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Wir Panikmacher

Die Diagnose liegt auf der Hand: Ein Bakterium bringt uns zusehends um den Verstand. Wir bewegen uns seit Tagen am Rande des Nervenzusammenbruchs – und keine Besserung ist in Sicht.

Im Gegenteil. Ehec hat sich längst nicht nur einiger Hundert Körper bemächtigt, sondern auch Tausender Köpfe. Und dort treibt die Krankheit ihr Unwesen noch ungezügelter als in manch bedauernswertem Darm. Viele Gehirne sind offenbar schon ausgefallen. Anders ist es kaum zu erklären, dass der Ehec-Wahnsinn Deutschland fest in seinen Klauen hat. Kühe, Schweine, Vögel – in den vergangenen Jahren gab es immer wieder Grund, um Deutschlands Fortbestand zu fürchten. Aber der fiese Darmkeim toppt in seiner Wirkung alle Grippen und sonstigen Epidemien. Der ach so aufgeklärte Bundesbürger macht inzwischen einen weiten Bogen um alles, was nach Gemüse aussieht und deckt sich stattdessen mit Dosenkost ein. Die German Angst nagt an uns. Da fragt man sich doch: Haben wir noch alle Gurken im Schrank?

Dass der Erreger den Verbraucher erregt, ist eine Selbstverständlichkeit. Das Coli-Bakterium hat es in sich und bereits 25 Menschenleben gefordert. Aber, mit Verlaub: Reichen komplizierte Krankheitsverläufe, überforderte Gesundheitsbehörden, volle Kliniken und verdächtige Sprossen schon aus, um eine Republik mit ansonsten doch eher zu Ruhe neigender Bevölkerung in blinde Panik zu versetzen? Das kann doch nicht unser Furcht getriebener Ernst sein! Da kommen einem die Tränen. Die Situation, sie ist zum Dahinsiechen.

Aber, offen gestanden: Für die Hysterie sind die Medien, also wir Journalisten, mitverantwortlich. Beileibe nicht nur der Boulevard hat sich geradezu auf Ehec gestürzt, für den Erreger gab es überhaupt kein Entrinnen. Und auf der Suche nach dem Ursprung des Keims und immer dramatischer klingender Schlagzeilen ist das Maß, das Maßhalten abhanden gekommen. Infiziert von einer Art Bio-Krimi, überschlagen sich die Redaktionen geradezu. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hat für seine aktuelle Titelgeschichte sage und schreibe ein elfköpfiges Team in Marsch gesetzt, um dem Feind in unserem Essen auf die Spur zu kommen.

Da können wichtigere Themen wie die wirklich dramatische Euro-Krise, die gefährliche Lage in Afghanistan und die syrische Unterdrückungsmaschinerie einfach nicht mithalten. Sie fallen unter den Tisch, auf dem sich die Fotos der „neuen Seuche“ stapeln. Sicherlich, das Informieren gehört zu unserer vornehmsten Aufgabe. Aber derzeit schmeckt das Ganze leider allzu sehr nach Panikmache. Und die scheint erst recht ansteckend. Da hilft womöglich nur ein Zwangsaufenthalt in der Schwarzwald-Klinik.

 

 

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8 Gedanken zu “Wir Panikmacher;”

  1. avatar

    Was ich so auf den Herrentoiletten erlebe, wenn das beste Stück in die Finger genomen wird, anschliessend abgeklopft und wieder in der Unterhose versteckt, kannmir keiner mehr erklären, dass da keine Rückstände auf den Fingern bleiben. Die Mehrheit der Männer geht anschliessend ohne die Hände zu reinigen zur Tür und benutzt den Türgriff, damit sind alle Voraussetzungen gegeben alles mögliche zu übertragen.
    Daher greife ich die Griffe nur mit einem extra Papier an.
    Nimmst du an, dass das bei den Umschlagplätzen für Gemüse anders läuft?????

    … ich gebe zu, dass ich auf den Herrentoiletten noch nix erlebt und auch nicht darauf geachtet habe was anderen Männern so an den Fingern klebt. Unter uns: das möchte ich auch gar nicht.

    Echt ey, Leute gibt ’s die gibt ’s gar nicht. Oder doch? Ich glaub‘ mein Hamster bohnert.

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    @derblondehans sagt

    Stimmt schon, dass die Lebenserwartung gestiegen ist. Tatsache auch ict, dass besonders die deutschen Krankenhäuser extrem verkeimt sind.
    Sauberkeit und Hygiene sind nun mal 2paar Schuhe.
    Was ich so auf den Herrentoiletten erlebe, wenn das beste Stück in die Finger genomen wird, anschliessend abgeklopft und wieder in der Unterhose versteckt, kannmir keiner mehr erklären, dass da keine Rückstände auf den Fingern bleiben. Die Mehrheit der Männer geht anschliessend ohne die Hände zu reinigen zur Tür und benutzt den Türgriff, damit sind alle Voraussetzungen gegeben alles mögliche zu übertragen.
    Daher greife ich die Griffe nur mit einem extra Papier an.
    Nimmst du an, dass das bei den Umschlagplätzen für Gemüse anders läuft?????
    Wie das bei den Frauen ist, entzieht sich meiner Kenntnis, bin ein Mann und kein Spanner.

  3. avatar

    @derblondehans: Richtig – die Hygiene der Deutschen traegt bei zu ihrer verhaeltnismaessig hohen Lebenserwartung (trotz Bier und Autoraserei). Aber die Deutschen werden vielfach bezeichnet als ein humorloses Volk – im Vergleich mit aehnlichen. Deshalb war mein Hinweis auf die Meinung vieler Lateinamerikaner ueber die mangelnde Hygiene der herumreisenden Euro-Turisten nicht so bedingslos ernst gemeint! Tatsache ist, dass besonders die Franzosen von den Lateinamerikanerinen, welche die Hommes persoenlich erfahren, wegen ihren Geruch gefuerchtet sind. Und die Statistik aus den 1990ziger in Frankreich zeigte: Der franzoesische Mann verbrauchte damals ein halbes Stueck Seife im Jahr. Schon die ersten Euros (Spanier), welche nach 1492 in die Neue Welt kamen, eregten den Ekel der Indigenen und diese Nachricht , ueber die Weissen, eilte dann schon in noch „unentdeckte“ Regionen zu anderen indigenen Voelkern. 2011 berichtete im U.S. C-Span TV, der Historiker der Nez Perce Native American Nation im Staat Idaho: „Unsere Vorfahren, am Anfang des 19ten Jahrhunderts hoerten von anderen Native American Nations, welche an der Ostkueste lebten: „Die Weissen stinken, reiten auf Hirschen, haben Augen wie tote Fische, und haben das Gesicht verkehrt (oben Platte, unten Bart)“.

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    Ich meine das Deutschland im Durchschnitt eine recht hohe allgemeine Lebenserwartung hat. Das kann nicht an mangelnder Hygiene liegen. Im Gegenteil.

    Allerdings gibt es überdurchschnittlich viele (journalistische) ‚Schmierfinken‘. Das ist bekannt. 😉

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    „Mangelnde Hygiene“ in Deutschland, meinte ein brasilianischer Kardiologe in seinem Leserbrief in O ESTADO DE SAO PAULO, und „Haende waschen! Wie wir das hier in Brasilien pflegen.“ Die mangelnde persoenliche Hygiene der Europaer ist eine ewige Beschwerde der Lateinamerikaner. (Ich meine: In Lateinamerika liegt der Dreck auf der Strasse. In Europa ist der Dreck an den Menschen.) Ein mexikanischer Freund, welcher in San Cristobal/Chiapas ein Tourismusunternehmen betreibt, bemerkte: „Wenn wir einen Omnibus mit Franzosen fahren, bin ich der erste der nach dem Halten aus der Omnibus steigt, und der Fahrer kommt gleich hinter mir aus dem Omnibus!“ In den grimmigsten Tagen der Entwertung in der Dominikanischen Republik vor 25 Jahren mit taeglichen Ausfall von Elektrizitaet und Wasser und mit einem „oeffentlichen“ Transportsystem von tausenden alten japanischen Kleinwagen, fuhr man in Hindersitz zwischen drei, vier Leuten eingeklemmt, in der Tropenhitze: Nie ein Geruch von fehlender Hygiene. Im Gegenteil – die Maenner mit gebuegelten langaermeligen weisen Hemden und langen Hosen, Haar kurz geschnitten. Auch die Frauen dezent gekleidet. Alle etwas parfuemiert. Aber der Dreck lag ueberall auf der Strasse und ausgesaeht ueber die Landschaft. Doch persoenlich lebt die Karibikerin die Haelfte ihres Leben unter der Dusche. Also das Rezept fuer Deutschland von Lateinamerika ist: Seife und Wasser!

  6. avatar

    Ein entscheidender Zivilisationssprung der Menschheit war, Speisen zu erhitzen und zu würzen (wie man heute weiß) um sie keimfrei zu machen. Daher in aller Welt – evolutionär entwickelt – eine gewisse Vorliebe Gebratenes/Gekochtes/Gewürztes – hierzulande durch Ernährungsideologen außer Kraft gesetzt (Rohkost: buahh!).
    http://www.achgut.tv/20110603612/ erklärt es richtig gut.

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