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Pazifisten als Waffennarren

 Im politischen Betrieb Berlins köchelt zur Zeit eine Debatte, in der sich die Fronten auf höchst wunderliche Weise verkehrt haben. Es geht um das in der Bundeswehr verwendete Sturmgewehr G36 der Firma Heckler & Koch, dem unter Dauerbelastung Präzisionsmängel nachgesagt werden. Während die CDU, die man am ehesten mit der Bundeswehr in Verbindung bringt, den Ball flacht hält, kocht die Aufregung in den Parteien, denen man eher pazifistische Neigungen unterstellen kann, so richtig hoch. Die beiden verteidigungspolitischen Sprecher, Agnieszka Brugger (Grüne) und Jan van Aken (Die Linke) werfen den beiden mit dem G36-Problem befassten Verteidigungsministern Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen vor, deutsche Soldaten mit mangelhaftem Kriegsgerät in Auslandseinsätze geschickt zu haben. Dem G36 wird in zwei unabhängigen Gutachten, die auf Praxistests basieren (Dauerfeuer in einer Gefechtssituation), nachgewiesen, dass es bei hohen Außentemperaturen und dann, wenn es durch Dauerfeuer heiß geschossen ist, nicht mehr präzise trifft. Wenn ein Gewehr nicht mehr optimal trifft, sterben weniger Menschen. Müsste man das nicht wünschen, wenn man wie die beiden Oppositionsparteien so sehr pazifistisch gestimmt ist?

Bei jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr fanden sie bisher „ein Haar in der Suppe“. Die Linke lehnt solche Einsätze prinzipiell ab, auch dann, wenn sie durch ein UN-Mandat gedeckt sind. Die Grünen leisten sich jedes Mal selbstquälerische Debatten, die auch schon einmal handgreiflich ausgetragen werden. Der ehemalige grüne Außenminister Joschka Fischer erlitt auf einem grünen Parteitag ein zerplatztes Trommelfell, als ihm ein Pazifist (!) einen Farbbeutel ins Gesicht schleuderte. Auch die Pazifisten von der Linken nehmen es mit der Friedfertigkeit nicht so genau, wenn es darum geht, den Hauptfeind Finanzkapitalismus zu bekämpfen. Der hessische Landtagsabgeordnete der Linken Ulrich Wilken zeichnete für die Blockupy-Proteste am 18. 3. 2015 anlässlich der Einweihung der neuen Europäischen Zentralbank in Frankfurt/M.  verantwortlich, die in eine Gewaltorgie mündeten, bei der über 100 Polizisten verletzt wurden. Die Kommentare der linken Parteifreunde waren bezeichnend: Sorry, war nicht so beabsichtigt.

Als die   Peschmerga-Miliz, die im Norden Iraks die Stammesgebiete der Kurden gegen die Terrororganisation Islamischer Staat verteidigt, den Westen um Kriegsgerät bat, stimmte die Bundesregierung unter Abwägung von Für und Wider der Lieferung von G36-Gewehren, Panzerfäusten und Maschinengewehren zu. Die Grünen lehnten dies mit dem fadenscheinigen Argument ab, in diesem Krisengebiet könne man nicht ausschließen, dass die Waffen in falsche Hände fielen. Wenn die irakischen Kurden sich dagegen wehren, dass ihre Frauen und Mädchen versklavt, ihre Männer enthauptet werden, werden sie von den Grünen im Stich gelassen. Da sollen ihnen selbst die Gewehre, denen man jetzt Qualitätsmängel nachsagt, vorenthalten bleiben. Wenn es aber darum geht, im politischen Meinungskarussell dem Gegner eins auszuwischen, wird das G36 plötzlich zur entscheidenden Waffe hochstilisiert, von dem man höchste Präzision verlangen kann. Waffenfetischismus im politischen Kampf. Es ist bemerkenswert, dass ein Schießlehrer der Truppe, der selbst in Afghanistan gekämpft hat, dem Gewehr bescheinigt, es erweise sich im   Gefechtseinsatz als „hervorragend geeignet“ (FAZ, 23. 4. 2015). Auch die Peschmerga-Kämpfer haben   an dem Gewehr nichts auszusetzen. Die Grünen und Linken hingegen hätten die Waffenwirkung gerne noch etwas präziser – also tödlicher. Da die Mängel des G36 vor allem im Wüstenklima Afghanistans aufgetreten sind, fragte die FAZ ironisch, ob Grüne und Linke mit ihrem Pochen auf Wüstentauglichkeit des Sturmgewehrs vielleicht daran denken, das Afrika-Corps wiederzubeleben. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Vielleicht gibt es bald die erste Grüne Schusswaffen-Liga in Deutschland, einen Ableger der National Rifle Assoziation in den USA. Unseren Pazifisten ist alles zuzutrauen.

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9 Gedanken zu “Pazifisten als Waffennarren;”

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    Ich habe gelesen, Uli Hoeneß habe 18 kg abgenommen. Er scheint kein Geld mehr für Essen zu haben. Man sollte eine Spendenaktion starten.
    Kurz: So ändern sich die Zeiten.
    Zu dem Gewehr fällt mir nichts ein. Nur eins: Heckler und Koch soll den Bericht nicht einsehen dürfen. Findet das jemand richtig?

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    Deutsche Soldaten stehen in einem schwach begründeten, am Rande der Sinnlosigkeit geführten Kriegseinsatz. Dabei wurden sie nicht adäquat ausgerüstet, die Nachricht vom G36 hat doch schon längst einen Bart. Es gibt nicht genug Transportkapazitäten, ohne Russland, gegen das eine neue Doktrin gesucht wird, geht gar nichts. Selbst wenn man für dieses Einsatz gewesen ist (ich war es), sind die dünnen Ergebnisse nicht von der Hand zu weisen und haben auch ihre Ursache in der schlechten (eher dort nicht funktionierenden) Ausrüstung, Ausbildung und Vorbereitung. Tief inhalieren: es gibt keine effektive Landesverteidigung, weil die Bundeswehr ihre Kapazitäten für Auslandseinsätze braucht. Nach einem Jahrzehnt (!) Einsatz wird publik, dass das Standardgewehr im wichtigsten Einsatzgebiet versagt. Das konnte nur deswegen gehen, weil es anscheinend allen ziemlich Wurst war, was die Soldaten ein Jahrzehnt von dort berichteten. Immerhin haben diese Menschen in unserem Namen getötet und sie wurden auch getötet. Das Mindestmaß an Respekt dafür, ist eine funktionierende Ausrüstung.

    …und Herrn Werner steigt der Blutdruck wegen Pazifisten. Zumindest in dem Kontext ist es, naja, …seltsam.

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    Unsere Militärstrategen haben seit Hitler nichts dazugelernt:
    Am Ural, Pardon, heute ist es ja der Hindukusch an dem Deutschland verteidigt wird, herrschen nun einmal andere klimatische Bedingungen als in Deutschland.
    Wenn man Soldaten dahin schicken will muß man sie auch entsprechend ausrüsten. Bei Heckler & Koch wurde eine Waffe zur Landesverteidigung IN Deutschland bestellt.

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    Schon erstaunlich, wie viele Pazifisten sich auf einmal als Waffenexperten outen. Das lässt tief darauf blicken, inwieweit Empörung Bestandteil des politischen Tagesgeschäftes geworden ist. Davon, daß mit der Erarbeitung solcher (letztlich politischer) Expertisen dauernd Steuergelder verbraten werden, gar nicht zu reden.
    Daß Frau von der Leyen jetzt alle Gewehre austauschen lassen will, ist ein entsprechend teurer Akt ihrer eigenen Selbstverteidigung und (so vermute ich doch stark) kein Ergebnis von qualifiziertem Risikomanagement.
    Nur schade, lieber Herr Werner, daß Sie sich als Kommentator auch auf dieses für den geneigten Rezipienten extrem ermüdende Polit-Taktik-Spiel einlassen.

    Naja und die bööhse NRA im wilden Westen: das geht natürlich im zivilisierten Gender-Deutschland gar nicht.

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    Bei Ihnen habe ich den Einruck, dass Sie jeden Morgen aufstehen und sich fragen, wie und wo Sie an diesem neuen Tag den Grünen und Linken an den Karren pissen könnten. Heute ist Ihnen eingefallen, dass die Pazifisten nicht nur einer üblen Idee nachhängen, über die man sich aufregen sollte, sondern fast noch übler: gar keine sind.

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