Mein Beitrag über den ersten Satz des „Kapitals“ von Karl Marx hat Widerspruch hervorgerufen. Gut. Nachdem ich dort das Marx’sche Verständnis von „Reichtum“ kritisiert habe, will ich nun den im „Kapital“ benutzten Begriff des „Werts“ kritisieren.
Für Marx hat jede Ware drei verschiedene Wertformen: Gebrauchswert, Tauschwert und, nun ja, den „eigentlichen“ Wert. Der Gebrauchswert ist der Wert für mich; der Tauschwert manifestiert sich im Preis, den ich beim Verkauf der Ware erlöse oder für ihren Kauf ausgeben muss. Der Wert an sich ergibt sich aus der in der Ware vergegenständlichten Arbeitskraft.
Nun wird jeder aus der Erfahrung wissen, dass der „Gebrauchswert“ oder besser subjektive Wert einer Ware nicht unbedingt identisch ist mit dem Preis. „Meinen Teddy würde ich nicht für alles Geld der Welt hergeben“, sagt vielleicht ein sentimentaler Erwachsener, und meint das auch so. Wenn er gestorben ist, landet das Plüschtier in irgendeinem Antiquitätenladen und geht für ein paar Cent über den Ladentisch. Freilich gibt es einen Zusammenhang: Kann der Anbieter einer Ware dem Käufer suggerieren, die Ware würde ihm – analog dem Teddybär – affektiv, also emotional, etwas bedeuten, kann er einen höheren Preis fordern, als es die simple Funktion der Ware – ihr „Gebrauchswert“ – und schon gar als die „in der Ware vergegenständlichte Arbeit“ nahelegen würden. Das ist das Geschäftsmodell von Apple.
Wenn aber ein Weltunternehmen aufgebaut werden kann auf einem Appell an den subjektiven Wert einer Ware, an den affektiven Gewinn, den der Besitz der Ware ermöglicht – beim Apple-Laptop etwa durch das Design: dann fragt es sich, wie tragfähig die Unterscheidung von „Gebrauchswert“ und „Tauschwert“ eigentlich ist. Was den „Wert an sich“ angeht, die im Laptop vergegenständlichte Arbeit, so dürfte der bei einem in China gefertigten Lenovo und einem – ebenfalls in China gefertigten – Apple etwa gleich sein. Bei etwa gleicher Leistungsfähigkeit kostet ein Apple-Laptop dennoch etwa doppelt so viel wie ein Lenovo. Warum? Hier bietet Marx im „Kapital“ keine Erklärung.
Der Preis ist der Preis ist der Preis
Man fragt sich dann auch, weshalb man überhaupt unterschieden soll zwischen Preis und Wert; wozu man überhaupt – jenseits moralischer Urteile, wie jenes, die heutige Jugend kenne den Preis von allem, aber von nichts den Wert – in der Ökonomie zwischen Preis und Wert unterscheiden soll. Eine Ware, die niemand kaufen will, deren Preis also Null beträgt, ist wertlos, egal wieviel Arbeit in sie gesteckt worden ist. Das passiert regelmäßig in der kapitalistischen Wirtschaft: Fähigkeiten werden entwertet, Gegenstände auch. Die Vorstellung eines „objektiven“ Werts ist, nun ja, wertlos, wenn diesem Wert kein Preis entspricht. Wenn jemand umgangssprachlich etwa sagt: „Ich musste das Haus weit unter Wert verkaufen“, so meint er eigentlich nur: Für das Haus habe ich selbst viel mehr bezahlt; oder: anderswo würde man mehr für das Haus bezahlen; oder: im Haus sind Materialien verbaut, die, würde man sie einzeln verkaufen können, einen höheren Preis erzielen würden.
Wozu also – ich wiederhole es – zwischen Wert und Preis unterscheiden? Martin Blumentritt schreibt in seinem ersten Essay zum Thema:
„Die Kategorien Wesen und Erscheinung bei Marx sind wichtig, so ist – manchmal wird das auch ignoriert bei Marx, weil er sie dort gleichsetzt – der Tauschwert Erscheinung des Werts, da ja der Wert reine Abstraktion ist und nur an konkreten Dingen erscheinen kann, etwa eine andere Ware, ein Gold- oder Silberstück, eine Schrift auf einem Papier, oder eine Digitalanzeige, wenn man eine Bankkarte ausliest usw. Es geht aber Marx erst einmal um das Allgemeine und Erscheinungsweisen, die erst später gekommen sind, dienen verständlicherweise nicht als Beispiel bei ihm.“
Schon klar. Das „Wesen“ des Werts ist die in der Ware vergegenständlichte Arbeitskraft; ihre „Erscheinung“ ist der Tauschwert, das heißt praktisch, der auf dem Markt zu erzielende Preis. Praktisch aber kalkuliert niemand mit dem Wert, alle kalkulieren mit dem Preis. Der Unternehmer etwa, der eine Ware – sagen wir Plüschbären – herstellt, kalkuliert den Preis der Rohstoffe, die er eingekauft hat, der Miete für seine Fabrik anteilmäßig pro Bär, der Maschinen und Werkzeuge, und zwar so, wie er sie abschreibt, wieder anteilmäßig pro Bär, des Arbeitslohns dito, und einen Gewinn für sich oder die anderen Eigentümer, zum Beispiel Versicherungsgesellschaften, wenn es sich um eine Aktiengesellschaft handelt. Der „Wert“ des Bären „an sich“, zusammengesetzt aus der Arbeit, die zur Urbarmachung des Bodens, zum Bau der Fabrik, zur Gewinnung und Verschiffung der Rohstoffe, etwa der Baumwolle, der Rohstoffe für die Maschinen, etwa Kohle und Eisen für Stahl, und für die Verarbeitung dieses Stahls zu einer Nähmaschine usw. usf. ist ihm schnuppe. Entscheidend sind die Preise, die er für diese Produktionsfaktoren bezahlt hat und der Preis, den er beim Verkauf des Bären realisieren kann.
Für Marx und die Marxisten mag dieses sich-nicht-Befassen mit dem Wesentlichen, dem Wert „an sich“ der eigentliche Grund, das eigentliche „Wesen“ der Entfremdung darstellen. Wer nicht mit Hegel und dem deutschen Idealismus zwischen „Wesen“ und „Erscheinung“ unterscheidet, mag – wie ich – der Ansicht sein, dass genau in dieser ständigen Suche nach einem nicht vorhandenen „Wesen“ hinter den „Erscheinungen“ die typische „deutsche Ideologie“, die Grundform der philosophischen Entfremdung liegt.
Wie schrieb Gertrude Stein: „A rose is a rose is a rose“. Und nicht die Erscheinungsform einer Rose an sich.
Vergesst die Werttheorie!
Der Gebrauchswert ist rein subjektiv. Der Tauschwert ist mit dem Preis identisch, und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, auch von der Fähigkeit, den Gebrauchswert zu manipulieren. Es gibt keinen „Wert an sich“, ebenso wenig wie es eine Welt der Dinge an sich hinter der Welt der Erscheinungen gibt. What you see is what you get. Und damit löst sich die gesamte Marx‘sche Werttheorie in Luft auf.
Ist Marx damit erledigt? Nein. Die Werttheorie spielt zum Beispiel weder beim „Kommunistischen Manifest“ (1847) noch in der „Kritik des Gothaer Programms“ (1875) eine Rolle. Sie ist im Grunde, wie ich schon im ersten Teil gezeigt habe, eine philosophische Marotte, mit der nachgewiesen werden soll, dass die Arbeiter auch dann „ausgebeutet“ werden, wenn sie „gerecht“ entlohnt werden, ja gerade dann. Denn der Kapitalist zahlt den „Wert“ der „Ware Arbeitskraft“, das heißt, den zu ihrer Herstellung nötige Arbeit, vergegenständlicht in Lebensmitteln, Wohnraum usw., während der „Gebrauchswert“ dieser Arbeitskraft für den Kapitalisten darin besteht, mehr Wert zu schaffen, als sie selber kostet. Quod erat demonstrandum: der Besitz der Produktionsmittel bedeutet „objektiv“ Ausbeutung der Arbeiter.
Tatsächlich braucht man dieses ganze Brimborium nicht, um sich klar zu machen: kein Kapitalist wird auf Dauer produzieren, wenn seine Unkosten – Miete, Kosten für Rohstoffe und Maschinen, Lohnkosten – höher sind als die Einnahmen, die er beim Verkauf seiner Produkte realisiert. Eine Binsenweisheit. Und ja: Hier herrscht Waffenungleichheit, denn der Kapitalist entscheidet, wenn es zu einer solchen Situation kommt, wie er vorgeht: die Preise heraufsetzen, die Löhne kürzen, Arbeit durch Maschinen ersetzen, also Arbeiter entlassen, oder den Betrieb einstellen. Das alles weiß man auch ohne „Wesen“ und „Erscheinung“, „Gebrauchswert“ und „Tauschwert“, ohne marxistische Werttheorie und ohne „Das Kapital“.
@ Rainer Lippert @ Alan Posener
Ich befürchte Ihr habt Marx nicht richtig verstanden. Ich halte mich möglichst kurz:
Marx definiert den Wert einer Ware als die in ihr erheischten (abstrakt menschlichen) Arbeitszeit. Man könnte dieser Arbeitszeit auch anders sagen statt Wert. Daher kann der Name „Wert“ verwirrend sein.
Der Gesamtwert der Waren in einer Gesellschaft sind die akkumulierten Arbeitszeiten in einer bestimmten Periode. Diese Arbeitszeit ist die einzig zwischen verschiedenen Produkten und Dienstleistungen objektiv vergleichbare Grösse. Z.B. steckt in einem Haus mehr (lebendige) Arbeit als in einem Haarschnitt. Dementsprechend ist ein Haus auch teurer als ein Haarschnitt. Die Preise orientieren sich längerfristig immer an den Werten. Die Wertmasse ist sozusagen der Meeresspiegel, während die Preise die einzelnen Wellen sind. Die Preise sind also vorübergehend und hängen kurzfristig von verschiedenen Faktoren ab, doch sie sind längerfristig proportional zu der in dieser Ware enthaltenem Wert. Mit der Einführung von Maschinen sinkt die für ein Produkt notwendige Arbeitszeit und daher sinkt der Wert dieses Produkts (auf die Erklärung gehe ich jetzt nicht weiter ein). Der Tauschwert (Preis) entsteht tatsächlich erst durch ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass, wenn der Käufer ein Produkt kauft, das einen höheren Preis hat als seinen Wert (Preis und Wert z.B. in EURO), der Käufer danach weniger Geld zur Verfügung hat als er beim Kauf zur Höhe des Wertes zur Verfügung haben würde. Weil gesamtgesellschaftlich betrachtet die Gesamtheit der Werte = Gesamtheit der realisierten Preise (gekauft) sein müssen, muss also irgendwo ein Produkt unter seinem Wert verkauft werden. Bei einem dummen Einzelunternehmer kann das ein Produkt sein, wobei sein Unternehmen nicht lange überleben wird, wenn er sein Produkt zu einem Preis unterhalb seiner Kosten (Arbeit) verkauft. Also ist dies meist die angestellte Arbeitskraft. Diese wird praktisch immer unter ihrem Wert (der zur Reproduktion dieser Arbeitskraft notwendigen Lebensmittel) verkauft, daher die Ausbeutung. Fazit: Der Wert eines Produkts ist das Sein und die Preise der Schein. Der Schein korreliert aber längerfristig mit dem Sein, ist aber vorübergehend z.T. grossen Fluktuationen unterworfen (siehe z.B. Tesla).
Nein, Herr Rothenfluh, Sie haben Marx nicht verstanden. Auch die Arbeitskraft wird zu ihrem Wert verkauft. Doch hat sie nach Marx die Eigenschaft, mehr Wert zu schaffen als sie selbst wert ist, was sie von anderen Produktionsfaktoren (Grund und Boden, Rohstoffe, Maschinen) unterscheidet. Und genau darin besteht die Ausbeutung: nicht im Bezahlen der Arbeitskraft unter Wert, sondern im Bezahlen der Arbeitskraft zu ihrem wirklichen Wert. Freilich ist die Behauptung, dass allein die Arbeitskraft zusätzlichen Wert schafft, nicht zu beweisen. Den Beleg sieht Marx im „tendenziellen Fall der Profitrate“, weil immer mehr Maschinen angeschafft werden und der Anteil der Arbeitskraft an der Wertschöpfung sinkt. Aber diesen tendenziellen Fall gibt es gar nicht.
Bitte lassen Sie mich korrigieren: Ich wollte schreiben, dass nicht die von der Arbeitskraft verrichtete Arbeit, sondern eben gerade der Wert der Arbeitskraft bezahlt wird, also die zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendige Arbeitszeit. Dieser sog. Lohn ist der Preis der Ware Arbeitskraft und tendiert global betrachtet zum Wert der Arbeitskraft. Das Gleiche gilt für die Preise der Waren. Auch diese tendieren zu dem in ihr enthaltenem Wert (abstrakt menschliche Arbeit), mögen aber vorübergehend schwanken.
Der tendenzielle Fall der Profitrate lässt sich empirisch auch kaum beweisen. Wie sollte man diese beweisen können? Momentan muss man noch einer unerschütterlichen Theorie als irgendwelchen empirischen Statistiken oder einzelnen Phänomenen vertrauen.
Es ist richtig, dass Sie sachreiben, dass der Tauschpreis den realen Wert widerspiegelt.
Sie schreiben aber auch „Vom Unsinn der Werttheorie“.
Die Werttheorie sollte jedoch nicht nur beschreiben, dass Tauschpreis und realer Wert die gleiche Wertgröße widerspiegeln. Bei Marx beschreibt sie das nicht.
Als Theorie über den Wert sollte sie auch beschreiben, wie der Wert zustande kommt, wie es zu der Wertgröße kommt, zu der die Tauschpartner Tauschpreis und Wertäquivalent angleichen.
Die Wertbildung beschreibt Marx nicht richtig, denn aus seiner Sicht vergegenständlichen die Arbeitenden durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft mit ihrer Arbeit den Wert in den Waren.
Das kann jedoch nicht funktionieren, denn der Wert ist ein gesellschaftliches Verhältnis und wird als ein solches gebildet und wirkt zwischen Menschen. Solch eine Beziehung kann man nicht vergegenständlichen.
Wenn man jedoch den Wert als gesellschaftliches Verhältnis betrachtet wird, das von den Tauschpartnern auf die Tauschgüter bezogen wird, dann wird klar, dass die Arbeitskräfte mit ihrer Arbeit nur die Bezugspunkte für mögliche Wertverhältnisse schaffen können.
Für die Bezugspunkte wiederum ist es nicht wichtig, wie sie hergestellt, geformt usw. werden. Wichtig für die Bezugspunkte ist es, dass sie nicht frei verfügbar und dass sie für den Tausch geeignet sind und dass sie für den Tausch hinreichend stark auf mögliche Tauschpartner wirken. Damit wiederum wird deutlich, dass der Wert auch auf den Ergebnissen maschineller Arbeit oder auf Ergebnissen der Arbeit der Natur basieren kann. Das sind Sichten auf den Wert, die von den klassischen Interpreten der Arbeitswerttheorie abgelehnt werden.
Mit einer aktuellen Interpretation der Arbeitswerttheorie lassen sich jedoch alle Wertbildungsprozesse erklären. Die Werttheorie ist demzufolge, aus meiner Sicht, nicht unsinnig, sondern nutzbar für alle ökonomischen Prozesse, die letztendlich alle mit Tauschvorgängen verbunden sind.
Eine schöne und ruhige Restweihnachtszeit wünsche ich Ihnen – Rainer Lippert
Ich schreibe über den Unsinn der Marx’schen Werttheorie. Die heutige Ökonomie hat eine ausgefeilte Preisbildungstheorie, die Sie ja referieren. Wir sind allerdings inkonsequent, da wir etwa in der Steuer von einer „Mehrwertsteuer“ reden (VAT = Value Added Tax). Letztlich ist das aber ein Streit um Worte, und ich streite mich ungern um Worte, wenn klar ist, was gemeint ist.
Guten Tag Herr Lippert
siehe meinen Kommentar oben
Lieber Herr Alan Posener, wie geschrieben:
Preis und Wert
Marx unterscheidet nicht zwischen Angebots- und Tauschpreis, doch dieser sollte im Wertzusammenhang erwähnt werden. Der Angebotspreis widerspiegelt den Erwartungswert.
Der Tauschpreis widerspiegelt den realen Wert. Einen Unterschied gibt es insofern, dass der Wert als gesellschaftliches Verhältnis von den Tauschpartnern untereinander herausgebildet wird. Solch ein gesellschaftliches Verhältnis kann nicht von den Menschen getrennt werden – es funktioniert über die Bewusstseinsprozesse der Tauschpartner. Die Wertgröße ist die, auf die sich die Tauschpartner einigen bzw. an die sich der Käufer einseitig anpasst.
Für Tauschvorgänge in der Gesellschaft wurde von den Menschen die Stellvertreterware Geld herausgebildet. Damit haben sie sich eine vergleichbare allgemeine Tauscheinheit geschaffen, die in normalen Zeiten von allen Menschen eines Währungsgebietes gleich gewertet wird, insbesondere, was die Werthöhen der nominalen Angaben der Währung betrifft.
Somit ist der Preis die notwendige, von den Bewusstseinsprozessen unabhängige Bezeichnung für die Wertgrößen, die in den Tauschvorgängen herausgebildet werden. Durch den Preis können die Wertvorstellungen, trotz ihrer Bindung an die Bewusstseinsprozesse, von allen Menschen im Währungsgebiet an der gleichen Äquivalenzbasis ausgerichtet werden und damit alle Tauschvorgänge auf der gleichen Äquivalenzbasis abgewickelt werden. Sogar die Einschätzung der wahrscheinlich notwendig zu verwirklichenden Wertäquivalenz für angebotene Waren durch Erfassen und Verarbeiten der Angebotspreise funktioniert damit.
Gebrauchswert und Tauschwert
Dieser Unterschied basiert auf den Beziehungen, die Menschen bezogen auf Tauschgüter miteinander eingehen – die Wertverhältnisse.
Wenn ein Meister einen Schreibtisch fertigt, dann hat der einen Gebrauchswert für ihn selbst, wenn er den selbst (für sich und seine Angehörigen) benötigen sollte. Doch wenn er sich und den Anhang versorgt hat, wird der nächste gefertigte Schreibtisch keinen wirklichen Gebrauchswert für ihn darstellen, da er ihn nicht gebrauchen kann.
Der Meister könnte den verkaufen. Das gelingt ihm, wenn den jemand anderes zum gegebenen Angebotspreis oder zu einem ausgehandelten Preis kauft. Mit dem Tausch bekommt der Schreitisch einen Tauschwert auf der gesellschaftlichen Ebene, hervorgerufen durch den erwarteten Gebrauchswert nach dem Tausch.
Sollte niemand dem Meister den Schreibtisch abkaufen, würde dieser bis zur Entsorgung nur potenziellen Gebrauchswert und ebenso nur potenziellen Tauschwert aufweisen. Das sind aber Eigenschaften, die nicht in ihm drinstecken, sondern die ihm durch Menschen zugeordnet werden.
Ein zweites Beispiel: Im Wald gibt es eine Quelle, an der sich jeder Wanderer Wasser nehmen kann. Dieses Wasser hat für die Wanderer Gebrauchs- aber kein Tauschwert.
Ein pfiffiger Geistlicher postuliert eine Heiligkeit der Quelle, kauft die der Gemeinde ab, baut einen Verkaufsstand auf und verkauft das Wasser als „Heiliges Wasser“. Damit wird das Wasser in die ökonomischen Prozesse der Gesellschaft einbezogen. Für Wanderer wird der Gebrauchswert dieses Wassers dadurch, dass dessen freie Verfügbarkeit beendet wurde, nur über den Tausch erreichbar. Damit der für einen Wanderer zunächst nur potenzielle Gebrauchswert in realen gewandelt werden kann, muss der Wanderer zunächst den Tauschwert akzeptieren, das Wasser kaufen und dann den Gebrauchswert genießen (der dann für einige Wanderer deutlich höher erscheinen wird, als für andere).
Für den verkaufenden Geistlichen werden von dem Wasser nur ein paar Schluck direkten Gebrauchswert haben, Die große Wassermenge hat für ihn nur als Tauschobjekt Gebrauchswert, d. h. die große Wassermenge hat für ihn nur Tauschwert.
„Der Tauschpreis widerspiegelt den realen Wert.“ Genau. So habe ich es auch geschrieben. Einen Wert jenseits des realisierten Preises gibt es nicht.
Es spielt keine Rolle wie viel Nutzen wir einem Produkt bemessen. Ein Paar Ski hat für jemand einen viel grösseren Nutzen als für jemand anders. Der Nutzen ist aber nicht objektivierbar. Wenn der eine einen viel höheren Preis für das gleiche Paar Ski bezahlt als ein anderer, dann verliert der erste absolut betrachtet mehr Geld resp. mehr Wert als der zweite. Der Verkäufer macht daher mehr Profit als wenn er die beiden Paar Skis zum Preis für den zweiten Käufer verkaufen würde. Doch aus theoretischer Sicht kann der Profit nicht aus dem Kauf und Verkauf (Zirkulation) entstehen, weil wenn A einen Apfel an B für 1 Euro verkauft, dann muss B den Apfel teurer weiterverkaufen, sofern er überleben will, um sein Essen usw. bezahlen zu können. Also wird er ihn an C für 2 Euro weiterverkaufen. C versucht muss ihn dann wieder teurer verkaufen, um überleben zu können, also versucht er ihn A für 3 Euro zu verkaufen. Aber A wird diesen Preis nicht bezahlen, da er seinerseits den Apfel nur für 1 EURO an B verkaufen konnte. Also kann der Profit für die Gesamtgesellschaft nicht aus dem Verkauf entstehen. Er kann nur durch ausgebeutete Arbeit entstehen, also wenn der Lohn etwa in der Höhe des Wertes der Arbeitskraft bezahlt wird statt in der Höhe des Wertes der geleisteten Arbeit. Ergo muss der Ski-Käufer, der bereit war einen höheren Preis zu bezahlen den Differenzbetrag entweder durch Verzicht auf ein anderes Produkt wieder reinholen, wodurch dem abgelehnten Verkäufer einen Mehrwert entgeht und sozusagen beim Ski-Käufer bleibt. Oder der Ski-Käufer kompensiert seinen Verlust (an Wert) durch vorherige oder zukünftige Ausbeutung von Arbeitern, die bereit sind ihre Arbeitskraft unter dem Wert Ihrer Arbeit zu verkaufen (Mehrwert). Wert und Preis müssen sich längerfristig also die Waage halten.
Guten Tag Herr Lippert
siehe meinen Kommentar oben
Wie Sie es schreiben – „Vergesst die Werttheorie!“ – sehe ich das nicht.
Die Arbeitswerttheorie ist schon richtig, nur nicht in deren klassischer Interpretation.
Der Wert hat auch Bedeutung: Mit dem Wert wird beschrieben, wie sich Tauschpartner beim Tausch von nicht frei verfügbaren Gütern zueinander verhalten, in der heutigen Zeit bedeutet das, welchen Teil seines Anrechts auf einen prozentualen Anteil am Gesamtumfang aller ökonomisch zu verteilenden Güter (Geldmenge) ein Käufer einem Verkäufer als Gegenleistung für seine Ware übergibt. Der Tauschpreis widerspiegelt den Wert in quantifizierbarer Form.
Werte kommen zustande durch Qualitätserhöhungsprozesse, die durch menschliche und maschinelle Arbeitskräfte sowie durch die Arbeitskraft Natur bewerkstelligt werden. Sie basieren auf gewichteten Beziehungsstärken (starke gewichtete Bedürfnisse), welche die Tauschpartner bezogen auf die Tauschgüter ausbilden und die zum Tausch führen.
In den Produktionsprozessen, welche durch die eben genannten Arbeitskräfte vollbracht werden, werden lediglich die Bezugspunkte für mögliche Wertbeziehungen und damit für Werte geschaffen.
Die Formel W|real = c|ersetzend + v|ersetzend + m|real ist universell und kann auf typische technische Güter, auf Musikveranstaltungen, auf Literatur und andere Kunstwerke, auf bestimmte Naturgüter, auf archäoogische Fundstücke usw. angewendet werden.
Das Hauptproblem bei Marx ist die Sicht auf den Wert als Singularität, d. h. nach der Auffassung von Marx soll der Wert mit der Produktion von Waren geschaffen werden. Doch damit widerspricht er sich selbst, wenn er davon spricht, dass nur die gesellschaftlich nützliche Arbeit wertbildend sein soll.
Wert ist jedoch keine Singularität, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen Tauschpartnern – beide haben Einfluss auf den Wert.
Anmerkung: Das Thema diskutiere ich seit 1980, beginnend in der DDR (aufgrund zweier Schlüsselerlebnisse) und mit einer langen Pause von 1990 bis 2014.
In der DDR war es leichter, darüber zu diskutieren (Staatliche Plankommission und mehrere wissenschaftliche Institutionen).
Lieber Rainer Lippert, es bleibt auch nach Ihren Einlassungen die Frage, weshalb man einen Unterschied machen soll zwischen Wert und Preis, wie es Marx tut, und dann noch zwischen Gebrauchswert und Tauschwert. Diesseits der idealistischen Philosophie, die ein Ding an sich postuliert, gibt es keinen Wert an sich.
Ergänzung
Die Wertbildung, die zwischen Käufer und Unternehmer bzw. zwischen Käufer und Verkäufer stattfindet, ist verschieden von der Bildung für Bezugspunkte für mögliche Wertbeziehungen.
Bezugspunkte für Wertbeziehungen können in Fabriken produziert werden. Doch die Wertverhältnisse werden, bezogen auf solche Bezugspunkte, zwischen den Tauschpartnern beim Tausch gebildet.
Wert als gesellschaftliches Verhältnis kann man nicht vergegenständlichen.
Ich möchte dem gesellschaftlichen Verhältnis Wert das gesellschaftliche Verhältnis Eigentum gegenüberstellen.
Beide werden herausgebildet und wirken auf der gesellschaftlichen Ebene.
Die Bezugspunkte für beide können produziert werden.
Doch wird z. B. über ein Wertverhältnis Eigentum gegen Eigentum getauscht, dann muss nicht das alte Eigentum aus jedem der Tauschgüter aus und das neue in jedes der Tauschgüter eingebaut werden. Die Zuordnung erfolgt auf der gesellschaftlichen Ebene.
Die Zuordnung Eigentum wirkt zwischen dem Eigentümer und der gesamten Gesellschaft (meist darüber hinaus). Die Zuordnung eines Wertes wirkt zwischen den Tauschpartnern und wird auf die Tauschgüter bezogen.
Solch ein Wert kann nicht in eine Ware eingebaut, bzw. vergegenständlicht werden.
Geling es z. B. nicht, eine potenzielle Ware nicht zu verkaufen, war die dafür aufgewandte Arbeit nicht gesellschaftlich nützlich, d. h. sie war nicht wertbildend. In solch einem Fall muss aber kein Wert aus solch einer potenziellen Ware ausgebaut werden, es war nie einer drin. Der Wert wird nur zugeordnet oder auch nicht.
Dass der Wert nur zugeordnet wird, ist auch bei Marx zu finden, wenn er schreibt, dass eine Ware für sich nicht Wert sein kann, sondern dies nur ist zusammen mit einer anderen, eben dem Wertäquivalent.
Auch an der Abschreibung wird das deutlich gemacht: Einige vormalige Waren „verlieren an Wert“, bei anderen steigt der (umgangssprachliche Formulierung, denn exakt es geht um die Zuordnung von Wertgrößen beim Tausch).
„Wir wissen, daß der Wert jeder Ware bestimmt ist durch das Quantum der in ihrem Gebrauchswert materialisierten Arbeit, durch die zu ihrer Produktion gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit.“ Karl Marx, Das Kapital Bd. 1 (MEW 23, S.200)
So steht es geschrieben und so wird es von vielen geglaubt.
Doch so kann das nicht stimmen:
1. Ein Fabrikant der Regenschirme produziert und die erfolgreich für €40 das Stück verkauft, liest diese Wertauffassung von Marx und lässt Löcher in die Bespannung seiner Schirme stanzen mit dem Ziel, die notwendige Arbeitszeit für diese und damit deren Wert zu erhöhen. Er errechnet sich, dass er durch den höheren Aufwand, aber auch mit der höheren Mehrwerterwartung €45 statt wie bisher €40 dafür verlangen sollte.
Doch der Erfolg wird ausbleiben.
Die Käufer bezahlen nicht zuerst die Arbeitszeit, sondern zuerst die Arbeitsergebnisse. Wenn diese OK sind, ergibt sich daraus, dass die Käufer die Aufwendungen ersetzen und die erwarteten Mehrwerte dazu bezahlen.
2. Sollte das Stanzen der Löcher nicht unter „notwendige Arbeitszeit“ fallen, würde auch damit deutlich werden, dass der Wert erst auf dem Markt gebildet wird und zwar als ein Verhältnis zwischen Käufer und Unternehmer. Die Käufer schätzen die Ergebnisse, die mit der Arbeit in der Arbeitszeit erreicht werden, erst einmal ein, bevor sie die Produkte kaufen. Sollten sie die nicht kaufen, war sogar nach Marx die dafür aufgewandte Arbeit (bei den Schirmen die bis zur Produktionsumstellung zunächst erfolgreichen, doch in Verbindung mit der Produktionsumstellung dann falschen zusätzlichen Arbeitsschritte) keine wertbildende Arbeit, verbleibt damit im Stadium private Arbeit, d. h. im Eigentum des Unternehmers. Es würden keine gesellschaftlichen Verhältnisse vom Typ Wert bezogen auf diese Schirme gebildet werden. Die Entscheidung darüber wird jedoch erst auf dem Markt gefällt, nicht mit der Produktion.
Aus dem Löcher stanzen selbst kann man die Nützlichkeit, d. h. die Gewinnung von Gebrauchswert, nicht ableiten. Möglicherweise finden sich sogar einige Kabarettisten oder Clowns, für die genau diese zusätzlich gestanzten Schirme Gebrauchswert aufweisen, so dass sie die Schirme kaufen würden. Doch auch dann ist es nicht sicher, ob sie den Erwartungswert in Gestalt des Angebotspreises bezahlen würden.
3. Die Wertformel zeigt von den Eingangsgrößen her, dass der Wert auf dem Markt gebildet. Wird.
Der reale Mehrwert kommt erst auf dem Markt zustande, wenn der Käufer den bezahlt. Vorher gibt es nur einen erwarteten Mehrwert und damit nur einen Erwartungswert. Die Waren sind zu diesem Zeitpunkt noch keine realen Waren, sondern nur potenzielle.
Mehrwert bedeutet, dass der Käufer einer Ware dem Unternehmer ehr bezahlt, als dieser dafür ausgegeben hat. Das kann der Unternehmer nicht für sich selbst tun.
Dass Mehrwert bezahlt wird, setzt voraus, dass der Käufer zuvor c und v ersetzt. Mehrwert kommt nicht zustande, wenn der Käufer nur den Mehrwertanteil bezahlt und dieser auf die Kosten der Produktion addiert wird:
W|völlig falsch = c|Kostenfaktor, Ersatz erwartet + v|Kostenfaktor, Ersatz erwartet + m|real.
Würde der Käufer nur den Anteil m|real bezahlen wollen, würde ihm das nicht gelingen, da mit diesem Geld zunächst nur Anteile von c|Kostenfaktor, Ersatz erwartet + v|Kostenfaktor, Ersatz erwartet bezahlen würde. Erst wenn er c und v der Produktionsseite vollständig ersetzt hat und dann noch mehr bezahlt, dann kommt es zum Mehrwert. Das geschieht erst beim Kauf auf dem Markt.
Den Mehrwert nach der Wertformel für den realen Wert berechnen
W|real = c|ersetzend + v|ersetzen + m|real und diese Parameterwerte auf die Produktionsseite der Warengesellschaft anwenden, funktioniert nicht, da dort die Kosten nicht ersetzt und der Mehrwert nicht bezahlt wird.
MfG – Rainer
„So steht es geschrieben und so wird es von vielen geglaubt. Doch so kann das nicht stimmen.“ Eben. Meine Rede.
Vielen Dank für die Antwort, Herr Posener,
ja, der Wert ist ein Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer.
Das betrifft den Großhandel, d. h. die Wertverhältnisse zwischen den Unternehmern und auch den Einzelhandel, die Wertverhältnisse zwischen den Einzelhändlern und den Endkunden.
Dass damit die Ausbeutung verschwinden soll, ist Ihre Sicht, doch diese ist völlig falsch! Im Gegenteil: Mit der Ausbeutung, die ich beschreibe, kann der Kapitalist etwas anfangen, mit Ihrer nicht.
Nach Marx wird der Wert auf der Produktionsseite der Warengesellschaft gebildet: W = c + v + m.
Doch dort gibt es keinen Mehrwert. Und c und v widerspiegeln nur Kosten. Der Wert ist aber etwas von den Kosten Verschiedenes.
Auf der Produktionsseite kann es nur den Erwartungswert geben, denn wenn die dort produzierte potenzielle Ware nicht verkauft werden kann, war die dafür aufgewandte Arbeit keine wertbildende Arbeit. Folglich würde damit kein Wert zustande kommen. Ebenso gehen in die Wertformel der Produktionsseite die Kosten c und v ein, eben in der Erwartung, dass ein Käufer diese ersetzt.
Folglich muss die Wertformel für die Produktionsseite umgeschrieben werden:
W|erwartet = c|Kostenfaktor; Ersatz erwartet + v|Kostenfaktor; Ersatz erwartet + m|erwartet.
Auf dem Markt kann es dazu kommen, dass ein Käufer die Ware kauft. Im optimalen Fall ersetzt er mit dem Kauf die Kosten c + v und bezahlt den erwarteten Mehrwert. Dazu muss die Wertformel angepasst werden:
W|real = c|ersetzend + v|ersetzend + m|real.
Die Wert Formel für den realen Wert zeigt, wie und wo der Wert gebildet wird:
– In den Wert fließt der reale Mehrwert ein.
– Den realen Mehrwert bezahlt der Käufer auf dem Markt.
– Mit der Wertformel für den realen Wert wird deutlich, dass in den Wert nicht die Produktionskosten, sondern der Ersatz dieser eingeht. Das ist auch logisch: Der Wert ist nicht identisch mit den Produktionskosten, auf die der erwartete Mehrwert addiert wird.
– Der Wert wird als gesellschaftliches Verhältnis zwischen Käufer und Unternehmer (vereinfachte Darstellung ohne den Handel) gebildet. Dieses Verhältnis beschreibt, wie sich die Tauschpartner bezüglich der Tauschgüter zueinander verhalten, konkret wieviel vom eigenen prozentualen Anrecht auf alle dem ökonomischen Tausch unterliegenden Güter der Käufer dem Unternehmer als Gegenleistung für die Ware gibt.
Die Ausbeutung funktioniert nur mit dem, was die Wertformel für den realen Wert widerspiegelt, nämlich mit dem realen Mehrwert, den der Käufer bezahlt.
Der Kapitalist kann sich noch so viel erwarteten Mehrwert errechnen, wünschen oder vorstellen. Wenn es ihm nicht gelingt, den Käufer dazu zu bewegen, Mehrwert zu bezahlen, wird er keinen erhalten.
Angenommen ein Unternehmer stellt 1000 Stück einer Ware her. Pro Stück fallen die Kosten c = €200 und v = €100 an. Der Unternehmer erwartet einen Mehrwert von m = €100. Daraus errechnet er den Erwartungswert für ein Stück seiner Waren mit €400. Diesen verknüpft er als Angebotspreis mit der zunächst nur potenziellen Ware. Der Gesamt-Erwartungswert würde W|erwartet_gesamt = €400 x 1000 = €400.000 betragen.
Bei einem 8 Stundentag würde die notwendige Arbeitszeit 50% der Arbeitszeit betragen (€100 für die notwendige Arbeitszeit und €100 für die unbezahlte Arbeitszeit – der Mehrwert basiert zwar nicht nur auf der Arbeit der menschlichen Arbeitskräfte, aber darauf möchte ich an dieser Stelle nicht auch noch eingehen). Die Ausbeutung soll demzufolge 50% der Arbeitszeit bzw. €100 betragen. Demzufolge erwartet er einen Gesamt-Mehrwert von m|erwartet_gesamt = €100 x 1000 = €100.000.
Sollte der Unternehmer alle Waren zum Erwartungswert verkaufen können, dann würde seine erwartete Ausbeutung mit der realen übereinstimmen.
Doch sollte es ihm nur gelingen 500 Stück zu verkaufen, dann würde nur ein Gesamtwert von W|real_gesamt = €400 x 500 = €200.000 gebildet werden. Der Gesamt-Erwartungswert würde nicht erreicht werden. Die Mehrwerterwartung des Unternehmers würde sich ebenfalls nicht erfüllen: m|real_gesamt = €100 x 500 = €50.000. Damit würde er nur die Hälfte des erwarteten Mehrwertes einnehmen. Die Ausbeutung würde von der gewünschten Größe von €100.000 auf €50.000 in der Realität sinken.
Was würde ihm in diesem Fall die erwartete Ausbeutung von €100.000 nützen? Die sogenannte notwendige oder bezahlte Arbeitszeit würde in diesem Fall nicht mehr 4 Stunden, sondern 6 Stunden betragen, da sie auch für die nichtbezahlten Produkte aufgewandt und bezahlt wurde.
Es soll eine weitere Situation betrachtet werden: Der Unternehmer kann zwar alle Produkte absetzen, aber nur ohne Mehrwert.
Der Wert, der pro verkauftem Stück Ware gebildet wird, beträgt €300. Der Gesamt-Wert beträgt dann W|real_gesamt = €300 x 1000 = €300.000. Der reale Gesamt-Mehrwert würde €0 betragen. Damit würde die notwendige Arbeitszeit von 4 Stunden auf 8 Stunden ansteigen und der Kapitalist könnte nicht ausbeuten.
Das ist auch logisch: Die Ausbeutung beschreibt keine schlechte Bezahlung, sondern den Effekt, dass der Kapitalist mit den Produktionsergebnissen mehr einnimmt, als er für die Produktion ausgegeben hat. Das wäre in diesem Beispiel nicht gegeben.
Sollte es ihm gelingen, Mehrwerte zu erhalten, jedoch nur €50 statt der €100, würde der reale Gesamtmehrwert auf die Hälfte der erwarteten Wertgröße sinken. Damit würde die notwendige Arbeitszeit zwar nicht mehr 8 Stunden betragen wie im vorigen Beispiel, doch immerhin noch 6 Stunden und damit 2 Stunden mehr, als ursprünglich erwartet.
Auch in Fällen, wo die realen Mehrwerte niedriger ausfallen, als erwartet, kommen weder der erwartete Gesamtmehrwert, noch die erwartete Ausbeutung zustande.
Doch allein mit der erwarteten Mehrwertgröße und mit der erwarteten Ausbeutung wird sich kein Kapitalist zufriedengeben. Die Kapitalisten brauchen für sich und für die Fortführung der Produktion reale Werte, reale Mehrwerte und reale Ausbeutung.
Die Marx’schen Ansichten zum Wert und zur Ausbeutung sind nicht realistisch.
Mit dem Kauf der Waren durch den Großhandel wird z. B. ein erstes Wertverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Marktketten, wie in den obigen Beispielen erwähnt, erfolgreich abgeschlossen.
Daraus folgend werden üblicherweise Wertverhältnisse zwischen den Marktketten (z. B. Mediamarkt) und den Endkunden.
Dort geschieht Äquivalentes, wenn auch nicht auf der Produktion basierend:
W|erwartet = c|Kostenfaktor; Ersatz erwartet + v|Kostgnefaktor; Ersatz erwartet + m|erwartet.
In dem Fall widerspiegeln
c – die Kosten für die Räumlichkeiten, Stromversorgung, Infrastruktur, die die gekauften (dann wieder zunächst potenziellen) Waren, Verkaufstechnik usw.
v – die Kosten für die Mitarbeiter
m – den erwarteten Mehrwert.
https://starke-meinungen.de/blog/2017/02/15/150-jahre-das-kapital-2-vom-unsinn-der-werttheorie/
10.12.2018
Die Arbeitswerttheorie ist nur in ihrer klassischen Interpretation falsch. Marx behauptet, dass der Wert auf der Produktionsseite der Warengesellschaft geschaffen würde. Doch Wert kann nicht produziert werden. Wenn eine potenzielle Ware nicht verkauft wird, war die dafür aufgewandte Arbeit nicht wertbildend. Außerdem gibt es auf der Produktionsseite noch nicht den Mehrwert, denn den muss der Käufer der Ware bezahlen (das besagt auch der Begriff Mehrwert).
Demzufolge gibt es auf der Produktionsseite der Warengesellschaft nur einen Erwartungswert:
W|erwartet = c|Kostenfaktor; Ersatz erwartet + v|Kostenfaktor; Ersatz erwartet + m|erwartet.
Wert ist ein gesellschaftliches Verhältnis. Ein solches wird aufgebaut und wirkt zwischen Menschen, der Wert konkret zwischen Tauschpartnern.
Was produziert werden kann, sind Bezugspunkte für Wertverhältnisse.
Auf dem Markt können der Unternehmer und der Käufer (einfache Darstellung ohne den Handel) ein Wertverhältnis aufbauen.
Der Unternehmer bringt seine potenzielle Ware, verbunden mit seinem Erwartungswert in Gestalt des Angebotspreises ein.
Der Käufer schätzt das Arbeitsergebnis ein und, wenn das OK ist, ersetzt er die Kosten c und v und er bezahlt dann auch den erwarteten Mehrwert.
Demzufolge kann die Wertformel von Marx erst auf den Markt angewendet werden:
W|real = c|ersetzend + v|ersetzend + m|real.
Daran, dass der Mehrwert erst zustande kommen kann, wenn der Käufer c und v ersetzt hat (was auch logisch ist), wird deutlich, dass in den realen Wert nicht die Produktionskosten c und v, sondern deren Ersatz eingehen, zusammen mit dem realen Mehrwert.
Die gemeinsame Wertgröße von Käufer und Unternehmer ist die objektive Wertgröße – „der Wert“.
Nur diese steht im Kaufvertrag bzw. auf der Rechnung. Nur diese widerspiegelt sich in der Kaufkraftwanderung von Käufer zu Unternehmer.
Alle anderen „Werte“, der Arbeits- oder Warenwert, sind ideelle Wertgrößen, da sie nicht Bestandteil des gesellschaftlichen Verhältnisses Wert zwischen Käufer und Unternehmer sind. Sie sind Singularitäten, der Wert dagegen ist ein gesellschaftliches Verhältnis.
Es beschreibt, wie sich Käufer und Verkäufer bezüglich der Tauschgüter zueinander verhalten, konkret, wieviel von seinem prozentualen Anrecht auf alle dem ökonomischen Tausch unterworfenen Güter (Geldsumme) der Käufer dem Verkäufer, nach Übereinkunft, als Gegenleistung für die Ware gibt.
Beste Grüße – Rainer
Danke. Aber damit lösen Sie ja eben den Wert (= vergegenständlichte Arbeit nach Marx) auf in ein Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, so wie es die klassische – und neoklassische – „bürgerliche“ Ökonomie tut.
Für Marx ist die Werttheorie wichtig, weil sie sozusagen „wissenschaftlich“ die Ausbeutung belegt: die Arbeitskraft schafft mehr Wert als sie selbst wert ist. Wird aber der Wert von der Arbeit entkoppelt, wie Sie es tun, dann verschwindet die Ausbeutung als ökonomische Kategorie. Im übrigen finde ich das richtig. Rent-seeking ist viel wichtiger als Kategorie, ditto Kategorien wie Weltmarkt, Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, Unsicherheit, Fetischismus (der Ware und des Marktes) usw.
Sogar Hans-Werner Sinn sieht es anders als Alan Posener: http://www.hanswernersinn.de/d.....itrate.pdf
Ich habe bei der Lektüre dieses Blogbeitrags mehrmals sehr lachen müssen. Die etwas schlaueren unter den bürgerlichen Ideologen versuchen ja andauernd, Marx‘ angebliche Arbeitswerttheorie zu widerlegen – die eigentlich erzkapitalistisch ist, von Smith und Ricardo kommt und von Marx ein ums andere Mal sauber zerlegt wird, u. a. in der: „Kritik am Gothaer Programm“.
Aber nein, der hiesige Ideologe ist so blöd, daß er wie an den Weihnachtsmann an etwas glaubt, daß aufgrund seiner offensichtlichen Widersinnigkeit und völligem Auseinanderklaffen mit der ökonomischen Realität schon seit über hundert Jahren von dem meisten Kapitalismusapologeten nicht mehr geglaubt, daher andauernd verschämt verleugnet und dafür Marx in denunziatorischer Absicht untergeschoben wird: Die Arbeitswerttheorie!, um sie dann als angeblichen: „Kern des Marxismus“ zu widerlegen. Aber nichtmal das schafft Posener, sondern schreit von der AWT als: „eigentlichem Wert“.
Auch ist es ziemlich albern, so zu tun, als wenn Marx den Wert erfunden hätte. Der gesamte Kapitalismus kreist auf der manifesten ideologischen Ebene seiner Apologeten darum, und das schon lange vor Marx, und auch bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ob nun als AWT, Grenznutzentheorie oder sonstwas. Genau deshalb mußte Marx sich ja damit auseinandersetzen, weil die Kapitalisten einfach nicht ohne konnten. Es ist Marx‘ Verdienst, das ideologische Moment an der ständigen kapitalistischen Werthuberei offengelegt zu haben: Der völligen Warenförmigkeit des Produkts steht die völlige Wahnförmigkeit des Tauschwerts gegenüber. Es handelt sich hier um eine sog. Realabstraktion: Etwas, das es nicht gibt, das aber dadurch real wird, daß nur genügend Verrückte dran glauben und sich so verhalten, als gäbe es die Sache. Und *DARUM* muß Marx sie so ausführlich behandeln. *DAS* ist der objektive Aspekt am Tauschwert, daß er ein allgemein vorherrschender, blind geglaubter gesellschaftlicher Wahn ist. Nach Marx wird besonders Adorno diese Wortbedeutung „objektiv“ = „per irrationaler, rigider und tyrannischer gesellschaftlicher Norm den ohnmächtigen Individuen vorgeschrieben“ intensiv nutzen und weiternwickeln; wann immer Adorno Hegel erläutert, benutzt er die Begriffe Subjekt, Objekt und Totalität, teils auch den der Partikularien, in den Bedeutungen Individuum („Subjekt“, manchmal: „Partikularien“ für Individuen) kontra Gesellschaft („Objekt“, „Totalität“).
Auch sehr amüsant Poseners Versuch, jegliche falsifzierende wie evidenzbasierte Wissenschaft überhaupt zum Aberglauben zu erklären: „Der Preis ist der Wert ist der Wert ist der Wert“ (was schon allein aufgrund u. a. von Konkurrenz und moralischem Verschleiß nicht stimmt, weshalb ja auch die Preise täglich, oft stündlich fluktuieren, was nur bei Fertigprodukten mittels industrieller Massenfabrikation einigermaßen ausgeglichen wird), weil Posener Evidenzbasierung wie Falisifikation für: „völlig unwissenschaftlich“ hält. Kurz: Wenn es nach Posener ginge, würde die Menschheit heute noch glauben, daß die Erde eine Scheibe, eine Scheibe, eine Scheibe wäre und die Sonne sich um die Erde dreht, um die Erde dreht, um die Erde dreht, weil es ja schließlich unschlagbar so erscheint, erscheint, erscheint.
So rammdösig von der ständigen Drehorgel, Drehorgel, Drehorgel der Sonne um die Erde schafft er es dann natürlich auch, die Deutsche Ideologie genau völlig falsch zu bestimmen: Für die undialektische Deutsche Ideologie *GIBT* es garkein materialistisches Wesen, sondern nur idealistische Erscheinung, ist alles nur Geist und Sprache oder diese könnten, als: „eigentliche Realität“, die gesamte materielle Welt in Form von Raum, Zeit und Materie durch reine Willenskraft allmächtig und unmittelbar in Sekundenschnelle lenken, anstatt diese primär zu erkennen oder eben – zu verkennen. Das hat viel mit mangelnder politischer Partizipation des mitteleuropäischen Bürgertums aufgrund von verlorenen Bauernkriegen und verlorener Revolution von 1848 zu tun, die zur lutherischen Innerlichkeit, zum Deutschen Idealismus, Obrigkeitshörigkeit, Kadavergehorsam und der deutschen Kulturhuberei führten.
Einen besonderen Boost bekam die Deutsche Ideologie als reaktionäre deutsche Gegenaufklärung auch durch Haß auf und Abgrenzung von der materialistisch und gesellschaftsliberal aufgeklärten französischen Besatzung unter Napoleon, weshalb auch schon die Revolutionäre von 1848 in der Mehrzahl nicht gerade lupenreine Demokraten waren, sondern eben Deutsche, die statt Demokratie und Gewaltenteilung lieber Blutsauffrischung des Adels durch sozialdarwinistisch aufstrebendes Bürgertum, rassische Volksgemeinschaft und militärische Ausdehnung der terrotorialen Grenzen dieser Volksgemeinschaft bis an die Chinesische Mauer haben wollten bzw. den Unterschied nicht im geringsten begriffen. Ergo dann auch die weitere so konsequente wie prototypische Entwicklung des enttäuschten 48er-Revolutionärs Richard Wagner zum zentralen Ideologen des neuzeitlichen elminatorischen Antisemitismus, der lediglich unproduktive und: „dem Volk im Wege stehende“ Adlige hatte beseitigen wollen, dann resignierte, zu ihrem Bittsteller und mythologisierend verklärendem Panegyriker wurde und sich neue Sündenböcke suchte.
Daran, daß ein solcher Deutscher Idealismus seit den Bauernkriegen insgesamt Blödsinn ist, ändert auch die wissenschaftliche Untersuchungsmethode des dialektischen Materialismus nichts, mit dem Marx bekanntlich Hegel vom idealistischen Kopf auf die materialistischen Füße gestellt und Feuerbach von jenem naiven naturalistischen bzw. positivistischen Kurzschluß befreit hat, dem auch Posener anhängt, wonach es eigentlich keinen fehleranfälligen Geist samt ideologischem Schleier, sondern allein unmittelbare und unverstellte Materie gibt, die beim reinen Ankucken im Sekundenbruchteil komplett und fehlerfrei bis zum allerletzten Atom, Lepton und Quark, sämtlichen Maßen, Dimensionen und externen Wechselbeziehungen in den Geist gebeamt wird. Und gerade eben deshalb, weil ein solches Beamen der unmittelbaren Allwissenheit nicht passiert, braucht es die Unterscheidung von materiellem Wesen (alias, je nach Autor, auch substantia, essentia, natura, reality, facts, usw.) und geistiger Erscheinung (alias on, phainomenon, kognitive Repräsentanz, usw.), um den ideologischen Schleier schrittweise zu durchstoßen und ständig den Dingen adäquatere Begriffe zu entwickeln. Und das lustige: Der feuerbachsche Vulgärmaterialist Posener („Platons Idee ist nicht das Ding-an-sich! Platons Ideen und Erscheinungen gibt es garnicht!“) steht hiebei dem in idealistisch-postmodernistischer Weise völlig sprachfetischistischen Klaus J. Nick („Das Ding-an-sich gibt es garnicht! Alles sind nur Konventionen und Wahrnehmungen!“) diametral gegenüber, der wahrscheinlich auch die esoterische Fantasyinterpretation der Quantentheorie („Nothing is real!“) total geil findet, die beiden reden auf diese Weise ständig aneinander vorbei und pflichten sich dann sogar noch andauernd gegenseitig bei: „Jawoll, recht haste!“
Marx aber wird jedenfalls nicht dadurch zum Platoniker, Idealisten (eine Eigenschaft, die teils sogar bereits für Hegel bestritten wird, was sich auch u. a. daran zeigte, daß Marx ihn eben vom Kopf auf die Füße stellen konnte, und vor ca. einem halben Jahr fanden sich noch diverse Quellen auf Wikipedia, die Hegel absprachen, überhaupt zum Deutschen Idealismus zu zählen, wofür sich momentan zumindest noch auf die Schnelle Rudolf Eisler anführen ließe) und Tolkienschen Erfinder von Fabelwesen, bloß weil Posener andauernd kindisch kräht: „Aber da steht doch Wesen! WESEN, Alter, *WESEN*!!!“ Das deutsche: „Wesen“ in diesem Sinne übersetzt sich daher auch nicht als: „being“, „creature“ oder, noch verrückter: „platonic idea“, „personality“ oder sonstwas, wie Posener den Begriff ständig polemisch falsch deutet und quer durcheinander benutzt, sondern als: „nature“, „essence“, usw. Das Begriffspaar von Wesen und Erscheinung übersetzt sich als nature/essence vs. appearance. Kurz: Auch der Angelsachse sagt eben nicht ohne Grund: „You can’t judge a book by its cover“, ohne dadurch unmittelbar zum esoterischen Religioten zu werden.
*DAS* ist Wissenschaft, und genau so, durch die Unterscheidung von appearance vs. essence bzw. reality, wurde auch die Erde aus dem Zentrum des Sonnensystems gekickt, und nicht dadurch, daß der erste Steinzeitmensch nach oben gekuct hat und ihm sofort und unmittelbar die realen Verhältnisse im Sonnensystem eins zu eins ins Hirn gebeamt wurden. Wir fassen also nochmal extra für Alan Posener zusammen: Wenn du denkst, der Mond geht unter, der geht nicht unter, das scheint bloß so, denn um die Erde rum kajohlt er. Nützlichkeitserwägungen sind hingegen bloßer Opportunismus, Utilitarismus und, sobald man sie in die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung über die Natur der Dinge zu tragen versucht, Ideologie, und ohnehin das genaue Gegenteil von Wissenschaft. Auch Hexenglauben und Ritualmordlegende waren einmal sehr nützlich, etwa bzgl. der Transferierung von Werten, resp. Wertgegenständen, mittels massenhaftem Totschlagen, Verbrennen usw., aber keineswegs wissenschaftlich. So werden Tauschwert und Ritualmordlegende zu Realabstraktionen, die allein deshalb existieren, weil es genug Verrückte gibt, die sich so verhalten, als gäbe es sie.
Der Gebrauchswert wiederum ist keineswegs subjektiv, weil Marx ihn als die im naturwissenschaftlichen (nicht gesellschaftlichen!) Sinne objektiven (die Gemeinsamkeit der beiden Objektivitätsbegriffe besteht in der rein deskriptiv-phänomenlologischen Eigenschaft der Interpersonalität: Das, worauf sich mehrere Leute einigen können) Wechselwirkung zwischen den stofflichen Materialeigenschaften von Gegenstand und Körper zum Zwecke der biochemischen Subsistenz definiert (Nährwert, Wärmewert, Dämmwert, Leistungswert, etc.), Punkt. *DAS* ist der eigentliche Wert bei Marx! Die sentimentale Anhänglichkeit an den Teddy ist kein Gebrauchswert, ohne deren Existenz an sich zu negieren. Und es war eben nicht erst Marx, der drauf hingewiesen hat, daß es den kapitalistischen Ideologen mit keinem Deut um den Gebrauchswert geht, sondern das haben uns dieselben schon ganz von alleine verraten.
Und von dem ganzen Blödsinn, der dann vom Autor noch in den Kommentaren kommt, wo er sich auch noch ständig selber widerspricht und willkürliche Kategorienverwechslungen begeht, sowie sich Homonyme, Synonyme und Metaphern (die permanente Verwechslung von Wesen als: „being“ oder: „creature“ ist nur das prominenteste Beispiel) zunutze macht, nur, um nicht auf konkrete Einwände eingehen zu müssen, und offenbar (wo er nämlich mittels des Hörensagens von Tertiärliteratur mal was mitbekommen hat) zur Austestung der Blödheit des Publikums, immer offener lügt, was einzelne Stellen oder Aussagen bei Marx angeht (ich habe mir mal aus Gründen der Zeitökonomie erspart, da hunderttausendfach selber reinzugrätschen), muß ich einen ganz besonderen Blödsinn dann doch noch herausgreifen: Ahistorische Begriffe *GIBT* es bei Marx garnicht, mit Ausnahme der naturwissenschaftlichen und der begriffslogischen Kategorien! Das ergibt sich schon ganz allein aus dem dialektischen Materialismus, der jegliche Begriffe aus konkreten Gesellschaftsformationen ableitet bzw. sie auch gerade aus den mannifaltigen Veränderungen im Zeitablauf heraus kritisiert. Ohne Kapitalismus als historisch spezifisches gesellschaftliches Zwangsverhältnis auch kein kapitalistischer Tauschwert. Der einfache Warentausch im Urkapitalismus, in der Sklavenhalter- oder feudalen Gesellschaft ist ganz was anderes, als das gesellschaftliche Zwangsverhältnis noch nicht mit dem ideologischen Tauschwert operierte, sondern auf unmittelbarer physischer Gewalt gründete. Genau deshalb argumentiert Marx ja auch, daß es wesentlich leichter war, gegen die Sklaverei und gegen die Feudalherrschaft zu sein, als gegen den Kapitalismus.
Anhand dieser kümmerlichen Gesamtleistung kann ich mir jedenfalls, genau wie bereits diverse Vorredner, kaum vorstellen, daß Posener überhaupt jemals was von Marx gelesen hat. Tauchen dann in seinen Erwiderungen mal wörtliche Zitate auf, wirken sie wie reine Klappentexte, die aus antikommunistischer Kindergartenliteratur zusammengeklaubt wurden, oder von Dritten hastig zugereicht, damit er sich nicht vollends lächerlich macht, auch wenn sie vollends am jeweiligen Gesichtspunkt vorbeigehen oder der gewollten Aussage diametral widersprechen. Wird das wiederum thematisiert, behauptet Posener einfach solange in ständiger Rotation das Gegenteil von sich selber (mal ist der Wert bei Marx ahistorisch und dann wieder nicht, mal ist der Wert – wahlweise bei Marx oder Posener – der Preis und dann wieder nicht, mal ist Marx für die AWT und dann wieder nicht oder er hat sie überhaupt nie behandelt, was dann jeweils sein großes Verbrechen sein soll und ihn vollkommen und im ganzen entwertet, ach, hätte er doch nur genau das andere gemacht, was Posener ihm gerade eben noch vorgeworfen hat, usw. usf. bis zum Kotzen) oder antwortet selbst seinem vehementesten Kritiker zum Schluß noch schwammiger einfach mit: „Eben, sag‘ ich doch!“, bis auch der Letzte entnervt aufgibt. Überzeugt dürfte er damit jedenfalls keinen seiner hiesigen Kritiker haben, auch wenn sich das in dieser clownesken und wurstigen Weise, wo bloß kein Mensch den Pudding Posener auf irgendwas festnageln kann und darf, vielleicht für Leute ganz nett macht, die wie Posener Marx schon vorher überhaupt nicht ausstehen konnten. Ähnliches, wo Posener sich per Dunning-Krüger teils als Genie, teils als gesunder Menschenverstand zu gerieren versucht, der Quellen so versteht, wie sie noch kein Mensch vor ihm verstanden hat (und natürlich darf nur er ganz alleine Wikipedia zitieren und sonst keiner auf der Welt, vor allem, weil andere nämlich, anders als er, tatsächlich lesen und begreifen können, was da steht), scheint, wenn ich mir den Rest der Kommentare so ansehe, auch für andere Referenzpunkte wie etwa Frege vorzuliegen, wo ich mich weniger auskenne.
Ist mir zu lang, sorry. Wenn Sie vielleicht kurz und knapp sagen würden, worum es geht, könnte ich darauf eingehen. Im der Kritik des Gothaer Programms kritisiert Marx nicht die Werttheorie, sondern die Behauptung, die Arbeit sei die einzige Quelle des Reichtums. Er nennt als zweite den Besitz an Grund und Boden, ohne aber zu behaupten, die Arbeit sei nicht eine Quelle des Reichtums, was auch unsinnig wäre, und was ich schon gar nicht behaupte.
Habe den Text überflogen ..nur weil ich genannt wurde:
Nein, ich finde „esoterische Fantasyinterpretation der Quantentheorie („Nothing is real!“)“ nicht „total geil“, ich sage lediglich, daß z.B. die Schlussfolgerungen eines Physikers von den in dieser Wissenschaft als sinnvoll zwecks Beschreibung der Beobachtungen erachteten Randbedingungen abhängt. Das ist Logik, sonst nichts. (postmodern-idealistisch, gerade ich.. tsss..)
Aber auch ich bin gespannt auf die „Essenz“ Ihres Textes, insbesondere was die Werttheorie betrifft, also ob ich doch Gold kaufen sollte..
Alan Posener behauptet dass laut Karl Marx, jede Ware drei verschiedene Wertformen: Gebrauchswert, Tauschwert und, nun ja, den „eigentlichen“ Wert, habe
Das ist schlichtweg falsch. Wenn dem aber so ist, dann sind freilich auch die Schlussfolgerungen die sich aus diesem falschen Verständnis ergeben, falsch.
Marx unterscheidet zwischen Gebrauchtswert und Tauschwert. Wo Marx ganz einfach von Wert schreibt, ist ( Da das Kapital den Untertitel Kritik der politischen Ökonomie trägt )
der ökonomische Wert also der Tauschwert gemeint.
Wer bereits an diesen doch noch eher simpel zu begreifenden Sachverhalten der Kritik der politischen Ökonomie scheitert, sollte sich eine öffentliche Marx Kritik doch besser ersparen, eine solche kann nur blamabel für dessen Verfasser enden.
Lieber Reiner Lenz, Sie verdrehen mir die Worte. Marx redet in der Tat nur von zwei „Werten“, Gebrauchswert und Tauschwert. Der Tauschwert ist der „eigentliche“ Wert, wie Sie selbst schreiben: „Wo Marx ganz einfach von Wert schreibt, ist der ökonomische Wert also der Tauschwert gemeint.“ Man könnte die gesamte Kritik der politischen Ökonomie auf die Behauptung reduzieren, eine Gesellschaft, in der der „eigentliche“ Wert einer Sache der Tauschwert ist und nicht der Gebrauchswert, ist im kern krank (oder wie Marx bei anderer Gelegenheit sagte, „jüdisch“). Aber das gehört nicht hierher. Ich jedoch habe das Wort „eigentlich“ in einem ganz bestimmten Zusammenhang gebraucht. Nämlich zur Unterscheidung von Preis und Wert (= Tauschwert). Für Marx ist der Preis nicht identisch mit dem Tauschwert, sondern ist nur dessen „Erscheinungsform“. Der „eigentliche“ Wert, also der Tauschwert, wird bestimmt durch die zur Produktion benötigte „gesellschaftliche Arbeit“. Ich wiederum behaupte, diese Unterscheidung zwischen Preis und Wert sei überflüssig, diesen „eigentlichen“ Wert gebe es nicht. Wenn Sie nicht an Rechthaberei interessiert sind, sondern an Diskussion, werden Sie das erkennen, ansonsten können Sie natürlich weiterhin sich als Pfau mit angeblich erledigten Gegnern schmücken: „Wer bereits an diesen doch noch eher simpel zu begreifenden Sachverhalten der Kritik der politischen Ökonomie scheitert, sollte sich eine öffentliche Marx Kritik doch besser ersparen, eine solche kann nur blamabel für dessen Verfasser enden.“
Merke: Die politische Ökonomie ist nie „simpel“.
Nein das haben Sie eben nicht. Sie leugnen die private Aneignung der Differenz. Sie begründen dies mit dem Umstand, dass auf dem Markt Äquivalente getauscht werden. Es ist zutreffend, dass Äquivalente getauscht werden, dennoch ergibt sich die private Aneignung einer Differenz. Zu verstehen wie diese Differenz trotz Äquivalente zustande kommt, bzw. diesen Widerspruch aufzulösen, können Sie in den Marx Zitaten, die ich hier herein gestellt habe, nachlesen. Das ist, dies sei zugegeben nicht ganz einfach und Marx hat einen gewissen Drang die Dinge zu verkomplizieren, aber wenn sie sich das einmal ganz in Ruhe durchlesen und versuchen zu durchdenken, würden Sie dies auch verstehen können. Zumindest hoffe ich das.
Ich habe es ja bereits geschrieben, woran Sie scheitern ist Ihre Leugnung von Wesen und Erscheinung.
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Unser … Geldbesitzer muss die Waren zu ihrem Wert kaufen, zu ihrem Wert verkaufen und dennoch am Ende des Prozesse mehr Wert herausziehen, als er hineinwarf. … Dies sind die Bedingungen des Problems. Hic Rhodos, hic salta! (Wer den Mehrwert nicht erklären kann, ohne dass beide sich widersprechenden Bedingungen erfüllt sind, kann den Mehrwert nicht erklären!). “ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 180f.
Nein, Reiner Lenz, sie wollen einfach nicht zugeben, dass Sie den Unterschied der Ware Arbeitskraft zu allen anderen Waren in einem Kommentar unterschlagen haben, und zwar ausgerechnet in einem Kommentar, in dem Sie mich der Unwissenheit geziehen haben. Das kommt vor. Es ist nicht so schlimm. Schlimm ist nur, wenn man nicht zugeben kann, einen Fehler gemacht zu haben.
Falsch,
Sie wollen nicht zugeben, dass im Warentausch auf der individuellen Ebene eine Differenz besteht, die sich privat angeeignet wird. Diese Differenz besteht allerdings nicht auf der gesellschaftlichen Ebene. Auf dieser Ebene ändert sich der Wert der Ware nicht.
Zur Ware Arbeitskraft, die heute durchaus billiger eingekauft und teurer verkauft wird z.B. in der sogenannten Leiharbeit. Zu Marxens Zeiten gab es so etwas noch nicht. Insofern gilt Marxens Erkentnis, dass der Arbeiter mehr Wert schafft, als das was er an lohn erhält, heute zwar nach wie vor, aber wie im Falle der Leiharbeit nicht mehr ausschließlich.
Der einzige Fehler, der mir vorgeworfen werden kann ist, dass ich mich zu simpel und insofern missverständlich ausgedrückt zu haben.
Lieber Reiner Lenz, ich habe diesen Satz mehrfach gelesen, und er ergibt keinen Sinn: „(…) dass im Warentausch auf der individuellen Ebene eine Differenz besteht, die sich privat angeeignet wird.“
Bei der Leiharbeit erbringt der Arbeitsverleiher eine Dienstleistung für Arbeiter und Kapitalisten. Dafür lässt er sich bezahlen. Man kann das ablehnen, aber man darf diesen Sonderfall nicht zum Modell der kapitalistischen Ausbeutung nach Marx erklären.
Sie schreiben: „Der einzige Fehler, der mir vorgeworfen werden kann ist, dass ich mich zu simpel und insofern missverständlich ausgedrückt zu haben.“ Das haben Sie. Aber Ihr entscheidender Fehler bestand darin, das „Rent-Seeking“, also das Streben nach einem Extra-Profit über dem marktüblichen hinaus, und zwar durch Übervorteilen des Käufers oder Verkäufers, zum Modell kapitalistischer Proftirealisierung zu machen. Zwar wird jeder Kapitalist sich bemühen, den Markt zu übervorteilen, aber das kann er genauso wenig, wie ein Kasinobesucher permanent die Bank übervorteilen kann. So funktioniert das System nicht.
Paul hat Recht. Herr Posener der hier vollmundig den Anspruch erhebt Marx widerlegen zu können, scheitert bereits an den Grundlagen. Das was er hier über die Marxschen Theorien zu wissen glaubt, hat er offenbar irgendwelchen Zweit oder Drittquellen aber nicht dem Original entnommen. Marx unterscheidet zwischen Tausch und Gebrauchswert, einen Wert an sich gibt es bei Marx definitiv nicht. Wenn Marx darüber schreibt, dass sich der Wert einer Ware aus der darin vergegenständlichten Arbeit ergibt, dann ist der Tauschwert gemeint. Und freilich gibt es einen Unterschied zwischen Wert ( hier ist der Tauschwert gemeint ) und Preis. Hat Herr Posener noch nie etwas davon gehört, das etwas unter oder über seinen Wert verkauft wurde. Wie kann das sein, wo doch Wert und Preis laut Herrn Posener identisch sind. Die zum Brüllen komische Behauptung, dass man die Krise von 2008 bewältigt hat, muss man nicht kommentieren, das kommentiert sich selbst hinreichend.
Wie heißt es bei Lord Russel: Es ist ein Jammer, dass die Dummen so selbstsicher und die Klugen so voller Zweifel sind.
Nun, Reiner Lenz, Sie sind sehr von sich eingenommen und glauben, jeden als „dumm“ abqualifizieren zu können, der nicht Ihrer Ansicht ist, aber diese unangenehme Eigenschaft teilen Sie mit Marx, sie sei Ihnen also nachgesehen im Interesse der Sache.
Sie schreiben: „Marx unterscheidet zwischen Tausch- und Gebrauchswert, einen Wert an sich gibt es bei Marx definitiv nicht.“ Richtig. Das habe ich auch nicht behauptet. Was wäre ein „Wert an sich“?
Nur behauptet Marx eben, wie Sie etwas vereinfacht, aber im Kern richtig schreiben, „dass sich der Wert einer Ware aus der darin vergegenständlichten Arbeit ergibt“. (Stimmt nicht ganz, denn auch der Wert des Bodens etwa geht laut Marx anteilig in die Ware ein, aber das tut hier nichts zur Sache.) Damit gibt es eine objektiven Messlatte für den Wert, und das meine ich mit einem Wert „an sich“, wie Sie, hätten Sie aufmerksam gelesen, meinem kleinen Essay auch hätten entnehmen können.
Laut Marx schwankt der Preis – als Erscheinungsform des Werts auf dem Markt – um diesen „Wert an sich“, diesen objektiven Wert. (Wird nicht getauscht, gibt es keinen Tauschwert. Das ist so klar wie tautologisch.)
Jedoch gibt es für diese Behauptung nicht den Schatten eines Beweises. Unsere umgangssprachliche Redewendung, etwas werde „unter Wert verkauft“ meint: Die Ware kostet den Käufer weniger, als sie den Produzenten gekostet hat. Denn für uns wie für den Produzenten wird der Wert der Ware wie folgt berechnet: Preis aller Produktionsfaktoren anteilig (Land, Gebäude, Maschinen, Angestellte und Arbeiter, eventuell Patente und dergleichen) plus angemessener Gewinn (sagen wir: zehn Prozent vor Steuern).
Es besteht kein Grund, diese betriebswirtschaftliche Berechnung, die mit Preisen arbeitet (Miete, Lohn, Abschreibungsanteil, Gebühren usw.), herunter zu brechen auf einen zugrundeliegenden „eigentlichen“ Wert. Niemand tut das denn auch, übrigens wurde das auch nicht in der DDR-Betriebs- und Volkswirtschaft gemacht. Es macht einfach keinen Sinn.
Der einzige Sinn der Marx’schen Werttheorie, das habe ich geschrieben, besteht in dem „wissenschaftlichen“ Nachweis, dass der Arbeiter auch dann ausgebeutet wird, wenn er einen gerechten Lohn bekommt, nämlich den vollen „Wert“ seiner Arbeitskraft. Denn diese Arbeitskraft, so Marx, habe die Eigenschaft, mehr Wert zu schaffen, als sie selber wert sei. Auch das eine unbewiesene und unbeweisbare Behauptung.
So viel zu den Dummen, die so selbstsicher sind.
Was die Krise von 2007/8 angeht, so ist die Behauptung, man habe sie bewältigt, nur dann „zum Brüllen komisch“, wenn man nicht die international gültigen Kriterien (Bruttosozialprodukt, Wachstum, Beschäftigung) zur Grundlage seines Brüllens nimmt. Dass wir mit den politischen Folgen – Populismus zum Beispiel – noch lange nicht fertig sind, gebe ich Ihnen gerne zu. Dabei zeichnet sich die nächste Krise bereits ab.
Oh, ich glaubte bereits mein Beitrag wäre gelöscht. Nett von Ihnen Herr Posener, dass Sie doch noch reagiert haben. Ich werde umgehend dazu Stellung nehmen.
Vorerst nur so viel. Nach wie vor steht fest, dass es bei Marx einen Wert an sich nicht gibt. Diese Begrifflichkeit ist Ihre eigene Erfindung, Ihre eigene Schlussfolgerung, Ihre eigene Meinung, wie Sie ja selbst schreiben. Ich darf Sie zitieren;
Damit gibt es eine objektiven Messlatte für den Wert, und das meine ich ( !!!!! ) mit einem Wert „an sich“,
Meine ich…….Sie meinen also es gäbe einen Wert an sich und weil Sie dies meinen, müsste und kann es Marx auch nicht anders gemeint haben. Genau dort liegt Ihr Fehler.
Meine Zeit gehört heute leider nicht mir, weshalb ich mich vorerst verabschiede. Zur Marxens Arbeitswertlehre allerdings noch soviel, dass bereits bei Adam Smith und David Ricardo, durchaus davon zu lesen ist.
Alan Posener schreibt;
Denn diese Arbeitskraft, so Marx, habe die Eigenschaft, mehr Wert zu schaffen, als sie selber wert sei. Auch das eine unbewiesene und unbeweisbare Behauptung.
Zitat Ende
Bester Herr Posener, unter Wert einzukaufen und über Wert zu verkaufen, um sich die Differenz in die private Schatulle zu stecken, ist das ganze Geheimnis der Betriebswirtschaft. Die ganze Marktwirtschaft und mit dieser freilich auch der Arbeitsmarkt, funktionieren nicht anders. Das ist dermaßen offensichtlich, dass ich mich ernsthaft, warum es dazu noch eines Beweises bedarf. Ihr Zitat zeigt mir allerdings, dass Sie, wie ich es bereits dargelegt habe, bereits an den Grundlagen der marxschen Theorien scheitern.
Bin gerade dabei ein längeres Schreiben bezüglich Ihrer Kritik der Werttheorie zu verfassen, aber das wird noch etwas dauern, da ich eigentlich mit ganz anderen Angelegenheiten beschäftigt bin.
Lieber Reiner Lenz, wenn Sie ernsthaft glauben, „unter Wert einzukaufen und über Wert zu verkaufen, um sich die Differenz in die private Schatulle zu stecken, ist das ganze Geheimnis der Betriebswirtschaft“, dann haben Sie Ihren Marx weder gelesen noch verstanden. Marx geht eben NICHT davon aus. Sondern davon aus, auf dem Markt ein Äquivalententausch stattfindet. Die Ausbeutung des Arbeiters besteht eben nicht darin, dass er nicht den Wert seiner Arbeitskraft erhält, sondern dass diese Arbeitskraft mehr Wert produziert als sie selbst kostet. Wenn Ihnen das „Kapital“ zu schwer ist, empfehle ich „Lohn, Preis, Profit“, wo der Zusammenhang in einfacher Sprache erklärt wird.
Die Verwandlung des Geldes in Kapital ist auf Grundlage dem Warentausch innerer Gesetze zu entwickeln, so dass der Austausch von Äquivalenten (gleichen Werten) als Ausgangspunkt gilt. Unser … Geldbesitzer muss die Waren zu ihrem Wert kaufen, zu ihrem Wert verkaufen und dennoch am Ende des Prozesse mehr Wert herausziehen, als er hineinwarf. … Dies sind die Bedingungen des Problems. Hic Rhodos, hic salta! (Wer den Mehrwert nicht erklären kann, ohne dass beide sich widersprechenden Bedingungen erfüllt sind, kann den Mehrwert nicht erklären!). “ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 180f.
Eine Geldsumme kann sich von der andren Geldsumme überhaupt nur durch ihre Größe unterscheiden. Der Prozeß G – W – G schuldet seinen Inhalt daher keinem qualitativen Unterschied seiner Extreme, denn sie sind beide Geld, sondern nur ihrer quantitativen Verschiedenheit. Schließlich wird der Zirkulation mehr Geld entzogen, als anfangs hineingeworfen ward. Die zu 100 Pfd.St. gekaufte Baumwolle wird z.B. wieder verkauft zu 100 + 10 Pfd.St. oder 110 Pfd.St. Die vollständige Form dieses Prozesses ist daher G – W – G‘, wo G‘ = G + G, d.h. gleich der ursprünglich vorgeschossenen Geldsumme plus einem Inkrement. Dieses Inkrement oder den Überschuß über den ursprünglichen Wert nenne ich – Mehrwert (surplus value). Der ursprünglich vorgeschoßne Wert erhält sich daher nicht nur in der Zirkulation, sondern in ihr verändert er seine Wertgröße, setzt einen Mehrwert zu oder verwertet sich. Und diese Bewegung verwandelt ihn in Kapital.
Warenbesitzer A mag so pfiffig sein, seine Kollegen B oder C übers Ohr zu hauen, während sie trotz des besten Willens die Revanche schuldig bleiben. A verkauft Wein zum Wert von 40 Pfd.St. an B und erwirbt im Austausch Getreide zum Wert von 50 Pfd.St. A hat seine 40 Pfd.St. in 50 Pfd.St. verwandelt, mehr Geld aus weniger Geld gemacht und seine Ware in Kapital verwandelt. Sehn wir näher zu. Vor dem Austausch hatten wir für 40 Pfd.St. Wein in der Hand von A und für 50 Pfd.St. Getreide in der Hand von B, Gesamtwert von 90 Pfd.St. Nach dem Austausch haben wir denselben Gesamtwert von 90 Pfd.St. Der zirkulierende Wert hat sich um kein Atom vergrößert, seine Verteilung zwischen A und B hat sich verändert. Auf der einen Seite erscheint als Mehrwert, was auf der andren Minderwert ist, auf der einen Seite als Plus, was auf der andren als Minus. Derselbe Wechsel hätte sich ereignet, wenn A, ohne die verhüllende Form des Austausches, dem B 10 Pfd.St. direkt gestohlen hätte. Die Summe der zirkulierenden Werte kann offenbar durch keinen Wechsel in ihrer Verteilung vermehrt werden, sowenig wie ein Jude die Masse der edlen Metalle in einem Lande dadurch vermehrt, daß er einen Farthing aus der Zeit der Königin Anna für eine Guinee verkauft. Die Gesamtheit der Kapitalistenklasse eines Landes kann sich nicht selbst übervorteilen.
Karl Marx – Friedrich Engels – Werke, Band 23, „Das Kapital“, Bd. I, Zweiter Abschnitt, S. 161 – 191
Dietz Verlag, Berlin/DDR 1968
Wer den Mehrwert nicht erklären kann, ohne dass beide sich widersprechenden Bedingungen erfüllt sind, kann den Mehrwert nicht erklären
Genau. Sag ich ja.
https://www.welt.de/kultur/kino/article162648559/Ein-Film-fuer-den-naechsten-Parteitag-der-Linken.html
Lieber ALan Posener,
das Problem der ungleichen Verteilung insb. in den USA ist grundlegend, aber auf der Verteilungsebene nicht zu lösen. Vermögenssteuern etwa sind Instrumente, auch die Senkung der unverschämt hohen Manager-Gehälter sind sinnvoll, aber das alles ändert nichts am Mechanismus, dass weite Teile der Welt nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Piketty und seine Bewunderer ziehen eben unzureichende Schlüsse aus einem auch von mir unbestrittenen Phänomen.
Stärkung der mittleren, kleinen und kleineren Wirtschaftseinheiten weltweit – Deutschland ist da ja nicht so schlecht – wäre anzustreben.
Picketty analysiert auf der Verteilungsebene. Da gibt es zweifellos das Phänomen, dass die Vermögen ungleich verteilt sind. Das ist aber nur dann ein Problem, wenn die Aufwärts-Mobilität völlig gestört ist, was wohl der Fall ist (sonst hätten wir nicht solche Figuren wie Trump in den USA und einen Fillon in Frankreich). Aber mit Umverteilung und/oder Begrenzung der Managergehälter ist das nicht zu beheben.
Das grundlegende Problem ist die Chancen- und Perspektivlosigkeit in weiten Teilen der Welt, zwar nicht so sehr in Deutschland, aber bereits in Spanien und Italien für junge Menschen. In Marokko ist es zu sehen, auch in Tunesien, und von den arabischen Ländern möchte ich jetzt gar nicht reden. Afrika ist unterschiedlich entwickelt, aber es gibt dort weite Teile, die uns Sorgen bereiten müssen. Junge Männer werden zum Problem, wenn sie in großer Zehl keine sinnvolle Beschäftigung finden.
Ich fürchte, Marx war diesem Problem des Spätkapitalismus näher als Picketty heute, obgleich Letzterer 170 Jahre danach schreibt, den Unsinn mit den Klassenkämpfen also bereits verarbeitet haben könnte, aber leider dennoch bei der Verteilungsgerechtigkeit hängen bleibt (eine typisch linke Neid-debatte – in dieser Form zum Gähnen, dabei wäre es lohnend, den Ursachen auf den Grund zu gehen!).
Ich leugne also nicht das Problem, aber ich sehe keine gute Theorie, es angemessen zu analysieren, geschweige denn politische Konzepte.
Liebe Monika Frommel, Piketty analysiert die Verteilung von Einkommen und Kapital in den entwickelten Ländern und kommt zu einigen beunruhigenden Schlussfolgerungen hinsichtlich der Chancengleichheit, der Aufstiegsmöglichkeiten und vor allem der Demokratie. Wenn Sie dieses Problem nicht für „grundlegend“ halten, dann ist das Ihr gutes Recht; es könnte aber sein, dass die Probleme, die Sie ansprechen, auch etwas zu tun haben mit dem Besitz- und Nachtverhältnissen in den entwickelten Ländern.
Lieber Alan Posener, irgendwie überschätzen Sie sich:
„Liebe Monika Frommel, vielleicht lesen Sie Piketty, bevor sie ihn kritisieren…..“
meine Güte!
Hmmmm, seltsam, ich hab nur gesagt, der Artikel würde die Theorie falsch widergeben, bin noch auf keinen einzelnen konkreter Fehler eingegangen — die Mühe mach ich mir nicht in Kommentarforen, zu viel Aufwand für zu wenig Ertrag, zumal ich eh meine Zweifel hatte, ob jeder Beitrag hier freigegeben wird, lieber zitiere ich sie in meiner nächsten Veröffentlichung –, und Sie zitieren, wie von einer Tarantel gebissen seitenweise Marx 🙂 Sie hätten mich doch erstmal fragen können, was mir missfällt, wogegen ich meine Einwände erhebe, anstatt ziellos dgegen zureden. Ich glaube, das wäre sportlicher gewesen. Wenn ich das irgendwann mal veröffentliche, kann ich sie mal anschreiben. Derweil empfehle ich ab Sie und ihre werte Leserschaft dieses Buch hier: https://www.amazon.de/Zurück-zum-Original-Aktualität-Marxschen/dp/389965675X. Dort findet sich auch eine Widerlegungen gängiger wissenschaftlicher Fehlurteile über Marx, auch und gerade Fehlurteile von marxistischen Theoretikern. Vielleicht inspiriert Sie die Lektüre ja, ihren Standpunkt zu überdenken. Zur Kritik an der VWL empfehle ich dieses Werk hier: http://www.gegenstandpunkt.com.....moekin.htm . Dort finden sich etliche Einwände gegen „wissenschaftliche“ Kritik an der Arbeitswertlehre. Sehr lehrreich, vielleicht finden Sie ja bei Gelegenheit mal die Zeit dafür. Nichts für ungut.
Im Lan des Mittelstandes lässt sich mit der Tendenz (kein „Gesetz“) gut leben, hier interessiert mich übrigens auch nicht die kleine Gruppe (5%) der Superreichen.
„Die Linke“ hat übrigens die Feinheiten der drei Bände nie gelesen, sondern interessiert sich für „UNgleichheit à la Picketty). Was nun diesen betrifft, so mag er für die USA richtig liegen, vielleicht auch für Frankreich, nicht aber für Deutschland mit seinen Transfer-Leistungen und – was Frauen betrifft – hohen Unterhaltsansprüchen. Es kommt ja nicht nur auf das Einkommen an, sondern auf den Lebensstandard; und der ist in einem Land recht hoch, in dem es sehr viele Transfer-Leistungen gibt, etwa ein kostenloses Studium. Zwar gibt es hier Löcher im sozialen Netz, aber sie zu erkennen und zu beheben, bedarf es konkreten Sachverstand. Das Wort: „Un-Gerechtigkeit“ genügt mir hier nicht, um alarmiert zu sein.
Liebe Monika Frommel, vielleicht lesen Sie Piketty, bevor sie ihn kritisieren. Dann müssen Sie nicht Dinge als „Kritik“ an Piketty schreiben, die für Pikettys Verständnis der Rolle des Staates zentral sind.
Das „Kommunistische Manifest“ wurde 1848 – also mitten in den Kämpfen um eine Verfassung – geschrieben und innerhalb der sich gründenden kommunistischen Bewegungen verbreitet. Marx hilet diese Freiheitsbewegungen für „kleinbürgerlich“. Das war mE der fatale Fehler; denn ohne individuelle Freiheit wird der ganze Kram diktatorisch.
1867 publiziert er die drei Bände Kapital. Der unterlegte kommunistische Ton ist fatal (etwa die pauschlae Rede von der Ausbeutung „der Arbeiter“, gemeint die sog. produktiven Industrie-Arbeiter, der nächste Irrtum). Aber einige Elemente dieser ausführlichen Begriffsklärung, insbesondere die Tendenz zur Konzentration des Kapitals, die wir heute erleben (am Ende des Kapitalismus), sind bemerkenswert.
Für mich ist die Polemik gegen alle politisch Liberalen und gegen alle Sozialdemokraten derer, die meinten Sozialisten oder gar Kommunisten zu sein, immer gnadenlos falsch gewesen, aber dennoch kann man die drei Bände des Kapitals lesen, verstehen und für beachtlich halten und dennoch (mE gerade desegen) die primitiven politischen Untertöne und die irrwitzigen Konsequenzen, insbesondere der Leninisten, schrecklich finden: schrecklich, bewusst bezogen auf Terror und den „Schrecken“ im wahrsten Sinne des Wortes.
Liebe Monika Frommel, ob die „Tendenz zur Konzentration des Kapitals“ wirklich ein Gesetz ist, das dürfte im Land des Mittelstands umstritten sein. Es gibt, sagen wir es so, Gegentendenzen. Was wiederum einen echten Marxisten und Dialektiker kaum überraschen dürfte.
Wie auch immer: Man liest heute Piketty mit größerem Gewinn als Marx. Marx verwende ich aber gelegentlich als Peitsche, um die Linken zu schlagen:
https://www.welt.de/debatte/article10770111/Was-wuerden-Marx-und-Engels-zum-Programmentwurf-sagen.html
Langsam ärgert mich die Wiederholung des immer gleichen: Marx schrieb am Beginn der Industrialisierung, also kann sein Wirklichkeitsbezug nur der seiner Zeit (Mitte des 19. Jh.) sein.
AUßerdem war bereits Marx klar, dass der Preis nicht dem Wert entspricht, deshalb die komplizierte Begriffsarbeit.
Ich bin ja nun schon in den 1968-er Jahre gegen das marxistische Gewäsch gewesen, geschweige dem politischen Irrsinn von Leninisten. Aber es kann doch nicht so schwer sein, die drei Bände des „Kapitals“ von den verbrecherischen politischen Konsequenzen und dem Terror und den notorischen Lügen von Sozialisten und Kommunisten zu trennen. Auch ist jemand, der den Marx’schen Text genau liest, nicht deswegen ein Anhänger.
Liebe Monika Frommel, natürlich muss man Marx historisieren. Das ist eine Binsenwahrheit. Ich kritisiere hier aber Begriffe, die ahistorisch gemeint waren, also für jede Gesellschaft gelten sollten, in der es einen Warenaustausch gibt. Das war der Anspruch von Marx, und den nehme ich ernst. Sie schreiben: „Außerdem war bereits Marx klar, dass der Preis nicht dem Wert entspricht, deshalb die komplizierte Begriffsarbeit.“ Ich behaupte, diese Unterscheidung ist falsch. Nichts daran ist „klar“. Und was die Folgen der Marx’schen Theorie angeht, so würde ich als jemand, der nicht „schon 68“ Marx als „Gewäsch“ abgetan, sondern ihn studiert hat, dem Meisterdenker denn auch nicht so schnell wie Sie Absolution erteilen. Im übrigen warte ich angesichts der Gerichtsurteile in der Causa Böhmermann, die – so weit ich es sehe – meiner Beurteilung entgegen Ihrer Vorhersage Recht geben, auf einen Artikel von Ihnen. Beste Grüße Ihres A.P..
Das Verhältnis von Wesen und Erscheinung, wie es modern gebraucht wird, ist plausibler, wenn man ihn sich z.B. anhand von Beispielen klarmacht, die wir kennen. Jeder kennt in Grippezeiten die KrankheitsERSCHEINUNGEN der Grippe, Kratzen im Hals, Fieber, Husten usw. Es gibt aber Krankheiten, die diese Symptome auch haben, z.B. Kinderlähmung in einem bestimmten Stadium, könnte man mit Grippe verwechseln. Wir unterscheiden also die Krankheit von den Krankheitserscheinungen, Wesen und Erscheinung auch ganz alltäglich. Um von der Erscheinung zum Begriff der Krankheit, dessen Wesen zu kommen muß ein Arzt noch weitere Untersuchungen machen, etwa das Blut untersuchen. So kommt er nachher zum Ergebnis, keine Kinderlähmung, sondern Grippe. Die Identität von Identität und Differenz von Wesen und Erscheinung, setzt die Tätigkeit des erkenntnisbemühten Subjekts voraus. Marx verwendet Beispiele wie Sonnenuntergänge und aufgänge auf, deren Begriff oder Wesen sich mit der Erddrehung erklären lassen. Bei Galilei findet man es sogar in Form platonischer Dialoge.
Der platonische Chorismos (abgrundtiefe Trennung) von Wesen und Erscheinung trennt mundus intelligibilis und mundus sensibilis, also Sinnenwelt und Ideenwelt. Schon Aristoteles denkt sich das Eidos – meist dann nicht mit Idee, sondern mit Form übersetzt – immanent. Bei Hegel später tritt eine Sache in Existenz oder in Erscheinung, wenn die Totalität seiner Bedingungen erfüllt ist. Wenn wir also die Bedingungen haben für eine Grippe, dann tritt sie in Existenz und wir keuchen herum (mit meiner Impfung allerdings vermeide ich das, was den Schluß vom Begriff zur Existenz konterkariert, was Hegel dann auch von Marx trennt, der ontologische Gottesbeweis wollte ja die Existenz Gottes durch seinen Begriff beweisen. Beim Wert haben wir übrigens eine Existenz, die aus dem Begriff resultiert, das hatte Marx schon in seiner DIss. bemerkt.
Im Kapital ist es so, daß erst am Schluß die ganze Erscheinungswelt Thema wird. Wohnungsmarkt, wo ich das hier als Beispiel gesehen habe, gehört bei Marx zum Problem der Grundrente, die selbst eine äußerst differenzierte Kategorie ist. Zur Widerlegung des Werts kaum geeignet.
Lieber Martin Blumentritt, Husten usw. ist bei Grippe ein Symptom. Es ist absurd, die von Platon hergeleitete Unterscheidung von Wesen und Erscheinung – Stichwort Höhlengleichnis – auf solche Weise erklären zu wollen. Sie könnten natürlich sagen: die Krankheit ist die Warengesellschaft, das Symptom der Tauschwert. Aber dadurch haben sie auch nichts gewonnen außer der wahrhaft banalen Erkenntnis, dass es dort, wo keine Waren ausgetauscht werden, weder einen Tauschwert noch einen preis gibt.
Die platonische Unterscheidung ist das nicht, da sind ja Idee und Sinnenwelt getrennt. Eidos hat seit Platon eine ziemlich komplexe Geschichte, zumal ja Eidos mal mit essentia mal mit substantia (teilweise vom selben Autoren zur gleichen Zeit latinisiert wiedergegeben wird. Die Wesenslogik Hegels versucht alle Bedeutungen in einen systematischen Zusammenhang widerzugeben.
Das Höhlengleichnis, das ja sogar noch stufenförmig ist: Feuer – Schatten, Sonne – Schatten, wäre für die Erklärung von Schein, Scheinen brauchbar, hat auch schon Momente der Ideologiekritik vorweggenommen. Seit Hegel – auch Francis Bacons Idolenlehre war schon eine Erweiterung – wird es komplizierter, auch wenn das platonische Moment (verkehrte Welt) auch drinsteckt, aufgehoben ist.
Die aristotelische Kritik an Platon ist auch mitzubedenken, Platon selber hat auch eine Entwicklung mitgemacht, der späte nimmt die Sinnenwelt wesentlich ernster, wie ja auch der neuzeitliche Idealismus bis Hegel, die ganze Dynamik mitbedenkt.
Das Ganze der Symptome ergibt, und genau das ist es auch bei Marx, daß die gesamte Oberfläche noch nicht das Wesen oder der Begriff des Werts ist, noch lange nicht den Begriff einer Krankheit. Wenn man das griechischen Wort Phänomen, das sich ja von „sich zeigen“ einer Medialform von phaino herleitet, nimmt. Dann erläutert das auch Erscheinung, in der Erscheinung zeigt sich das Wesen. Dieses läßt sich aber nicht völlig in Erscheinung auflösen, dann wäre das ja – wie Marx auch mal erwähnt – ein tautologisches Begründungsverhältnis. Die Lichtmetaphorik von Platon verwendet Marx nicht, mehr eine, die an Galilei orientiert ist. Auch sind Wesen und Erscheinung nicht identisch, so wenig wie Sympotome die Krankheit sind, Marx sagt, wäre das der Fall, wäre Wissenschaft überflüssig. Um zum Begriff oder Wesen zu kommen bedarf es der Reflexion (auch Lichtmetaphorik), begrifflicher Konstruktionen aus denen dann die Erscheinung folgt. Bei Platon wird unbewußt das Wesen aus den Erscheinungen hergeleitet, eine abstraktive Verdopplung, aus dem Tisch folgt die Abstraktion Tischheit, die sich aber noch nicht als Abstraktion sieht. Die Abstraktionslehre hat dann Aristoteles entwickelt, aber dami schon die Probleme sichtbar gemacht, die dann Kants Kritik der positiven Metaphysik zu lösen sucht.
Wenn ein Verhältnis als Ding erscheint, Verdinglichung, Hypostasierung, Entfremdung sind Begriffe, die das einfangen sollten, haben wir etwas, was mit Wesen und Erscheinung zusammenhäng, das Wesen muß erscheinen, keine Potenz ohne Akt, hieß es bei Hegel. Ein Verhältnis ohne Relata zu denken, kommt vielleicht in der Theologie vor, Gott vor der Schöpfung als reine Identität oder Selbstbezüglichkeit. Daß das dann beim Gelde auch so ist, daß der Verhältnischarakter, soziale Verhältnisse dahinter stecken, es aber dinghaft erscheint, macht eine der theologischen Mucken aus, von der Marx spricht, teilweise sogar bemüht er die Substantionslehre.
Die Marx’sche Behauptung, wenn die Erscheinung mit dem Wesen identisch wäre, bräuchte es keine Wissenschaft, ist eine unwissenschaftliche. Der Wissenschaft geht es um Gesetzmäßigkeiten: Kausalität zum Beispiel, um Modelle, um Abstraktionen, aber niemals um das „Wesen“ der beobachteten Phänomene. Ist das „Wesen“ des Lichts die Gleichung e = mc²? Natürlich nicht. Die Abstraktion ist niemals das „Wesen“ des Konkreten. Sie können vom konkreten Preis abstrahieren und den „Wert“ eines Gegenstands ermitteln, aber das ist am Ende nur der „Mittelwert“ der beobachteten Preise, nicht das „Wesen“ des Preises. Und so weiter.
Die „Wesen des Lichts“ heißen Photonen. Wesentlich für das Licht ist aber auch die (unverstehbare) Welle-Teilchen-Doppelnatur. Das Wesen von etwas ist das, was daran wesentlich ist.
Abstraktionen und Modellierungen sind Versuche, das Wesentliche zu erfassen, mit dem man z.B. Voraussagen machen kann. In der Physik haben wir es mit vergleichsweise einfachen Dignen zu tun (obwohl auch die schon kompliziert genug sind). Psychologie oder gar Soziologie setzen bei Einheiten an, deren Komplexität nicht vorhersagbar ist (das individuelle menschliche Verhalten oder das Verhalten ganzer Gruppen). Hier ist man beschränkt auf statistische Aussagen – Deskriptivität.
Wenn man abstrahiert, nimmt man Eigenschaften von komplexen Phänomenen weg. So wie mit einem Filter. Wenn man fast alles wegfiltert von einer Beobachtung, bleibt als winziger Rest ein raumzeitliches Ding übrig, auf das man sich bezogen hat – der „Bezugsgegenstand“. Filtert man dann noch weiter auch die raumzeiltiche Position weg, bleibt gar nichts mehr übrig – oder eben das berüchtigte „Ding an sich“, das nur noch die sehr fadenscheinige metasprachliche Eigenschaft hat, keine Eigenschaft zu haben. Insofern handelt es sich bei diesen idealistischen Dingen um eine bis ins Sinnlose weitergetriebene Abstraktion. Aber immer um dieselbe Abstraktion: Wir schälen eine Zwiebel, erst die äußeren, dann die inneren Schalten. Und wenn alle Schalen weg sind, gucken wir nach, was wir noch in unserer Hand halten: nichts.
Nein, Roland Ziegler, Photonen sind nicht „das Wesen des Lichts“. Lichtwesen heißen Engel. Es gibt kein „Wesen“ des Lichts. Es gibt Photonen, mit ihrem merkwürdigen Doppelverhalten, es gibt die Lichtgeschwindigkeit, es gibt Eigenschaften und Wirkungen des Lichts. Nur ein „Wesen“ des Lichts gibt es nicht. Kein Naturwissenschaftler würde vom „Wesen“ des Lichts sprechen. Und übrigens auch kein moderner Philosoph. Goethe war, so weit ich weiß, der Letzte, der in Bezug auf das Licht in solchen Kategorien dachte.
Es wäre schön, wenn Engel wirklich die Wesen des Lichts wären, aber ich fürchte es sind nur Photonen. Photonen bilden das Licht; der Lichtstrahl besteht aus Photonen. So wie auch Atome die Materie bilden, aus der wir selbst und die „Dinge“ bestehen. Ich kann u. will es Ihnen nicht nehmen, wenn Sie diese theoretischen Aussagen für unwesentlich hinsichtlich des Lichts (bzw. der Materie) halten. Aber für mich sagen sie etwas Wesentliches darüber aus und erleichtern mir das Verständnis.
Lieber Roland Ziegler, ich muss Ihnen doch nicht auch das Wesen der Ironie erklären? Egal. Photonen „erleichtern Ihnen nicht das Verständnis“, sie sind die Substanz des Lichts. Nicht das „Wesen“ des Lichts.
Lieber Roland Ziegler, sie meinen vielleicht mit „Wesen“ eine wichtige Eigenschaft oder die wichtigste:
“ Das Wesen von etwas ist das, was daran wesentlich ist.“
Was aber die wichtigste Eigenschaft von Licht ist, wird doch stark von der an den Betrachter gestellten Aufgabe abhängen. Beim Photeffekt wird Licht als ‚Lichtteilchen‘ (Photonen) angesehen, die Beugung am Spalt zeigt aber dessen Wellennatur, Sie würden vielleicht sagen, dessen ‚Wellen-Wesen‘. (Irgendwie scheint die deutsche Sprache doch nicht so exakt zu sein, wie immer behauptet wird, denn allein beim Begriff ‚Wesen‘ kommen wir schon durcheinander.) So – und wenn wissenschaftliche Theorien nicht an ihrem ‚Wahrheitsgehalt‘ gemessen werden können, bleibt eben die Relevanz. Relativitätstheorie und Evolutionstheorie sind sehr relevant, die Rassentheorie oder die des Phlogistons nicht, wobei letztere aber durchaus induktiv war und – im Nachhinein betrachtet – zu einer Erkenntnis führte, nämlich zur Entdeckung des Sauerstoffs. Wir haben also einige Möglichkeiten, wissenschaftliche oder pseudowissenschftliche Theorien zu beurteilen, was wir ja hier am Beispiel ‚Marx‘ versucht haben. Wen allerdings die Schumpeter’sche Zerstörungswut, wie es derzeit mit Hilfe von NGOs und Lobbyisten, wie der ‚Deutschen Umwelthilfe‘ geschieht, zu Raserei ausartet (Dieselfahrzeuge von vor 2017 sind
„Schrottmühlen“ (ja das hat er gesagt, auch wenn die Süddeutsche es nicht schreibt), dann wird (nicht nur) die Werttheorie eine Rennaissance erleben.
Mich wundert auch allgemein, wie wenig sich die zeitgenössische Philosophie kritisch mit empirischen Wissenschaften auseinandersetzt.
@Alan Posener: Doch, ich bitte sogar darum! Allerdings fürchte ich, dass Sie mir erklären werden, dass es auch kein solches Wesen der Ironie gibt.
@KJN: Ja genau: die wichtigste Eigenschaft. Herr Posener hat den Begriff der Substanz ins Spiel gebracht. Der befindet sich ganz in der Nähe (im Wortfeld) von „Wesen“. Aristoteles hat ein herrliches Beispiel gegeben vom „Sein im akzidentellen Sinne“, an das ich immer denken muss: „Stülpnasigkeit“. Wir alle sind stülpnasig. Aber ist das für uns wesentlich? Wohl kaum. Da würden wir anderes nennen: Sprache, Gefühle, Zweibeinigkeit… Jeder würde etwas nennen können, was er am Menschsein für wesentlich hält, außer vielleicht Herr Posener, obwohl ich ihm das nicht abnehme.
…vielleicht sollte ich noch ergänzen, dass die Tatsache, dass wir in vielen Fällen nicht klar, unwidersprochen und eindeutig sagen können, worin das Wesen von etwas besteht, der sinnvollen Verwendung von „Wesen“ in keinster Weise im Wege steht.
@Roland Ziegler
Auch das ‚Wesen‘ im Sinne der ‚wichtigsten Eigenschaft‘ werden Sie nicht retten können. Weil das ‚wichtige‘ oder gar ‚wichtigste‘ vom Umfeld, der Erfahrung und der Fragestellung abhängt. Eine Ausnahme gestehe ich Ihnen aber zu: Das ‚Wesen‘ des Menschen ist das Leben (wobei das allerdings auch für meinen Hund gilt).
@KJN: Wenn Sie sagen, dass das Wichtige bzw. das Wesen vom Umfeld, der Erfahrung und der Fragestellung abhängt (=relativistisch ist), dann machen Sie noch eine weitere Ausnahme, die Sie aber gar nicht bemerken: nämlich bei ebendiesem Umstand, dass das Wesen vom Umfeld, der Erfahrung und der Fragestellung abhängt. DIESER Satz hat objektiven Anspruch und würde – sofern er wahr wäre – etwas Wesentliches aussagen. Und dann gäbe es also doch so etwas wie ein Wesen (= Widerlegung des Relativismus).
@KJN: Es gibt zwei Verwendungen von subjektiv u. objektiv. Die eine: „Alles, was wir sagen, ist subjektiv, daher gibt es keine Objektivität.“ Diese Aussage kommt philosophisch daher, ist aber unsinnig und widerspricht sich sogar selbst. Die andere Verwendung betrifft Aussagen wie: „Das Essen schmeckt nicht.“ oder „Ich finde, dass…“ oder „Wenn ich mich nicht täusche…“
Meist wird die Möglichkeit des Irrtums mitgedacht. Diese Möglichkeit lässt sich aber aufdecken. D.h. es gibt objektive (!) Kriterien.
Wenn wir dagegen sagen: „Heute regnet es“ oder „Gestern gab es Bratkartoffeln“, dann meinen wir, dass es wirklich und wahrhaftig und auch wesentlich heute regnet und es gestern Bratkartoffeln gab. Und dass selbst der liebe Gott, wenn er etwas anderes behauptet, sich irren würde, sofern man nicht plötzlioch wahnsinnig geworden ist. Und das ist es, was wir mit objektiv meinen: das Vorhandensein von (als wesentlich begriffenen) Kriterien. Nicht die Unmöglichkeit des Irrtums.
..um dem naheliegendsten Einwand von vornherein entgegenzutreten: Bei „Heute regnet es“ werden – wie immer – die Bedingungen mitgedacht. Deshalb ist es ein objektiv entscheidender Unterschied, ob diesen Satz jemand in der Wüste oder in Deutschland äußert. Wenn Sie mit jemandem telefonieren, der in der Wüste ist, würden Sie nachfragen; bei jemandem in Deutschland wäre diese Nachricht nicht so umwerfend. Objektivität ist meistens wunderbar einfach und sogar amüsant: „Es regnet“ ist dann wahr, wenn es regnet.
Fakten, lieber Roland Ziegler, sind Fakten und keine Wesen. Ja manche Fakten sind, wie wir umgangssprachlich sagen, „unwesentlich“: Für die Frage, ob Hitler für den Holocaust verantwortlich ist, ist es unwesentlich, ob es einen schriftlichen Befehl von ihm gibt oder nicht. (Weil wir andere Fakten kennen, die seine persönliche Verantwortung belegen.) Was wir in einem solchen Kontext mit „unwesentlich“ meinen, ist: damit wird die Behauptung nicht falsifiziert. Ich kann immer wieder nur betonen: die Frage lautet nicht, ob wir im Deutschen von „Wesen“, „wesentlich“ usw. reden (das tun wir offensichtlich), sondern ob es zwingend nötig ist, die Kategorien von Wesen und Erscheinung in der Philosophie und davon abgeleitet in der Ökonomie anzuwenden. Und die Antwort lautet: nein. Diese Kategorien sind bei der Bestimmung des Preises (oder des Werts) einer Ware unwesentlich.
Zwingend notwendig ist das sicher nicht. Was ist schon zwingend notwendig? Ich kann das nicht wirklich beurteilen. Aber mir scheint es durchaus sinnvoll, wie Marx mit den Kategorien Wesen/Wert und Erscheinung/Preis die Sache anzugehen. (Ihnen nicht, das habe ich verstanden.) Übrigens sind nicht alle Fakten gleich relevant (ein weiterer dem Wesen verwandter Begriff: die „Relevanz“ von etwas).
„Die Marx’sche Behauptung, wenn die Erscheinung mit dem Wesen identisch wäre, bräuchte es keine Wissenschaft, ist eine unwissenschaftliche. Der Wissenschaft geht es um Gesetzmäßigkeiten: Kausalität zum Beispiel, um Modelle, um Abstraktionen, aber niemals um das „Wesen“ der beobachteten Phänomene. Ist das „Wesen“ des Lichts die Gleichung e = mc²? Natürlich nicht. Die Abstraktion ist niemals das „Wesen“ des Konkreten. „(Alan Posener)
Es ist in dem Sinne keine wissenschaftliche, daß es ein metasprachliche Aussage ist, keine objektsprachliche, aber auch kein unwissenschaftliche, nämlich philosophische.
Um Abstraktionen handelt es sich bei Wesensbegriffen: Grund, Erscheinung, Wirklichkeit, worunter auch die Kausalität fällt, allemal. Die berühmte Identität von Identität und Differenz findet sich strukturell auch in einer Gleichung, die besagt, daß der Energie eine Masse entspricht und vice versa, die mit dem QUadrat der Lichtgeschwindigkeit multipliziert ist. Das Gleichheitszeichen drückt die Identität und Differenz aus. Ändert sich die Energie, dann zwangsläufig die Masse. Die Wirkung ist dabei gigantisch, wenn man an die Anwendung in Hiroshima denkt.
Da die positivistische Wissenschaft Wesensbegriffe nur im Sinne eines unkritischen Essentialismus kennt, der seit Kant zu Protest gegangen ist, findet man sie da auch nicht mehr in der Terminologie, obwohl sie in einem anderen Sinne eben doch anwendet. Ein geschlossenes System, in dem etwas verändert wird, zieht immer eine weitere Veränderung nach sich, die dem Gleichheitszeichen der Formel Rechnung trägt.
Marx kritisierte es, wenn man das Wesen als den Dingen innewohnendes Abstraktum auffasse (Beispiel Feuerbach menschliches Individuum). Daß alle Wissenschaft überflüssig wäre, wenn Erscheinungsform und Wesen der Dinge zusammenfielen (MEW 25, 825) war eine Kritik an der Vulgärökonomie, die widersprüchliche Verhältnisse aufgreift und keinen inneren Zusammenhang mehr kennt. Der innere Zusammenhang wird in Bd. 1 und 2 untersucht, dann wird entwickelt die Form, „worin sie auf der Oberfläche der Gesellschaft“ auftreten, d.h. wie sie „im gewöhnlichen Bewußtsein der Produktionsagenten auftreten“. Unmittelbare die Erscheinungen, wie sie im unmittelbaren Bewußtsein auftreten, die bloße Faktizität, auf den inneren Zusammenhang zu beziehen und dann sagen, das Wertgesetz ist Blödsinn, übergeht das, was Marx macht. Daß wir es über 1000 Seiten lang nur mit Abstraktionen, mit Allgemeinem zu tun haben, macht die Rezeption schwierig. Der unheilbare gesunde Menschenverstand möchte konkrete Dinge, unmittelbar Beobachtbares haben. Marx hatte es ja geahnt und Beispiele aus der Astronomie genommen. Und wenn ich den gemeinen Menschenverstand bemühe, gucke ich aus dem Fenster und erkläre, Erddrehung ist Blödsinn, da dreht sich nichts, aber da ist ein Licht, das morgend kommt und abends geht. Es ist wie im Krimi, wer nur die letzte Seite liest, wo der Mörder gefaßt wird, hat sich die ganze Spannung genommen.
In der Tat, lieber Martin Blumentritt, handelt es sich beim „Kapital“ um einen Krimi. Nur dass der Täter nicht erst am Ende feststeht, sondern a priori: „Das Kapital“, ein Fetisch, ein Götze, dem Kapitalisten und Proletarier dienen.
Dass aber „die Kapitalisten“ – inzwischen hauptsächlich institutionelle Anleger wie Pensionsfonds, Versicherungen, Banken und dergleichen – „Sklaven der Verwertung“ sind, wissen wir auch so; das sind sie völlig unabhängig von der Werttheorie. Und dass diejenigen, die kein Kapital haben, Sklaven dieser Sklaven sind, auch das wissen wir. 1000 Seiten und mehr, um einen Täter zu überführen, den jeder kennt – das muss erstmal einer fertigbringen.
Ich denke, man wird diesen Disput nicht auflösen können, wenn man nicht berücksichtigt, daß natürlich in übergeordneter Kategorie (Wesen) und untergeordneter Kategorie (Erscheinung)gedacht wird. Letztich Scholastik: Potenz und Akt. Wobei das eher die Art menschlichen Denkens, also eine Vorgehensweise menschlichen Kategorisierens beschreibt als die Wirklichkeit. ‚Potenz‘ (mathematisch = Integral) als (maximale) Möglichkeit philosophisch und/oder religiös aufgeladen zur einer tieferen Bedeutung eines ‚Wesens‘, eines metaphysischen Hintergrundes der Realität. Roland Ziegler hat schon Recht, das ist eine Art zu denken, die man nutzen kann und die an sich nicht kritisierbar ist. ich würde sagen es ist der deduktive (herleitende) Weg zur Erkennung der Wirklichkeit, der – überinterpretiert oder missbraucht man ihn – zum Idealismus führt. Demgegenüber steht der induktive (Theorie um Beobachtung erstellende) Weg, der z.B. zur Evolutionstheorie geführt hat. Mir selber liegt eher die induktive Herangehensweise an vieles, aber deduktiv, induktiv sind beides Werzeuge der Erkenntnis. Scholastik und Mathematik sind deduktiv, die Empirie und ganze Wissenschaftssparten, wie .B. Biologie oder Soziologie sind induktiv. Die Physik ist beides. Ideologien sind m.E. übrigens komplett deduktiv.
Yep, Klaus J. Nick, das kaufe ich. Wobei der Irrsinn der Ideengeschichte will, dass Friedrich Engels die Mathematik als induktive Wissenschaft begriffen haben wollte, wie seine eigene Ideologie vom „historischen Materialismus“.
@Alan Posener: Da war Engels ganz ein Kind seiner Zeit. Im 19. Jahrhundert wurde Mathematik vor allem induktiv gesehen (Existenzbeweis durch Konstruktion eines entsprechenden Objekts); der deduktive Standpunkt (Existenzbeweis auf abstrakte Weise oder durch Widerlegung der Nichtexistenz) hielt erst mit Hilbert nachhaltig Einzug und wurde anfangs angefeindet („Das Ist keine Mathematik, sondern Theologie!“ – Paul Gordan).
Achja, und die Marx’sche Wertheorie ist natürlich auch komplett deduktiv, weil sie Beobachtungen nicht zur Kenntnis nimmt, nehmen kann, oder konnte. ‚Kann‘ oder ‚konnte‘, weil z.B. auch die (allgemeine) Relativitätstheorie zunächst deduziert wurde (die spezielle wurde – eher – durch Experimente ‚induziert‘). Ob aber zeitgenössische Ökonomen induktiv arbeiten, bezweifle ich etwas.
Der berühmte Brie an Kugelmann vom 11. Juli. 1868 geht auf das Problem ein, warum es nicht richtig ist, die logischen Kategorien unmittelbar auf die Phänomene zu beziehen. Der Teddybär oder Apple oder die IBM-Notebooks, die unter dem Namen Lenovo nun in China produziert werden haben in der Tat verschiedene Preise, die sich auch nicht unmittelbar auf das Wertgesetz beziehen lassen, eben weil der Wert sich gar nicht auf singuläre Phänomene oder bestimmte Typen von Phänomenen, etwa eine Marke beziehen läßt, weil er auf einen allgemeinen Sachverhalt geht. Das sagt Marx auch in diesem Brief:
„Die Wissenschaft besteht eben darin, zu entwickeln, wie das Wertgesetz sich durchsetzt. Wollte man also von vornherein alle dem Gesetz widersprechenden Phänomene „erklären“, so müßte man die Wissenschaft vor der Wissenschaft liefern. Es ist gerade der Fehler Ricardos, daß er in seinen ersten Kapitel alle möglichen Kategorien, die erst entwickelt werden sollen, als gegeben voraussetzt, um ihr Adäquatsein mit dem Wertgesetz nachzuweisen.“
Auch daß Apple und Lenovo, würde die gleiche abstrakte Durchschnittsarbeitszeit drin stecken, in der Empirie nicht identisch wären, da rennt man bei Marx eine offene Tür ein. Der Kurzschluß von Theorie und Empirie, die zwar nicht trennbar, aber auch nicht unmittelbar identisch sind, wird von Marx dann auch kritisiert.
„Der Vulgärökonom hat nicht die geringste Ahnung davon, daß die wirklichen, täglichen Austauschverhältnisse und die Wertgrößen nicht unmittelbar identisch sein können. Der Witz der bürgerlichen Gesellschaft besteht ja eben gerade darin, daß a priori keine bewußte gesellschaftliche Reglung der Produktion stattfindet. Das Vernünftige und Naturnotwendige setzt sich nur als blindwirkender Durchschnitt durch. Und dann glaubt der Vulgäre eine große Entdeckung zu machen, wenn er der Enthüllung des inneren Zusammenhangs gegenüber darauf pocht, daß die Sachen in der Erscheinung anders aussehn. In der Tat, er pocht darauf, daß er an dem Schein festhält und ihn als letztes nimmt. Wozu dann überhaupt noch Wissenschaft? Aber die Sache hat hier noch einen anderen Hintergrund. Mit der Einsicht in den Zusammenhang stürzt, vor dem praktischen Zusammensturz, aller theoretischer Glaube in die permanente Notwendigkeit der bestehenden Zustände. Es ist also absolutes Interesse der herrschenden Klasse, die gedankenlose Konfusion zu verewigen. Und wozu anders werden die sykophantischen Schwätzer bezahlt, die keinen andren Wissenschaftlichen Trumpf auszuspielen wissen, als daß man in der politischen Ökonomie überhaupt nicht denken darf?“
Obendrein geht es ja nicht nur um die Wertgröße, sondern vor allem um die Wertform. Christoph Türcke, der das Geld – gar nicht mal in Konkurrenz zu Marx, weil es unterschiedliche Problematiken sind – historisch aus der Schuld und Schulden herleitet (Mehr! Philosophie des Geldes) hat die Kritik der Politischen Ökonomie als „Fortsetzung der Religionskritik mit ökonomischen Mitteln“(S.15) bezeichnet und dies nun auch historisch entwickelt. Gunnar Heinsohn hat Ähnliches schon vor Jahrzehnten getan, ohne – damals als wir darüber diskutierten – ganz begriffen zu haben, daß sich das gar nicht ausschließt, da das Kapital ja das logische Relationsgefüge im entwickelten Kapitalismus, nicht im sich entwickelnden Kapitalismus, untersucht.
Konstellatives Denken, wie das Adorno schon konzipiert hatte, das den Gegenstand der Kritik aus verschiedenen Konstellationen betrachtet, so wie von unterschiedlichen Planeten der Weltraum eben anders aussieht, muß man gerade heute bemühmen.
Nun noch zum Zusammenhang von Wert und Preis (deren Differenz und anschließend resultierende Einheit erst inm Bd. 3 bei Marx auftaucht, während vorher nur die Möglichkeit, nicht die Wirklichkeit des Auseinander erläutert wird), im 1. Band werden sie methodisch gleich gesetzt. Darum wird man auch dort es nicht finden können. Die ganze Werttheorie wird in drei Bänden entwickelt, von denen nur der erste von Marx selbst herausgegeben wurde. Nehmen wir aber mal an, Apple und Lenovo können aufgrund der Seltenheit des Produkts, eines Monopols auf die vom Käufer geliebten Eigenschaften oder auch des „Urheberrechts“ oder Patentrechts die Ware nur zu verschiedenen Preis realisieren. Was ändert sich im Schnitt daran? Gar nichts. Apple kann vom Durchschnittswert mehr abziehen als Lenovo. (Abgesehen natürlich von die Sache noch verkomplizierenden Dingen wie Währungsmechanismen, Ein- und Ausfuhrzölle, Auslandsmehrwertsteuer usw.) Was der eine mehr in der Tasche hat, hat der andere weniger. Das bestätigt nur, daß die Preise in Wirklichkeit um ein – durchaus verschiedne, teilweise sogar zufällige – bestimmtes Niveau, dem Durchschnittswert, der ja vermittel ist über die tatsächlichen Bewegungen, schwankt. Je größer die Abweichung, desto größer auch die Spannung des Ausgleichs, die in bestimmte Aktionen der ökonomisch Beteiligten resultiert. Die Krisen sind ja nach Marx die Bewegungsform, in denen sich das Wertgesetz durchsetzt.
Aus diesen Sachverhalten läßt sich das, was als „Blödsinn“ erscheint, aber nicht ist, an der Werttheorie, durchaus sogar erklären.
Ach wissen sie, lieber Martin Blumentritt, aus Ihren Zitaten lässt sich allenfalls „erklären“, dass Marx seine Theorie gar nicht angewendet sehen wollte. Sie sollte abstrakt bleiben, als Waffe der Kritik, nicht als Mittel der Erkenntnis. Vergleichen Sie damit die zur gleichen Zeit entstandene Theorie Darwins über die Evolution als Ergebnis natürlicher Auslese: DAS ist eine Theorie, die tausendfach angewendet worden ist, die Einzelerscheinungen (!) erklärt und ihrerseits neue Fragen aufwirft, die durch folgende Forscher (Mendel, Crick, Watson, Dawkins) beantwortet wurden. Dagegen ist die Theorie von Marx toter Buchstabe.
Marx will – das kann man auch nicht – die Einzelphänomene aus einer Theorie herleiten, wie man von Hegel mal wollte, er solle Krugs Schreibfeder deduzieren. Die Werttheorie – oder das stimmt: Wertkritik – bezieht sich auf die Funktionsweise des Allgemeinen. Das Fallgesetz erklärt ja auch nicht, warum genau dieser Ast vor meinem Fenster runterfällt, sondern die Bewegungsform, mit der das im Allgemeinen geschieht, so daß ja auch die Planetenbewegung nährungsweise mit denselben Gesetzen erklärt werden konnte. Auch als Schulungsmaterial für Wirtschaftsminister, um Prognosen von Krisen abzugeben, eignet sich Das Kapital nicht. Wenn eine kommt, kann man erklären warum. Mittlerweile versuchen die Ökonomen ja auch gar nicht mehr für die Krisen Theorien zu finden, früher hatte mal jede eine eigene Theorie. Der Grund warum das nicht geht, ist auch der Grund, warum Marx das Kapital kritisierte. Dann würde man ja schon heute mit Bewußtsein Geschichte machen können. Das bildete sich vielleicht Lenin ein („Der Marxismsu ist allmächtig, weiler wahr ist“), aber das ist Pseudowissenschaft. Lenin hat den Witz der bürglichen Gesellschaft nicht verstanden. Und noch einige Jahrzehtne später – Stalin war tot – wollte man in der DDR das Wertgesetz anwenden – das war ein Graus, so wie die Rede von sozialistischer ursprünglicher Akkumulation vorher, die eine Legitimationsideologie war für die Gewalt und Arbeitszwang.
Ja, Martin Blumentritt, so ist es, danke für die Hinweise: Die Wert-Theorie ist nicht anwendbar, anders als die Evolutionstheorie, die Relativitätstheorie, die Theorie der Quantenmechanik und andere wissenschaftliche Theorien. Die Wert-Theorie ist nämlich unwissenschaftlich. Und als solche natürlich auch nicht falsifizierbar, und wenn man mit ihr noch so oft praktisch Schiffbruch erleidet.
Im übrigen irren Sie sich: es gibt mittlerweile recht aussagekräftige Theorien der Krisen des Kapitalismus (insbesondere von Milton Friedman), weshalb man 2008ff die Große Rezession relativ gut überwinden konnte, obwohl sie das Zeug hatte, die gesamte Weltwirtschaft zu ruinieren. (In der Eurozone hat man Friedmans Lehren nicht beherzigt, deshalb laborieren wir heute noch an den Folgen.) Dass der konkrete Zeitpunkt des Ausbruchs einer Krise nicht vorhersagen kann, entwertet die Theorien nicht, da sie diesen Anspruch nicht erheben. Entwertet aber die Marx’sche Krisentheorie, die vorhersagt, dass sie als Folge eines „tendenziellen Falls der Profitrate“ eintritt. Andere Kiste, wenn auch verwandt mit der falschen Werttheorie, aus der sie abgeleitet ist.
Ergänzung: Die Erwartung einer Theorie, die man – so wie ein Bauplan eines Fernsehapparats – anwenden könne, scheint mir das Problem zu sein. Wie sollte das geschehen? Im Sinne einer plebizitären Führerdemokratie? Dazu besteht ja heute bis hin zu Trump eine Tendenz. Max Weber hat die Probleme dabei ja schon vorweggenommen.
Eine Kritik, wie die von Marx kann doch nur fragenden Charakter haben, indem sie in einer Weise fragt, die theoretische Antworten nicht mehr zuläßt, weil die Fragen ja aus der Praxis sich herleiten. „Prius der Theorie, Primat der Praxis“ nannte das mal Ernst Bloch. Es geht darum, daß die Menschen aufhören zu handeln unterhalb der Fragen, die Theorie aufwirft. Daß ein autoritativer Marxismus noch eine Chance hätte, daran glaube ich nicht. Darum macht es auch keinen Sinn Marx darauf verpflichten zu wollen.
Lieber Martin Blumentritt, über den Stalinisten Ernst Bloch, den auch Joseph Ratzinger zum Zeugen seiner Wissenschaftskritik aufrief, wäre an anderer Stelle zu reden. Lesen Sie das entsprechende Kapitel meines Papst-Buchs. Es ist eben kein Zufall, dass Ratzinger – eigenen Angaben zufolge – bis 1968 gern Marx zitierte, bis ihm die randalierenden Tübinger Studenten zeigte, wohin das führt …
Nur so:
https://www.welt.de/debatte/article10770111/Was-wuerden-Marx-und-Engels-zum-Programmentwurf-sagen.html
meine Güte, ich dachte wir wären weiter als: …“Für Marx hat jede Ware drei verschiedene Wertformen: Gebrauchswert, Tauschwert und, nun ja, den ‚eigentlichen“ Wert‘.“ Marx lebte im 19. Jh. und folgte der angeblich umgedrehten (materialistischen) Hegel’schen Dialektik, was uns heute eher tautologisch vorkommt, damals aber für Philosophen nachvollziehbar war.
Wichtig ist die m. E. Erkenntnsi, die Alan Posener betont hat, dass die politischen Folgerungen und die – wie auch immer zu beurteilende – Theorie (besser Begriffsentfaltung) fast nichts zu tun haben. „Ausbeutung“ wurde und wird immer noch in politischen Debatten rein gefühlsmäßig gebraucht und meint „unangemessen schlechte Bezahltung“, gefährliche Arbeitsbedingungen und gesundheitsschädliche Arbeitszeiten, Unsicherheit, Ungleichheit, Willkür….
Ein kluger Sozialstaat – also schon die Forderung eines August Bebel am Ende des 19.Jh. – könnte das abfedern. Denn die kolonialen und heute globalen Formen der weltweit verbreiteten Formen von Ausbeutungen nutzen das Fehlen staatlicher Strukturen (und damit Kontrolle) in weiten Teilen der Welt aus und sind – ganz ohne Theorie – äußerst kritikwürdig. Nur haben wir leider keine Theorie und keine politischen Isntiuttionen, die heute das Elend und die extreme Armut verbessern könnten, insb. in Afrika. Mit Trump sind die Chancen schlechger geworden, Diktaturen folgen alle dem kurzfristigen Konzept: mein Land zuerst.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article113315140/Wie-Marx-Anhaenger-ueber-das-Werk-ihres-Idols-reden.html
Der Artikel ist wissenschaftliche absolut peinlich. Bevor man eine Theorie zerstört, muss man sie KORREKT widergeben. Jeder 2. Satz ist inhaltlich falsch und verzerrt die Theorie total. Wir sitzen grad zu viert in der Runde und lachen 🙂 Aber ich spare mir die Mühe der Widerlegung. Zu viel Arbeit. Stattdessen ein Link auf eine gute Einführung in paar Grundgedanken:
https://youtu.be/jVVNVwcWlic
Wer es ernsthaft wissen will, schaut da mal rein, ist ein guter Start.
Da Sie und ihre drei feixenden Freunde, lieber Paul, YouTube zitieren, erlaube ich mir ausnahmsweise Wikipedia zu zitieren:
„Der Wert der Produkte wird nicht durch die wirklich für sie aufgewandte Arbeit bestimmt, sondern durch das Maß „abstrakter Arbeit“, als deren Vergegenständlichung er gilt. Dieser Begriff abstrahiert vom konkreten Charakter der Arbeit, sei es nun „Tischlerarbeit“, „Bauarbeit“ oder „Spinnarbeit“. „Die Arbeit jedoch, welche die Substanz der Werte bildet, ist gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung derselben menschlichen Arbeitskraft.“ (Das Kapital. MEW 23,53) Abstrakte Arbeit bildet nach Marx die qualitative Grundlage für den Wert, dessen Größe (Quantität) durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit bestimmt ist, die eine Durchschnittsarbeitskraft braucht, um die Produkte unter normalen Produktionsbedingungen herzustellen.
2. Da „abstrakte Arbeit“ nur eine theoretische Kategorie ist, aber kein Produzent tatsächlich abstrakte Arbeit leistet, ist der darauf gegründete (Arbeits-)Wert auch selbst ein bloßes Gedankending. Im Gegensatz zu den Vertretern der klassischen Arbeitswertlehre ist der Wert nach Marx deshalb keine den Produkten tatsächlich zukommende Eigenschaft, sondern lediglich der Ausdruck eines Verhältnisses:
„Ein Arbeitsprodukt, für sich isoliert betrachtet, ist also nicht Werth, so wenig wie es Waare ist. Es wird nur Werth, in seiner Einheit mit andrem Arbeitsprodukt, oder in dem Verhältniß, worin die verschiedenen Arbeitsprodukte, als Krystalle derselben Einheit, der menschlichen Arbeit, einander gleichgesetzt sind.“
– [Karl Marx]
Im Kapital vergleicht Marx den Wert mit dem Wechselkurs: Ebenso wenig, wie z. B. eine Euro-Münze die Eigenschaft hat, einen Wechselkurs zu „haben“, sondern dieser nur ein Tauschverhältnis zwischen mehreren Währungen ausdrückt, hat ein Produkt an sich keinen „Wert“, egal wie viel Arbeit darauf verwandt wurde.
Demgemäß beschreibt Marx die Wertgegenständlichkeit der Waren als „phantasmagorische Form“ (Das Kapital. Band I., MEW 23, S. 86) oder bloß „gespenstige Gegenständlichkeit“ (Das Kapital. Band I., MEW 23, S. 52). Das erwähnte Verhältnis ist das Verhältnis einer Ware zu einer anderen Ware, mit der sie ausgetauscht wird, bzw. allgemein gesprochen das Verhältnis einer Ware zu einer bestimmten Menge Geld, gegen das sie getauscht wird. Der Wert wird erst im Austausch der Waren konstituiert.
3. Daraus folgt, dass die ökonomische Kategorie „Wert“ nur in einer Gesellschaftsform Geltung hat, in welcher Waren zwischen den isolierten Produzenten ausgetauscht werden – im Gegensatz zu einer von vornherein unmittelbar gemeinschaftlichen Produktion und Verteilung der Güter. Dieser so ermittelte Wert hat deshalb nach Marx keine überhistorische Geltung für alle Gesellschaftsepochen, sondern lediglich für warenproduzierende und warentauschende Gesellschaften. Da vollständiger Warentausch nur dort stattfindet, wo auch die Arbeitskraft selbst zur Ware geworden ist, Letzteres aber gerade das Wesensmerkmal des Kapitalismus ist, hat die Wertberechnung nur für kapitalistische Gesellschaften allgemeine Geltung.
Genau. Und diese ganze phantasmagorische, „krystallisierte“ Arbeit, die sich im Kommunismus in nichts auflöst, ist Bullshit.
Und Sie, Paul, sind auch einer von diesen ‚Bescheidwissern‘ („KORREKT“, „wissenschaftlich“, „ich spare mir die Mühe der Widerlegung“). Glauben Sie im Ernst, Ihr Berufen auf ‚Autorität‘ würde irgendjemand beeindrucken?
‚PeterPaul‘: ‚Jeder 2. Satz ist inhaltlich falsch und verzerrt die Theorie total. Wir sitzen grad zu viert in der Runde und lachen … ‚
… lachen, das sollen Sie dürfen. Ich will nur nicht, dass Sie und Ihre Genossen jemals wieder, zumindest in Deutschland und in Europa, sich über Menschen erheben dürfen.
Übrigens, ich lese Walt Disneys Mickey Mouse und schaue die Schlümpfe. Versuchen Sie ’s mal, das entkrampft.
Ich hab das Gefühl, dass das Venus-Beispiel (das von Frege stammt) nicht richtig verstanden wurde. Es ist ein Beispiel, um zu erkennen, wie man sinnvoll von Erscheinungen und diesen Erscheinungen zugrunde liegenden Dingen (Dingen an sich) sprechen kann (Frege hat hierfür andere Worte gewählt, aber ebendies gemeint). Venus erscheint sowohl am Morgen- als auch am Abendhimmel. Deshalb hat man ihn früher Morgenstern und Abendstern genannt. Man dachte, es wären zwei verschiedene Dinge. Weil man zwei verschiedene Erscheinungen sah. Hier irrte man. Es waren eben zwei verschiedene Erscheinungen desselben Dings.
Das versteht man doch, oder etwa nicht? Dann versteht man auch die Redeweise von „Erscheinungen“ und „Dingen an sich“. Ich weiß, dass Hegel, Platon usw. das anders und viel extremer und abstrakter verstehen wollten. Aber das tut nichts zur Sache.
Lieber Roland Ziegler, die Venus ist ein Ding (ein Planet), nicht ein „Ding an sich“, schon gar nicht ein Wesen. Und, ja, die Erscheinungen können täuschen. Das hat aber nichts zu tun mit Platon, Hegel und Marx. Bei ihnen ist die Erkenntnis des „Wesens“ ein Ergebnis der Abstraktion. Bei der Astronomie ist die Erkenntnis des Planeten ein Ergebnis genauer Beobachtung. Unterschied. Und zwar (heheh!) „wesentlicher“ Unterschied. Wenn der Logiker Gottlob Frege (den meinen Sie doch?) andere Wort benutzt hat als Erscheinung und Wesen oder Ding an sich, dann wird er gewusst haben, warum, und ich würde an Ihrer Stelle mich auch daran halten.
Sie lassen doch sonst wenig Gelegenheiten aus, um zu betonen, wie wenig Ihnen an Worte gelegen ist? Und nun soll ich mich an Worte halten… Nein, Gottlob Frege hat das gemeint, was ich gesagt habe. Das Ding („an sich“ – klar, im Gegensatz zu seiner Erscheinung „für uns“ – Frege nennt dieses Ding „Bezugsgegenstand“) ist das , worauf wir referenzieren. Es tritt uns in unterschiedlichen „Erscheinungen“ entgegen. Das ist eine sinnvolle philosophische Verwendungsweise dieser Begriffe.
Nein, Roland Ziegler, „Bezugsgegenstand“ ist nicht „Ding an sich“. Sorry. Ich lege in der Tat keinen Wert auf Wörter, wenn klar ist, was gemeint ist. Sie aber verunklaren das mit jedem Beitrag mehr. Der Unterschied zwischen einem konkreten Gegenstand, den ich mal so und mal so sehe, je nach meinem Standpunkt, und dem abstrakten „Wesen“ des Gegenstands, ist eklatant, und wenn Sie den nicht sehen, dann ist das, es tut mir Leid, Ihr Problem.
Und Ihr Amüsement bei Ihrem Ausdruck „wesentlich“ ist berechtigt. Es zeigt, dass Sie eigenltich völlig unbefangen und mit Selbstverständlichkeit selber mit dem Begriff „Wesen“ operieren, wenn Sie gerade etwas nichts Theoretisches sagen. An dieser Stelle ist Ihnen das aufgefallen. Da sbedeutet: Das Begriffspaar Wesen – Erscheinung ist auch für Sie sinnvoll.
Nun muss ich mich aber ins Wochenende verabschieden und wünsche noch alles Gute.
Es ist nicht so, dass Sie am Morgen den „Morgenstern“, am Abend den „Abendstern“ und mit dem Teleskop dann den Bezugsgegenstand sehen. Sozusagen das Echte, wo Sie vorher nur Täuschungen gesehen haben. Sie haben auch vorher das Echte gesehen. Der Venus als Planet, den Sie mit dem Teleskop sehen können und der Ihnen zeigt, dass Morgend- und Abendstern ein und denselben Bezugsgegenstand haben, ist eine Erscheinung. Wir nehmen auf die Bezugsgegenstände Bezug, und die zeigen sich uns als Erscheinungen. Sie zeigen sich uns immer – a priori – als Erscheinungen. Bezugsgegenstand ist das, was Kant „Ding an sich“ genannt hat. Frege war ein Logiker, er drückt das nur etwas anders aus. Sie können aber gerne etwas anderes glauben. Jedenfalls haben Sie doch dem Begriffspaar Wesen/Erscheinung seinen Sinn abgesprochen. Damit liegen Sie mit der Sprache überkeuz und haben das Problem.
Lieber Roland Ziegler, ich habe nicht abgestritten, dass Dinge unter verschiedenen Bedingungen verschieden aussehen können. Auch habe ich den Sprachpurismus nicht so weit getrieben, wie Sie unterstellen – freilich angemerkt, dass die uns Deutschen so geläufige Unterstellung von Wesen und Erscheinung den Sprechern des Englischen eben gar nicht geläufig ist und gestelzt vorkommt. Und drittens sehe ich sehr wohl mit Kant, dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen dem Ding „an sich“ und dem Ding „für mich“ gibt. Aber -ich weiß nicht, warum das so schwer ist zu erklären – das alles ist nicht das, was Platon, Hegel und Marx mit dem Unterschied von Wesen und Erscheinung meinen.
.. und diese – plausiblere – Abstraktion wird oft verwechselt mit dem Erkennen eines ‚Wesens‘ einer Sache. Naturwissenschaftler tun aber gut daran, ihr Erkennen nicht absolut zu setzen. Viele zunächst plausible Theorien werden falsifiziert. Richtig gute Theorien (Newtons Gravitationsgesetze) werden irgendwann erweitert. (Hier durch Einsteins allgemeine Relativitätstheorie.)
Ja, und es gibt Wissenschaftler, die halten sich nicht an diese Bescheidenheit: Z.B. Steven Hawking.
Die metasprachliche Unterscheidungen zwischen Dingen an sich selbst betrachtet, also unabhängig von den subjektiven und gesellschaftlichen Bedingungen der Konstitution, und Erscheinungen, hat mit Freges unterscheidung von Sinn und Bedeutung nichts zu tun. Bedeutung hat hier ein Spezialbedeutung, die mit reference in der englischen Übersetzung ganz gut wiedergegeben ist. Sinn ist hier die Gegebenheitsweise, im englischen meaning. So kann es auch eine leere Referenz (Bedeutung) geben, etwa heute der König von Frankreich, Sinn ohne Bedeutung.
Ich bin eigentlich überall völlig anderer Meinung.
1. stimmt die Beschreibung, was Marx unter Wert versteht, anscheinend nicht. Marx glaubte selber nicht an einen objektiven Wert und sprach in dieser Hinsicht vom „Warenfetisch“.
2. Man kann auf den Begriff des „Wert“ nicht verzichten, wnen man eine Theorie herstellen will, die auch nur näherungsweise an unsere gesellschaftliche Praxis anknüpfen kann. Wert taucht überall auf: bei der Spekulationsblase, beim Schäppchenjäger, Kreditnehmer, Häuslebauer, Geldanleger… Wert bedeutet etwas (relativ) Zeitloses, im Gegensatz zum immer aktuellen ,schwankenden Preis. Vom Faktor Zeit haben Sie aber leider nichts geschrieben. Wenn ich sehe, dass irgendwas in einem bestimmten Laden billig ist, nehme ich an, dass es preiswert (!) ist. Hier könnte man glauben, mit einem bestimmten Preis im Verhältnis zu anderen Preisen auskommen zu können. Aber wie sieht es bei der Spekulationsblase aus? Bei der Immobilienspekulation sind alle Häuser gleich teuer und trotzdem meint man, wenn man von einer Blase spricht, alle wären zu teuer. Das kann nur bedeuten, dass der Preis dem Wert nicht entspricht und in der Zukunft sinken wird. Wenn Sie ein Haus kaufen, fragt die Bank nicht jur nach dem Preis, sondern auch nach dem Wert – ermittelt diesen durch einen Gutachter – und bemisst danach Ihre Zinsen. Denken Sie: „Hier irrt die Bank“?
3. Was ist der Wert? – Oft wird der Wert wie der Preis in Geld ausgedrückt. Das ist natürlich ungünstig, da es sich um etwas anderes handelt. Das verleitet zu Ihrer Idee, beides in eines zu setzen. Es gibt aber auch Versuche, andere, „objektivere“ Bewertungsysteme einzurichten: Stiftung Warentest, Morningstar-Ranking, Amaton-Kundenbewertungen undundund.
4. Keine ökonomische Theorie kann auf eine vernünftige Beschreibung des Verhältnisses Weert – Preis verzichten. Ob die von Marx vernünftig ist, sei dahingestellt – es ist eben ein Versuch – , aber sie gleich ganz zu expedieren, ist jedenfalls falsch.
5. Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass man den metaphysischen Gebrauchvon „Ding an sich“ im Sinne des Idealismus kritisieren kann, ohne die Redeweise von „an sich“, „objektiv“ und „Wesen“ vs. „Erscheinung“ abzulehnen. Der Morgenstein ist eine morgendliche Erscheinung, der Abendstern eine abendliche, und das „Ding an sich“, das von diesen Erscheinungen referenziert wird, ist, wie wir seit einiger Zeit wissen, ein und dasselbe und heißt Venus. Oder: Trump ist vielleicht „an sich“ ein netter Mensch, aber in Gestalt (in der Erscheinungsform) eines Präsidenten schwer erträglich. Typ XY ist dem Wesen nach gut, aber ein fürchterlicher Choleriker.
Zu Marx: „Anders als die Vertreter der klassischen Arbeitswertlehre behaupten, sei der „Wert“ keine den Produkten objektiv zukommende Eigenschaft – diese Auffassung kritisiert Marx als Warenfetisch. Aber die Abstraktion „Wert“ stelle in einer kapitalistischen Wirtschaft eine Realität dar (Realabstraktion), die das gesellschaftliche Handeln der Menschen strukturiere und dominiere. “
https://de.wikipedia.org/wiki/Wert_(Wirtschaft)
Lieber Roland Ziegler, ich würde mich zur Einführung in die Marx’sche Werttheorie nicht unbedingt auf Wikipedia verlassen. Der Fetischcharakter der Ware ist ein wenig komplizierter. Im Wesentlichen liegt er nach Marx in der Verkennung, der Tatsache, dass in der Ware gesellschaftliche Verhältnisse geronnen sind, also Ausbeutungsverhältnisse. Eine Ware ist nach Marx eine Ware, weil es einen Markt gibt, und weil dort gesellschaftlich produzierte, aber privat angeeignete Waren ausgetauscht werden. Im Kommunismus, so Marx, wo die Waren nicht als Äquivalente ausgetauscht werden, sondern jedem „nach seinen Bedürfnissen“ zugeteilt, hat die Ware weder Preis noch (Tausch-)Wert, sondern nur einen „Wert für mich“, einen Gebrauchswert.
Es mag eine interessante geistige Übung sein, sich eine Gesellschaft vorzustellen, in der es keinen Mangel gibt, so dass der Markt zur Allokation der knappen Ressourcen entfallen kann. In der harten Wirklichkeit eines begrenzten Planeten geht es eher darum, auch jenen Gütern, die zu Marx‘ Zeiten als „Commons“ keinen Wert hatten, einen Preis zu geben, damit deren Gebrauch auch dem Gesetz der Ökonomie unterworfen wird, sprich mit möglichst wenig auszukommen, um Geld zu sparen.
In den israelischen Kibbuzim war der Kommunismus verwirklicht. Jeder bekam von dem, was da war, so viel, wie er brauchte. Essen zum Beispiel. Dies führte dazu, dass einige sich beim gemeinsamen Essen Brot zusteckten, um ihre Schweine oder Hühner damit zu füttern. Man hätte natürlich das private Eigentum an Haustieren abschaffen können oder ein System der Kontrolle aufrichten, und beides wurde hier und da versucht. Das heißt, der Kibbuz-Kommunismus nahm Elemente des Totalitarismus an. Um das zu vermeiden und dennoch die Ressourcenverschwendung einzudämmen, musste man von dem Prinzip abgehen, dass jeder einfach so viel – Brot, Wasser, Gemüse usw. – nehmen konnte, wie er wollte. Nicht zufällig sind die Kibbuzim heute fast überall von dem kommunistischen Prinzip abgegangen. Die Geschichte dieses Experiments und seines Scheitens ist extrem lehrreich.
Ich glaub mein Schwein pfeift
Auch z.B. die Analyse des Apple-Erfolgs ist unpassend. Nehmen wir an, es würde wenigstens stimmen, dass dieser Erfolg auf dem Design beruht und nicht auch auf Produktqualität, Werbung, Peer-Groups und anderen Faktoren. Dann aber ist doch der „Wert an sich“ eben gerade nicht das, was in China hergestellt wird, sondern eben – das Design! Und dieses Desing wird nicht in China hergestellt. Es wird aber von jemandem hergestellt – d.h. jemand macht sich wertvolle Gedanken dazu.
…in dieser Hinsicht taxiert man z.B. vor einer Übernahme den Wert (da ist er wieder) eines Unternehmens. Da fließen 1000 Aspekte mit ein, die zusammengenommen den Wert ergeben. Oft unterscheidet sich der wesentlich vom aktuellen Börsenwert. Ist er höher, wird die Firma für die Übernahme interessant.
Lieber Roland Ziegler, Sie bringen vieles durcheinander, zum Beispiel „Wert“ und „Qualität“. Auch ist die Venus kein „Ding an sich“ im Sinne der deutschen idealistischen Philosophie, sondern ein Planet, und die Tatsache, dass Hitler ein reizender Vorgesetzter war, wie seine Sekretärinnen behaupten, ist keine Täuschung, hinter der das „Wesen“ des Mannes als Massenmörder steckt, und so weiter und so fort.
Um aber ihren zentralen Gedanken aufzugreifen: Sie sagen zu Recht, der Preis schwankt stündlich, täglich, wöchentlich, von Ort zu Ort und so weiter, dahinter müsse es einen „Wert“ an sich geben. Warum? Der Preis schwankt, je nachdem, wie die Marktteilnehmer drauf sind. Immobilienpreise sind jetzt hoch, weil der Zinssatz niedrig ist und die Leute nach Geldanalagemöglichkeiten suchen. Das hat mit irgendeinem „objektiven Wert“ der Immobilien nichts zu tun. Die Bank ermittelt auch nicht den „objektiven Wert“ einer Immobilie, sondern fragt nach dem durchschnittlichen Quadratmeterpreis des Bodens, dem Alter des Hauses und so weiter, das heißt, stellt Preisvergleiche an. Wenn der preis weit über dem Durchschnitt liegt, werden Sie dafür keinen Kredit bekommen, egal wie „wertvoll“ Ihnen das haus erscheint, das sie kaufen wollen.
Nee.
1. Die Unterscheidung zwischen „Wesen“ und „Erscheinung“ ist grundsätzlich sinnvoll. Wenn man sie ins Metaphysische überzieht, wie im Idealismus geschehen, heißt das nicht, das sie nicht sinnvoll ist. Nutzen Sie diese Unterscheidung, statt darüber zu meckern.
2. Die Bank ermittelt den Wert des Hauses. Dieser besteht u.a. aus einem Grundstückswert, der wesentlich geringer angesetzt wird als er im aktuellen Marktgeschehen sich darstellt. Dadurch wird versucht, die Zeitschwankungen herauszurechnen und zu etwas Zeitunabhängigem – wenn Sie so wollen: Ewigem – zu kommen. Der Wert des Hauses besteht aber auch aus den verbauten Materialien (Pappwände? oder Stein auf Stein?) , dem Zustand und der Verarbeitungsqualität, der Mikrolage (Hauptverkehrsstraße, Infrastrukur, Zukunftsperpsektive usw.) und noch vielen anderen Dingen, für deren Ermittlung und Zusammenführung sich der Gutachter so gut bezahlen lässt.
Das ist der Wert des Hauses, von dem Sie sagen, es gäbe ihn nicht bzw. er wäre identisch mit dem Preis.
1. Nein, Roland Ziegler, die Unterscheidung zwischen „Wesen“ und „Erscheinung“ ist nicht sinnvoll. Er stammt von Platon und hat bei ihm und bei den Philosophen, die ihn benutzen, eine bestimmte Bedeutung. Wenn ich von Philosophie rede, und das „Kapital“ ist ein philosophisches Werk, dann muss ich diese Begriffe „metaphysisch überziehen“, weil sie nun einmal einen metaphysischen Sinn haben. Ich aber bestreite, dass es so etwas wie ein „Wesen“ des Stuhls gibt, auf dem ich sitze, von dem jener Stuhl nur eine Erscheinungsform ist. Es gibt den Begriff des Stuhls. Aber der ist nicht, wie Platon oder Hegel meinen, vor jedem Stuhl da; sondern der Begriff ist die Abstraktion realer Stühle; deshalb kann er sich ändern. Oder: ich kann sagen, die Erscheinungsform der Erdrotation ist der Gang der sonne über den Himmel; aber die Erdrotation ist nicht das „Wesen“ der Sonnenwanderung, sie ist nur deren Erklärung. Wir müssen hier versuchen, sauber zu argumentieren.
2. Der Wert des Hauses, Sie sagen es selbst, besteht laut Ihrer eigenen Aufzählung im Preis all der Faktoren, die dazu gehören. Der Wert des Hauses ist also nichts anderes als der mittlere Preis, den man für vergleichbare Objekte auf dem Markt realisieren kann. Ich habe ein Haus gekauft, und weiß, wovon ich rede. Der Wert meines Hauses liegt jetzt 30% über dem Wert, den es hatte, als ich es kaufte (und von bestimmten scharf kalkulierenden Kreditgebern keinen Kredit bekam, weil sie den Wert niedriger berechneten als der geforderte Preis); dabei sind viele Dinge (Parkett, Heizung, Fensterdichtungen, Küche …) nicht mehr so gut im Schuss wie vor 15 Jahren. Aber der Bodenpreis ist mittlerweile so hoch, dass Leute bereit sind, für dasselbe Haus nun 30% mehr zu zahlen, obwohl sie nach dem Kauf sicherlich noch einmal 10% bis 20% des Kaufpreises in Renovierungen strecken müssten.
Sie fragten, warum es hinter dem schwankenden Preis einen Wert an sich geben muss. Die Antwort ist: um eine alternative – zeit- und preisunabhängige – Bewertung vornehmen zu können.
Wenn Sie sich z.B. ein neues Auto kaufen wollen, schauen Sie in den Testreihen von auto-motor-sport, ADAC Motorwelt (und wie sie alle heißen) usw. usf. nach. Oder bei amazon in die Kundenrezensionen. Warum? Das Auto soll nicht gleich kaputtgehen usw. Diese Eigenschaften macht den Wert des von Ihnen gesuchten Autos aus.
Die Tests und Rezensionen stellen einen Maßstab dar, an dem sich der WERT eines Autos messen lässt. Sowohl komplett preisunabhängig als auch m.B.a. den Preis („Preissieger“ ,“Preis-Tipp“ usw.)
Sie als potentieller Käufer setzen eine Preisspanne fest, in der sich der Preis bewegen darf, und suchen dann das beste Preis-Leitungsverhältnis. Alldies können Sie nicht tun, ohne implizit auf ein bestimmtes Wertverständnis zu rekurrieren. Also: Ohne „Wert“ geht gar nix.
Beispiel Auto, lieber Roland Ziegler: das ist nicht das, was Marx meinte. Und das ist schon gar nichts „Objektives“. Die Frage ist ja nicht, wie ich entscheide, welches Auto ich kaufe, wenn ich, sagen wir, 20.000 Euro zum Ausgeben habe. sondern wie sich der Preis von 20.000 Euro für einen Neuwagen errechnet. Und den berechnet zum Beispiel VW in etwa so, wie ich das im Essay geschildert habe: anteilig Kosten für die Fabrik, die Maschinen, die Rohstoffe, den Lohn, den Transport – plus Gewinnmarge: größer bei Markteinführung, da viele bereit sind, für ein neues Modell etwas mehr zu zahlen (die „Produzentenrente“), kleiner, wenn das Modell nicht mehr neu ist (die „Konsumentenrente“). Niemand braucht, um solche Berechnungen anzustellen, den Marx’schen Wertbegriff. Ich muss hier wiederholen, dass ich nicht das Wort „Wert“ kritisiere, sondern diesen Begriff. Sonst reden wir von allem Möglichen, nur nicht von Marx.
Achso, noch zu Hitler: Doch, dass Hitler mitunter als reizender Vorgesetzter erschien, das war eine Täuschung. Sein „Wesen“ war das eines psychotischen Massenmörders. Hitlers Wesen war nicht „nett“. Mir ist es schleierhaft, wie man das anders beurteilen kann. Offenbar eine Verführung theoretischer Überlegungen, die bereits auf den ersten Blick falsch ist.
Hitler: andere Kiste. Aber Sie irren auch hier. Nehmen wir einmal nicht Hitler, sondern das deutsche Volk, also nicht das ganze Volk, sondern die vielen Mitwisser, Mitläufer, Mitmacher, Denunzianten, Profiteure, Akteure, Wächter, Mörder, Vertuscher … einige Million an der Zahl, die es alle nach 45 nicht gewesen sein wollten. Viele dieser Menschen – einige habe ich gekannt – waren wirklich nette Leute. Mein Vater kam mit seiner britischen Einheit 1o45 ins Rheinland, und seine Soldaten haben nicht geglaubt, was ihnen die eigene Propaganda über die KZ usw. sagte, weil sie die Besiegten so nett fanden (und russischen Kriegsgefangenen und Insassen der DP-Lager oft so mies). Aber das ist wirklich eine andere Geschichte, und hat mit dem Wertbegriff bei Marx nicht das Geringste zu tun.
Objektiver Wert vs. subjektiver Wert (=Gebrauchswert): Natürlich taxiert die Bank nicht den subjektiven Wert Ihres Hauses – der analog zum Teddybär darin bestehen könnte, dass Sie dort die schönste Zeit Ihres Lebens verbracht haben – sondern den objektiven Wert. Dieser Wert ist kein „Ding an sich“ im Sinne des Idealismus. Aber trotzdem ist er objektiv, weil er nach Kriterien taxiert wird. Er ist weder mit dem tatsächlichen Preis des Hauses noch mit der Summe der Preise der Einzelteile identisch (für die Autobahn nebenan, die den Wert des Hauses entscheidend nach unten drückt, gibt es keinen Preis).
Stimmt nicht, Roland Ziegler, sorry. Das gleiche Haus in Berlin-Zehlendorf und – sagen wir – Cottbus ist eben nicht gleich viel wert, weil die Bodenpreise (nicht der Boden“wert“) andere sind. Was die Bank bei der Wertermittlung tut, ist: sich fragen, welchen Preis (Preis!) das haus auf dem Markt erzielen könnte, wenn Sie als Kreditnehmer nicht zahlen und die Bank zur Eigentümerin des Hauses würde. Die „Wert“ermittlung ermittelt diesen Preis, nicht irgendeinen objektiven Wert.
Wir reden vielleicht aneinander vorbei. Sie schreiben: „Die „Wert“ermittlung ermittelt diesen Preis, nicht irgendeinen objektiven Wert.“ – Dieser Preis IST der objektive Wert des Hauses. Dieser Preis ist nicht der tatsächliche Preis. Es gibt zwei Preisangaben: eine für den Wert, eine andere für den tatsächlichen Preis.
Ich hab ja schon gesagt: dass der Wert ebenfalls in Geld dargestellt wird. Es gibt zwei Maßstäbe: Wert und Preis. Man darf nicht einen davon herausnehmen.
„X ist soundsoviel wert [hier ist objektiv gemeint!], kostet aber nur soundsoviel -> kaufen!“
und:
„Y ist nur soundsoviel wert [wieder: objektiv!], kann aber aktuell einen viel höheren Preis erzielen -> verkaufen!“
Sie irren, Roland Ziegler: „X ist soundsoviel wert [hier ist objektiv gemeint!], kostet aber nur soundsoviel -> kaufen!“ Das bedeutet: „Auf dem Markt können Sie dafür soundsoviel dafür bekommen.“ Wir reden hier immer noch vom Preis, nur von einem anderen Preis als dem geforderten. Da sie Frege zitieren, schauen Sie nach, was er mit „Sinn“ und „Bedeutung“ meint.
Aber noch einmal und – wirklich, ich bitte darum – zum letzten: Mir geht es nicht um die Alltagssprache. Marx hat eine Definition des Werts einer Ware geliefert. Die kritisiere ich. Mehr nicht.
Ich muss leider aufhören, keien Zeit. Nur ganz kurz:
Sie haben eine seltsame Vorstellung von „objektiv“, die stammt aus irgendeiner Theorie, aber nicht aus unserem wirklichen Sprachgebrauch.
Zu Mitläufern: Klar können das sehr nette Leute gewesen sein. Wirklich und wesenhaft nette Leute. Dann waren die in einem Irrtum gefangen. Aber Hitler war kein netter Mann . Er hatte kein nettes Wesen. Er war böse, aggressiv und gefährlich. Aber er konnte so tun und so in Erscheinung (!) treten, das man ihn mit einem netten Mann verwechseln konnte.
Herr Posener, wenn Sie heute in Berlin ein Haus kaufen und zur Bank gehen, um einen Immobilienkredit zu bekommen, dann wird Ihnen das Haus etwa um die Hälfe weniger taxiert als „der mittlere Preis“ am Markt tatsächlich ist. Der Wert ist nicht gleich der mittlere Preis.
Beim Verständnis der Bedeutung des „Wesen“ ist es nicht hilfreich, sich über den Tisch oder den Stuhl an sich den Kopf zu zerbrechen. Aber auch hier kann man sinnvoll sagen, dass es zum Wesen eines Tisches gehört, dass man etwas darauf abstellen kann, und zum Wesen eines Stuhls, dass man sich darauf setzen kann. Es mag Tische und Stühle geben, auf die das nicht zutrifft, aber dann sind das Grenzfälle.
Vergessen Sie doch mal kurz Platon und Hegel und überlegen Sie, ob Sie dieses Wort wirklich nicht verstehen bzw. ob es wikrlich sinnlos und unverständlich ist. Und auch beim Wort „Erscheinung“. Natürlich gibt es hier sinnvolle Verwendungen und Unterscheidungen zwischen einer Erscheinung und seinem Wesen. Einen Unterschied, der selbstverständlich ist und den Sie auch sofort richtig verstehen, wenn jemand in einer passenden Situation diese Worte gebraucht.
Lieber Roland Ziegler, Sie können natürlich sagen, dass es „zum Wesen eines Stuhls gehört, dass man darauf sitzt.“ Was Sie aber meinen, ist: das ist die Funktion des Stuhls. Ich will ja niemandem verbieten, von Wesen und Erscheinung zu reden; man sollte sich aber bewusst sein, dass Alltagssprache und Philosophie hier etwas meinen. Vielleicht aber auch nicht. Ich finde es bezeichnend, dass man in der deutschen Alltagssprache von Wesen und Erscheinung reden kann, in der englischen nicht. Der Idealismus ist tief in der kulturellen DNA dieses Landes verankert, und das erklärt einiges. Aber ich bin keine Sprachpolizei. Alles, was ich in Bezug auf Marx (und ich wiederhole: darum geht es) sage, ist: Es gibt kein Wesen – geronnene Arbeit -, deren Erscheinung der Tauschwert wäre.
Und noch was zum Wert: Wenn eine Stadtautobahn am Haus vorbeiführt, ist die stark wertmindernd. Was ist jetzt der Preis der Stadtautobahn, den Sie in Ihrem Verständnis vom gemittlelten Hauspreis herausrechnen wollen, um zum Wert dieses Hauses zu kommen?
Lieber Roland Ziegler, ich bin kein Immobilienkaufmann, habe jedoch mit dem Gedanken einmal gespielt, ein Haus in der Lage zu kaufen. Es war im Verhältnis zum Gebrauchswert (Anzahl der Zimmer usw.) unfassbar billig. Also „preiswert“. Wir können aber ewig hier diskutieren um die Frage, was Immobilienkaufleute und Banken mit dem „Wert“ eines Hauses meinen, wären aber, was die Theorie von Marx angeht, keinen Deut weiter. Ich wiederhole meine These: Der „Gebrauchswert“ ist subjektiv. (Ein tauber Mensch hat vielleicht nichts dagegen, neben einer Autobahn zu wohnen.) Der Tauschwert existiert nicht unabhängig vom Preis. Der Preis ist nicht die „Erscheinungsform“ des Tauschwerts. Dort, wo der Wert unabhängig vom Preis zu existieren scheint (Heheh! Die Venus!), ist es lediglich so, dass der geforderte Preis über dem Preisdurchschnitt für Waren oder Dienstleistungen gleichen Charakters liegt. (Von diesem Widerspruch leben Websites wie preisvergleich.de.) Mehr nicht. Ich will gern auf Ihre Einwände eingehen, aber ich darf Sie auch bitten, zur Sache zu schreiben. Danke.
„Der Idealismus ist tief in der kulturellen DNA dieses Landes verankert, und das erklärt einiges.“
Yepp – das ist wohl so. Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann eine Kontroverse darüber. Es ginge mir dabei aber nicht darum, Heidegger-Anhänger ‚Nazidenken‘ zu attestieren.
Nun, lieber Roland Ziegler, die ‚Venus‘ ist auch nur ein Name für einen sonnennahen Planeten. Und der ’sonnennahe Planet‘ ist auch nur ein astronomischer Begriff. Das kann man beliebig weiter treiben und man wird nicht auf ‚des Pudels Kern‘ stoßen (hier d’accord mit Alan Posener). Aber dennoch würde ich Ihren Standpunkt in der Diskussion gerne unterstützen: Irgendetwas scheint uns doch an diesem ‚Wert = momentane Vereinbarung‘ zu stören, insbesondere an dem ‚momentan‘. Sie wiesen auf den Zeitfaktor bereits hin. Mir gefällt in diesem Zusammenhang der Begriff ‚Wertschätzung‘. Beim Teddybären ist es vielleicht die verlorene Kindheit, die einen besonderen Wert auf das Stofftier projezieren lässt. (Projektion ist auch das, was Firmen, wie Apple oder Coca Cola durch Werbung aufgebaut haben.)
Und ich meine nun, es ist eben nicht immer Projektion oder momentaner Gebrauchswert, der den Dingen einen Wert verleiht, sondern da ist etwas zusätzlich Zivilisatorisches, was hinter dem Wert steckt: Ich restauriere als Hobby alte technische Geräte und mir wurden Geräte von Funkamateuren überlassen, die diese in den 50er Jahren selbst gebaut haben. Meine Wertschätzung bezieht sich nicht nur auf die Geräte selber, sondern ich schätze vor allem Sachverstand und handwerkliche Fähigkeit der Erbauer, die ich – natürlich – auch auf die Geräte projeziere. Ähnlich mein Unbehagen dabei, Essen wegzuwerfen, wie mir diese ganze Wegwerfmentalität sehr zuwider ist. Ich finde das unzivilisiert und grob. Vielleicht geht es mir um die Menschen, die das alles hergestellt haben (und die Tiere, die für meine Ernährung sterben mussten). Daß mit Getreideüberschüssen geheizt wird, finde ich empörend. Und deswegen denke ich, Marx hatte schon recht mit seinem Ansinnen, den Dingen einen Wert zuzuordnen, nur daß genau das durch die letztlich metaphysische Zuordnung eines ‚Tauschwertes‘ (statt Geld) nicht funktioniert. Hinter der Wertschätzung der Dinge steckt die Wertschätzung für die Erschaffer – leicht zu erkennen an Kunstwerken und an dem Gegenteil, der IS-Zerstörer von Kunstwerken.
Lieber Klaus J. Nick, Sie reden hier vom „Gebrauchswert“, den Marx nicht erfand. Den nenne ich „subjektiven Wert“, eben weil nicht jeder zum Beispiel alte Geräte schätzt. Meine Auseinandersetzung mit Marx bezieht ausschließlich auf den von Ihnen völlig richtig als „metaphysisch“ bezeichneten Begriff des angeblich objektiven Tauschwerts bei Marx.
Mir geht es zunächst nur um ein grassierendes Unverständnis, was die Bedeutung von Wesen, Erscheinung, Ansichsein u.ä. angeht. Das sind keine sinnlosen Begriffe. Es geht dabei auch nicht um des Pudels Kern oder das Ding, so wie es der liebe Gott sieht. Solche Begriffsbestimmungen sind totaler Murks, aber dafür können die Begriffe nichts und sollten dafür auch nicht in Haftung genommen und aussortiert werden. Nur weil man erst eine falsche Begriffsbestimmung ansetzt und daraufhin feststellt, dass das dann unverständlich wird, ist der Begriff nicht sinnlos. Jeder versteht diese Begriffe richtig, wenn sie richtig gebraucht werden. Weil das so ist, muss man sich überlegen, WIE diese Begriffe richtig gebraucht werden. Dann kennt man ihre Bedeutung.
Mag sein, daß ich da was verwechsele, aber ich meine, nach wie vor, nicht, lieber Alan Posener: Wenn Marx im ‚Kapital‘ fragt „Was ist der Preis einer Ware? Wie kommt er zustande?“ und versucht, etwas Objektives zu finden, wie Tauschwert, daß sich an „vergegenständlichter Arbeit“ festmacht, hängt er an der Metaphysik, also einem ‚Ding an sich‘, einer ‚Wesenheit‘ oder was immer da zu Marx‘ Zeiten und vorher konstruiert wurde. Das ist eben der Geist der damaligen Zeit (und nicht nur der, viele ehemalige Linke scheinen sich in spätscholastischen Vorstellungen der Piusbrüder ganz wohl zu fühlen). Um ‚Objektivität‘ oder ‚das Ding an sich‘ geht es mir aber auch nicht – im Gegensatz zu den ‚Grünen‘, die den Wert der Rohstoffe, des CO2-Ausstoßes und überhaupt von Ressourcen durchaus betriebswirtschaftlich an dem ‚begrenzten System Erde‘ festmachen wollen und damit einen Verteilungskampf eben um diese Ressourcen provozieren wollen (was m.E. Denken der 80er ist, als es noch sehr uneffektive technische Prozesse gab und eben so gut wie keine Kreislaufwirtschaft). So – ich meine der Rückgriff auf diese ‚Wesenheiten‘ ist so verständlich wie ein bloßes Konstrukt (auch die römischen Kaiser setzten Preise quasi ’naturrechtlich‘ fest), letztlich geht es um – Gerechtigkeit, also Machtverteilung – und die ist schon Folge von Politik: Autobahnen stärken Discounter und die Autoindustrie, Umweltgesetze stärken den öffentlichen Dienst und den TÜV, Sozialgesetzgebung stärkt die Krankenkassen und die Agenda 2010 stärkt Arbeitgeber, die die Notlage nichtetablierter Arbeitnehmer, z.B. Flüchtlinge oder Menschen zwischen 20 und (mittlerweile) 35 ausnutzen. Es geht um diese Machtverteilung in einem ‚Setting‘, das so gewollt ist, wie es ist, weil niemand genau das kritisiert. Der Rückgriff auf Marx ist dabei so hilflos, ich stimme Ihnen da aus vollem Herzen zu, weil Marx in Kategorien denkt, die überholt sind, weil sie von einer mittelalterlichen (was ich nicht abwertend meine) Philosophie ausgehen.
Der Kommunismus funktioniert nicht deshalb nicht, weil – wie oftmals angenommen wird – der Mensch einfach nicht gut sondern egoistisch sei, sondern weil es für Waren und Leistungen keinen Marktpreis gibt. Marktpreise sind nämlich zur effektiven volkswirtschaftlichen Allokation von Ressourcen wahnsinnig nützlich. Fehlen Marktpreise, weil für Waren und Leistungen ein planwirtschaftlicher Preis festgesetzt wird (der einem angeblichen wahren Wert entsprechen soll), so werden Ressourcen verschwendet. Ein Akteur der Marktwirtschaft muss grundsätzlich nur das günstigere Angebot wählen, wenn er zwischen verschiedenen Möglichkeiten auswählen kann. Regelmäßig ist die umgesetzte Lösung dann auch volkswirtschaftlich die effektivste. Je weiter sich die planwirtschaftlichen Preise von potentiellen Marktpreisen entfernen, desto größer ist die Ressourcenverschwendung – bis zum Zusammenbruch des Systems.
Insofern kann man schon sagen, dass das Nichtfunktionieren des Systems in diesem Irrtum angelegt ist.
Rund um den Mindestlohn gibt es immer die Debatten, was Arbeit an sich Wert sei und wirklich nie ist man zu einem schlüssigen Ergebnis gekommen. Was man zum Leben braucht ist nicht der Maßstab, denn das ist das Hartz-Niveau, weniger geht nicht. Für was ist dann der Betrag zwischen Hartz und Mindestlohn? Was eine gerechte oder marktkonforme Entlohnung sein soll, wo der Unterschied liegt, darüber zerbricht sich jede HR ständig den Kopf. Und wie bemisst man den Wert von Kopfzerbrechen? Kurz: vergegenständlichte Arbeitskraft klingt einleuchtend, liegt aber in der Benennung so jenseits der Sterne, dass der Begriff keinen praktischen Wert an sich haben kann, womit eben viele Menschen den Wert nicht zu schätzen wissen. Liegt nicht an den Menschen, der Begriff ist zu schwammig.
Ja, Stevanovic. In der Tat begann mein Nachdenken über diesen Essay, als ich Pikettys Buch über die Ökonomie der Ungleichheit las. Er sagt, dass es besser ist, Billiglöhne zuzulassen und staatlicherseits dann aufzustocken, als die Unternehmer zu zwingen, ausreichende Löhne zu zahlen – jedenfalls dort, wo menschliche Arbeit leicht durch Maschinen zu ersetzen ist, was die Unternehmer dann tun werden, wenn sich die Investitionen angesichts hoher Löhne rentieren. So scheint die Frage der Ersetzbarkeit von Arbeit durch Kapital wichtiger als die Frage, was ein „gerechter“ Lohn wäre. Das ist auch die Logik der Agenda 2010.
… ich meine das ist ein Trugschluss. Ich halte jede Subvention, auch den ‚Aufstockerlohn‘ oder den ‚Ein€urojob‘, in die Wirtschaft für falsch. Die Ökonomie selber ist und kann nicht solidarisch sein. Warum soll ich ihr gegenüber solidarisch sein? Dafür gibt es keinen Grund, im Gegenteil, die Ökonomie wird fett und träge. Schlimmer, sie wird ‚übermütig‘, wenn ich an die sogenannte Bankenrettung denke. Und wenn ein Friseurmeister seinen Gesellen nicht bezahlen kann, muss er seine Bude schließen.
Der Mindestlohn sollte nur als Einstiegsmotivation, als ‚Grenze‘ zur Arbeitsannahme für den Arbeitnehmer gelten. Unter den Mindestlohn bekommt er ‚Solidarzuschlag‘. D.h., bei einem Mindestlohn von 8 €uro, würde ich ihm 6 € ‚Sozialhilfe‘ zugestehen. Also etwa 160 Std./Monat=960 €. Es bleibt genug ‚Anreiz‘ für den Mindestlohn – oder mehr – zu arbeiten. Der Arbeitgeber bekommt motivierte Mitarbeiter. Zahlen sind austauschbar.
Sag ich doch, Blonderhans.
@Stevanovic
„Liegt nicht an den Menschen, der Begriff ist zu schwammig.“
Doch, liegt genau an den Menschen, denn Begriffe stammen von Menschen. Und das in der Regel nicht absichtslos. Mit Begriffen wird vor allem eins: gekämpft.
Nehmen wir den Wert eines Apfels. Im Mittelalter eine sagenumwobene Frucht der Reichen, vor zwei Genrationen eine der wenigen süßen Nachspeisen, vor einer Generation die Frucht der eigenen Hände Arbeit aus dem heimischen Garten, für mich preiswert in der Tüte, für meine Kinder Biomüll in spe. Was heißt es nun, den Wert eines Apfels zu schätzen?
Wert ist ein Kampfbegriff, keine Frage. Für ihr Taschengeld können sich Kinder heute die Jahresproduktion eines Gartens kaufen, weil Äpfel billig sind. Die Großeltern mussten richtig knuffen, um welche zu haben und meckern nun, die Kinder könnten den Wert nicht schätzen. Aber liegen gerade sie nicht richtig? Ein Apfel ist billig, es gibt ihn überall. Kann es nicht sein, dass die Großeltern ihn nicht richtig einschätzen können? Vielleicht macht es heute Sinn, mit Getreide zu heizen. Der Wert eines Apfels (nicht der Preis) ist keine Größe, mit der wir arbeiten oder uns verständigen können. Das meine ich mit zu schwammig.
Den hier fand ich gut: „Und ich meine nun, es ist eben nicht immer Projektion oder momentaner Gebrauchswert, der den Dingen einen Wert verleiht, sondern da ist etwas zusätzlich Zivilisatorisches, was hinter dem Wert steckt“. Der Gebrauchswert ist ja nicht nur essen, sondern auch unterhalten werden, sich gruseln, erinnert werden. Und damit sind wir doch wieder mit beiden Beinen im Relativen. Mönche des Katharinenklosters auf dem Sinau haben Jahrtausende alte Schriften verfeuert, wirklich nur zum Feuer machen. Zivilisatorisch geht das für die Jungs ok, in ihrer Zivilisation wurde eigentlich alles gesagt, was der Mensch so wissen muss. Für geschichtlich Interessierte schlimmer als die Taliban, man würde ein Vermögen bezahlen, weil Wissen ein Wert für uns ist, für die Mönche nicht. Für sie ist es das Seelenheil und somit sind die Schriften nur Papier. Das Zivilisatorische am Wert geben macht den Begriff eben vollkommen unbrauchbar in der Bestimmung von „eigentlichen“ Werten, denn sobald etwas an eine zivilisatorische Sinngebung geknüpft ist, ist es eben kein Wert „an sich“. Und weil man eben schlecht über dieses Zivilisatorische streiten kann, reden wir über Preise. Wie viel von deinem Portmanie ist dir das Ding wert? Und dann können wir uns verstehen – ob per Zeitmaschine aus dem Mittelalter dazugekommen, aus Kasachstan oder aus der Konsumgesellschaft stammend. Mathematik als universale Sprache. Wenn jemand den Wert nicht zu schätzen weiß, dann hat das Ding in dem Moment auch keinen Wert.
Richtig, lieber Stevanovic, deswegen habe ich gesagt ‚Wertschätzung‘, subjektiv, Alan Posener hat ja recht. Das ‚Ding an sich‘ gibt es nicht, deswegen gibt es auch keinen Wert für ‚Dinge an sich‘. Aber wir verleihen den Dingen Wert wir schätzen Sie und ärgern uns, wenn unsere Kinder das liebevoll geschmierte Schulbrot wegwerfen und sich stattdessen Müll kaufen und einverleiben. Weil wir haben recht und nicht unsere durch Junkfood verfettenden Kinder. Wir müssen uns ernst nehmen in unserer (!) Zivilisation und eben nicht mit den ‚Taliban Tee trinken‘, die archäologische Stätten zerstören. Unsere Werte. Alles Subjektiv? Relativierbar? Theoretisch vielleicht, praktisch nur um den Preis wahnsinnig zu werden:
Wir nehmen völlig subjektiv, aber alle irgendwie doch vergleichbar, ähnlich wahr:
– ein Apfel ist mehr wert als der Haufen von meinem Hund
– ein festes Dach über dem Kopf ist mehr wert, als ein Zelt
– usw. usf.
Und richtig: Es gibt Situationen, in denen ist eine Mahlzeit mehr wert als ein Goldring. Objektivität entsteht, wenn Menschen in ähnlicher, vergleichbarer Situation leben. Und wenn wir unsere Lebensgrundlagen und unsere Art, uns in der natur einzurichen (=Zivilisation) nicht mehr ernst nehmen, gefährden wir uns vor allem selber. Deswegen darf die Schumpeter’sche Zerstörung von Werten nicht so weit gehen, daß sich jegliche Investition – z.B. in die Ausbildung der Kinder – nicht mehr lohnt. Mit einem Bachelor können Sie vielleicht Harz 4 beantragen, mehr nicht. Ich sage es nochmal anders: Wenn Computerdaddelei (‚Informatik‘) jetzt ein Beruf ist, dann funktioniert das nur, weil andere die Elektronik und ihr physikalisches Grundwissen dafür bereit stellen und wenn jetzt eine ganze Generation zu glauben gedenkt, daß wir den ganzen Grundlagenkrempel (weil nichts wert, nicht wahr?) nach China oder Korea outsourcen können, dann enden wir eben wie die Saudis ohne Öl.
Und nochmal: Ich teile Alan Poseners Kritik an der Marx’schen Metaphysik (‚Tauschwert‘), der nur in einer ständischen Argrargesellschft Bestand hätte, aber die Weisheit (‚Ende der Geschichte‘ usw.) haben wir mit dieser ‚relativeren‘ Betrachtungsweise keineswegs mit Löffeln gefressen. Ich darf noch mal meinen von mir sehr verehrten Einstein zitieren: „Es ist nicht alles relativ – wenn alles relativ wäre, gebe es ja nichts, wozu etwas relativ sein könnte“. (das Wort ‚relativ hat zwei Bedeutungen.)
Und was ist mit Artikel 3 der UDoHR für Menschen in Entwicklungsländern. Da muss das Getreide ungenießbar sein
Danke, lange nicht mehr so gelacht. Bei der Unterscheidung von „Wesen“ und „Erscheinung“ muss ich immer an die verprügelte Hausfrau mit blauem Auge denken, die meint, tief drinnen sei er ja eigentlich ganz anders.
Stimmt, Stevanovic. Marx ist manchmal lustig.
An die Unterscheidung „Wesen und Erscheinung“ glaube ich auch nicht, aber der Wert/Preis einer Sache kann in einer funktionierenden Zivilisation nicht nur der momentane (!) Tauschwert sein. Ansonsten wird jede tragfähige (um nicht das unsägliche ’nachhaltige‘ zu gebrauchen) technische Entwicklung unmöglich. Investitionsschutz muss für Unternehmen und Immobilien genauso gelten, wie für Ausbildungen. Der Trick moderner (neoliberaler?) Volks- und Betriebswirte bestand darin, nur den Momentanwert (Börsenwert) geltend zu machen. Die Quartalszahlen als Daumenschraube für jedes Unternehmen. Der Wert dieser Unternehmen beliebig skalierbar, je nach Interessenlage. Der ‚Erfolg‘ dieser Strategie ist greifbar: Die Chinesen, die langfristiger denken, kaufen und kaufen. Und deswegen gehört Forschung auch in staatliche Hände und die staatlichen Hände gehören von unabhängigen, am besten ehrenamtlichen Experten kontrolliert.
Lieber Klaus J. Nick, um von hinten anzufangen: Wie Mariana Mazzucato überzeugend (in „Das kapital des Staates“) nachgewiesen hat, ist vor allem die Grundlagenforschung abhängig von staatlicher Finanzierung. D’accord also. Richtig auch, dass es Investitionsschutz geben muss (daher CETA und TTIP), und dass die Orientierung allein an aktuellen Börsenkursen ein Unternehmen langfristig in den Ruin treiben kann.
Aber darum geht es weder Marx noch mir; und Sie verwechseln eine Beschreibung dessen, was ist, mit einer Schilderung dessen, was sein sollte. Die Fragestellung aus dem „Kapital“ ist zunächst nur: Was ist der Preis einer Ware? Wie kommt er zustande? Und bei Marx oszilliert er um den „Tauschwert“, der seinerseits Ausdruck von etwas Objektivem ist, nämlich vergegenständlichter Arbeit. Dagegen behaupte ich, der Preis ist willkürlich und reflektiert lediglich, was der Käufer auf dem Markt zu zahlen bereit ist. Es gibt keine Möglichkeit, den „objektiven Wert“ einer Ware zu bestimmen. Übrigens auch nicht der „Ware Arbeitskraft“.
Sie sprechen erheblich komplexere Dinge an wie den Wert und den Charakter eines Unternehmens (gehört es den Aktionären? sind sie die Eigentümer, wie immer wieder fälschlicherweise behauptet wird?) und die Frage möglichen Marktversagens in bestimmten Investitionsbereichen (Forschung, die sich nicht schnell amortisiert). Hinzu könnte man nehmen, dass bestimmte Dinge allzu lange gar keinen Preis hatten, zum Beispiel der CO2-Ausstoß. Dass man hier mittlerweile willkürlich von staatlicher Seite einen Preis festlegen und entsprechende Anteile handeln kann, zeigt, wie wenig der Marx’sche Wertbegriff mit der Wirklichkeit zu tun hat. Nur darum geht es mir.