Von Enzio Rességuier de Miremont, Rechtsanwalt, München
Die öffentliche Diskussion um die Verfilmung des Theaterstücks „Terror“ von Ferdinand von Schirach war gerade erst abgeebbt, da erschien mit dem SZ-Artikel „Angst ist Gold“ von Johannes Boie die Beschreibung eines weiteren, wenn auch anders gelagerten Sachverhaltes, in dem eine vorbehaltlos richtige Entscheidung nicht möglich erschien.
„Angst ist Gold“: Hier bestand für die Protagonistin des Artikels, die Rechtsanwältin und Publizistin Dr. Liane Bednarz das Dilemma: Abwägung zwischen umfassender publizistischer Aufklärung einerseits und dem strengen Berufsrecht eines Rechtsanwalts andererseits. Meine Mandantin entschied sich für die Befolgung des Gesetzes sowie die aristotelische Mitte.
Christoph Giesa und Liane Bednarz haben gemeinsam das Buch „Gefährliche Bürger“ (Hanser, 2015) verfasst. Gegen Ende des langen Entstehungsprozesses stellte meine Mandantin fest, dass ein Teil eines von Giesa geschriebenen Kapitels sich nicht mit ihren berufsrechtlichen Pflichten vereinbaren ließ. In der Rohfassung nennt Giesa bestimmte Namen und behauptet, dass man in der Sachwertbranche Wert darauf lege, Ängste zu verbreiten. Mit der Angstmacherei würde, so Giesa, gutes Geld verdient und man habe gemeinsame Interessen mit der AfD und der neurechten Szene, die man damit gleichsam fördere.
Kurz vor Abgabe der letzten Version an den Verlag musste eine Abwägung vorgenommen werden, an der ich maßgeblich beteiligt war. Als Anwalt musste ich dabei wesentlich das scharfe Schwert des Berufsrechts, das Interessenskonflikte verbietet, im Auge behalten. Im Ergebnis gab es klare vertragliche Absprachen zwischen den beiden Autoren: das Kapitel in seinem Kern beizubehalten, aber auch einige Passagen abzuändern. Giesa selbst hat den Entwurf dazu geliefert. Der Verlag war einverstanden, auch weil das Kapitel in der Rohfassung teilweise presserechtlich justiziabel erschien. Giesa war überdies freigestellt, in einem Zeitungsartikel separat und ohne Bednarz´ Zutun über seine Recherchen zu berichten. Warum er dies niemals tat, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Das Betonen privater Befindlichkeiten erschien ihm vorrangig.
Den Sachverhalt hat Johannes Boie in seinem Artikel „Angst ist Gold“ verkürzt und einseitig dargestellt. Mit Hilfe eines Medienethikers ist er zu einem entsprechend eindeutigen Votum gekommen: Bednarz habe in ihrem Interessenskonflikt zuungunsten der Wahrheit und im Sinne ihres Arbeitgebers gehandelt. Dieser Vorwurf kann jedoch nicht unwidersprochen bleiben. Die nach Boies Vorstellung offenbar richtige Handlungsalternative hätte zwingend einen Gesetzesbruch beinhaltet.
Interessenkonflikte sind im Journalismus völlig normal; die künstliche Skandalisierung des vorliegenden Falles erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der erfolgten Einigung beider Autoren mit dem Verlag unzulässig und wenig seriös. Auch Christoph Giesa sind solche Interessenskonflikte nicht fremd: Auch er bat noch im Vorfeld des Buches Bednarz ausdrücklich, eine Person zu verschonen, von der er sich für seine Freundin berufliche Aufträge erhofft hatte. Dieser Bitte kam Bednarz nach.
Von verantwortungsvollen Journalisten darf daher erwartet werden, die Komplexität des Falles im Auge zu behalten. Jan Fleischhauer schrieb im Spiegel, es sei keine so schlechte Idee, dass für die Einschätzung verfassungsfeindlicher Tendenzen eine Behörde wie der Verfassungsschutz zuständig sei. Denkt man Fleischhauers Ansatz zu Ende, so bliebe gerade für denjenigen, der publizistisches Engagement nicht im Hauptberuf betreibt, kein Raum mehr.
Der Fall zeigt relativ klar, dass Journalismus immer auch interessengesteuert ist. Hat der „Journalist“ noch einen zweiten Beruf, wirkt sich dies, wie im Fall Bednarz, mitunter auf den Umfang der „Wahrheit“ aus, die sie ihrem Leser offenbart. Liebt der Journalist schnelle Autos, wirkt sich dies mitunter bei seinen Texten zum Tempolimit aus, ist seine Frau Ärztin oder ihr Mann Lehrer, spielen manchmal auch die Berufe der Angehörigen eine Rolle. Den Mythos des unabhängigen Journalisten, er allein der Wahrheit verpflichtet ist, den gibt es nur in Lehrbüchern. Und wenn dann Fälle wie der hiesige diskutiert werden, kommt ans Tageslicht, wer hinter wem steht und wer für wen schreibt, oder eben nicht schreibt. Und wenn mir jemand erzählen will, eine Zeitungsbranche, die sich zum Teil im Dahinsiechen befindet, würde keine Rücksicht auf Anzeigenkunden nehmen, den kann ich nicht ernst nehmen. Fast alle Medien sind seit jeher interessengeleitet, wichtig ist dies aufzuklären und man sollte bei wichtigen Texten oder „Keyplayern“ im öffentlichen Diskurs sich öfters einmal die Mühe machen, welchen „Hintergrund“ der Autor mitbringt.
Die Browsererweiterung Cahoots ist da eine kleine Hilfe:
http://cahoots.pw
Dort ist allerdings nicht verzeichnet, ob der Journalist bei einem westlichen oder östlichen Geheimdienst auf der Payroll (https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Mockingbird) steht und welche Schmierangebote (http://www.pressekonditionen.de) er von wem angenommen hat.
…das Problem ist eben, dass beide Herren keine Ahnung von Jura haben…
Gut geschrieben, sehr klar und aufschlussreich. Danke Enzio Resseguier 🙂
„Interessenkonflikte sind im Journalismus völlig normal; die künstliche Skandalisierung des vorliegenden Falles erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der erfolgten Einigung beider Autoren mit dem Verlag unzulässig und wenig seriös.“
Solche Bücher sollte man gar nicht erst schreiben, sondern das Thema anderen Autoren überlassen, wenn man dabei absehbar in Interessenkonflikte geraten wird, die einen dazu zwingen, Dinge zu verschweigen, die die Leser eigentlich erfahren sollten. Die Interessenkonflikte kann ich nachvollziehen, unredlich bleibt es trotzdem.
Wobei es sich um kein Buch handelt, das mich inhaltlich sonderlich interessiert, weil ich die Auseinandersetzung mit den Ursachen der plötzlichen Salonfähigkeit des Rechtspopulismus viel wichtiger fände als die Denkstrukturen derer, die schon die ganze Zeit solche Ansichten vertreten haben, ohne damit allzu viel Gehör zu finden. Immerhin handelt es sich um ein Phänomen, das mittlerweile nahezu alle Industrieländer betrifft. In Deutschland hat es sich ja sogar um Jahre später bemerkbar gemacht als in vielen anderen EU-Mitgliedsstaaten. Mich hat das nämlich schon seit mindestens 2010 jedes Mal erstaunt, wie hartnäckig sich alle Medien darauf beschränkten, bei jedem weiteren Wahlerfolg von unterschiedlichsten obskuren Außenseiterparteien in diversen EU-Ländern immer wieder lediglich furchtbar überrascht zu sein, anstatt darin ein Muster zu erkennen und endlich mal damit anzufangen, sich über dieses Muster Sorgen zu machen.