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Kinder werden nicht als Kriminelle geboren – sie haben es bei uns, den Erwachsenen, gelernt

Da schreien sie wieder auf, die Populisten. Diejenigen, die Rache mit Gerechtigkeit verwechseln. E s ist wieder einmal soweit. Ein krimineller Fall – erschütternd, erbärmlich, brutal, unverständlich, gnadenlos – sorgt dafür, dass die Hardliner der Republik einen Vorwand finden, um sich auszutoben. Junge Menschen haben einen mutigen Bürger zu Tode gebracht. Einen Bürger, der sich für Kinder in einer S-Bahn eingesetzt hat, die von diesen Totschlägern bedroht war. Und schon geht die Debatte wieder los. Erhöht die Jugendstrafen von zehn auf 15 Jahre! Die CSU verlangt harte Strafen. Man fragt sich, wieso nicht 18, 22 Jahre. Die Volksmeinung brüllt: Sperrt „dieses Gesocks“ lebenslang hinter Gitter!

Hinter all diesen Äußerungen versteckt sich eine Hilflosigkeit gegenüber einer seit Jahren steigenden Entwicklung. Eine Brutalisierung in der Jugendkriminalität. Wiederholungstäter in der Gewaltszene. Und eine Bevölkerung, die scheinbar hilflos diesem Phänomen gegenüber steht.

Wenn selbst der Vorsitzende des Richterbundes sagt, dass es nichts bringen wird, das Strafmaß zu erhöhen, muss man hellhörig werden. Ein kurzer Blick zur Wissenschaft bringt folgendes zu Tage: Die Hirnforschung beweist, dass gerade im Bereich der jugendlichen  Gewaltwiederholungstäter Strafen keine pädagogischen oder gar  Resozialisierungs-Erfolge ergeben.

Wer in seiner Kindheit in einer Gewalt-Atmosphäre aufgewachsen ist, hat einen veränderten Serotonin-Spiegel und ist deswegen in der  Jugend und im Erwachsenenleben schneller  bereit, andere Menschen zu verletzen.  Hier helfen nur intensive psychotherapeutische  Anti-Aggressionsprogramme, wenn überhaupt etwas helfen kann. Wissenschaftler empfehlen deshalb statt Gefängnis Therapieplätze, statt Wegsperren große Anstrengungen in sozialer,  psychologischer und  therapeutischer Hinsicht.

Die Gegner einer solchen modernen Ansicht werden aufschreien und sagen, dass man sich anscheinend um die Täter mehr bemüht, mehr Verständnis zeigt als gegenüber den Opfern. Stimmt.

Aber wenn wir durch Gefängnisstrafen in die Sackgasse geraten sind und feststellen müssen, d ass die meisten dieser jungen Menschen nach ihrer Entlassung wieder straffällig werden und unschuldige Bürger erneut bedrohen, müssen wir nach Alternativen suchen. Diese beginnen übrigens in der Krippe, im Kindergarten und in der Schule.

Hinschauen, wenn Kinder selbst Opfer der Erwachsenengewalt werden und sich endlich in die sozialen Brennpunkte wagen und dort in pädagogischen Mehraufwand investieren statt in Gefängnisaufenthalte!  In Bildung und Ausbildung investieren! Womit nicht nur gemeint sein kann, dass unsere Kinder das Einmaleins der Mathematik lernen, sondern auch das Einmaleins des sozial-humanen Miteinanders. Hier mindestens genauso radikal zu sein wie mit den Forderungen „Sperrt sie weg!“ würde sowohl potentiellen Tätern und damit ihren potentiellen Opfern präventiv mehr nutzen als mit der abschreckenden Prävention hoher Strafen.

Das Strafrecht ist die letzte hilflose Instanz, die scheinbar, aber eben nur scheinbar, das wieder kitten kann, was gesellschaftlich über Jahre und Jahrzehnte verdrängt wurde. Der Drogenmissbrauch sowohl legaler wie auch illegaler Drogen, den Jugendliche sich antun, besonders durch Alkohol, erfahren wir täglich. Machen wir genug dagegen? Wissen wir, warum Jugendliche mehr und mehr sich“ die Kante“ geben? Die Mischung einer falschen Erziehung, falscher Erwachsenenvorbilder und dieses Drogenabhängigkeits-Kreislaufes ist explosiv.

Sie führt zu krimineller Gewalt und bringt Angst für alle Opfer. Aber sind wir auch so hilflos, wie wir tun? Oder spielen wir die Hilflosigkeit nur, um unsere Untätigkeit  zu verdecken?

Kinder werden nicht als Kriminelle geboren. Sie müssen es irgendwo gesehen haben bei uns Erwachsenen. Die Gewalt. Die Bereitschaft zu schlagen, verbal wie körperlich. Daran sollten wir uns erinnern, wenn wir sie für immer wegsperren wollen, diese Jugendlichen.

Sehen Sie Michel Friedman heute abend bei N24:

Studio Friedman, 23h30, http://bit.ly/244KXq

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Ein Gedanke zu “Kinder werden nicht als Kriminelle geboren – sie haben es bei uns, den Erwachsenen, gelernt

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    ehrlich bewundernswert, wie sie an der bigotterie der gesellschaft nicht verzweifeln!

    ein ähnliches thema ist das „koma-saufen“. von den kegelclubs – die jeden sonntag in bahnen quer durch deutschland unterwegs sind – wird der alkoholmissbrauch doch freudig johlend vorgelebt!

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