Ob Ursula Sarrazin, wie sie selbst meint, eine gute, obwohl – oder weil – strenge Lehrerin ist, oder, wie der Berliner Landeselternausschuss meint, eine Lehrerin, die Kinder mobbt, anschreit und mit Verbalinjurien („du Hauptschüler!“ du Opfer!“) zu Tränen rührt, kann ich nicht beurteilen.
Möglicherweise stimmt beides – es kommt ja vor, dass gute Lehrer durchdrehen; möglicherweise stimmt auch, dass an ihr etwas ausagiert wird, was mit ihrer Fähigkeit oder Unfähigkeit gar nichts, mit ihrem Mann aber sehr viel zu tun hat. Ich weiß es nicht, und ich denke, das weiß niemand außerhalb ihrer Schule.
Es handelt sich wohlgemerkt um eine Grundschule im Berliner Edel-Bezirk Westend, wo Leute wie die – nun ja, wie die Sarrazins wohnen; wenn es also heißt, Ursula Sarrazin spreche „Klartext über unsere Schulen“, so muss man sagen, dass sie von den wirklichen Problemen an den wirklichen Problemschulen nicht mehr weiß als ihr Mann.
Freilich kann es anstrengender sein, in einem bürgerlichen Bezirk Lehrerin sein, weil die Eltern dort in der Regel weniger geneigt sind, autoritäres Verhalten zu akzeptieren, und weil sie derselben Illusion anhängen, der Thilo Sarrazin mit seinem Bestseller Nahrung gibt: Kinder aus bürgerlichen Schichten seien intelligenter als solche aus dem Prekariat und dem Zuwanderungsmilieu; ja vermutlich intelligenter als die Lehrerin. So sagt die Heilpraktikerin Stephanie Liebermann aus Westend: „Unser Sohn ist ein Mathegenie. Er hatte immer sehr gute Leistungen, bei Frau Sarrazin bekam er nur eine Drei.“ Bitter.
Man wird vermutlich hier je nach Sympathie für oder Abneigung gegen ihren Mann geneigt sein, das eine oder andere anzunehmen, und dieses Geneigtsein sollte man als Vorurteil anerkennen.
In einem Beitrag für die Bild-Zeitung hat Ursula Sarrazin ihre Haltung verteidigt. Was sie dort über die Notwendigkeit von Ordnung, Regeln und Ritualen sagt, wird nicht jeder unterschreiben, aber wohl niemand als schwarze Pädagogik verteufeln wollen. Wenn sie als Strafe für das Dazwischenreden die Regel abschreiben muss: „Wir hören einander zu. Wir warten, bis wir dran sind. Wir lassen alle ausreden“, so ist das altbacken, wenig sinnvoll und nicht dazu angetan, in Schülern die Lust am Schreiben zu wecken, aber nicht schlimm.
Was sie aber über das Verhältnis von Schule und Elternhaus sagt, kann einem schon zu denken geben: „Viele Eltern denken, wir wären so eine Art Serviceunternehmen: Sie geben die Kinder morgens ab und holen sie abends gewaschen, gekämmt, bestens erzogen und voller Wissen wieder ab. Wenn man denen sagt, Hören Sie mal, Sie müssen sich mal ein bisschen um die Hausaufgaben kümmern, kann das schon als Vorwurf empfunden werden.“
Diese Klage hört man von Lehrerinnen und Lehrern oft. Dabei ist die Schule in der Tat „eine Art Serviceunternehmen“. Was denn sonst? Die Lehrer und Lehrerinnen werden dafür bezahlt, und zwar sehr gut bezahlt, den Kindern das beizubringen, was sie im Leben brauchen, und tatsächlich sollen sie jeden Tag „bestens erzogen“ werden und am Ende ihrer Schullaufbahn „voller Wissen“ sein. Was denn sonst?
Als ich ein Kind in London und Kuala Lumpur war, wäre es meinen Eltern und den Eltern meiner Freunde und Mitschüler nicht im Traum eingefallen, sich um unsere Hausaufgaben zu kümmern, und den Lehrerinnen wäre es nicht im Traum eingefallen, das zu verlangen.
In Deutschland scheint es aber eine Selbstverständlichkeit zu sein, dass das Elternhaus die Arbeiten erledigen muss, die im Unterricht liegen geblieben und darum als Hausaufgaben aufgegeben werden, so blödsinnig diese auch oft sein mögen. (Und als ehemaliger Lehrer und Vater einer Tochter weiß ich, wovon ich rede.)
Und in der Tat ist eine Halbtagsschule anders auch kaum durchführbar. Wo eine treusorgende und durch Ehegattensplitting von der Arbeit abgehaltene Mutter zuhause auf die Kinder (oder in der Regel: das Kind) wartet, mag das auch noch angehen.
Es ist ja kein Zufall, dass erstens in Deutschland der Anteil der arbeitenden Frauen mit am niedrigsten ist von allen entwickelten Ländern, und zweitens der Schulerfolg in Deutschland mit am stärksten abhängt von der sozialen Stellung der Eltern. Was Herr Sarrazin in einer merkwürdigen Umkehrung von Ursache und Wirkung als Beweis seiner Theorien reklamiert.
Aber auf Dauer – und das ist eine Binsenwahrheit – kommt man um Ganztagsschulen nicht herum, weil immer mehr Frauen arbeiten wollen oder müssen, weil es immer mehr alleinerziehende Frauen gibt und sehr viele Kinder aus Migrantenfamilien, wo es das Kind ist, das seinen Eltern – etwa mit amtlichen Formularen – hilft, statt umgekehrt.
Spätestens in der Ganztagsschule wollen die Eltern tatsächlich ihre Kinder „abends gewaschen, gekämmt, bestens erzogen und voller Wissen wieder abholen“. Dass dies heute von einer Lehrerin als Zumutung empfunden wird, spricht Bände.
Ob es ihnen passt oder nicht, müssen Lehrer und Lehrerinnen in Deutschland davon ausgehen, dass sie in der Tat eine Dienstleistung erbringen; dass die Eltern nicht verpflichtet sind, ihnen dabei zu helfen; dass Schüler, deren Eltern beim Erziehungsauftrag der Schule nicht mithelfen können oder wollen (sei es, dass sie der Sprache nicht mächtig, mit der Erziehung überfordert, auf ihre Karriere fixiert oder aus welchen Gründen auch immer desinteressiert sind) davon keine Nachteile haben dürfen; kurz, dass nach wie vor von den Lehrern eine kompensatorische Erziehung gefordert ist.
Ob autoritär oder antiautoritär mag dabei zweitrangig sein. Wer sich dadurch überfordert fühlt, mag in den Thesen Thilo Sarrazins eine Apologie des Scheiterns erblicken; vielleicht liegt hier eine der privaten Triebfeder für Ursula Sarrazins Mann, sein Buch zu schreiben. Aber das ist, wie gesagt, nur eine Vermutung.
Liebe Rita E. Groda,
wenn Sie schreiben:
vergeht mir die Lust, hier mit Ihnen über dieses Thema weiter zu diskutieren, so sehr ich Sie persönlich schätze.
Ich weiß nicht, ob Sie Bernstein gelesen haben, ich möchte das eher einmal annehmen, aber selbst bei den sogenannten „Revisionisten“ hat man die Idee des Sozialismus nicht einfach über Bord geworfen sondern deren Ideale und Werte weiterhin aufrecht erhalten. Man verabschiedete sich lediglich von der Kopfgeburt des „Endziels Sozialismus“ und der Doktrin, dass nur eine Revolution der richtige Weg zu einer besseren Gesellschaft sei. Es ging, soweit ich das noch im Kopf habe, darum, dass man sich in kleinen Schritten der Utopie des Sozialismus annähert. Diese Haltung war dann – zumindest bis Godesberg und auf dem Papier – Parteimeinung in der guten alten SPD. Und bei einem Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung noch in den 90er-Jahren legten die anwesenden Parteitheoretiker großen Wert darauf, dass die SPD sich niemals von den Ideen des Sozialismus verabschiedet hat.
Daher ist es aus meiner Sicht grob unrichtig, die Utopie des Sozialismus und des Nationalsozialismus gleichzusetzen, wie Sie es tun. Denn die Utopie des Sozialismus ist weder antidemokratisch, noch antiliberal, noch chauvinistisch, noch national, noch antisemitisch, noch frauenfeindlich, noch rassistisch, noch…..
Dass der Sozialismus im Ostblock ausgeartet ist, macht noch lange nicht die Utopie obsolet, denn ihr verdanken wir auch den sozialen Anteil unseres derzeitigen Gesellschaftssystems. Ebenso wie die katholische Kirche nicht die Kraft hat, die Idee des Christentums zu ruinieren, ist die Idee des Sozialismus nicht mit dem Ostblock untergegangen. Sie lebt doch täglich bei uns weiter und hat den Kapitalismus dazu gezwungen, sich sozialer zu gebärden.
Die Idee des Nationalsozialismus hingegen wurde nie pervertiert, sie war schon in ihren Grundgedanken eine Perversion. Wenn Sie das nicht erkennen wollen, weiß ich auch nicht mehr weiter.
Im Fall der „Unruhingen Jugend“ hatte übrigens nicht nur der Ostblock Angst um seinen Bestand sondern auch der kapitalistische Westen, der mit V-Leuten des Verfassungsschutzes und wohl auch der CIA von Anfang an die „Szene“ beobachtet und wohl auch unterwandert hatte.
In diesem Sinne wünsche ich ein schönes Restwochenende.
Ihr 68er
@ Wahle: Ja! Nur so ist erkennbar, nach wen man sich hier gedanklich orientieren sollte. Wichtig ist doch, erkennen zu können, bei wem die Wahrscheinlichkeit am größten ist, einen Dialog zu erreichen. Vielen Dank.
Liebe Rita E. Groda,
wir missverstehen uns ja prima!
Ich hätte nie gedacht, dass Sie meine Vorwürfe auf sich persönlich beziehen würden, denn ich unterscheide noch sehr gut zwischen echten Liberalen wie Ihnen (zu denen ich z.B. auch Herrn Baum oder unsere Justizministerin zähle, vor allem aber Frau Hamm-Brücher) und – sagen wir einmal – „Funktionsliberalen“ wie Herrn Westerwelle, Herrn Niebel und Co., die ihre Liberalität lediglich zum Nutzen Ihrer eigenen Interessen funktionalisieren aber keinerlei Probleme damit haben, wenn Freiheitsrechte anderer, insbesondere der benachteiligten heimischen Bevölkerungsschichten oder fremder Völker massiv eingeschränkt werden und die im Gleichschritt mit ihren marktliberalen Freunden aus den anderen westlichen Ländern bereit sind, Kriege für den Zugang zu Energieressourcen zu führen.
Ich unterscheide aber auch klar zwischen echten Sozialisten wie Willy Brandt, Herbert Wehner, Bruno Kreisky, August Bebel, Wilhelm Liebknecht etc. und Kreaturen wie Egon Krenz, Erich Honnecker, Nicolae Ceau?escu und Konsorten.
Ich bin auf keinen Fall gewillt, den von Otto von Bismarck und Wilhelm I vor mehr als 123 Jahren mit der Verkündung der Sozialistengesetze ausgerufenen Kampf gegen den Sozialismus für verloren zu erklären. Für mich schließen sich Sozialismus und Liberalität nicht aus.
Wenn Sie Friedrich II für die Liberalität Preußens anführen wäre ich der Letzte, der bestreiten würde, dass dieser Mann für seine Zeit ein sehr liberaler Monarch war. Aber Preußen war auch sein Vater Friedrich Wilhelm I oder Wilhelm I und II. Insofern könnte es Ihnen auch möglich sein anzuerkennen, dass es auch liberale Sozialisten gibt?
Ich hatte heute Nachmittag eigentlich noch einen „Nachtrag“ zu meinem letzten Kommentar geschrieben, der allerdings wohl wegen eines kaputten Links im System untergegangen zu sein schein. Ich versuche es daher hier noch einmal, vielleicht klappt es ja diesmal ohne den Link:
Nachtrag:
Ach was schreibe ich da so viel, ein Link zum Sozialismus-Artikel auf Wikipedia hätte eigentlich gereicht, wenngleich ich bei Ihnen, liebe Frau Rita E. Groda, eigentlich nicht auf solch eine Sozialismusphobie gefasst war.
Wenn Sie sich dort einmal die historische Entstehung des Begriffs anschauen:
Als „socialistae“ (lateinisch) oder „socialisti“ (italienisch) wurden im 18. Jahrhundert von aufklärungskritischen römisch-katholischen Theologen polemisch die Vertreter des modernen Naturrechts in der Art von Hugo Grotius und Samuel von Pufendorf benannt.
werden Sie vielleicht mein Engagement für den Begriff Sozialismus verstehen. Ich habe hier vor längerer Zeit auch einmal versucht den Begriff des „Bürgerlichen“ wieder dahin zu holen wohin er eigentlich gehört, nämlich in die Tradition der Aufklärung und nicht zu Helmut Kohl oder Angela Merkel. Und weil Sozialismus mehr mit der Bonner Republik zu tun hat als mit der DDR wird er derzeit von unseren falschen Eliten (Nachtrag in der Nacht: zu denen ich Sie nicht zähle) gerne wieder verteufelt.
Sie haben insofern recht, wenn Sie Parallelen zwischend der DDR und der Berliner Republik sehen. Die sehe ich auch, wenn ich mir anschaue, wie die Polizei in BaWü mit Schlagstöcken und Wasserwerfern gegen friedlich demonstrierende Rentner und Schüler vorgeht oder in Stasimanier eine Studentengruppe der LINKEN in Heidelberg durch einen V-Mann des LKA bespitzeln läßt.
Erzählen Sie mir doch nicht, das LKA im Ländle sei von Exil-Ossis unterwandert, da herrscht der deutsche Obrigkeitsstaat und sicherlich nicht der Sozialismus.
Ich hoffe, Sie nehmen mir’s nicht krumm, dass ich heute ein wenig „stärker gemeint“ habe, Sie wissen das schon einzuordnen.
Daher wünsche ich Ihnen ein besonders geruhsames Wochenende.
Ihr 68er
@Lieber 68er: Ich muß noch einmal nachlegen, in „sozialistischer, Deutscher Geschichte“.
Der letzte, dem ich die Idee „eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ hätte, war Rudi Dutschke. Aber selbst der ging in seinem missionarischen Eifer recht weit. Die sozialistische Deutsche Studentenbewegung hielt ihn für anarchistisch.
Eine Gefahr war er absolut nicht für die „Imperialisten“ im Deutschen Westen. Eine Gefahr war er für die Sozialisten im Osten. Ein sozialistisches System im Westen, eine Konkurrenz also, hätte die Daseinsberechtigung des Sozialismus im Osten gefährdet, also absolut in Frage gestellt. Nicht umsonst wurde er von einem westdeutschen Polizisten, der in den Diensten des MfS stand, angeschossen.
Glauben Sie mir – in Deutschland gibt es keinen guten alten Sozialismus, ebenso wenig, wie einen guten alten Nationalsozialismus. Es gibt nur die Perversion beider Utopien.
@alle: Was das Thema hier mit Bildung zu tun hat?
Diese Frage ist, mit Verlaub, einigermaßen saudumm!
@guvo Danke für die Erinnerung ans Thema! Also, wie sieht’s aus? Habe drei Kinder, die in der Schule ganz unterschiedlich klarkommen; meine Frau und ich hatten zwei Jahre zusätzlich ein Pflegekind, um dessen Mutter zu ermöglichen ihren Hauptschulabschluss nachzuholen und eine Ausbildung zu beginnen; als Zivi hab‘ ich 18 Monate mit damals sog. schwerstmehrfachbehinderten Kindern gearbeitet; heute bin ich ein super Lehrer:)
Sollen wir hier jetzt ernsthaft alle anfangen unsere Verdienste aufzuzählen?
Lieber 68er: Man kokettiert nicht ungestraft mit nachweislich gefährlichen Ideologien – nicht in Deutschland. das sollten Sie eigentlich wissen. Weder mit dem Nationalsozialismus noch dem Sozialismus.
Haben Sie tatsächlich schon einmal im „real existierenden Sozialismus“ gelebt, von dem spreche ich hier, es ist nicht nur eine lauwarme, wohltemperierte akademische Plänkelei, die ich hier anführe?
Ich verfüge über ausreichende Erfahrung! Und ich habe nicht nur die Slums in Nairobi gesehen, auch anderswo.
Ich bin keinen Deut ängstlicher als Willy Brandt, und unliberal – ein wenig lächerlich.
Im Gegensatz zu Ihnen habe ich Fromm und Tischner gelesen und meine treudoofe Nachkriegsnaivität verliere ich täglich zunehmend. Ne, ich bin nicht versehentlich konservativ geworden, wie z.B. Herr Broder und andere.
Ich kämpfe geradezu jeden Tag – auch hier – um die Erhaltung der“Freiheit“. Ich habe nämlich „keine Angst vor der Freiheit“, wie Fromm es nennt. Freiheit erfordert enorme Disziplin, besonders im Denken. Wenn Sie das Preußisch nennen wollen – dann scheinen Sie auch die Tugenden eines nicht nur kriegsbesessenen großen Friedrich, sowie die eiserne Pragmatik desselben nicht ganz verstanden zu haben.
Der hat nämlich, als sein Land menschenmäßig ausgeblutet, durch seine kriege, eingesehen, wozu heute Politiker und Volk absolut zu doof sind.
Er wollte nicht nur andere Nationen und Religionen in sein Land holen, zum Wiederaufbau und Besiedlung, er sagte sogar, im Notfall mögen auch Heiden und anderem in sein Land kommen und sie dürfen hier auch sogar, auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin, ihre Moscheen bauen.
Somit war Preußen damals wesentlich liberaler, als die Schweiz heute. Eben auch eines der undbewiesenen und unreflektiert übernommenen Vorurteile, das mit Preußen.
In diesem Sinne wäre ich also tatsächlich“sehr preußisch“, und das sogar mit Stolz, denn ich bin nicht kleingläubig und uniform genug, um meinen neuen „heidnischen Mitbürgern“ das Existenzrecht in unserem Lande zu versagen, wie z.B. unsere eigenen, traurigen ehemals sozialistischen Landsleute, die gleich unmittelbar nach der Wiedervereinigung anfingen Asylantenlager abzufackeln. Das scheinen Sie vergessen zu haben.
Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um, eine alte Binse. Damit meine ich nicht nur den Sozialismus, damit ist jegliche totalitäre Struktur gemeint.
@ wahle, groda, 68er: Sie können sich doch nicht ernsthaft darin verlieren, sich um des Kaisers Bart zu streiten. Thema war am Beispiel von den Veröffentlichungen einer bestimmten Lehrerin: Wie Schulkindern geholfen werden kann, die zwischen Schule und eigener Familie der Gefahr des mangelnden Respekts permanent ausgesetzt sind. Würden Sie eine Betreuung übernehmen? Entweder haben Sie erfolgreiche Kinder oder sind offenkundig kinderlos. Also hätten Sie alle Zeit und wären alle privilegiert. Wie sieht´s aus?
Mit Verlaub liebe Rita E. Groda, ich glaube Sie vernachlässigen, dass das Wort Sozialismus von vielen Menschen unterschiedlich verstanden wird. Sozialismus als gesellschaftliche Zielvorstellung hat, wie Herr Posener in der Diskussion über die LINKE schon andeutete, mehr mit dem Christentum zu tun als mit dem real existierenden Sozialismus z.B. der DDR.
Sie setzten Sozialismus mit der Stasi gleich ich denke bei Sozialismus an Willy Brandt, der von 1976 bis zu seinem Tod im Jahre 1992 Präsident der „Sozialistischen Internationalen“ war.
Es stimmt auch nicht, dass wir die beste Verfassung haben, die unser Land je hatte. Sie übersehen, dass die von Ihnen schon erwähnten Schein-„Eliten“ das Grundgesetz in den vergangenen 60 Jahren soweit mimikriert haben (Notstandsgesetze, Lauschangriffe, Asylrecht, Angriffskriege…) dass Sie sich zurecht um die Zukunft unseres Landes fürchten. Aber das ist nicht die vornehmliche Schuld der herübergeschwappten Ossis, schuld daran ist eher das obrigkeitsstaatliche deutsche Erbgut, das Sie bei den scheinliberalen und scheinchristlichen, den scheinsozialdemokratischen und scheinpazifistischen Mitbürgern und Politikern finden, die unsere Verfassung zugrunde gerichtet haben. Diese Leute sind doch mit dem Herzen oft näher an Wilhelm II und Bismarck als an Wilhelm Liebknecht oder Willy Brandt. An dieser Haltung ist doch nicht die Idee des Sozialismus schuld, ich sehe hier eher eine Linie zu den „sozialdemokratischen“ Kriegskreditspatrioten und „christlichkonservativen“ und „liberalen“ „Ermächtigungsgesetzgebungshelden“. Und glauben Sie mir, da ich mehrere Jahre nach der Wende in Sachsen und Ostberlin gelebt und gearbeitet habe und dabei viele Ex-Kader kennen gelernt habe, die waren dort eher preussisch rigide als „Links und frei“ wie Willy Brandt. Wenn Sie gegen diese unliberal ängstliche Geisteshaltung sind, stimme ich mit Ihnen völlig überein. Aber lassen Sie unseren guten alten Sozialismus bitte in Frieden!
Mit herzlichem Gruß
Ihr 68er
Sehr geehrte Frau Groda, Ihre Replik verstehe ich nun überhaupt nicht! Wenn Sie meine beiden Beiträge in dieser Runde hier lesen, können Sie eigentlich nicht dazu kommen ad personam zu argumentieren und mir, den Sie gar nicht kennen, zu unterstellen, ich hielte ein HartzIV-Kind für einen Schmarotzer und ich sei „obrigkeitshörig“. Das halte ich nun mal erstens für vollkommen unzutreffend und zweitens für grob unhöflich. Ich habe mich auf einen Ihrer Beiträge bezogen und Ihre Aussage an Ihrem selbst aufgestellten Anspruch gemessen und für „unterkomplex“ erklärt. Ich will Ihnen Ihre schlechten Erfahrungen mit Lehrern doch gar nicht nehmen, sondern auf die Unhaltbarkeit und Unfairness Ihrer Verallgemeinerung hinweisen. Vielleicht haben Sie ja auch ein Argument in der Hand? Posener hat im Übrigen schon darauf hingewiesen, dass Lehrer wie Eltern sich mit solchen Verallgemeinerungen in einen „Teufelskreis“ begeben. Würde mich freuen, wenn Sie zumindest Ihre persönlichen Unterstellungen nochmal reflektierten! Mit schönen Grüßen, B. Wahle
@EJ
unser neoliberaler Weihnachtsmann 🙂
Als ich ein Kind in London und Kuala Lumpur war, wäre es meinen Eltern und den Eltern meiner Freunde und Mitschüler nicht im Traum eingefallen, sich um unsere Hausaufgaben zu kümmern, und den Lehrerinnen wäre es nicht im Traum eingefallen, das zu verlangen.
Das war chèr Apo in den fifties oder??
Wie sieht die Bildungssituation heute in UK aus??
Wie in den US ……..
@Alan Posener:
Der Offenbarungseid der Aufklärung in Deutschland?
Wenn man in unserer sog. Jugend in Deutschland das System kritisiert, wurde man von Otto-Normal ,als Kommunist, nach drüben geschickt. „Geh doch rüber Kommunist“, war das Mantra.
Will man den Zahlen des gestrigen Polit-Barometers des ZDF tatsächlich Glauben schenken, könnten sich ca. 60% im Westen und bis zu 70% im Osten gut vorstellen in einem sozialistischen System zu Leben, bei Existenzsicherung durch den Staat. Heute also, würde eine überwiegende Mehrheit, in sozusagen vorauseilendem Gehorsam, gerne und freiwillig die Freiheit zugunsten der Sicherheit eintauschen, also freiwillig nach drüben gehen.
Wenn man diese erschreckenden Erkenntnisse ernsthaft betrachtet, ist die Frage legitim, ob Bildung in diesem technisch und kulturell hochstehenden Land überhaupt(noch) sinnvoll und nötig ist.
Auch die Überlegung sollte gestattet sein, ob die Bildung der letzen 65 Jahre so miserabel, oder die Intelligenz einer Mehrheit des Volkes so verkümmert ist, um solche Erkenntnisse zustande zu bringen.
M.E. ernten wir jetzt, was machtgierige Politiker und oberflächliche Bildungsreformen gesät haben. Bildung wurde in den letzten 2 Jahrzehnten zum reinen Broterwerb degradiert, daher wurde sie immer zweckbezogener und mangelhafter. Fachidioten wurden herangezüchtet, die komplexe Vorgänge nicht mehr überblicken könnten und Begriffe wie Verantwortung und Sozialverhalten wurden der öffentlichen Lächerlichkeit preisgegeben.
Ja, wir alle tragen Schuld daran, denn wir alle haben zugelassen, daß nach der Wiedervereinigung aus uns ein Volk harmoniesüchtiger Superfeiglinge geworden ist, die nicht mehr die Traute aufbrachten, die Mißstände nicht nur im eigenen Land transparent zu machen, sondern auch die Mißstände im anderen Teil unseres Landes.
Wir haben die ganzen Opfer verraten, die unter dem Terrorismus des DDR-Staates gelitten haben, und wir haben zugelassen, daß eine Geisteshaltung zu uns herübergeschwappt ist, die von einem m.E. Unrechtsstaat antrainiert wurde. Das Denken, wir überlassen alles dem Staat, der wird es schon richten.
Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, daß plötzlich z.B. Wessis freiwillig die Freiheit zugunsten der Sicherheit aufgeben wollen. Das ist einfach unfassbar!!
Wir haben die beste Verfassung, die unser Land je hatte, wenn nicht sogar die beste in Europa. Trotz steigender Armut und einer stetigen Zunahme von Reichtum auf der anderen Seite, gab es noch niemals eine solche soziale Sicherheit für den Einzelnen, wie seit Hartz IV, trotz aller Unzulänglichkeiten dieses Systems.
Wenn sich angesichts solcher Tatsachen eine Mehrheit in Deutschland für den Sozialismus erwärmen könnte, ist Bildung in diesem Lande absolut überflüssig.
Wir sollten uns auch nicht mehr um bessere und vielfältigere Bildung bemühen, angesichts solcher Ergebnisse.
Trotz aller Bildung ist unser Vaterland nicht weniger schaurig, als zu Adis Zeiten, nur kosmetisch besser präpariert.
Herrn Ziegler ist es vielleicht zu verdanken, dass die in den einzelnen Beiträgen unterschwellig erkennbare Bigotterie wieder ein wenig abnimmt. Ist ja schön, wenn die Kinder der meisten Diskutanten so schön in der Schule mitkommen. Hilft aber keinem Kind und keinem Lehrer, die nicht die gegenteilige nicht weniger reale Apokalypse täglich erleben. So unter anderem auch Frau Sarrazin. Abgesehen davon, dass niemandem annähernd klar ist, wie die Umsetzung des verheißenen Systems der Gesamt- und Ganztagsschulen tatsächlich von statten gehen soll und welche immer währenden Baustellen sich dabei öffnen. Und überhaupt: Was soll mit den konkret leidenden Kindern bis dahin geschehen? Dabei sind nicht die Kinder gemeint, die manchem offenkundig nur dazu dienen, um zu sagen, was man doch selbst für ein toller Erziehungsverantwortlicher ist. Anstatt dauernd die Systemfrage zu stellen. Ob die verheißenen Früchte (Angebotsvielfalt etc.)wirklich so real sind, wie es hier versprochen wird? Ich halte das für Schaumschlägerei und Prophetengeprabbel. Die Apokalypse konfrontiert ein Großteil der Kinder schon heute ganz konkret und direkt. Eine Stärkung der Rechte der Kinder bedingt daher eine strengere Verbindlichkeit bei den bestehenden Verfahrensabläufe. Vernachlässigung durch die Lehrer und/oder durch die Eltern dürften in Anbetracht der öffentlichen Belange nicht mehr so widerspruchsfrei toleriert werden wie bisher. Von den städtischen Jugendämtern organisierte Patenschaftshilfen wären zum Beispiel ein konkreter Weg. Was ist mit den Privilegierten? Dabei denke ich nicht so sehr an Einkommensmillionäre als an Jedermann, der Zeit hat. Anstatt immer die Systemfrage zu stellen. Das halte ich langsam für vollkommen unglaubhaft.
@Roland Ziegler
Genau.
@B. Wahle: Lehrer-Bashing sieht in Baden-Württemberg folgendermaßen aus.
An einem öffentlichen Gymnasium, in einer ziemlich privilegierten Region, bekommt ein Mädchen in der 6. Klasse, Elternhintergrund Hartz (in Ihren Augen vermutlich Schmarotzer) vom Staat einen hochwertigen Taschenrechner für den Mathe-Unterricht gestellt.
Im Mathe-Unterricht entspricht die Schülerin wohl momentan nicht ganz den Vorstellungen des Studienrates.
Folgender Kommentar des Pädagogen:
„Jetzt bekommst Du extra vom Staat, auf Kosten des Steuerzahlers einen Taschenrechner gestellt, und trotzdem bist Du nicht fähig dem Unterricht richtig zu folgen“.
Das ist Lehrer-Bashing, verehrter Herr Wahle!!!!!!!!!!!!
Mein Vater wäre in diesem Fall schneller beim Kultusminister vorstellig geworden, als der Lehrer seine Aktentasche eingepackt hätte!
Nur weil ich, von Hause aus, nicht obrigkeitshörig bin,
wie ich von Ihnen annehmen muß, kann man mich nicht, ohne dies zu belegen, des Beamten-Bashing bezichtigen.
@ups: Verzeihung, hatte Ihren Beitrag nicht ganz zu Ende gelesen. Sie scheinen sehr scharfsinnig zu kombinieren – sollte ich da Konkurrenz bekommen (Pardon, bei so viel Übereinstimmung werde ich leicht übermütig, vor Freude).
Jetzt ernsthaft, tatsächlich inflationiert das Abi inzwischen. 65% aller Schüler machen heute Abi. Und das, obwohl die Zugangsvoraussetzungen schlechter wurden – weil es ja immer weniger Chancengleichheit gibt.Sind die Kinder womöglich intelligenter geworden? Ganz sicher nicht. Die schulischen Anforderungen sind kleiner geworden, das Ergebnis sieht man bei Pisa. Das Niveau sinkt zusehends ab, an den Gymnasien, die Anzahl der Fächer aber nimmt beständig zu. Quantität anstatt Qualität? Sieht ganz so aus.
Dazu kommt noch die „Europäische Offenbarung“ der Einführung des Bachelor. Grundsätzlich mal keine ganz so schlechte Idee. Fragen Sie heute Deutsche Studenten, die sich mit diesem Diplom bei der Deutschen Industrie bewerben, dann ernten Sie nur Spott und Hohn. Bei der Industrie gilt dieser Abschluß als Schmalspurstudium, man hat so gut wie keine Chancen damit. Jeder Student, mit dem ich sprach, macht lieber seinen Master, damit er vielleicht mal später einen Job in Deutschland bekommt.
@Lieber Herr Ziegler: Ebenfalls ein gutes und erfolgreiches Jahr. Wenigstens Ihr Beitrag konnte mich zum Schmunzeln bringen. Schön, daß Sie wieder anwesend sind!
@up: herzlichen Dank,Sie haben mir viel Arbeit erspart.
Genau das meinte ich nämlich, Chancengleichheit hat nichts mit dem prozentualen Anteil von Abiturienten zu tun, sondern der grundsätzlichen Möglichkeit. In dem von mir umrissenen Zeitraum fand man an meiner Privatschule nicht unverhältnis mehr Akadamikerkinder, als Arbeiterkinder z.B.. Zu dieser Zeit gab es Bafög, keine Studiengebühren wie heute, die es einem Flüchtlingskind unmöglich machen würden, eine akademische Laufbahn einzuschlagen.
Also im Klartext, die Rahmenbedingungen, Grundvoraussetzungen waren da – ob die angebotenen Optionen angenommen wurde, das ist eine total andere Sache. Bei vorsätzlicher Dummheit bekomme ich gelegentlich eine krise.
Mit Verlaub: nachtreten ist unanständig, lieber Alan Posener. Wir müssen aus dieser Sarrazin-Diskussion raus, der Typ sucht nur die Aufmerksamkeit der Medien, alle andere Themen werden vernachlässigt; man dreht sich im Kreis. Deutschland geht den Bach runter ohne oder mit Sarrazin. Wie wärs wenn Sie sich die Problematik der Perspektivlosigkeit der gegenwärtigen Jugend annehmen würden?
Frohes neues Jahr! Bei so viel Eifer um Kinderrechte, Bildung und Schule: Wie siehts denn eigentlich aus mit ein wenig Freizeit und Zeitvertreib an schönen Sommerfeiertagen? –
Ich war jedenfalls froh, spätestens um 13:10 aus dem Schulgebäude in die Freiheit entlassen zu werden. (Freiheit ist ja nicht, wie häufig gesagt, Freiheit ZU etwas, sondern VON etwas. -) Zuhause habe ich dann meistens Musik gehört oder Bücher gelesen, die ICH (und nicht der Lehrer oder die Eltern) lesenswert fand; ich war mit den Menschen zusammen, die MIR (und nicht dem Lehrer oder den Eltern oder dem Zufall) gefielen; und ich habe sehr oft überhaupt nichts getan.
Und mein heutiges Ziel als Vater ist es nicht, meine Kinder in bestimmte hochqualifizierte Karrieren zu bringen oder mit ihnen als Leistungsträger das kriselnde Gemeinwesen zu reparieren, sondern ihnen zu einem schönen, freien, selbstbewussten und -bestimmten Leben zu verhelfen.
Hierfür brauchen sie Bildung, aber auch Freizeit, um sich regelmäßig zu erholen und zu besinnen bzw. um Selbstbesinnung überhaupt erst zu lernen. Das ist heute nur schwer möglich, aufgrund der grassierenden Leistungsethik, des zeitlich und stofflich bis zum Bersten prallen Schulprogramms, weil so viele Eltern Angst haben, dass ihr Kind irgendeine Kernkompetenz verpasst oder unter der Hand zu alt wird u.a. Gründe.
Wichtig für die Schullandschaft erscheint nun auch mir (wie von vielen zurecht betont) die kompensatorische Erziehungsfunktion einer Gesamtschule. Nicht nur, um die vermeintliche Freiheit ZUM ganztägigen Arbeiten für die Eltern zu ermöglichen, sondern auch, um viele Kinder möglichst lange vor dem Zugriff ihrer fatalen Eltern zu schützen.
Schule kann also Schutzraum sein; sie hat viele Gesichter. Und um zu verhindern, dass Schule zum Gefängnis wird, sollte es (hier stimme ich Frau Groda ausdrücklich zu) eine Vielfalt an schulischen Angeboten geben, aus der die Eltern – im Rahmen ihres erzieherischen Zeitfensters von insgesamt ca. 10 Jahren – für ihre Kinder auswählen können.
Danach wählen die Kinder selbst.
@Jokus: Ohne etwas über die reale Chancengleichheit im Nachkriegsdeutschland sagen zu können möchte ich doch darauf hinweisen, dass Chancengleichheit nicht bedeutet, dass 95% eines Jahrgangs Abitur machen, sondern dass 95% die zumindest theoretische Chance dazu haben. Offenbar gehörten Sie ja als Flüchtlingskind nicht gerade der damaligen Elite an und hatten trotzdem die Chance, Abitur zu machen.
Hat es wirklich etwas mit Chancengleichheit zu tun, dass heute so viel mehr Schüler das Abitur machen oder heißt es einfach, dass die Anforderungen an Abiturienten gesenkt wurden im Vergleich zu früher? Erleben wir hier ein Mehr an Chancengleichheit oder erleben wir hier eine Gleichmacherei? Reagieren die Schulen damit auf die Veränderungen am Arbeitsmarkt, wo man ohne Abitur kaum noch eine Arbeit als Sekretärin findet, oder reagiert der Arbeitsmarkt auf die Veränderungen an den Schulen, die auf der einen Seite immer mehr Abiturienten und auf der anderen Seite immer mehr „nicht ausbildungsfähige“ Hauptschulabgänger produziert?
Was ist Ursache, was ist Wirkung?
Aber ich glaube, ich schweife ab… 😉
@ Rita E. Groda
Nein? Na, dann nicht.
(vgl. Robert Gernhardt: Ein Gleichnis)
@ Rita E. Goda: „Lehrer denken leider heute, ebenso wie Politiker, schon mit 30 an ihre Pension, weniger an ihre Schüler.“
Sie erheben den Anspruch Probleme „komplex anzugehen“!? So ein unterkomplexes Lehrer (Politiker)-Bashing hätte ich da nicht erwartet. Das hilft nun wirklich niemandem. MfG B. Wahle
@Alan Posener: Woher hat Sloterdijk seine Weisheit? Aus einer Adlerperspektive, als Hochschullehrer dürften ihm die Mühen der Ebene sicher nicht unvertraut sein. Sicherlich gab es nie ein pädagogisches Arkadien, immer ein Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Aufträgen. Was damals Untertanenmentalität („Willusch“ – den Kosenamen kannte ich noch nicht – soll ja nach Sloterdijk gefordert haben: Gebt mir keine Griechen, gebt mir deutsche Jungmänner), die es neben der Produktion von Bildungsüberschüssen unzweifelhaft gab, scheint heute die „Funktionalität“ der Schüler im Teilsystem Schule zu sein. Sie haben in der Welt sehr anschaulich eine Maladaption beschrieben, in der die Auctoritas des Lehrers, an der man sich reiben kann, und die Vorbildlichkeit des Lehrers, an der man sich aufrichten kann, durch eine kollektivistische Dressur ersetzt wird. Die Stoßrichtung von Sloterdijk ergibt sich aus seiner „Ontologie“: Der Mensch ist ein Wesen, das notwendig überfordert werden muss. Dies gilt in unserer Zeit nicht nur für die begabten Kinder, die für ihre Sache so „entzündet“ und „begeistert“ sind, dass sie die Mühsale von 10.000 Stunden zur Virtuosität überwinden, m.E. mehr noch bei den benachteiligten, vernachlässigten Kindern; diese müssen geradezu über-fordert werden.
Als Vater einer Tochter, die jetzt ohne Schwierigkeiten das Abitur machen wird, sind mir Gott sei Dank Nachhilfe und Nachschulungen erspart geblieben. Wenige Interventionen: Dass meine Tochter in der 4. Klasse eine katastrophale Orthographie hatte, war durch Unterforderung bedingt. Nach dem Wechsel auf eine sog. „Schnelläuferklasse“ des Gymnasiums war das innerhalb eines Schuljahres gänzlich kuriert. Für Mathe habe ich sie mit dem „Zahlenteufel“ von Enzensberger interessiert. Im ersten Jahr English wurde als Ziel eine London-Fahrt vereinbart, im ersten Jahr Französisch eine Paris-Fahrt. Das wars dann schon, von Spielen und Gesprächen über Gott und die Welt abgesehen. „Gescheitert“ bin ich darin, bei ihr ein tieferes Interesse am „Brunnen der Geschichte“ zu wecken, das ist ihr schlechtestes Schulfach. Möglicherweise war ich zu nachdrücklich. Manchmal habe ich den Eindruck, dass verschiedene Themen nicht genügend verinnerlicht sind, dass sie für die Schule bzw. Klassenarbeit, nicht fürs Leben lernt.
Regelrecht erschrocken war ich bei der Einschulung der Tochter meines Stiefsohnes auf der Internationalen Schule (keine Schule, auf der die sozial benachteiligten zu finden sind). Die Einschulungsfeier war wie ein Lullaby: Kinder, es wird Euch kein Leid geschehen, es wird alles gut sein etc., Wiedereintritt in einen Uterus. Ich hätte am liebsten in die Trompete gestossen. Im anwesenden Lehrkörper war kein Mann zu sehen. Ich fragte die Schulleiterin, ob es denn keine Männer im Lehrkörper gäbe. Doch, doch, da gäbe es schon zwei. Warum die nicht bei der Vorstellung aufgetreten sind? Sehr indignierter Blick. Arme Jungs, das sind doch unsere Problemkinder, ob nun Arier oder Muselmann. Wie sollen die dann ihre „ungeschlachten“ Kräfte kanalisieren, wenn sie weder männliches Vorbild noch Heraus-forderung haben.
@68er: Nein, ich setze auf Freiheit, Individualität und Selbstbestimmung!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Ich setze auf verabtwortungsbewußte Eltern, wie Sie, die auch ebenso kreativ sind, wie Sie, gar nicht eben caritativ. Ich setze auf Eigenverantwortung und Durchsetzungsfähigkeit. Das ist etwas völlig anderes.
Ein System ändert sich nur, wenn es Druck bekommt, Konkurrenz. Das ist auch in der freien Wirtschaft so, wie in der Forschung. Kants Übersetzung der Aufklärung habe ich mir in den letzten 20 Jahren zum Lebensmotto machen müssen. Befreiung aus der selbstgewählten Bevormundung.
In einer freien Gesellschaft sollte die Vielfalt das Bild bestimmen, nicht die Einfalt. Sich um Mißstände persönlich zu kümmern ist für mich überhaupt nicht christlich, sondern sehr politisch.
Das Christentum, besonders das evangelische, hat sich auf die Verkündigung zurückgezigen – wie mir in den letzen Jahren viele Geistliche beibringen wollten – die Gesellschaft und der Staat sollen sich – bitteschön – um alles andere kümmern; das haben mir ebenfalls evangelische Geistliche zur Kenntnis gebracht.
Und genau das tue ich, obwohl ich natürlich katholisch erzigen wurde.
@Alan Posener: Ne, daß ist ein kleiner Mißverständnis!!!
Ich vertraue prinzipeill auf die Selbstheilungskräfte des Menschen und des Systems.
Praktisch ist das für mich das Gegenteil von kontraproduktiv. Das Schulsystem des UK, ebenso wie die Sommercamps in den USA bewundere ich schon immer.
So, und jetzt werden wir mal wieder schön ehrlich. Sie und ich wissen, daß es bei uns eine Schicht gibt, die dies, und auf eigene Kosten, weil sie es sich nämlich leisten kann, schon längst in eigener Regie für ihre Sprösslinge durchführen.
Mein Mann wurde bis zur 4. Grundschulklasse, zusammen mit anderen „privilegierten Kindern“ zuhause unterrichtet. Das Abi schaffte er trotzdem mit links.
Auch das wäre für mich eine mehr als ernst zu nehmende Alternative, bloß, haben sie schon erlebt, wieviele Hindernisse der Staat, bzw. die Lehrer einem da in den Weg legen? Vermutlich nicht.
Es ist genau so, wie Sie es bereits mehrmals benannt haben. Wir brauchen eine effiziente Konkurrenz im Bildungssystem; nur so wird der Druck auf das bestehende, unvollkommene System so groß, daß sich womöglich etwas ändert.
@ Rita E. Groda „Die sog. Chancengleichheit war ursprünglich ein sozialistischer Menschheitstraum – interessant wäre, daß er im konservativen Nachkriegsdeutschland recht erfolgreich umgesetzt werden konnte“.
Die Chancengleichheit …wurde im konservativen Nachkriegsdeutschland recht erfolgreeich umgesetzt? Woher haben sie das? Ich habe 1956 (Flüchtlingskind, Vater degradiert) Abitur gemacht. Damals waren das 5 bis 6 Prozent eines Jahrganges…ich würde das nicht „recht erfolgreich“ nennen.
@ Alan Posener. 2008 also erst fiel Frau Sarrazin auf? Dann war sie also Jahrzehnte unaufällig? Der Verdacht liegt also weiterhin nahe, dass hier jemand als Frau des missliebig gewordenen Sarrazin gemobbt wird.
Liebe Rita E. Groda,
was ich an Herrn Posener, unabhängig davon ob man in ihm einen Altmarxisten, Altmaoisten, Altachtundsechziger oder gehemmt christlichen, radikalliberalen Nachtwächterfreund sieht, schätze, ist seine Utopiefähigkeit und seine Beharrlichkeit die Möglichkeit einer etwas besseren Welt nicht nur zu sehen, sondern diese auch mit Nachdruck einzufordern. Ich denke Herr Posener hat sicherlich nicht aus Angst versäumt anzusprechen, dass in unserer scheinliberalen Bildungsständegesellschaft die von Ihnen als „Eliten“ bezeichneten Sozialversager oftmals kein Interesse daran haben, dass es mehr Gebildete gibt. Ich könnte mir eher vorstellen, dass dies für ihn eine Selbstverständlichkeit ist, aber vielleicht irre ich mich da auch. Der Unterschied zwischen Ihnen und ihm ist wohl eher, dass er noch an die Reformfähigkeit unseres Systems glaubt, während ich bei Ihnen das Gefühl habe, dass Sie auf eine karitative „2. Gesellschaft“ setzten.
In unserem hochkomplexen, individualisierten, kapitalistischen System funktioniert eine solche 2. Gesellschaft bisher allerdings nur in äußerst unzureichender Weise. Wäre ich nicht in der „Bonner Republik“ groß geworden und wüsste nicht, dass es auch anders geht, als uns Guido, Angela, Joschka, Gerhard, Cem und Co. weissmachen wollen, wäre ich sofort auf Ihrer Seite. Vorerst aber, glaube ich daran, dass wir es noch erleben werden, dass die Sonne der sozialliberalen Marktwirtschaft wieder am Horizont erscheinen wird und die realexistierende soziale Marktwirtschaft nur ein kleiner Schatten des Weltenlaufs in den Geschichtsbüchern unserer Kinder und Enkel sein wird.
Ich glaube, das ist in abgewandelter Version der alte Streit der Linken über die systemstabilisierenden Wirkungen einzelner Aktionen. Da Sie beide grundsätzlich unseren Staat nicht in Frage stellen, sehe ich bei Ihrem Vorschlag dennoch die Gefahr, dass Ihre Idee der kompensatorischen Zweitgesellschaft eher das derzeitige unsziale und ineffiziente System stützt während Herr Posener dessen konsequente Reform anstrebt.
Seien wir also nicht so pessimistisch und kämpfen nicht nur caritativ-christlich im Kleinen sondern auch revolutionär-christlich im Großen gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten und alle unsozialen und damit unchristlichen Verhältnisse in unserem Lande.
Ich glaube, eigentlich sind sie auf unserer Seite. schauen Sie doch nach Hamburg, wo eigentlich die Politik über die Parteigrenzen hinweg es zunächst geschafft hatte, ein leidlich positives Schulgesetz auf den Weg zu bringen, das dann von den Eltern zu Fall gebracht wurde, die es sich leisten wollen und können, sich persönlich um ihre Kinder zu kümmern.
Herzliche Grüße aus dem regnerischen Westen in den schönen Süden!
Ihr 68er
Ich gehe daruf die Wette ein, dass dem auch Frau Sarrazin unumwunden zustimmt.
Auf einen Nenner gebracht: Die Rechte der Kinder sollten vor den Rechten der Migranteneltern oder sonstiger Eltern stehen.
Die eigentlich gravierenden Probleme stecken in dem Beziehungsgefüge Schule-Kind-Eltern, des Wesen jeder Bildungsgesellschaft. Es ist weniger ein Problem des Bildungssystems. Es sei denn, dass bildungspolitisch unentwegt Forderungen erhoben und Versprechungen gemacht werden, die praktisch einfach nicht einzulösen sind. So lange nicht die Forderung nach einem Lehrer pro Schulkind aus der Welt ist, werden wir immer ein Lehrerproblem haben. Und so lange wiederum, werden die Lehrer sich auf die Zahl der Kinder in den Klassen aufteilen müssen. Das bleibt so, so lange die Privilegierten unserer Gesellschaft nicht zu höheren Abgaben bereit sind, könnte ich sagen. NEIN: Tu ich nicht. Wobei nichts dagegen zu sagen wäre, wenn die Privilegierten mehr für das öffentliche Wesen tun würden als sie unter Umständen leisten. Bis dahin wäre den Kindern, um wen sonst dreht sich hier alles im Blog, wäre schon sehr geholfen, wenn die Lehrer den Eltern unentwegt Elterngespräche anbieten und sogenannte ELTERNLEITFÄDEN mitgeben würden. Den Begriff der Migranten dabei mal ganz außen vor gelassen. Das wäre sonst fatal. Ob wir nun eine christliche oder sonstig religiöse Leitkultur haben oder nicht. Eine humanistische Leitkultur wäre mir sowieso viel, viel lieber. Elterngespräche; nicht lapidar bloß angeboten, sondern schriftlich, für die Schulakte. Dann wären die Lehrer entlastet, gegenüber all zu vielen Service-Erwartungen. Kinder, deren Eltern sich nicht melden, wären den Jugendämtern zu melden, um den ´Rechten´ der Kinder mehr Geltung zu verschaffen. Und wenn das den Eltern, die beruflich eingespannt sind, zu viel ist, wäre zu überlegen, ob die Nachbarschaft oder sonstige Betreuer, (Privilegierte also) dafür organisiert werden können. In der Zwischenzeit wären die Kinder sich selbst überlassen. Das stimmt; es gibt schlimmeres, denn das Problem wäre aktenkundig; also nicht anonym. Eine andere Seite sind die Eltern, wie die besagte Richterin, die ihre berufliche Karriere opfern. Wenn die sich dazu entschließen ist das löblich, würde aber einzig und allein ihre eigene Entscheidung bleiben. Die Richterin hätte es auch anders haben können. Jetzt zählen die Kinder nur zu den Leistungsbesten. Sie sind nicht die Besten. Ob es wohl an der Richterin liegt?
@ Rita Groda: Sie beschreiben einen Teufelskreis: der Bürger sagt: „So, wie die Lehrer sind, vertraue ich ihnen mein Kind nicht an!“ Und die Lehrer geben zurück: „So, wie die Bürger ihre Kinder verziehen, nehmen wir sie nicht an!“ Und beide haben Recht. Und Unrecht. Erst wenn der Bürger seinen Institutionen – es sind ja seine, er bezahlt sie, seine Vertreter machen die Gesetze, nach denen sie funktionieren – vertraut, wird dieser Teufelskreis durchbrochen. In den USA, dem Land der Individualisten und des Misstrauens gegen den Staat, ist es selbstverständlich, dass die Schule ganztägig ist, dass die Kinder in den Sommerferien „Summer Camps“ besuchen und dass sie mit 16 oder 17 aus dem Haus sind, weil sie zum „College“ gehen. Dabei ist das Bildungssystem der USA, was das akademische Niveau angeht, anerkannt mies. „Home schooling“ ist erlaubt, aber 99 Prozent der Amerikaner machen davon keinen Gebrauch, sondern nutzen die öffentlichen Schulen. Ich glaube, dass wir uns in Deutschland eine Haltung gegenüber der Schule und den Lehrern erlauben, die kontraproduktiv ist und die bestehende soziale Ungleichheiten und Geschlechterrollen zementiert. Und ich schließe mich in dieses „Wir“ durchaus ein.
@ Jokus: Angeblich versucht die Schulleitung der Frau Sarrazin bereits seit 2008, sie loszuwerden. Aber ich wiederhole: ich kann das nicht beurteilen, und ich ergreife in dem Streit nicht Partei. Ich habe lediglich eine Aussage der Frau Sarrazin aufgegriffen, die mir bezeichnend erschien, und habe sie mit bestimmten Haltungen ihres Mannes in Verbindung gebracht.
@Lieber 68er: Sie Optimist, haben Sie schon einmal Beamte ernsthaft protestieren gesehen.
Mein Deutscher Großvater, der als selbst beamteter Zollinspektor die Schnapsbrenner kontrollieren mußte, war der Meinung, mit Deutschen Beamten wäre nicht einmal ein Misthaufen zu stürmen. Er stand selbst oft äußerst erbosten Schwarzbrennern mit Mistgabeln und Schrotflinten gegenüber, die einige seiner beamteten Kollegen zum Fersengeld veranlasste.
Außer Frau und Herrn Posener und den katholischen Nonnen in meinem privaten Kochlöffelgymnasium, habe ich tatsächlich bisher nur verschwindend wenig couragierte und gleichzeitig qualifizierte Lehrer erlebt.
Lehrer denken leider heute, ebenso wie Politiker, schon mit 30 an ihre Pension, weniger an ihre Schüler. Und daß sie auch noch einen Konsens mit ihren Kollegen finden, in von ihnen geschilderter Angelegenheit, das gibt es so gut wie gar nicht mehr.
@Alan Posener und alle: Cooler Spruch Ihre verehrten Großvaters, kommt mir sehr bekannt vor! Sehr interessante Einlassungen auch von EJ, denen ich partiell ebenfallls zustimmen.
Tatsächlich sollten wir das Bildungsproblem aber doch etwas ehrlicher angehen. Es gehört zu meiner deformation professionelle, daß ich Probleme komplex angehe, mich außerhalb stelle und versuche zu beleuchten, mit welchen anderen Komponenten ein Problem korrespondiert und erst einmal die verschiedensten Aspekte beleuchte. Das würde ich bei dem genannten Bildungsproblem hier auch gerne einmal sehr ehrlich tun.
Die sog. Chancengleichheit war ursprünglich ein sozialistischer Menschheitstraum – interessant wäre, daß er im konservativen Nachkriegsdeutschland recht erfolgreich umgesetzt werden konnte.
Die durchaus miserable Bildungsszene momentan hat viele Väter und Mütter. Seit der Wiedervereinigung, dem Wegfall des eisernen Vorhangs, hat sich unser Gesellschaftsmodell drastisch verändert. Durch den Wegfall von Feindbildern wurde ein grandioses Biotop für den Raubtierkapitalismus geschaffen, der sich nun auch noch legitimiert und berechtigt und bestätigt fühlte.
Die bürgerliche Gesellschaft in Deutschland hat sich radikal zum Unguten verändert. Der Staat hat dem Bürger mehr und mehr die Verantwortung für sein Leben entzogen, wie mir erscheint, nach ehemaligem DDR-Vorbild. Die Entmündigung des Bürgers hat sich, beinahe unmerklich, von Jahr zu Jahr vergrößert. Dies hat sich besonders in der Bildungspolitik manifestiert.
Wo Eltern früher noch selber die Verantwortung für ihre Bälger freiwillig übernommen haben, wurde ihnen von übereifrigen Lehrern das Heft aus der Hand genommen.
Ich habe hier selbst schon mit Beispielen von übereifrigen Lehrern aufgewartet, und wurde deshalb ganz schön attackiert. Denn auch hier finden es Eltern anscheinend normal, daß Lehrer systematisch die Lebensumstände von Familien ausspionieren. So z.B. Kinder im 3. Grundschuljahr sollen die Wohnungen und besonders Badezimmer ihrer Großeltern zeichnen und erklären. Meine Mutter, als Großmutter, hat z.b. ein großes Bad. Dort befinden sich auch 2. Container für Vorräte, wie z.B. Waschmittel, Haarspray usw. Die Lehrerin will genau wissen, was sich in den Containern befindet. Vermutet Sie etwar, daß meine Mutter säuft, oder dort Drogen bunkert? Anderseits läßt die Lehrerin absolut kalt, daß eine Mitschülerin besagter Schülerin von den Eltern geschlagen und eingesperrt wird. Das sei nicht ihre Sache, sondern Sache der Gesellschaft. Also haben andere Eltern hier die Verantwortung übernommen und sich um diese Misstände gekümmert.
Solche Lehrer sollen fähig sein sich um Bildung und auch Herzensbildung unserer Nachkommen zu kümmern? Solchen Lehrer sollen in einer Ganztagsschule z.B. unsere Kinder zur weiteren „Missbildung“ anvertraut werden. Nein Danke, Herr Posener!!!!
Zurück zum Thema. Die vernünftige Handhabung von nicht nur Kinderunterbringung, gab es nicht nur im vorbildlichen UK und in den skandinavischen Ländern, es gab sie auch in der sozialistischen Planwirtschaft, z.B. in Tschechien, und die Bildungserfolge waren dort tatsächlich überdurchschnittlich!
Wenn wir uns um eine wesentlich bessere Bildungspolitik bemühen müssen, so ist das eine tragische Notwendigkeit und reiner Egoismus, wenn wir in naher Zukunft nicht auf das Niveau eines Entwicklungslandes zurückfallen wollen!!
Vor 10 Jahren hat man mich für geistesgestört erklärt, weil ich, und nicht nur ich, sondern profunde Fachkreise, einen gravierenden Fachkräftemagel prophezeit habe. Jetzt haben wir ihn tatsächlich. Und in ca. 2-3 Jahren wird das gravierend sein, bei weiterem Wirtschaftswachstum.
Es ist ökonomischer Wahnsinn, Frauen und Männer hoch zu qualifizieren, nur um sie dann für die besseren Bildungschancen der Nachkommen aus dem Arbeitsmarkt wieder abzuziehen. Wir können uns das auch einfach nicht mehr leisten, gerade viel Geld auszugeben um Frauen hoch zu qualifizieren – ein Studium kostet eine Menge Geld – und sie denn wieder den 3 Ks zuzuführen. Bei dem zukünftigen Fachkräftemangel, bedingt durch die geburtenschwachen Jahrgänge, benötigen wir jeden Mann und jede Frau, und auch jeden bildungswilligen Migranten.
Und wir brauchen viele hochqualifizierte Lehrer, die „nicht nach oben buckeln und nach unten (Eltern und Schüler) treten. Eltern, die dazu fähig sind, „müssen“ in die Pflicht genommen wrden, da führt leider kein Weg dran vorbei. Die Eltern, die das nicht leisten können, können durchaus unterstützt werden.
In Baden Württemberg gibt es den politischen Wahnsinn, daß Migranten, die sich freiwillig zu einem Sprachkurs melden, Wartezeiten bis zu einem Jahr haben, während Migranten, die von der Arbeitsagentur gezwungen werden können sofort einen Kurs besuchen. Das ist staatliche Integrationspolitik, unter der Regentschaft von Merkel.
Inzwischen wird dieses Problem schon teilweise privat gelöst, denn in einer vernetzten Gesellschaft wartet keiner mehr auf Staat und Kirche.
Auch Eltern müssen sich einfach abkoppeln, vom staatlichen Bildungswahnsinn. Das ist die einzige Chance für ein wenig Chancengleichheit.
Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, den sich keiner getraut anzufassen. In unserem Lande gibt es eine Elite, die überhaupt nicht daran interessiert ist, daß es mehr Gebildete in unserem Lande gibt. Diese gibt lediglich vor sich für Verbesserungen in der Bildungspolitik zu bemühen. Es ist eine recht traurige Wahrheit, daß diese selbsternannte Elite gar keine Konkurrenz wünscht.
Dieser Einwand hätte jetzt aber von einem Altmarxisten wie Ihnen kommen müssen, lieber Posener, nicht von einer Linksliberalen, wie mir!!
@ Alan Posener
„Gerade Immigranten, die gelernt haben, dass Bildung der Schlüssel zur Integration und zum Aufstieg ist, setzen große Hoffnungen in die Schule, ohne als Eltern jene Vorbedingungen liefern zu können, von denen Susannah Winter redet – sei es, dass beide Elternteile arbeiten, sei es, dass sie selbst nur über eine geringfügige Bildung verfügen. Es entlastet die Lehrer vielleicht, wenn sie die Verantwortung für diese Kinder an die Eltern zurückgeben, aber die Rechnung müssen dann andere bezahlen – Sozialarbeiter, Polizisten, Jugendrichter.“
Das haben Sie aber sehr freundlich formuliert. Ich würde eher sagen, dass immer mehr Lehrer ihrer eigenen Verantwortung gerade im Umgang mit Migranten und sozial Benachteiligten nicht nachkommen und diese Gruppen für das Versagen des Systems verantwortlich machen. Wenn in einer Grundschulklasse mit ca. 25 Kindern einige Deutsch nicht als Muttersprache haben, wenn dann noch einige sozial benachteiligte Kinder in der Klasse sind, reichen schon ein oder zwei emotional vernachlässigte Kinder – egal welcher sozialen Schicht – dass ein sinnvoller Unterricht, der alle Kinder gleichmäßig fördert, nicht mehr möglich ist. Eine Lösung dieses Problems wäre z.B. die Teilung der Klasse oder die Betreuung der Klasse durch eine zweite Lehr- oder Sozialkraft. Hier müssten die Lehrer zusammen mit den Eltern auf die Barrikaden gehen um das System zu ändern. Allzuviele Lehrer haben dafür allerdings keinen Mumm. Sie murren nicht nach oben (Schulamt) und jammern mit den Richter-, Ärzte- oder Ingenieurseltern darüber, dass sie wegen der vielen Muslime so leiden müssen. Diese jämmerliche Haltung finden Sie sowohl bei Alt- wie Junglehrern.
Aber nicht nur die Kinder leiden unter dieser Situation sondern auch manche Lehrer, die sich engagieren und wehren wollen, die zeigen wollen, dass es auch anders geht und deshalb von ihren Kollegen gemobbt werden.
Da meine Kinder bisher den Lernstoff – auch ohne meine Hilfe – mehr oder weniger mit links meistern, stört mich vor allem, dass sie immer weniger Vorbilder in ihren Lehrern finden und in der Schule vor allem lernen, dass es okay ist, wenn man Schwache auf der Strecke lässt, weil sie zu dumm, zu faul oder angeblich „asozial“ oder womöglich „nur“ Muslime sind.
Interessant ist auch, dass es ja eigentlich gar keine ausländerfeindlichen Lehrer gibt. Solange die Migranten brav mitmachen, die Klappe halten und „funktionieren“ gibt es keine Probleme mit den Migranten. Bei sozial benachteiligten Migranten ist es dann aber oft so, dass diese nicht als sozial benachteiligt von den Lehrern erkannt werden sondern als störende Muslime empfunden werden. Noch nie habe ich gehört, dass z.B. bei einem randalierenden deutschen Katholikenjüngling von einem Lehrer dessen Religion für sein mangelhaftes Sozialverhalten verantwortlich gemacht wurde. Bei Muslimen geschieht das aber immer wieder.
Dieser Mechanismus des Sündenbocksuchens ist möglicherweise menschlich, hat aber oft grausame Folgen.
So wenig, wie Eltern erwarten können, daß ihre Kinder von der Schule erzogen werden, können Lehrer erwarten, daß die Eltern die Hausaufgaben kontrollieren.
@Alt 68er: Das Kapitel bei Sloterdijk, aus dem Sie zitieren, ist ja überhaupt ziemlich genial (S. 679-685 in: Du musst dein Leben ändern), auch wenn der Verfasser sich neuerdings leider ganz unphilosophisch als Rechthaber positioniert.
@ Alan Posener: Schön, dass Sie meine Einwände ernst nehmen! Dass alle Eltern nur auf gute Noten aus sind, habe ich allerdings nicht gemeint und, glaube ich, auch nicht geschrieben. Das „Buckeln“ gegenüber dem Dienstherrn, da ist leider viel Wahres dran; und in der Tat sind die Aufstiegsmöglichkeiten vielfach ganz schnell blockiert, wenn man sich nicht maximal angepasst verhält. In solchen Fällen muss man dann eben sehen, was einem wichtiger ist: die eigene Unabhängigkeit oder die Karriere, und darf dabei die Heiterkeit nicht ans Ressentiment verlieren.
Mit besten Grüßen, B. Wahle
Mir fällt auf und „gefällt“ (im gewissen Sinne), dass Alan Posener zunächst ganz lieb erklärt, er wisse konkret von der Sache Frau Sarrazin kaum bis gar nichts, um dann doch einen vielbeachteten Kommentar zu schreiben.
Karl Kraus nannte das einst. „Auf einer Glatze locken drehen“…
Ich allerdings bitte den geistreichen Posener nur um die Behandlung einer für mich wichtigen Frage: Frau Sarrazin ist seit 30 Jahren im Schuldienst, wie ich las. Wie kommt es, dass es erst jetzt auffiel, dass sie eine schlechte Lehrerin sei? Der Verdacht liegt doch nahe, dass dergleichen mit ihrem Namen zu tun hat.
@ guvo: Warum sollte Migranten mehr als anderen geholfen werden? Weil, wenn wir eine christliche Leitkultur haben, wir nach dem Jesus-Prinzip handeln sollen, das da heißt: Den Bedürftigen wird mehr gegeben als den Nichtbedürftigen. Ist eigentlich klar. Ich zum Beispiel habe wenig Schule gebraucht, deshalb habe ich auch wenig von der Schule gehabt. Andere Kinder brauchen sehr viel mehr. Und haben auch mehr von der Schule.
@ Alt-68er: Und woher nimmt Sloterdijk seine Weisheit? Mir ist das zu raunend-unkonkret. Wenn die Schule seit dem 17. Jahrhundert (!) einen „Mut zur Dysfunktionalität“ besaß, den sie erst „in den letzten Jahrzehnten“ verloren hat, dann fragt man sich, wieso diese Schule so wunderbar als Untertanenfabrik für Willusch und Adolf funktioniert hat. (Und im Osten dann für Ulbricht und Honni.) Und ob nicht viele Klagen gegen die Schule in Wirklichkeit Klagen dagegen sind, dass sie heute nicht als Untertanenfabrik funtkioniert, vielleicht erst jetzt „Mut zur Dysfunktionalität“ hat. Ich habe übrigens über das merkwürdige Bündnis von autoritären Ossi-Lehrern und erzrechten Wessi-Autoritären einen Artikel in der „Welt“ geschrieben, den ich hier zusammen mit der Einrahmung durch die Fast-Faschisten von der „Sezession“ wiedergebe, von wegen QED:
http://www.sezession.de/18758/.....cheln.html
Warum sollte den Immigranten mehr als anderen geholfen werden, die gelernt haben, dass Bildung der Schlüssel zur Integration und zum Aufstieg ist. (Die wenigsten also.) Selbst wenn sie große Hoffnungen in die Schule setzen, weil sie als Eltern nicht die Vorbedingungen erfüllen können – sei es, dass beide Elternteile arbeiten, sei es, dass sie selbst nur über eine geringfügige Bildung verfügen. (Die Hoffnung stirbt zuletzt.) Im Dialog mit den Lehrern vielleicht? Ich finde deshalb, dass die besagten Umstände es nicht rechtfertigen, einfach zu sagen, dass das vor allem das bestehende Schulwesen über die Aufgabe hinaus, für die Zukunft unserer Gesellschaft zu sorgen noch das individuelle Glück des Einzelnen im Blick haben sollte. Selbst das wäre keine Glücksgarantie. Und vielleicht schaffen die Sarrazinhasser es noch einmal hinauf auf eine sachlichere Ebene. Das wäre ja mal ganz was neues.
Sie haben vollkommen Recht! Es wäre schön, wenn Ihre „Springer-Kollegen“ bei der Bild und der BZ ähnlich reflektieren würden. Mich nervt es, dass die gute Dame dort jetzt als Opfer der Sarrazin-Gegner in den Heiligenstand erhoben wird.
And by the way: Ich habe mir Gedanken gemacht um Sarrazins erbhygienischen Ideen in Sachen Moslems und die Verwandtenehen bei eben diesen. Ich weiss nicht, ob seine Zahlen stimmen (bei TS ist Nachprüfen geboten), aber ich erinnere mich, dass auch bei Adligen Ehen unter Verwandten nicht unüblich ist.
Sarrazins Mutter ist doch adelig (von Fischer). Ist er vielleicht vorbelastet? Und ist seine eigene Frau vielleicht seine Cousine? Fragen über Fragen.
Was, wie bitte? Das ist keine Bildungsmisere, sondern einzig die Sache der die angeblich ´außerordnetlich erfolgreiche Richterin´, wenn die ihren Job an den Nagel gehängt hat, um ihren Kindern zu schulisch guten Leistungen zu verhelfen. Falls das überhaupt stimmt. Aber falls deren Kinder dann tatsächlich nur zu den Besten zählen sollten halte ich das für eine kapitale Blamage. Eigentlich wäre in dem so besonders liegende Fall zu erwarten, dass die Kinder die Leistungsbesten ihres Jahrgangs sind. Aber wir könnten auch alle irren, anfangen, überzuschnappen. Aber bitte, jetzt nur nicht durchdrehen. Die Kinder meine ich. An wen haben Sie denn gedacht?
Zur Funktionalität eines „Dienstleistungsunternehmens“ Schule („abends gewaschen, gekämmt, bestens erzogen und voller Wissen wieder abholen“.) will ich mit Worten Peter Sloterdijks zu bedenken geben:
„Das Problem des heutigen Schulwesens besteht offenkundig darin, dass es nicht nur dem Staatsauftrag, Bürger heranzuziehen, nicht mehr nachzukommen vermag, weil die Definition des Ziels angesichts der Anforderungen der aktuellen Berufswelt zu unscharf geworden ist. Es artikuliert sich noch deutlicher in der Preisgabe seines humanistischen und musischen Überschusses, um sich einem mehr oder weniger entgeisterten Betrieb pseudowissenschaftlich fundierter didaktischer Routinen zu widmen. Indem die Schule während der letzten Jahrzehnte ihren seit dem 17. Jahrhundert beharrlich bewiesenen Mut zur Dysfunktionalität nicht mehr aufbrachte, verwandelte sie sich in ein leeres selfish system, das sich ausschließlich an den Normen des eigenen Betriebs orientiert. Sie produziert Lehrer, die nur noch an Lehrer erinnern, Schulfächer, die nur noch an Schulfächer erinnern, Schüler, die nur noch an Schüler erinnern. Dabei wird die Schule auf inferiore Weise „antiautoritär“, ohne aufzuhören, formal Autorität auzuüben. … Durch Anpassung an das System hat man ein Lernen gelernt, das auf die Verinnerlichung der Materialien verzichtet; man hat, nahezu irreversibel, die Stoffdurchnahme ohne aneignendes Üben eingeübt. Man hat den Habitus eines Lernens-als-ob erworben, das sich beliebige Gegenstände defensiv zu eigen macht, in der systemimmanent richtigen Überzeugung, die Fähigkeit zur Anpassung and die gegebenen Formen des Unterrichts sei bis auf weiteres Ziel aller Pädagogik“.
Für die Ganztagsschule würden, wie Sie ausgeführt haben, einige gute Gründe sprechen – diese erspart jedoch nicht eine Diskussion über die, so Sloterdijk „maligne Maladaption“ des Teilsystems Schule und das Ziel einer Pädagogik in unserer Zeit, die sich sicherlich nicht in der Funktionalität von „„abends gewaschen, gekämmt, bestens erzogen und voller Wissen wieder abholen“ erschöpfen kann. Das kann doch nicht das pädagogische Eros sein?
Alan Posener: de[r] alte[] 68er Traum von der kompensatorischen Erziehung, d.h. dem Ausgleichen der sozialen Unterschiede durch die Schule.
Schon klar. Einverstanden und eben deshalb zitiert. [pathosmodus on] Ihr Traum ist auch meiner. [pathosmodus off] Nur – der verwirklicht sich doch nicht von alleine!
Wer ist in Ihrem Traum das handelnde Subjekt? Doch nicht die (neo-)liberale Gesellschaft. Oder auch nur ein halbprivatisierter und auf das Niveau von Deutscher Bahn und Deutscher Post degenerierter Staat.
Kompensatorischen Erziehung, Ausgleichen der sozialen Unterschiede durch Bildung – das gehörte (als eine unausweichliche, als vielleicht die einzige in Zukunft noch halbwegs konsensfähige Konkretion des Sozailstaatsprinzips) ausdrücklich als Staatsziel in die Verfassung geschreiben.
Tatsächlich jedoch sind wir in unserer Schul- bzw. Bildungswirklichkeit von irgendwelchen traumhaften Zuständen himmelweit entfernt und entfernen uns davon (im Gymnasial- und Privatschul- und sonstigem Exzellenzwahn) immer weiter. Das liegt nicht zuletzt an der in den letzten Jahren propagierten (neo-)liberalen Gesellschaftsideologie.
@ Alle:
Interessant, dass im wesentlichen nur derjenige mir ganz und gar zustimmt, der sich „68er“ nennt. Ich denke in der Tat, dass meine Haltung, lieber EJ, weniger mit dem neoliberalen Weihnachtsmann zu tun hat und sehr viel mit dem alten 68er Traum von der kompensatorischen Erziehung, d.h. dem Ausgleichen der sozialen Unterschiede durch die Schule. Freilich zeigen die Beispiele von Rita Groda, dass trotz des Einsatzes vieler engagierter Pädagogen aus dieser Generation etwas sehr im Argen liegt. Wenn eine Richterin ihren Beruf aufgeben muss, weil die Kinder sonst mit den Hausaufgaben nicht zurecht kommen, dann liegt ein Fall extremen Schulversagens vor. Was nun die ernst zu nehmenden Einwände von Burkhard Wahle betrifft: Anzunehmen, dass die Eltern für ihre Kinder nur gute Noten wollen, ganz gleich, welche Leistung die Kinder erbringen, heißt – denke ich – die Eltern unterschätzen. (Mein Großvater Moritz Posener schüttelte immer den Kopf über die guten Noten seiner drei Söhne und meinte: „Wie müssen da bloß die anderen sein!“) Wie Frau Sarrazin sagt: die Eltern erwarten, dass die Kinder „gut erzogen“ und „voller Wissen“ die Schule verlassen. Und sie erwarten das zu Recht. Im übrigen. lieber Burkhard Wahle, sollte der Beamtenstatus die Lehrer nicht unabhängig gegenüber den Eltern machen, sondern unabhängig gegenüber dem Staat als Arbeitgeber. Aber Sie haben sicher recht, und das entspricht auch meiner Erfahrung als ehemaligem Lebenszeitbeamten, dass de facto die meisten – nein, nicht die meisten, aber sehr viele – Lehrer gegenüber dem „Dienstherrn“ buckeln und gegenüber den Eltern treten. Gerade Immigranten, die gelernt haben, dass Bildung der Schlüssel zur Integration und zum Aufstieg ist, setzen große Hoffnungen in die Schule, ohne als Eltern jene Vorbedingungen liefern zu können, von denen Susannah Winter redet – sei es, dass beide Elternteile arbeiten, sei es, dass sie selbst nur über eine geringfügige Bildung verfügen. Es entlastet die Lehrer vielleicht, wenn sie die Verantwortung für diese Kinder an die Eltern zurückgeben, aber die Rechnung müssen dann andere bezahlen – Sozialarbeiter, Polizisten, Jugendrichter. Und zum Schluss noch einmal: diese Diskussion ist nur in Deutschland möglich, wo viele Mütter nicht arbeiten und wo die Schule traditionell eine Halbtagsveranstaltung ist. In den angelsächsischen oder skandinavischen Ländern ist mein Standpunkt, dass die Schule für die Kinder da ist, nicht umgekehrt, eine Selbstverständlichkeit. Und es ist kein Zufall, dass Großbritannien und die skandinavischen Länder bei PISA besser abschneiden als Deutschland.
Ja, die Eltern als minderbezahlte Hilfslehrer…
auffällig, was Pädagogen von gutwilligen Laien so erwarten.
Dazu kommt, wer eine Leistung bestellt – sie aber nicht abholt, bringt dem leistungserbringer vor allem eines bei: Bestellung ist hinfällig.
Logischerweise nimmt die hausaufgabenproduktion ab.
Pädagogen haben sowas studiert? Ich bleibe skeptisch….
Sollte jedoch Frau S. ihre Schüler tatsächlich mit boshaften Worten titulieren, so ist das schlichtweg kriminelles Verhalten.
Sollte man sich mal durch den Kopf gehen lassen.
Lieber Herr Posener,
ich sage den Lehrern immer, ich hätte 13 Jahre lang brav alleine meine Hausarbeiten gemacht, und ich ginge davon aus, dass das genug sei. Wenn meine Kinder Hilfe brauchen, helfe ich gern, aber besser ist es, wenn sie meine Hilfe nicht brauchen, weil die Schule im positiven Sinne „funktioniert“. Das heisst für mich vo allem, dass die Kinder dort ein Umfeld vorfinden, in dem sie sich auch trauen dreimal nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstanden haben, in dem sie keine Angst haben müssen, wenn sie einmal ihre Hausaufgaben nicht geschafft haben, weil sie etwas nicht verstanden haben. Leider ist es aber so, dass in unseren Schulen nicht die Lehrer „funktionieren“ sondern unsere Kinder „funktionieren“ müssen.
Dank Sarrazin hört man aus Lehrerkreisen, dass gerade die überforderten Lehrer in den Lehrerzimmern immer öfter offen die „muslimischen“ Kinder und ihre Eltern als Sündenböcke benutzten, um ihre eigene Unfähigkeit zu Unterrichten zu verschleiern.
Herzliche Grüße nach Berlin
Ihr 68er
Ob da nicht ein Unterchied besteht zwischen einer Dienstleistung und einer Serviceleistung? Oder ob Frau Sarrazin tatsächlich nur ganz grob eins für´s andere hält? Was könnte zu der Annahme veranlassen? Ich meine, dass Frau Sarrazin sehr bewusst das Servicedenken der Eltern kritisiert und nichts anderes; dass Frau Sarrazin sich mehr Interesse der Eltern am Lernfortschritt ihrer Kinder wünscht. Erziehung ist was, das nicht mit der Zeugung eines Kindes verwechselt werden sollte, wo man nach 9 Monaten bloß zu sehen braucht, was dabei rauskommt. Das scheinen viele Eltern aber zu denken, wenn sie ihre Kinder nach der Schule zu Hause empfangen. Bildungsauftrag schön und gut. Der Dienstleistungsauftrag entlastet Eltern jedoch nicht von dem Teil der Verantwortung, der ihnen nicht genommen werden darf, nämlich sich um das Wohl Ihrer Kinder in jeder Hinsicht zu sorgen. Das schließt nun einmal mit ein, sich für den Lernerfolg Ihrer Kinder, was sowohl das Wissen als auch die Moral betrifft, zu interessieren.
@Alan Posener: Da wir uns in der gleichen Altersgruppe befinden, kann ich Ihnen Recht geben, daß unsere Eltern nicht auf die Idee gekommen sind, mit uns die Hausaufgaben zu erledigen. Das wäre praktisch auch gar nicht gegangen, da mein Vater sozusagen in seiner Forschungsabteilung gewohnt hat und meine Mutter berufstätig war.
On the other hand, in meiner ganz nahen Verwandtschaft hat eine Richterin ihre außerordentlich erfolgreiche Berufstätigkeit aufgegeben (freiwillig), um ihren Kindern die heutigen, gleichen Bildungsmöglichkeiten zu ermöglichen, wie sie das selbst ohne „Hausaufgabenbetreuung“ hatte. Das bedeutet praktisch ca. 4 Stunden täglich Hausaufgabenbetreuung, mit dem Ergebnis, daß die Kinder zu den Klassenbesten gehören. In meiner Nachbarschaft, egal ob Jurist, Arzt,
Angestellter,läuft das ebenso, trotz berufstätiger Mütter. Und wo die Eltern nicht weiter wissen, ist die hochdotierte Hausaufgabenhilfe dran.
Sie haben insofern Recht, als die heutigen Bildungschanden stark von der sozialen Herkunft abhängig sind.
Nur weiß ich noch nicht so genau, was ich daraus folgern soll. Ich sehe die Schule ungern als Serviceunternehmen an, das ein Rundumsorglos-Paket für die Kinder anbietet.
Die Ganztagsschule ist sicher eine richtige Option, für gerade die benachteiligten Gruppen, die Sie ansprachen.
Trotzedem kann man die Eltern nicht ganz aus der Verantwortung nehmen
dass Schüler, deren Eltern beim Erziehungsauftrag der Schule nicht mithelfen können oder wollen (sei es, dass sie der Sprache nicht mächtig, mit der Erziehung überfordert, auf ihre Karriere fixiert oder aus welchen Gründen auch immer desinteressiert sind) davon keine Nachteile haben dürfen; kurz, dass nach wie vor von den Lehrern eine kompensatorische Erziehung gefordert ist.
Deshalb „Schule als Service-Unternehmen“? Weil: Der Markt wird’s richten?
Will uns der Atheist (mal wieder) von der Existenz des (neoliberalen) Weihnachtsmannes überzeugen? Oder handelt es sich lediglich um eine unbedachte sprachliche Übernahme bzw. Aneignung? Die freilich ebenfalls durchaus symptomatisch sein könnte: Gerade in diesem Zusammenhang von „Staat“ zu sprechen, wäre regelrecht peinlich. Oder?
Sehr geehrter Herr Posener, im Wesentlichen stimme ich Ihnen zu (das mit dem Waschen und Kämmen müssen wir sicher nicht so wörtlich nehmen), aber als Lehrer geht mir in der Tat die seit den 90er Jahren modische Analogie zwischen Schule und Dienstleistungsunternehmen (mit Verlaub) auf den Sack. Ich hörte sie erstmals von einem Gesamtschuldirektor in NRW, der sich auf seine (Partei)freundschaft mit Johannes Rau viel zugute hielt und besagte Analogie einfach zur Disziplinierung von Kollegen einsetzte, die in seinen Augen zu strenge Noten gaben: Die Eltern erteilen euch den Bildungsauftrag, ihr gleicht bitteschön die Herkunftsnachteile unserer Schüler auch dadurch aus, dass ihr ihnen bessere Noten gebt als ihr selber für angemessen haltet. Es sind aber nicht die Eltern, die uns bezahlen (zumindest in NRW dürfen auch Privatschulen kein Schulgeld erheben), auch der Bildungsauftrag wird nicht von Eltern ausgesprochen, die aber ihrerseits einen Erziehungsauftrag haben, die Schulpflicht setzt der Staat durch, das alles aus gutem Grund. Daran krankt die Dienstleistungsanalogie doch erheblich. Das heißt aber nur, daß ich mein professionelles Ethos nicht aus einer Dienstleistungspflicht gegenüber den Eltern abzuleiten habe, sondern mich direkt dem Wohl der Schüler verpflichtet fühlen sollte, was auch eine realistische (natürlich irrtumsanfällige) Einschätzung der Leistungen einschließt. Als Dienstleister/Serviceleister für Eltern wäre die Unabhängigkeit der Leistungsbewertung kaum zu halten. Das ist, nebenbei, kein Plädoyer für den Beamtenstatus von Lehrern (bin selber „nur“ Angestellter), der m.E. aus guten Gründen aufgegeben werden könnte.
Mit besten Grüßen an den ehemaligen Kollegen APo!
So ein Unsinn.
Mag sein, dass man die Schulen heute als „Serviceunternehmen“ bezeichnen kann, aber so wenig wie die Bahn dafür zuständig ist, Sie direkt bis vor die Haustür zu befördern, so wenig ist die Schule dazu gedacht Kindern die Erziehungsgrundlagen zu vermitteln.
„…und zwar sehr gut bezahlt, den Kindern das beizubringen, was sie im Leben brauchen, und tatsächlich sollen sie jeden Tag „bestens erzogen“ werden und am Ende ihrer Schullaufbahn „voller Wissen“ sein..“
Lehrer, gerade die, die sich tatsächlich bereit erklären in einer Problemschule zu unterrichten, werden nicht annähernd gut genug bezahlt für das, was sie leisten. Ein Freund von mir und seine Frau arbeiten an eben so einer Schule. Sie hat mir erzählt, dass sie sich schon mal als F… bezeichnen lassen kann. Verwarnungen aussprechen und anschließende Lehrerkonferenzen wenn es mehr als einmal geschieht sind das Einzige, was dann als Konsequenz noch geblieben ist.
Eltern neigen heute dazu ihre Verantwortungen der Schule aufzulasten. Aber die Schule kann Kinder nur da abholen, wo Eltern schon angefangen haben, in Sachen Erziehung ebenso wie in dem vemittelten Maß an Lust zum Lernen. Das lernt man, wenn man Glück hat und in halbwegs gutem Hause aufgewachsen ist, durch lesen von Bilderbüchern und Märchen, durch gemeinsames aufmerksam durch die Welt laufen, durch fragen und erklären. Die Schule soll Wissen vermitteln, da haben Sie Recht, nicht aber Erziehung. Viel schlimmer noch ist die Selbstverständlichkeit mit der Eltern mittlerweile Ansprüche an die Schule haben, ohne sich an die eigene Nase zu fassen.
Wenn einige Eltern in ihrer Kindererziehung nur halb so engagiert wären wie in Sachen Beschwerdeführung, wenn der Unterricht nicht mindestens Privatunterrichtniveau hatte, ist unfassbar.
(noch) Kostenlose Bildung für Kinder ist schätzenswert und es ist für Eltern ebenso verpflichtend wie für Lehrer, sich mit gegenseitigem Respekt zu begegnen, anstatt die Wut und die Angst, der eigene Nachwuchs könnte eben „nur eine drei“ bekommen, am Lehrer auszulassen.
Ich habe gerade letztes Wochenende wieder eine Gruppe Frauen getroffen. Man stellte sich vor, eine von ihnen war Rechtsanwältin, eine noch im Studium. Die dritte zögerte und wollte nicht sagen was sie macht, gab dann aber doch zu: Sie sei Lehrerin.
Entschuldigen Sie mal, wo leben wir, wenn man sich für einen ehrenwerten Beruf wie den des Lehrers schämen muss??? Wem die staatlichen Schulen nicht genügen, der soll es selber machen.