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Müssen Christen antimodern sein?

Er fände es „ganz unironisch schade“, wenn es sich erweisen sollte, dass die katholische Kirche infolge des Missbrauchsskandals „irreparabel geschwächt“ sei, schrieb Harald Martenstein am Sonntag im Berliner „Tagesspiegel“.

Und er begründete das folgendermaßen: „Dass die Kirche nicht ‚modern’ sein wollte, war bisher eine Stärke. So, wie jeder Angeklagter einen Pflichtverteidiger braucht, haben auch die Tradition und die alten Werte, egal wie man sie findet, einen Pflichtverteidiger nötig. Jemand muss sagen, dass ‚neu’ nicht automatisch ‚besser’ ist, denn häufig stimmt das. Die Kirche war die letzte Kraft, die so etwas glaubwürdig vertreten konnte.“

Ich muss vorausschicken, dass ich Martenstein mag. Wir sind beide Mitglied bei den „anonymen Bloggern“, wir haben beide einen ähnlichen kulturellen Hintergrund, wir lieben beide Berlin-Kreuzberg. Ich bewundere seine Art zu schreiben. Aber wenn ich dieses schwachsinnige Argument, das dieser Tage landauf, landab wiederholt wird, noch einmal höre, werde ich schreien. Mit solchen Freunden braucht die katholische Kirche jedenfalls keine Feinde.

Nach ihrem eigenen Selbstverständnis ist die Kirche weder der Tradition noch den alten Werten verpflichtet, und schon gar nicht ist die deren „Pflichtverteidiger“. Die Kirche versteht sich als mystischen Leib Christi. Ihr Reich ist – wie seins – nicht von dieser Welt. Die Kirche ist darum weder konservativ noch progressiv, weil konservativ und progressiv eben weltliche Kategorien sind.

Wenn man aber die Entstehung des Christentums betrachtet, so tritt sie nicht als konservative, sondern als revolutionäre Kraft auf. Die Traditionen und Werte des Judentums, aus dem die neue Religion hervorgeht, wirft sie über den Haufen: Beschneidung, Speisegesetze, Ehegesetze, Tempeldienst. Von einem „neuen“ Bund ist die Rede, der den alten Bund ablöse, wie überhaupt bei Paulus ständig vom „neuen“ Menschen die Rede ist.

Auch die Traditionen und Werte der hellenistisch-vorderasiatischen Religionen werden beiseite gefegt, vor allem jene synkretistische Toleranz, von der das frühe Christentum selbst profitiert hat. „Du sollst keine Götter haben neben mir“ war einst das Gebot Jahwes an sein Volk und setzte die Existenz anderer Götter voraus. Die Christen machen das Gebot zum Gesetz gegen alle Nichtchristen und alle anderen Götter. Einmal an die Macht gelangt, verbieten die Christen via den Kaiser alle anderen Kulte außer dem Judentum, das sie als verachtete Minderheit brauchen, und etablieren ihren als die einzig wahre Religion – und die Religion als die einzige gültige Wahrheit. Bis heute leiden wir an dem totalitären Wahrheitskult, den das Christentum als Neuheit in die Menschheitsgeschichte eingeführt hat.

Das Christentum – die katholische Kirche – als Anwältin alter Traditionen und Werte? Das dürfte die überwältigende Mehrheit der Menschen jedenfalls anders sehen. Man frage etwa die Nachkommen der Azteken und Inkas und der anderen indigenen Völker Südamerikas, deren Traditionen mitsamt ihrer Religion mit Feuer und Schwert vertilgt wurden, was sie von dieser Interpretation der Kirchengeschichte halten.

Das Christentum – die katholische Kirche – als Anwältin alter Traditionen und Werte? Man könnte auch darauf hinweisen, dass die Reformation Martin Luthers keineswegs als „Aggiornamento“, als Anpassung der Kirche an die beginnende Moderne, gedacht war; vielmehr war sie eine fundamentalistische Kritik an dieser ständigen Anpassung. So empörte sich Luther darüber, dass sich der Vatikan bei der Kalenderreform der modernen Berechnungen des Kopernikus bediente, obwohl dieser dabei das heliozentrische Modell zugrunde legte – ein Modell, das, wie Luther nachwies, nicht wahr sein konnte, da es eindeutig der Heiligen Schrift widersprach.

Kurz und gut: wer das Christentum allgemein und die Katholische Kirche insbesondere als Anwältin der Tradition und der alten Werte und als Anklägerin wider die Moderne versteht und gar instrumentalisieren will, missversteht Christentum und Kirche, missbraucht sie sogar, weil er sie für menschliche Zwecke und Bedürfnisse einspannt; dabei ist es der Sinn jeder Kirche, den Menschen für göttliche Zwecke einzuspannen.

Weil man das auch in den Kirchen so begreift, wurde die Losung „Werte brauchen Gott“, mit der die bigotte Kampagne gegen den Ethikunterricht in Berlin zunächst geführt wurde, bald wieder zurückgezogen. Denn die Losung wäre das implizite Eingeständnis, dass wir Gott erschaffen, um Werte, die wir gesellschaftlich für wichtig erachten, zu legitimieren. Man muss aber gerade der katholischen Kirche zugute halten, dass sie um den Preis der Absurdität für den Widerspruch zwischen gesellschaftlichen und göttlichen Werten einsteht. Anders ist zum Beispiel der familienfeindliche Zölibat nicht zu begreifen, eine Einrichtung, die noch Paulus allen Christen – gegen alle gesellschaftliche Tradition – verordnen wollte. Der Zölibat muss schon deshalb zusammen mit dem Mönchtum erhalten bleiben, weil er den Anspruch Gottes auf den ganzen Menschen jenseits aller gesellschaftlichen Vernunft verdeutlicht.

In der Auseinandersetzung mit der „Befreiungstheologie“ hat Joseph Ratzinger immer wieder betont, dass ihn nicht deren soziale Ziele an sich stören, sondern dass er die Politisierung der Theologie überhaupt als Verrat an der Lehre Jesu versteht. Darin kann man ihm als Befürworter eines säkularen Staates durchaus folgen. Es kann zuweilen richtig sein, Großgrundbesitzer zu enteignen. Es kann niemals richtig sein, dies mit Gottes Willen zu begründen – ebenso wenig wie es richtig ist, schreiende soziale Ungerechtigkeiten mit theologischen Argumenten zu rechtfertigen, wie es die Kirche allzu oft und allzu lange getan hat.

Leider hat Ratzinger seine eigenen theologischen Grundsätze und das Wesen seiner Kirche verraten, indem er die Kirche eben – wie es Harald Martenstein formuliert – zum Pflichtanwalt derjenigen Kräfte machte, die gegen die Moderne kämpfen. Gegen die Emanzipation der Frau, die Gleichberechtigung von Homosexuellen, die parlamentarische Demokratie, die Konsumgesellschaft, die Aufklärung, die Evolutionstheorie usw. hat er theologisch argumentiert und damit die Kirche zur Dienstmagd der Politik gemacht. Und darin, nicht in der seit Jahrhunderten bekannten moralischen Verkommenheit eines Teils der Priesterschaft, liegt der eigentliche Grund für die Existenzkrise der Kirche.

Harald Martenstein findet: „Jemand muss sagen, dass ‚neu’ nicht automatisch ‚besser’ ist.“ Aber es fehlt in Deutschland beileibe nicht an Leuten, die sagen, dass neu nicht automatisch besser ist, sondern an Leuten, die sagen, dass neu meistens doch besser ist. Alt-68er, die auf ihre alten Tage konservativ werden, haben jedenfalls eine reiche Auswahl an Identifikationsangeboten. Die SPD ist gegen ihre eigenen Arbeitsmarktreformen, die CDU ist gegen das Abhängen von Kreuzen im Klassenzimmer und vor allem gegen Ministerinnen mit Migrationshintergrund, die ihren eigenen Kopf gebrauchen, die Grünen sind gegen die Gentechnik und die FDP, die FDP ist gegen neues Denken nach der Finanzkrise, die Linke ist gegen alles, was nach 1989 passierte. Kurz und gut: Nostalgie ist noch lange  kein Grund, Benedikts Kirche auch nur eine Träne nachzuweinen.

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21 Gedanken zu “Müssen Christen antimodern sein?;”

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    Aus den Befragungen habe sich aber außerdem der Verdacht ergeben, dass Mixa gegenüber den Nonnen das Beichtgeheimnis verraten und diesen aus den Beichten der Heimkinder berichtet habe.

    Dass die Kinderbeichte nicht ernst genommen und das Beichtgeheimniss gebrochen wurde, kann ich aus der Erfahrung meiner Klosterschulzeit bestätigen. (Der Bruch des Beichtgeheimnisses z.B. gehört zu den Punkten, die ich weit schlimmer fand als die Prügel, die wir bekommen haben.)

    Genau in diesem Punkt wird deutlich, worum es in den Missbrauchs- und Misshandlungsfällen geht: Kinder haben (wie Frauen) in der Kirche einen naturrechtlichen Minder-Status. Und die Statusminderung gründet tief in der „Hierarchietheologie“ der Kirche. Insofern ist sie konstitutionell.

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    Ein Polizist wird für eine Tat, welche er begangen hat bestraft (wenn man Einbrechen geht muss man halt damit rechnen dass man erschossen wird.
    Die Priester und Pfarrer fallen wahrscheinlich genauso wie die Politiker in die Immunität. Sie gehören genauso wie alle anderen vor Gericht und ins Gefängnis.

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    Dieser Papst sollte schnellstens zurücktreten, denn er hätte überhaupt nicht antreten sollen, wenn man Fortschritte im interreligiösen Dialog erwartet.

    Im Vergleich mit seinen Vorgängern, Johannes dem XXIII. und Johannes Paul II. war die Amtsübernahme des Ratzingers ein Rückschritt ins finstere Mittelalter, wo die Leute noch mit dem Evangelium erschlagen wurden. Bereits in seinen Schriften, z.B. „Gott und die Welt“ hat der reichlich Zeugnis seines düsteren Glaubens abgelegt.
    Die „Rückführung“ der Holocaust – Leugner und „Renovierung“ des Fürbittgebetes in der Karfreitagsliturgie kommen so nicht von ungefähr. Reicht da die Meinung des Theologen Küng aus, daß dieser Papst zu weit „weggesperrt ist von der Realität“? Eindeutig nein.

    Wir brauchen immer mehr Schutz gegen fundamentalistische und fanatisierte Moslems. Jetzt auch noch vor fundamentalistischen Katholiken? Oder schützt die die „Glaubens-Gewißheit eines Christenmenschen“ (Luther) vor fundamentalistischem Schwachsinn? Wir wollen es alle hoffen, daß Gott uns nicht noch dieses Übel zusätzlich beschert. Wir haben schon genug.

    Ja, ohne wenn und aber – dieser Papst ist ein Unglück für alle fortschrittlichen Kräfte in der Kirche, ein Unglück für die Ökumene und ein Unglück für den Dialog mit allen anderen Religionen! Er wird alles zerstören was das 2. Vatikanische Konzil mühsam aufgebaut hat.

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    Die Anmerkungen von Hans sind nicht nur unsachlich und langweilig, sie spiegeln auch sein sehr begrenztes Weltbild wider, das sich auf Dötschland beschränkt. Vermutlich ein Opfer der Globalisierung, das mit Ressentiment und Folklore-Katholizismus gegen das kommende Weltbürgertum kämpft.

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    @ Hans

    Ironie zu verstehen war nie Ihre Stärke… Natürlich ist der Papst fehlbar, sogar mehr als der Otto-Normal-Verbraucher. Es wird Zeit, dass dieser Benedikt sein Amt niederlegt und nach Bayern zurückkehrt. Fanatiker wie Hans brauchen diesen reaktionären Papst in Deutschland.

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    @ David Berger

    Der Papst nimmt gar nicht für sich in Anspruch grundsätzlich unfehlbar zu sein. Wer das Gegenteil behauptet ist ein Ignorant.

    In den 140 Jahren, seit es das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes gibt, wurde davon lediglich EINMAL Gebrauch gemacht:

    http://de.wikipedia.org/wiki/U.....des_Dogmas

    und zwar als Pius XII im Jahr 1950 folgendes feststellte:

    „Wir verkünden, erklären und definieren es als ein von Gott geoffenbartes Dogma, dass die Unbefleckte, allzeit jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Ablauf ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.“

    Das besondere daran war, dass Maria nicht nur mit ihrer Seele in den Himmel aufgefahren ist, sondern auch mir ihrem Leib.

    Mir fällt da nur ein:

    Wer‘s glaubt wird seelig.

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    @David Berger

    …oh? ich habe nicht behauptet, dass der Papst unfehlbar ist. Wenn Sie, David Berger, das so sehen, dann scheinen Sie mir ein katholischer Fundamentalist oder ein Fan der kath. Kirche zu sein. Mhmmm? Gegebenenfalls sollten Sie zum Christentum konvertieren. Ich werde schon mal vorab für Sie beten.

  8. avatar

    Hans hat völlig Recht: der Papst ist unfehlbar.
    Das ist ein Axiom wie in der Mathematik. Bitte keine Diskussion mehr. Axiome sind weder synthetische Wahrheiten a priori noch experimentelle Wahrheiten, sondern Konventionen. Also einigen wir uns darauf, dass der Papst unfehlbar ist und sparen wir uns diese unverschämte Diskussion, die in crimen laesae maiestatis ausartet.

    § 95 StGB „Majestätsbeleidigung“
    „Wer den Kaiser, seinen Landesherrn oder während seines Aufenthalts in einem Bundesstaate dessen Landesherrn beleidigt, wird mit Gefängnis nicht unter zwei Monaten oder mit Festungshaft von zwei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“

  9. avatar

    Richtig muss es heißen:

    Aber auch die anderen für die “Unfehlbarkeit” angeführten Stellen: Johannes 16,13 und Mattäus 16,18 taugen aus meiner Sicht NICHT als Rechtfertigung.

  10. avatar

    @ Hans

    Wer sich ein wenig in der katholischen Kirche auskennt, weiss, dass die angebliche „Unfehlbarkeit“ des Papstes nur auf seine Aussagen zu Glaubensfragen bezieht, bei denen er ausdrücklich erklärt, dass er „ex cathedra“ spricht:

    „Wenn der Römische Papst in höchster Lehrgewalt (ex cathedra) spricht, das heißt: wenn er seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen waltend in höchster apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte. Diese endgültigen Entscheidungen des Römischen Papstes sind daher aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich.“

    Papst Pius IX. 18. Juli 1870

    Wenn Sie die Unfehlbarkeit aus:

    „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke; du aber stärke deine Brüder!“ (Luk. 22,32)

    ableiten wollen, wäre das eine sehr freie Interpretation der Lukasstelle.

    Aber auch die anderen für die „Unfehlbarkeit“ angeführten Stellen: Johannes 16,13 und Mattäus 16,18 taugen aus meiner Sicht als Rechtfertigung.

    Leider ist es so, dass dieträge Masse, die einmal in einer Gemeinschaft verbunden ist, allerhand Unfug erträgt, bis sie merkt, dass irgend etwas in die falsche Richtung läuft. Wenn es so etwas wie ein Religionstest gäbe, ähnlich wie dem Wahlomat (www.wahlomat.de), würden sicherlich eine große Zahl der Katholiken feststellen, dass sie z.B. in der bei den Altkatholiken (www.altkatholisch.de)eigentlich viel besser aufgehoben wären. Die Altkatholiken haben damals nach dem 1. Vaticanum gesagt, da machen wir nicht mit und danach all die Reformen durchgeführt, von denen viele Katholiken heute träumen.

    P.S.: Ich bin kein Altkatholik sondern wünsche mir manchmal, dass ein Wunder geschieht und die Bischöfe in der katholischen Kirche wieder Funkkontakt zur „Basis“ und zur „Leitzentrale“ bekommen.

  11. avatar

    Lieber Herr Posener,

    ihr Zitat ist nicht ganz korrekt, richtig heißt es im Refrain:

    „Die Partei, die Partei,
    die hat immer Recht!…

    …Wer das Leben beleidigt,
    Ist dumm oder schlecht…“

    Aber als Ganzes stützt das Lied selbstverständlich Ihre These:

    http://www.youtube.com/watch?v=OPNin0-dLVE

    http://www.hdg.de/lemo/html/do.....index.html

    Und zum Schluss noch ein abseitiger Link zu einem Artikel in der Welt:

    http://www.welt.de/print-welt/.....recht.html

    Herzliche Grüße

    Ihr 68er

  12. avatar

    @Apo

    .. nu, nu! LOL ist ein Akronym im Netzjargon für fröhliches Lachen.

    Das die Kirche (natürlich) fehlbar ist, aber dennoch über jede Kritik erhaben – das ist/sind Ihre Projektion/en.

    Hier eine Def. aus dem Katechismus der katholischen Lehre des hl. P. Pius X. (Schon fast verbotene Literatur in D. ;-))

    Die katholische Kirche lehrt nicht, dass der Papst nicht sündigen könne, sie lehrt auch nicht dass der Papst in keiner Sache irren könne; nicht einmal lehrt sie, dass er in Glaubenssachen keinerlei irrige Meinung haben könne, sondern nur, dass er durch Gottes Beistand vor Irrtum bewahrt bleibe, wenn er über Glaubens- und Sittenlehren eine Entscheidung trifft und der ganzen Kirche befiehlt, dies anzunehmen.

    Eine solche Unfehlbarkeit hat Christus selbst dem hl. Petrus verheißen mit den Worten: ‚Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke; du aber stärke deine Brüder!‘ (Luk. 22,32)

    Zum Leninismus: ahemmm – Apo, das kann ich mir nun wirklich nicht verkneifen: Ich bin nicht mit ’ner Mao-Fibel herumgelaufen und habe ‚Ho, Ho, Ho Chi Minh‘ skandiert.

  13. avatar

    @ KJN: Ich wollte nur feststellen, dass die katholische Kirche weder von ihrem Ursprung noch von ihrer Funktion her auf die Verteidigung des Bestehenden oder Altehrwürdigen abonniert war und ist. Manches Neue, das mit Paulus und der Hellenisierung (sprich: Plantonisierung) des Christentums zum Massenphänomen wurde, zum Beispiel den Wahrheitskult, lehne ich überdies ab. Paulus sagt. die Wahrheit wird euch frei machen. Das stimmt nachweislich nicht. Der Wahn, im Besitz der Wahrheit zu sein, macht unfrei. Die Freiheit ist die Voraussetzung jeder Suche nach „Wahrheit“.
    @ Hans: Lesen Sie mal mein Papst-Buch. Dort finden Sie die entsprechenden Stellungnahmen Benedikts zu den angesprochenen Themen. Ich fürchte jedoch, die werden Sie nicht weiter beunruhigen, denn Ihre Reaktion auf jede Kritik ist „LOL“. Die Kirche sei natürlich fehlbar, aber dennoch über jede Kritik erhaben. Diesen Kult der Institution findet man am stärksten ausgeprägt im Leninismus: „Die Partei, die Partei, die hat immer Recht… und wer das nicht erkennt, der ist dumm oder schlecht: die Partei, die Partei, die Partei!“

  14. avatar

    Mit Ihrem neuesten Text habe ich mich sehr schwer getan, auch um des Verständnisses willen.
    Sie kritisieren die Instrumentalisierung der katholischen Kirche als „Pflichtverteidiger der Tradition und der alten Werte“ (so der Kollege H. Martenstein), bezeichnen es als „Mißbrauch“, wenn sie für „menschliche Bedürfnisse und Zwecke eingespannt wird….“.

    Aber ist das nicht auch von den Kirchen so gewollt?

    Christen und Muslime missionieren. Das ist ein wesentlicher Grund für ihre Verbreitung. Mission ist Marketing/Werbung, also Manipulation.
    Dazu kann man den „Ungläubigen“:
    1) mit Gewalt schwächen und „christianisieren“ (Conquistadores etc.)
    2) vorhandene Schwächen suchen und weiter verunsichern (Dekonstruktion, gibt es auch in der Psychotherapie oder bei der Werbung)
    Ersteres verbietet sich heutzutage erfreulicherweise.
    zu 2) Die Religionen packen die Menschen gerne bei ihrer Angst (vor der Hölle, die sie selbst forciert, oder eben vor Wandel und Fortschritt) und das nicht erst seit Benedikt XVI. Das verschafft ihr heutzutage zusätzliche gesellschaftliche Legitimation als Gegenkraft zur Fortschrittsgläubigkeit oder zu was auch immer, was für Sie, wenn ich Sie richtig verstanden habe, zuviel Anpassung oder auch Reaktion auf den Zeitgeist ist.
    Wie ist der denn eigentlich, der Zeitgeist? Konservativ oder Fortschrittsgläubig? Vielleicht beides gleichzeitig bei verschiedenen Themen.

    „Die Kirche“ mischt sich also in Alltagsthemen und Politik ein:
    Macht sie das aber in erster Linie um viele Menschen zu erreichen, die sie sonst nicht erreichen würde (Mission), oder ist das Exegese?
    Hat das Jesus von Nazareth auch schon gemacht, hat er Simon (Petrus) nicht etwa zur „Menschenfischerei“ angestachelt (Matthäus 4,19)?
    Da sich das Christentum in der Nachfolge von Jesus Christus sieht, folgt sie ihm dann nicht exakt mit ihrer Mission?

    Ich möchte das jetzt nicht beantworten oder beantwortet haben, sondern versuche nur mal auszuloten, was davon wirklich essenzieller Bestandteil des christlichen Glaubens ist.
    Es hat keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden, denn – egal wie man zum Christentum oder zur kath. Kirche steht – Mission ist offensichtlich zentraler Bestandteil davon. Und eine gewisse Reaktionsbereitschaft auf die „Volkseele“, sei es durch Seelsorge, Ablasspraktiken oder Stellungnahme zu beunruhigenden politischen Themen.
    Es stellt sich wohl die Frage, wie weit die Praktiken der Missionare gehen dürfen. Taktiert sie da zu großzügig und ist zu sehr auf Machtausbau aus, ist sie nicht besser, als z.B. Scientology.
    Kümmert sie sich überhaupt nicht ums Diesseits, verliert sie an Anziehungskraft. Da kann sie viel falsch machen. Von da her stimme ich Ihrer Analyse zu, mit der Folgerung für die Kirche um ihrer Selbsterhaltung willen: Das Göttliche (das Inhaltliche, die Stärken) betonen, nicht die Mission (das Marketing), denn bei letzerem verliert sie sich, wenn sie zu viel taktiert.

    Ich meine, es ist eine zweiseitige Sache mit dem „Benutzen“ der Kirchen für menschliche Interessen, vielleicht sogar eher noch bei der evangelischen Kirche..
    Opportunismus auf beiden Seiten!

    Zum Schreien finde ich das aber nicht so, wie die beklemmende Würdelosigkeit und Häme der letzten Monate.
    Beste Grüße
    KJN

  15. avatar

    Apo schreibt: ‚Bis heute leiden wir an dem totalitären Wahrheitskult, den das Christentum als Neuheit in die Menschheitsgeschichte eingeführt hat.‘

    *LOL* Apo, Sie schreiben tatsächlich – Sie leiden an der Wahrheit.

    Zu Ihren ‚Indianerkriegen‘ in Südamerika und anderen Vorhalten: Päpste und Kleriker (nicht alle und vor allem nicht viele) haben durch ihr Verhalten in der 2000-jährigen Geschichte der rKK immer wieder ’schweren Schaden‘ zugefügt. Wer bestreitet das? Und was hat das mit Ratzinger zu tun?

    Die christliche Botschaft übrigens habe die, die das Vertrauen der Kirche Christi missbraucht haben nicht überwinden, nicht zerstören können. ‚Gestern‘ wie heute.

    Man kann der Amtskirche vorwerfen, dass sie gefehlt hat und zwar nicht zu knapp. Aber ihr vorzuwerfen, sie sei für Millionen Opfer verantwortlich, ist barer Unsinn und stammt, wie so vieles, was man der Kirche gerne anhängt, aus zum Teil unseriösen und unwissenschaftlichen Bezeugungen (s.h.: Deschner, Schmidt-Salomon und viele andere).

    Apo, wie oder was ist Ihre Vorstellung von – ‚Moderne‘? Was soll das sein? Was meinen Sie mit die Kirche Christi ‚kämpft‘ ‚gegen die Emanzipation der Frau‘? Wessen Ethik wollen Sie?

    Christus hat als erster die Frau als gleichberechtigt anerkannt und behandelt. Maria Magdalena war die erste, die von seiner Auferstehung erfuhr, andere Beispiele: die Ehebrecherin, die Samariterin am Brunnen, Martha und Maria, etc., etc.); Christus hat die Menschen aus ihren – mit unserem heutigen Verständnis kaum noch begreifbaren – ‚Sippen- und Familientraditionen‘ befreit: die Frau nur als schmückendes Objekt des Mannes, in der griechischen Pollis und im römischen Recht gab es kein Lebensrecht für Kinder und Sklaven. Aus all dem hat Christus mit der Nachfolge-Aufforderung ‚Männer und Frauen‘ herausgeholt und gesagt: ‚die den Willen meines Vaters tun, die sind meine Brüder und Schwestern‘.

    Und zur ‚Aufklärung, Evolutionstheorie‘

    Ohne Schöpfungslehre keine moderne Wissenschaft!

    Sie negieren die kulturelle Leistung des Schöpfungsberichtes. Ohne Schöpfungsbericht gäbe es keine moderne Wissenschaft. Warum? Der Schöpfungsbericht entmythologisiert die babylonische Götterwelt. Darin war die Erde, der Himmel, die Sonne – alles Götter, die aus dem Götterkampf der mythischen Schöpfung hervorgegangen waren. So waren die Berge – die Brüste ehemaliger Götter. Die Juden erklären in Auseinandersetzung mit diese Götterwelt diese für ‚Nichtse‘ und machen damit die Welt Götterfrei. Dadurch ist ein neuer Zugang zur Weltwirklichkeit gegeben. Dass Gott als Schöpfer benannt wird, der die ehemaligen Götter – Sonne z.B. – schafft, behält aber das Gleichgewicht des Fragehorizontes.

    D.h. letztlich ist die Welt durch den Menschen nicht gründbar. Er hat sich zu verantworten vor einem Letzten, dem Gründer.

    Noch kurz zu Niedersachsen: Ich weiß nicht auf ‚welchen einen und einzigen Gott‘ die Muslimin Aygül Özkan schwört.

    Christen verehren die Allerheiligste Dreifaltigkeit und beten unseren Herrn Jesus Christus als den dem Vater wesensgleichen Sohn an.

    Auch steht in Matthäus, Kapitel 5 geschrieben:

    Vom Schwören

    33 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören, und: Du sollst halten, was du dem Herrn geschworen hast.
    34 Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht, weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron,
    35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel für seine Füße, noch bei Jerusalem, denn es ist die Stadt des großen Königs.
    36 Auch bei deinem Haupt sollst du nicht schwören; denn du kannst kein einziges Haar weiß oder schwarz machen.
    37 Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.

    (o.t. – einige Zeilen habe ich einem Kommentar von ‚libertus religiosus‘, einem ‚Mitforisten‘ aus dem Apocalypso-Blog ‚geliehen‘. Falls er dieses liest, viele Grüße – hans)

  16. avatar

    @Lieber Alan Posener: Schön, daß Sie wieder da sind – und, ich schreie mit Ihnen.
    Man muß Martensetin übrigens widersprechen. Daß neu einmal auch z.B. besser sein kann, hat die kath. Kirche doch selber damit bestätigt, daß sie doch immerhin nach mehr als 400 Jahren Gallilei rehabilitiert hat.

  17. avatar

    Ecrasez l’infâme! (Zermalmt das abscheuliche Ding, sprich die kath. Kirche bzw. den Aberglauben; Voltaire)

    „1) Herr Posener, warum hassen Sie die Kirche?

    Was für eine schwachsinnige Frage. Ich hasse die Kirche gar nicht. Ich stehe auf dem guten, alten preußischen Standpunkt, dass jeder nach seiner Façon selig werden soll – der Christ, der Muslim, der Jude, der Atheist. Wer mich in Ruhe lässt, den lasse ich in Ruhe.“

    http://hiram7.wordpress.com/20.....hrlichkeit

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