deutschen Deutschland. Darum ging es in meinem Artikel. Im übrigen glaube ich, dass die Israelis ziemlich gut selbst „darauf achten“ können, dass ihr Staat eine offene Gesellschaft bleibt. Israel ist ja in vielerlei Hinsicht offener als Deutschland und auf jeden Fall heute offener als vor 40 – 50 Jahren, als den Beatles verboten wurde, dort aufzutreten. Nicht, weil sie die jüdische Moral untergraben könnten, sondern weil sie die sozialistische Moral untergraben könnten.
68er: Wir brauchen Menschenstaaten und keine Nationalstaaten
… alles klar, einen Gulag mit freier Sicht zum Mittelmeer, nieder mit den Alpen! Brüder hört die Signale …
Wir brauchen Menschenstaaten und keine Nationalstaaten, keine religiös oder ethnisch begründeten Staaten und keine durch eine bestimmte Leitkultur begründeten Staaten.
Dass es Israel aufgrund der historischen Entwicklung gibt und dass dieser Staat von der Weltgemeinschaft besonders geschützt werden soll, unterstütze ich gerne. Bei der Unterstützung sollte aber darauf geachtet werden, dass Israel eine offene Gesellschaft bleibt und die Nachbarstaaten Israels auch freie offene Gesellschaften werden.
Ziel sollte es nicht sein, dass es EINEN Ort auf der Welt gibt, wo die Juden hingehen können, wo sie die Mehrheit sind, sondern auf eine Welt hinzuarbeiten, wo jeder überall hingehen kann, wo er will und überall – auch als Teil einer Minderheit – nicht diskriminiert wird.
Übrigens hätte ich viel lieber so einen Mann als BP:
Zitat Wikipedia:
„Das gegenwärtige Wirtschaftssystem ist nicht konsensfähig und zutiefst undemokratisch, es muss ersetzt werden durch eine neue Wirtschaftsordnung.“
– Heiner Geißler: in der Sendung „Razzien und Randale – Wie weit dürfen Staat und Demonstranten gehen?“ von Maybrit Illner am 31. Mai 2007
Der zukünftige BP ist nicht links, obgleich er das betont. Er ist ein Konertierter genau wie Frau Lengsfeld. Konvertierte haben oft einen fundamentalistischen Glauben an das Neue, das sie gefunden haben, schön zu sehen an fundamentalistischen Islamkonvertiten.
Der designierte BP ist kein Fundamentalist, aber zu wenig kritisch gegenüber dem gegenwärtigen Kapitalismus und zwar wegen seiner Geschichte im Kommunismus. Dass Rote (außer der Linken) und Grüne ihn wollten, zeigt schön, wie diese oft nur davon getrieben sind, der Gegenpartei zu schaden.
Seine Bemerkungen zu Demonstranten jeglicher Art sind bedenklich. Seine Einstellung zum „Nacktscanner“ und der Vorratsdatenspeicherung sind, selbst im Zusammenhang gelesen (von Kaufmann auf achgut verlinkt), noch mit Vorsicht zu genießen.
Heiner Geißler dagegen ist ein kritischer linker CDU-Mann. Zu alt sowieso.
@ Parisien: Nein. Es gibt eine Ungleichzeitigkeit in der Entwicklung. Der Nationalstaat war eine kurze Verirrung Europas im 18./19./20. Jahrhundert, eine Verirrung, die Europa zum Glück nach zwei verheerenden Kriegen überwindet (es sei denn, Merkel mit ihrer Oberlehrerin-Attitüde gelingt es, den Nationalismus in Europa wieder zu wecken). Man kann aber weder von unserem Standpunkt aus den Zionismus (oder den Nationalismus in einem Land wie Mexiko etwa) kritisieren noch von der praktischen Notwendigkeit und Legitimität des Zionismus auf die Legitimität eines – etwa – deutschen Nationalismus schließen. Die Bedingungen sind völlig verschieden. Die Deutschen haben einen eigenen Staat, und auch wenn das Rechtsextremisten und Islamophoben anders sehen, ist dessen Charakter und Bestand nicht gefährdet. Dass er sich wandelt, ist klar. auch Israel hat seinen Charakter verändert (vgl. tom Segev: Elvis in Jerusalem, oder die Schriften meines Cousins Yochanan Peres.) Wo und wie (und ob) man das finden kann, was Sie ansprechen, nämlich Heimat, muss unabhängig von der nationalen Frage gelöst werden; so empfinde ich Berlin als heimat, aber München nicht. Ebenso das von Ihnen zu Recht angesprochene Problem des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft.
@ APo: Ich sehe das im Prinzip genauso. Aber auch wir brauchen unsere Nationalstaaten. Auch wir brauchen Orte, an die wir zurückgehen können und an denen wir weniger Probleme haben als an anderen Orten. Der Mensch braucht eine Identität und seine Kultur. Unsere Kultur kann nur humanistisch sein, weil das großzügig jeglichen Humanismus einschließt, auch z.B. jemanden wie Spinoza, und weil es Kriminalität als gewünschte Karriere wie auch sonderliche Wege, Probleme zu regeln, wie z.B. „Ehrenmorde“, ausschließt. Wir können nur Kosmopoliten sein, wenn der Staat unsere abendländische Kultur mit Hoch-Zeiten, die jeweils humanistisch geprägt waren, schützt.
Unsere wirklichen Gefahren liegen in einer Zerrüttung zwischen den Wünschen und Vorstellungen muslimischer Einwanderer und den Begehrlichkeiten amerikanisch geprägter Industrien. Lesen Sie hierzu
„Frei schwebend in einer Wolke“, Spiegel Nr.6, über den gläsernen Menschen von IBM, der bei Versagen global nie mehr Arbeit findet. Es gibt etwas viel Schlimmeres als den heutigen Nationalstaat, der es immerhin gut mit uns meint: Im Besitz einer Corporation zu sein, ein schlecht bezahlter Sklave, der von ihr gesteuert würde. Das wäre Mittelalter, während die Nationalstaaten aus ihren Fehlern lernen.
Unser – europäisches – Nationalbewusstsein darf nicht so weit gehen, dass wir einen Staat nicht aus dem Euro entlassen können, wenn das sinnvoll erscheint.
Nationalstaaten machen zwangsläufig Fehler. Aber sie können diese Fehler korrigieren. Industrien dagegen, die nur auf Profit achten, nehmen Fehler am Menschen von Anfang an billigend in Kauf. Sie überlassen ihre Probleme den Staaten, Arbeitslose zum Beispiel, auch arbeitslose Immigranten, die sie selbst haben wollten.
Ihr Herr Vater, Julius Posener, ein wahrer Kosmopolit (richtig?) machte sich mal stark für etwas ganz Kleines mit hohem kulturellem Wert. In der Liebermann-Villa am Wannsee liegt ein Schriftstück von ihm, in dem er sich, wenn ich mich recht entsinne, dagegen wehrt, dass Max Liebermanns Villa, die seiner Witwe ersatzlos weggenommen wurde, nach dem Krieg einem Bootsverein zur Verfügung gestellt wurde. Jeder Kosmopolit weiß, was Kultur ist.
Und für mich schließt Kultur einen behutsamen Patriotismus, hier durchaus europäisch geprägt, nicht aus, a) um die Kultur zu bewahren, b) um einen Ort zu haben, an dem man zu Hause ist, und zu dem man zurückkehren kann, einen Ort, der einem vertraut ist und von dessen Wertesystem man geprägt wurde. Und es wird langsam Zeit, mehr an die ständig zu debattierenden Werte nach den Weltkriegen zu glauben als an die Katastrophen davor.
Es wird eher Zeit, nationale Wünsche behutsam wieder zu formulieren und auszudiskutieren. Bislang waren wir doch nichts weiter als ein gut funktionierender, malochender, konsumierender und gehorsamer extraterritorialer 51. Bundesstaat. Im Endeffekt hat das Wolfgang Schäuble zum Ausdruck gebracht. Es geht nichts über ehrliche Politiker. Und so schön die USA sind, wenn man dort ist, sie sehen nur sich selbst. Von anderen Ländern verstehen sie wenig. Sie betrachten diese als „Interessenszonen“. Interessenszonen schließen Humanismus aus.
Multikulturalismus ist schöngefärbter Kolonialismus. Die Historie, englisch, spanisch, portugiesischer Kolonialismus, Jugoslawien, UdSSR, das Osmanische Reich, u.v.a.m., letztendlich auch Ihr Beispiel Habsburg, sind der Beweis. (Niedlich wie Sie ‚Palaestina‘ als Provinz des ‚Osmanischen Reiches‘ stilisieren. Da wird dem Erdolf bestimmt einer abgehen.)
Überzogener Nationalismus, entsteht durch eine Verweigerung des Selbstbestimmungsrechtes. (Die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechtes Deutschlands, beispielsweise, u.a., schon im 18.-19. Jahrhundert.)
Selbstbestimmungsrecht ist Naturrecht.
Schlimmer wird ’s, wenn aus Nationalismus Internationalismus wird, also Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – die so genannte Aufklärung lässt grüßen.
Menschen sind eben nicht gleich. Menschen sollten gleichberechtigt sein. Koexistenz – heißt das Zauberwort. Wettbewerb. Ohne Wettbewerb kein gesellschaftlicher Fortschritt.
Das man im 21. Jahrhundert das Selbstbestimmungsrecht überhaupt in Frage stellt – ist der Skandal.