avatar

Wie sich die Demokratie abschafft

Es war wohl Karl Popper, der die theoretische Grundlage der wehrhaften Demokratie legte. Sein Toleranzparadoxon besagt, salopp gesprochen, dass die Demokratie nicht gehalten ist, ihre eigene Abschaffung zu tolerieren. Es gibt also Grenzen der verfassungsmäßigen Freiheiten der Rede, der Versammlung, der Organisation, der presse und so weiter.

Das ist uns in Deutschland geläufiger als etwa in den USA oder Großbritannien, wo das KPD-Verbot, die Berufsverbote, das Publikationsverbot für „Mein Kampf“ und das Verbot der Holocaustleugnung eher mit Kopfschütteln betrachtet werden.

Man kann die Sache sozusagen absolut diskutieren. Man kann aber auch das Poppersche Toleranzparadoxon akzeptieren und dann die relativistische Frage stellen, wie weit die Einschränkung der Freiheit im Interesse der Freiheit gehen darf. Weiterlesen

avatar

Vada a bordo, cazzo! Wollen wir wieder Helden sehen?

Eine italienische Szene: Der feige Kapitän verpisst sich jammernd im Dunkel der Nacht ins erstbeste Rettungsboot, während Frauen und Kinder ertrinken. Er selbst war es, der durch fahrlässige Eitelkeit die Katastrophe herbeigeführt hatte. Und sich nun vor seiner ureigensten Verantwortung drückt. Der Hafenkommandant brüllt ihn am Telefon an: „Geh an Bord, Du Schwanz!“ Er wimmert zurück. Hier sei es aber dunkel.

Die Opfer der Feigheit sind nicht anonym. Wir sehen Filmfetzen von den Handys der gerade noch geretteten Passagiere. Eine junge Familie mit zwei kleinen Töchtern, zunächst stolz in der Kabine, dann vergnügt im Flur zum Dinner, dann verloren im Ballsaal. Alarmgesten und das Mädchen an der Hand der Mutter. Entsetzen, Hilflosigkeit in ihren Augen. Es treibt einem die Tränen in die Augen. Vada a bordo, cazzo.

Der Ruf nach dem Helden. Wir wollen das Staatsschiff in guten Händen wissen. Weiterlesen

avatar

Über den linken Kamm geschoren

Für Gregor Gysi ist die Sache ganz einfach. Dass der Verfassungsschutz 27 von 76 Bundestagsabgeordneten der Linken – darunter fast die komplette Führungsriege – beobachten lässt, sei „ballaballa“, meint der Fraktionschef. Die Behörde habe schlicht eine Meise.

Auch für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich gibt es keinen Grund zu zweifeln. Der Verfassungsschutz komme nur seinem gesetzlichen Auftrag nach, wie der CSU-Politiker betont. Schließlich existierten „erhebliche Hinweise“, dass die Linke verfassungsfeindliche Tendenzen habe. So weit, so schlüssig.

Das Problem ist nur: Bei den unter Beobachtung stehenden Damen und Herren Volksvertreter handelt es sich mehrheitlich nicht um Politiker, die für radikale oder gar extremistische Positionen bekannt sind. Weiterlesen

avatar

Sarrazin und die Intelligenz

Der frühere Feuilletonredakteur der „Zeit“ und renommierte Wissenschaftsautor Dieter E. Zimmer hat ein Buch vorgelegt, in dem er sich mit der Erblichkeit der Intelligenz auseinandersetzt:
Anlass seines Buchs war die Diskussion über Thilo Sarrazins Buch, „Deutschland schafft sich ab“, in deren Verlauf von manchen Teilnehmern, wie Zimmer meint, die Vererbbarkeit von Intelligenz geleugnet und die Behauptung einer solchen Erblichkeit als „Biologismus“ kritisiert wurde. Weiterlesen
avatar

PR-Politik: Party und Reise

Politische Propaganda im Zeitalter des Bussi-Bussi hat nicht mehr den heißen Atem von Hetzreden in Sportpalästen. Es werden keine Massen mehr zusammengebrüllt. Hollywood ist angesagt, großes Kino, manchmal auch Dschungel-Camp.

Eine Demokratie der Seifenopern, hier werden Wahlen entschieden. Es geht nicht um das bessere Argument, sondern um die geilere Party.

Früher, in den guten alten Zeiten, da hatte Politik etwas zu tun mit dem Bohren dicker Bretter. Weiterlesen

avatar

Wulff, Glaeseker und die Lobbyisten

Wenn nun die Staatsanwaltschaft gegen den langjährigen Sprecher von Christian Wulff ermittelt, rückt das eine sehr interessante Facette der Affäre um den früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten und heutigen Bundespräsidenten ins Bild – die Verquickungen zwischen Politikern, bezahlten Lobbyisten und den Mitarbeitern der Politiker.

Gegen Wulffs Ex-Sprecher Olaf Glaeseker wird ermittelt, weil er kostenfrei einige Urlaube in Häusern des Event-Managers Manfred Schmidt verbracht haben soll. Anders als sein früherer Chef wird sich Glaeseker kaum damit rausreden können, er sei sein langjähriger Freund Schmidts. Weiterlesen

avatar

Size Matters, Teil II: Kredite und andere Vergehen

Wenn man zu den Wurzeln der Wulff-Affäre zurückkehrt, findet man einen Privatkredit. 500.000 Euro bekam der damalige niedersächsische Ministerpräsident, und zwar zu einem Zinssatz von vier Prozent. Da das gekaufte Haus dem Kredit gebenden Ehepaar Geerkens nicht als Sicherheit überschrieben wurde, kann man diesen Zinssatz nicht mit den damals geltenden Hypothekenzinsen vergleichen, sondern nur mit den allgemein geltenden Zinsen für Privatkredite.

Auftritt eines Bekannten von mir, nennen wir ihn A. Er verdient gut, seine Frau ist Beamtin. Darum hatten sie bei ihrer Bank einen Dispo von 15.000 Euro. Das entsprach etwa dem Dreifachen ihres Monatsnettoeinkommens. 2008 geriet das Ehepaar in Schwierigkeiten. Weiterlesen

avatar

Wulff und die Wahrheit: Ein Down-Grading (Warum wir auf den amtierenden Bundespräsidenten herabsehen, statt zu ihm aufzuschauen)

Von der Popgruppe Dire Straits gibt es einen Ohrwurm mit der Zeile: „Money for nothing, chics for free and gigs on mtv.“ Zu deutsch sind das die drei großen Versprechen der Halb-Welt, von denen Kleinbürger sehnlichst träumen: „Geld für nichts, Mädchen umsonst und tolle Fernsehauftritte“.

In Hannover, wo die Scorpions eine Größe sind, träumen diesen Traum viele Emporkömmlinge. Und einige scheinen ihn erreicht zu haben. Diese Parvenüs werden dann von den Nachwuchspolitikern umschwärmt. Das erklärt die seltsamen Paarungen aus Neureichen und Politikern, die im Rest der Republik schlicht peinlich wirken.

So entsteht eine gesellschaftliche Melange von Emporgekommenen und Günstlingen. Das ist die Halb-Welt, die heute dem Bundespräsidenten in immer neuen Skandalen und Skandälchen zugerechnet wird. Weiterlesen

avatar

Wenn der Jugendwahn zu Ende geht

Na endlich:  Jeder vierte Betrieb will künftig auch Ältere einstellen, meldet eine neue Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Und schon vor einigen Tagen haben die Arbeitsagenturen verkündet, dass keine Gruppe am Arbeitsmarkt so sehr von der guten Konjunktur profitiert wie die Älteren.
Das passt – und es ist überfällig. Wir brauchen in Deutschland eine Revolution darüber, wie wir über das Alter denken. Denn fast alle Vorurteile über das Altern sind falsch. Weiterlesen

avatar

Mit solidarischem Gruß für den Schlächter!

 
Es ist erst wenige Tage her, da hat Baschar al-Assad eine bemerkenswert realitätsverleugnende Rede gehalten. Fast hundert Minuten lang dozierte der Diktator darüber, dass der Aufstand gegen ihn nichts anderes sei, als eine fiese Verschwörung übler ausländischer Kräfte. Und diese unterstützten diverse „Terroristen“ in Syrien, die wiederum nur das Ziel verfolgten, das ganze Land zu destabilisieren. Weiterlesen

avatar

Size matters – oder: Wulff, VW, Porsche und Geerkens

Wie konnte er nur so blöd sein? So fragt sich manch einer, wenn er die Details der Finanzierung von Christian Wulffs Eigenheim erfährt. Der Präsident fragt sich das vermutlich seit Wochen selber. Bei der Erklärung von Wulffs Verhalten wird auffällig oft auf herablassende Weise vom „Parvenü“ gesprochen, als sei es irgendwie ehrenrührig, aus kleinen Verhältnissen zu kommen. Zu dieser snobistischen Haltung gehört auch die Architekturkritik am Objekt von Wulffs Begierde. Ja, das Haus ist piefig. Aber lieber piefig als protzig. Und zur Erinnerung: Auch Adel schützt vor Dummheit nicht.

Alle reden von Maschmeyer und Geerkens, als würden die irgendwie Wirtschaft oder gar Politik Niedersachsens kontrollieren. Aber das sind doch geradezu winzige Fische. Weiterlesen

Scroll To Top