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Der Dominikanerpater in der AfD-nahen Stiftung – Nachdenken über Wolfgang Ockenfels

In dem 25köpfigen Kuratorium der jüngst von der AfD als parteinah anerkannten Desiderius-Erasmus-Stiftung sitzt auch der Dominikanerpater und Sozialethiker Wolfgang Ockenfels. Vor rund zwei Wochen gab er der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ ein Interview zu diesem Engagement. Unser Gastautor Holger Doetsch bot der Zeitung daraufhin den nachfolgenden Beitrag an. Da die „Tagespost“ ihn nicht veröffentlichen möchte, erscheint er nun bei uns.

Von Holger Doetsch

Pater Wolfgang Ockenfels ist Mitglied im Kuratorium der AfD-nahen „Desiderius Erasmus Stiftung”. Was, so frage ich mich, tut dieser überaus kluge Mann da? Zumal der Parteivorsitzende Gauland nicht müde darin wird, zu betonen, dass die AfD mit dem „C” nicht zu tun haben will. Was also hat ihn zu diesem Schritt bewogen und was will er erreichen in der Stiftung einer Partei, die getrost als rechtsradikal bezeichnet werden kann, und die Ockenfels für mich völlig unverständlich als demokratisch und konservativ huldigt? Fühlt sich Ockenfels wie weiland der von mir bis heute verehrte Pater Basilius Streithofen es bei Helmut Kohl gewesen war dazu berufen, nun der geistliche Beistand Gaulands zu werden, wobei es weh tut, Kohl und Gauland in einem Satz zu nennen …?

Ein Interview, das Ockenfels jüngst der katholischen Wochenzeitung Die Tagespost (Ausgabe vom 19. Juli) gab, hat meine Fragen nicht beantwortet. Der Dominikanerpater lobt (indirekt) Gysi und kritisiert (indirekt) Merkel. Und das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) wiederum ist in seinen Augen „nicht repräsentativ für die Katholiken”. Zwar spricht er davon, in diesem Kuratorium „argumentativ und offensiv die klassischen Prinzipien der Katholischen Soziallehre geltend zu machen”, doch wirft das neue Fragen auf: Was sind das für Prinzipien? Und wie will Ockenfels es schaffen, Verhaltensweisen, die er zu Recht einfordert, ein verbales Abrüsten etwa, den Verzicht auf primitive Polemik, Diffamierung und Denunziation, Forderungen also, die diametral zum Verhalten von AfD-Vertretern stehen, wahr werden zu lassen? Und wie glaubwürdig können Ockenfels’ Ansprüche sein, wenn er selbst diffamiert, indem er etwa den ZdK-Vorsitzenden Sternberg im Tagespost-Gespräch in die Nähe von Funktionären des Zentralkomitees der einst verbrecherischen SED rückt?

Wie Ockenfels seine eigene „Kleine Katholische Soziallehre“ (1990) heute Orientierung geben könnte

Ein Blick in das von Ockenfels verfasste Buch „Kleine Katholische Soziallehre”, das vor einem Vierteljahrhundert schon erschienen und dabei doch hochaktuell ist, kann da helfen. Mehr noch: Nach meinem Dafürhalten könnten seine Ausführungen gar Ordnung hineinbringen in eine Flüchtlingspolitikdiskussion, von der die AfD bekanntlich am meisten profitiert, und die in meinen Augen von links bis rechts nur noch wirr geführt wird, weil immer da, wo Eiferer am Werk sind, die Sachlichkeit auf der Strecke bleibt.

Besonders ärgerlich scheint es mir zu sein, wenn Rechtspopulisten ihrem „Nein!” zur merkelinischen Flüchtlingspolitik dadurch Gewicht zu verleihen versuchen, indem sie pharisäerhaft derart wild mit dem „C” um sich fuchteln, dass einem schwindelig wird. Ockenfels’ stimmige Überzeugung, wonach das „C” einen allzu hohen Anspruch hat, den eine politische Partei kaum erfüllen kann, wird solche Eiferer nicht erreichen. Gebetsmühlenartig tragen sie ihr “Merkel-muss-weg!” vor, als hätte die von ihnen bespielte Schallplatte einen Sprung.

Sie bemühen bei alledem natürlich das christliche Abendland, als wären sie die einzigen Reiseführer, die sich dort wirklich auskennen. Pathosgeschwängert behaupten sie, die Muslime brächten das christliche Abendland in Gefahr und verschweigen dabei, dass es eher die lauen Christen hierzulande sind, die dieses christliche Abendland wirklich bedrohen. Orban und Kurz sind die Guten, die anderen, vor allem Angela Merkel, sind die Schlechten.

Ja, die Welt der Eiferer, hier übrigens auch die auf der anderen Seite, ist eine einfache Welt. Es ist die Welt der Realitätsverweigerer, deren Konstruktion der Wirklichkeit verfehlt ist. Denn es ist eben nichts einfach, und es stimmt einen nachdenklich, dass im Säbelgerassel der beiden Armeen, die sich da gegenüberstehen, die wirklich notwendigen Diskussionen um Fluchtursachen und sinnvolle Integrationsbemühungen weitgehend vollumfänglich auf der Strecke bleiben.

Gottes- und Nächstenliebe gehören untrennbar zusammen

In dieser Gemengelage gehen auch die unter, die zumindest in meinen Augen wirklich christlich handeln, die also, die ehrenamtlich und selbstlos Sprachkurse für die Hilfesuchenden geben, sie auf Behördengängen begleiten et cetera. Die also, die „Zusammengehörigkeit von Gottes- und Nächstenliebe”, wie Ockenfels es einmal beschrieb, ernst nehmen und das, was das Konzil von Trient (1545 – 1563) als „cooperatio” bezeichnet hat, die menschliche Mitwirkung an der Gnade Gottes also, im wahrsten Sinne des Wortes leben (wobei natürlich nicht jeder, der hilft, auch an Gott glaubt).  Wie schreibt Ockenfels es so richtig wie schön: “Wenn besonders den Armen die Frohe Botschaft zu verkünden ist, kann es notwendig sein, zunächst einmal die Lage der Armen tatkräftig zu verbessern. Das ist im Übrigen schon vom christlichen Liebesgebot her gefordert. Die Gottes- und Nächstenliebe gehören unlösbar zusammen, und ein Glaube ohne ´gute Werke`, also gelebte Moral, ist tot.”

Wohl wahr, denn das, was in der Flüchtlingsdebatte kaum auszuhalten ist, ist das Vergessen derer, um die es eigentlich geht: Um Menschen. Menschen, die von Rechtspopulisten in Bausch und Bogen zu Dieben, Vergewaltigern und Mördern abgestempelt werden, und dies, obwohl sie sehr genau wissen, dass die, die unser Asylrecht wie auch immer mißbrauchen, in der Gesamtschau zahlenmäßig nicht einmal annähernd von Bedeutung sind. Wie kann es sein, dass rechtspopulistische C-Fetischisten selten oder gar nicht auch nur ein einziges Wort verlieren über all die Menschen, die auf der Flucht ums Leben kommen? Es ist nicht davon auszugehen, dass Erstere Leute jemals einen Blick in die Enzyklika „Divini Redemptoris” von Papst Pius XI. geworfen haben, wo ein Menschenrecht in der Unverletzlichkeit des Körpers liegt.

Die drei Prinzipien der Katholischen Soziallehre

Auch Pater Ockenfels verweist in seinem Buch auf „Divini Redemptoris” und listet die drei Sozialprinzipien der Katholischen Soziallehre auf: Solidarität, Subsidarität und die Gerechtigkeit im Gemeinwohl. Ich frage mich, wie Ockenfels das Folgende in die AfD einfließen lassen will, auf dass es auch Früchte trägt: “ (…) Wir sitzen alle in einem Boot, also einer für alle, alle für einen. (…) Gruppensolidarität (…) muß über sich hinausgehen und auf das Wohl aller (…), gerichtet sein. Wenn die Solidarität im Wesen des Menschen begründet ist, dann erstreckt sie sich grundsätzlich auf alle Menschen, unabhängig von ihrer Rasse, Nation oder Klasse. Rassismus, Nationalismus und Klassenkampf müssen deshalb als unsolidarisch gelten (…)”.

Welche Rolle möchte Pater Ockenfels im Kuratorium der AfD-Stiftung spielen?

Mich würde interessieren, welche Rolle Pater Ockenfels im Kuratorium der AfD-Stiftung zu spielen gedenkt. Stichwort: Religionsfreiheit. Sie ist die Matrix für alle anderen Menschenrechte, und daraus folgt, dass da, wo es keine Religionsfreiheit gibt, alle anderen Menschenrechte zur Makulatur verkommen. Die AfD aber ist eine Partei, die hinter der Religionsfreiheit – Stichwort „Kopftuchmädchen“ – ein fettes Fragezeichen setzt. Was also wird Ockenfels mithilfe seiner intellektuellen Brillanz tun, damit aus diesem Fragezeichen ein Ausrufezeichen wird? Er muss es tun, und gelänge ihm dies, dann käme es einem Wunder gleich. Doch wird dieses Wunder nicht eintreten, denn in den Lehren Ockenfels’ und all der Päpste und Gelehrten, die er in seinem erhellenden Buch zitiert, finden sich kaum Schnittmengen zu den AfD-Überzeugungen.

Doch ist eine parteinahe Stiftung im Wesentlichen ein Vehikel dafür, eben jene Überzeugungen mehr oder weniger intellektuell verbrämt in die Gesellschaft hinein zu transportieren. Das will nun auch die AfD tun. Ockenfels Anspruch ist, „sich kritisch und konstruktiv zu grundlegenden Wertfragen der Wirtschaft- und Gesellschaftsordnung zu äußern (…)“. Tut er dies, und dies wäre ja durchaus wünschenswert, wird er auf kurz oder lang scheitern, denn nirgendwo ist zu erkennen, dass die AfD bereit wäre, Antworten auf solche Wertfragen zu geben. Denn täte sie es, dann würde sich diese Partei in ihrer Inhaltslosigkeit selbst entlarven.

Holger Doetsch (54) ist Privatdozent, Publizist und Buchautor. Er war 1990 mit Angela Merkel einer der letzten Sprecher in der DDR-Regierung unter Lothar de Maizière. Hiernach Leitung von Pressestellen/presseverantwortlicher Mitarbeiter für verschiedene Bundestagsabgeordnete (letzteres bis heute, aktuell für die CDU-Bundestagsabgeordnete Yvonne Magwas, Mitglied im Bundestagsausschuss für Medien etc.).
Seit 2000 selbstständig tätig als Dozent für Public Relations (Fachgebiet: Krisen-PR), Journalismus, Wissenschaftliches Arbeiten und Internationale Medienwirtschaft. Rhetorik-Coach (z. B. bei der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., beim Deutschen Roten Kreuz u. v. a. m.).

 Bücher: „Der Moderne Medienwahlkampf“ (2000), „Medienmanagement I – IV“ (Mitarbeit, 2007), „Elysander“ (Romanbericht, 2008), „Ein lebendiger Tag“ (2010). Zahlreiche Publikationen, u. a. „taz“, „Die Zeit“, „Frankfurter Rundschau“, „Märkische Oderzeitung“, „Tagesspiegel“ u. a.. Jüngst erschien sein Kambodscha-Roman „Das Lächeln der Khmer“.

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7 Gedanken zu “Der Dominikanerpater in der AfD-nahen Stiftung – Nachdenken über Wolfgang Ockenfels;”

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    „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“
    Deshalb danke für die Aufklärung, wo der Mann sein berufliches leben verbracht hat und wie er bis heute sein Geld verdient.

    Noch eine grundsätzliche Anmerkung zum Verhältnis Kirche(n) zur Politik:
    Ich finde es erstaunlich, daß selbst die katholische Kirche kein Problem damit hat, mit den Abtreibungsfreunden von Grünen und SPD engstens zusammenzuarbeiten, während eine kritische Position zur von den etablierten Parteien vertretenen Flüchtlingspolitik Ausgrenzung zur Folge hat.
    Und das auch nur, weil die Pfaffen heute keine Scheiterhaufen mehr basteln dürfen.

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    Wie kann man man in einen einzigen Artikel zuviele Lügen über die AFD unterbringen. Berichterstattung ala George Orwell 1984.

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      Vera Lengsfeld hat ja berichtet, was das für eine seltsame Gruppe war, damals in der Wendezeit, welcher auch Herr Doetsch angehörte. De Maziere und Merkel haben behauptet sich nicht zu kennen, obwohl De Maiziere beim Kommunistenpfarrer Kasner ein- und ausging. So wurde die grüne Merkel in die Führungsriege der CDU überführt und danach Kohls Mädchen und Deutschlands Schicksal.

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      Wissen Sie, der Autor hat bei den deutschfeindlichen Blättern Zeit, taz und FR geschrieben.

      Wenn Sie das wissen, so können Sie seinen Text schon von vornherein richtig einordnen…

  3. avatar

    Nein, die Kirche darf nicht mit Faschisten, Rassisten und Antisemiten zusammen arbeiten. Das widerspricht der Glaubenslehre und allem, was Jesus uns hinterlassen hat. Und das sollte niemals aus den Augen verloren werden, auf keinen Fall von Kirchenvertretern. Es ist ganz schlimm, mit ansehen zu müssen, wie Rechtsbruch von Christen mit unterstützt wird.

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      @Gabriele Heuze: „Nein, die Kirche darf nicht mit Faschisten, Rassisten und Antisemiten zusammen arbeiten.“

      Darf die Kirche mit Kommunisten zusammenarbeiten?

      @Gabriele Heuze: „Das widerspricht der Glaubenslehre und allem, was Jesus uns hinterlassen hat.

      Ehrlich? War Jesus nicht auch den Sündern zugewandt?

  4. avatar

    … ooops? … ich hoffe, ich habe es nicht überlesen oder haben Sie ein Link zur Tagespost vergessen? Der Prof. Ockenfels sollte auch seine Meinung schreiben dürfen. Oder?

    Fallen völkerrechtswidrige Kriege, Afghanistan, Jugoslawien, u.a., weltweiter Waffen- und Rüstungsexport der Merkel-Regierung auch unter Nächstenliebe?

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