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Wer regiert? Nach dem „Kapitalismus auf Pump“ ist starke Politik gefragt

„Ich glaube an die Deutsche Bank, denn die zahlt aus in bar“. Die Zeile aus einem Song von Marius Müller-Westernhagen aus den 80er Jahren gibt einen Stimmungstrend wider, der fast dreißig Jahre angehalten hat. Zehntausende junge Abiturienten und Akademiker zog es in diesen Jahren in den Finanzsektor.

„Aus Geld Geld machen“ war das Lebensziel einer ganzen Epoche, welche der Soziologe Ralf Dahrendorf in einem fulminanten Essay kurz vor seinem Tod in diesem Jahr als „Kapitalismus auf Pump“ beschrieb. Seine Parole hieß „Enjoy now, pay later!“ Die Grundannahme dieser Ideologie: Irgendjemand da draußen würde schon die Zeche zahlen. Heute, nach dem Crash vor einem Jahr, wissen wir, dass damit die Verbraucher und Steuerzahler, der durchschnittliche Bürger, gemeint ist.

Wir haben gelernt, dass Banken „systemisch“ sind. Der Bankrott einer großen Bank reißt Millionen mit in den Abgrund. Essentielle Voraussetzung eines jeden Systems ist jedoch Vertrauen. Auch Banken brauchen ein Klima des Vertrauens. Sonst geben sie keine Kredite. Und genau dies ist heute das Problem. Das Vertrauen zwischen Banken, Unternehmen und Verbrauchern ist grundlegend und nachhaltig gestört. Wer ist in der Lage es wieder herzustellen? Allein die Politik. Nur sie ist in der Lage Mentalitäten nachhaltig zu verändern.

Die grundlegende Frage ist, wie das kurzatmige Denken in Wirtschaft und Gesellschaft wenn nicht gestoppt, so doch wenigstens korrigiert werden kann. Dazu muss sich die Politik zunächst selbst von einem kurzfristigen Denken verabschieden und ein neues Verhältnis zur Zeit entwickeln.

Die „Schuldenbremse“, die ab 2016 in Bund und Ländern die tickende Zeitbombe der Staatsverschuldung in Griff bekommen soll, wird dabei wie ein Katalysator wirken. Vorher jedoch müssen rasche reale und auch symbolische Maßnahmen greifen. Real: Die öffentlichen und privaten Banken müssen an den Folgen ihres Missmanagements beteiligt werden, etwa durch eine solidarische Bankensteuer.

Die Verluste allein den Steuerzahler zu überlassen, verstößt gegen das Verursacherprinzip und zerstört weiter Vertrauen. Symbolisch: Gehälter und Boni-Zahlungen sind „systemisch“ zu begrenzen. Die Zahlung von horrend klingenden Vergütungen kann nicht mehr durch einen Hinweis auf die mögliche Flucht der Banker zur Konkurrenz begründet werden.

Die Flucht dieser Elite ist längst im Gange. Der Mainstream gleicht heute einem ihrer Produkte: sie sind zu einem „Derivat“, einem Abbild ihrer selbst geworden. Aus dem Geld, das ihnen nicht gehörte, Geld machen, hinter dem keine realen Werte steckte und das sie selbst zu Superreichen beförderte war das Credo dieses Spekulationskapitalismus.

Wenig spricht dafür, dass das Finanzsystem begriffen und Lehren gezogen hat. Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, behauptete erst letzte Woche, ironischerweise auf einer Veranstaltung zum 20. Todestag Alfred Herrhausens, dem früheren Vorstandssprecher der Bank, dass in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Renditeziele weder im gesellschaftlichen Konsens noch von der Führung eines Unternehmens festgelegt würden, sondern vom Markt.

Das genau ist das Problem. Ist der Staat der Ausfallbürge dieser Ordnung oder steht er nicht vielmehr über ihr als Garant des Gemeinwohls? Sind die Banken das System und der Staat und seine demokratische Ordnung Systemausputzer? Gegen eine solche Denke hilft ein ordentliches Haftungsrecht. Wer irrt und fehlt, muss für die Folgen einstehen oder sich dagegen versichern.

Auf einer Veranstaltung, die kurz vor dem Auftritt von Josef Ackermann stattfand, bekam der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück Ovationen von seinem Publikum, darunter viele Banker, für die These, dass die Finanzmarktkrise ein Elitenversagen und die größte Bedrohung des Systems maßlose Banker seien. Einlader und Gastgeber war diesmal die Alfred Herrhausen Gesellschaft selbst.

Ackermann, der auch hier auftrat, erwähnte den sozialverantwortlichen und engagierten Bankmanager, der von RAF-Terroristen ermordet wurde, mit keinem Wort. Abbilder brauchen keine Vorbilder. Derivate keine Demokratien. Brauchen wir solche Banken?

Der Autor leitet den think tank berlinpolis (www.berlinpolis.de)

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Ein Gedanke zu “Wer regiert? Nach dem „Kapitalismus auf Pump“ ist starke Politik gefragt

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    Interessanter Kommentar! Gut auch, daß sie diesen 80’er-Jahre-Spruch „Aus Geld, Geld machen“ erwähnt haben.

    Allerdings erwähnen sie nicht, die Geldmengenpolitik der Fed in den USA, die entscheidend für das Entstehen dieser Blase war. Hier ein paar interessante Grafiken zu den Geldmengen M1, M2 und M3.

    http://www.marketoracle.co.uk/images/USM1.gif

    http://www.marketoracle.co.uk/images/USM2.gif

    http://www.marketoracle.co.uk/images/USM3.gif

    Und lesen sie mal, was Senator Bunning gestern über den Fed-Chef Bernanke gesagt hat.

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