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Rom und Mekka: Heilig und Ewig

Von Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur „The European“:

Der Spiegel, so hat es der Kabarettist Hagen Rether gesagt, betreibe „Moslem-Bashing“. Er macht dies unter anderem an den tiefschwarzen Hintergründen fest, auf denen die Contra-Islam-Themen pranken: „Papst gegen Mohammed“ oder „Mekka Deutschland – die stille Islamisierung“. Und zu Weihnachten 2009 fragte das Nachrichtenmagazin sogar „Wer hat den stärkeren Gott?“ – die Christen oder die Muslime (dieses Mal allerdings nicht auf schwarzem Grund).

Um zum Fest der Liebe zu versöhnen, haben sich die Kollegen in Hamburg entschieden, dieses Jahr einen islamfreundlichen Titel zu machen: „Mythos Mekka – die Schicksals-Stadt des Islam“. Der Hintergrund ist wieder schwarz – vielleicht, um im Bild von Hagen Rether zu bleiben –, das Ressentiment gegen die Muslime zwar zu schüren, dann aber nicht zu bedienen. Geschrieben ist der Text von einem Deutschen, der zum Islam konvertierte, als er eine Muslimin heiratete. So steht es in der Ankündigung des Textes auf Seite 3. Es ist normal und anständig, wenn man in eine gute islamische Familie keine andere Religion mitbringt. Die Top-Toleranz-Religion des Erdballs ist damit adäquat vorgestellt.

Konvertiten, das gilt religionsübergreifend, sind ja immer die größten Hardliner und riesigsten Nervensägen. Und sie sind sehr eifrig, vor allem im Verhältnis zu den anderen Religionen oder gar der Religion, der sie früher einmal anhingen. So vergleicht der Autor Bernhard Zand die Stadt Mekka mit Rom und schreibt: Mekka ist „Mittelpunkt des islamischen Universums und Kern des individuellen Glaubens. Es ist kein Thron, kein Kirchenfürst, von dem diese Weihe ausgeht. Sie geht von dem Ort aus, von den ewigen Koordinaten der Kaaba, um die Tag und Nacht die Pilger kreisen“.

Nun, die Stadt Rom hat für Christen aller Konfessionen eine tiefe Bedeutung, weil hier, im Mittelpunkt des antiken Universums, die ersten Christen für ihren Glauben an Jesus Christus mit dem Leben zahlten. Sie wurden in den Arenen hingemetzelt oder als Fackeln benutzt und verbrannt. Also nichts mit goldverzierter Kirchenverwaltung (Papst-Bashing), sondern Martyrium. Das mag dem Islam als einer Religion, die nach ihrer Gründung anders als das Christentum nicht zu Fuß und mit dem Wort, sondern auf dem Pferd und mit dem Schwert ausgebreitet wurde, fremd sein. Märtyrer ohne Bombengürtel? – Verrückt!

Gibt es denn eine Brücke zwischen Rom und Mekka, christlicher und islamischer Welt? Bernhard Zand beschreibt eindrücklich und genau, wie diese heilige Stadt des Islams, wie das Allerheiligste der Muslime von weltlichem Tand und Prunk eingekesselt und vereinnahmt wird: große Hotels, Fast-Food-Ketten, Pilgerindustrie. Da teilt die Kaaba ein Schicksal mit der Peterskirche. Heilige Stätten – sie sollen nicht mehr sein im 21. Jahrhundert? Nun, Wallfahrten bedeuteten immer sprudelnde Geldquellen: Pilger mussten schlafen, sich verköstigen, Andenken erwerben. Die christliche Welt kennt das bis in die Gegenwart, Mekka war schon in vorislamischer Zeit ein Wallfahrtsort. Die durchökonomisierte Welt findet auch für das Spirituelle einen Revenue-Stream.

Zand beschreibt, dass die Modernisierung Mekkas mit vielen Fragen junger Muslime an die Gelehrten einhergeht. Beginnt hier, im Herzen des Islams, eine neue, junge, kritisch-reflexive Theologie? Zu wünschen ist es dieser Religion, die die Kultur von Ländern ausmacht, deren Bewohner zu einem überwältigenden Teil unter 25 Jahre jung sind, die moderne Kommunikation nutzen und die verstehen, dass die Welt nicht hinter dem nächsten Minarett endet.

Nichts ist uns sicher: die Existenz der Seele, die Freiheit des Willens, die Unerklärlichkeit der Natur, die Größe oder Finalität des Universums. Aber wie sollen wir als kontingente Wesen überleben, wenn uns klar wird, dass die religiösen Überzeugungen, die über die Jahrtausende dazu dienten, uns das Leben erträglicher und erklärlicher zu machen, nicht wahr sind? Wunder gibt es nicht, sondern nur Machbarkeiten. Die Religionszentralen in Rom und Mekka stammen aus einer anderen Zeit, als die Evolution uns noch mit Religion am Leben zu bleiben half.

Was kommt jetzt – Horror Vacui, die Angst vor der Leere? Am 1. Januar beginnt nicht eine Zeit größter apokalyptischer Unsicherheit, sondern das Jahr 2011 nach Christi Geburt. Der Glaube muss sich wandeln, wenn er nicht verschwinden soll. Die Antworten auf die großen Fragen stehen weiterhin aus. Kommen neue Gedanken dazu aus Rom und Mekka?

Alexander Görlach ist Herausgeber und Chefredakteur des Debatten-Magazins The European.

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4 Gedanken zu “Rom und Mekka: Heilig und Ewig;”

  1. avatar

    Gute Beitrag. Allerdings: „Das mag dem Islam als einer Religion, die nach ihrer Gründung anders als das Christentum nicht zu Fuß und mit dem Wort, sondern auf dem Pferd und mit dem Schwert ausgebreitet wurde, fremd sein. Märtyrer ohne Bombengürtel? – Verrückt!“ Das ist das christliche Selbstbild. Fragen Sie doch mal die Menschen in Lateinamerika, wie sie zum Christentum kamen? Durch praktizierte Nächstenliebe der Spanier und Portugiesen, oder vielleicht doch durch Feuer und Schwert?

  2. avatar

    Weder Rom noch Mekka und auch nicht „New Yaaark“: 2011 Daran koennen alle die Guttenbergs, Liebermans, oder Ibn Sauds etwas aendern – die „Globalisierung“ fliesst langsam, sehr langsam zu einer „Multipolaritaet“. Die verschiedenen Kulturen in Asien, werden neben dem „Shopping Mall“ auch ihre eigenen Wurzeln modernisieren und nicht alles und jedes von Rom, Mekka oder „New Yaaark“ kopieren. Lateinamerika blickt in den Spiegel und sieht einen multirassischen Menschen, welcher heute skeptisch wird gegenueber den „Gutmenschen“ vom Europa (NATO, Vatikan, EU Agrarsubventionen, „Entwicklungshelfer“) – und immer argwoehnischer blickt auf den „Hemispheric Leader“ welcher „Security Cooperation“ erzwingen moechte: Der Islam ist kein Problem fuer die 500 Millionen in Lateinamerika – im Gegenteil – wie das rote Tuch beim Stierkampf – finden die „latinos“ den Islam eine willkommene Ablenkung fuer die Geostrategen der USA-NATO: Fuer Lateinamerika – praktisch gesehen – ist der Islam ein stiller Verbuendeter im ewigen Unabhaengigkeitskampf gegen die alten Kolonialmaechte. Fuer die 500 Millionen „latinos“ und die Mehrzahl der 1.3 Millionen Chinesen ist die USA und das NATO-Europa die latente geopolitische Bedrohung – nicht der Islam.

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