Der Wohnungsmarkt in den Großstädten unseres Landes ist äußerst angespannt. In München, Frankfurt und Hamburg nähern wir uns allmählich Londoner Verhältnissen. Dort ist der Mangel an Wohnraum in der Innenstadt inzwischen so krass, dass Menschen in umgebauten Garagen, Kellern oder Dachverschlägen hausen – zu horrenden Preisen. Ein Drittel der Londoner Eltern hat ein erwachsenes berufstätiges Kind wieder bei sich aufgenommen. Die Stadtverwaltung rechnet damit, dass die Einwohnerzahl Londons bis zum Jahre 2020 von jetzt 8,1 Millionen auf 10 Millionen steigen wird. Um den Wohnbedarf dieser gigantischen Stadt zu decken, müssten schon jetzt pro Jahr 250 000 Wohnungen gebaut werden. Tatsächlich gebaut wird gerade einmal die Hälfte. Wie auch bei uns hat die Politik in London die Einwohnerentwicklung verschlafen.
Auch in Deutschland ist man erst vor kurzem auf die drohende Wohnungsnot in den Großstädten aufmerksam geworden. Seitdem häufen sich in der Presse Schlagzeilen wie „Kaufpreise explodieren“, „drohende Wohnungsnot in den Ballungszentren“ und „Mietpreise gehen durch die Decke“. Der Nachholbedarf im Wohnungsbau ist enorm. Wie die Bauexperten des „Ifo-Instituts“ (München) ermittelten, sank zwischen 2000 und 2009 das Volumen der Wohnungsbauinvestitionen in Deutschland um knapp ein Viertel unter das des Jahres 1999. Die Zahl der Neubauwohnungen erreichte 2009 gerade einmal ein Drittel des Wertes von 1999. Das Kalkül der Politiker, weshalb sie beim Wohnungsbau jahrelang auf die Bremse traten, ist klar: Sie folgten der vagen Prognose, die deutsche Bevölkerung schrumpfe weiterhin kräftig. Der Zuzug von außen halte sich zudem in Grenzen, weil die Tragfähigkeit der Einwanderung von der Aufnahmebereitschaft der einheimischen Bevölkerung abhängt – und diese stoße bald an ihre Grenzen. Außerdem wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass im Osten der Republik allerorts Leerstand herrsche und deshalb viele unvermietbare Immobilien abgerissen werden müssten.
Leider fügte sich die Realität nicht dieser auf ungesicherten Prognosen basierenden Betrachtungsweise. Um die Jahrtausendwende hatte nämlich ein neuer Trend zur Verstädterung eingesetzt. Es war wieder schick geworden, in der City zu wohnen. Viele Familien, die bisher die Speckgürtel der Großstädte bevölkert hatten, kehrten der ländlichen Einöde den Rücken und suchten wieder den Trubel der Innenstädte. Flanieren durch die Straßen und Cafés war wieder angesagt. Und für die Naturliebe findet man in der Stadt immer ein Plätzchen, wie die hohe Nachfrage nach Schrebergärten und Minigärten in Hinterhöfen, auf Flachdächern und Garagen („urban gardening“) belegt. Hinzu kommt, dass immer mehr junge Menschen studieren. Und Studienplätze findet man nur in mittleren und großen Städten. Wenn dieser Trend zur Renaissance der Großstadt anhält, müssen Städte wie Hamburg, Frankfurt, München und Berlin, aber auch alle traditionellen Universitätsstädte, bis 2030 mit einer massiven Erhöhung der Einwohnerzahl rechnen. Die Schaffung von Wohnraum kann mit diesem Trend offensichtlich nicht Schritt halten.
Angesichts dieser Entwicklung sollte man meinen, dass die Politik entschlossen umsteuert, dass sie alles unternimmt, um den Neubau von Wohnungen zu forcieren. Denn je länger man zögert, umso teurer wird das Bauland in den Städten. Seit dem Jahr 2005 sind die Baulandpreise um 15% gestiegen. Hinzu kommen Verteuerungen der Planungsleistungen (Architekten, Statiker, Vermesser) und der Bauleistungen (Material, Löhne). Einige dieser Preisfaktoren sind wenig beeinflussbar, da sie der Knappheit geschuldet sind (Bauland in Citylage) oder von den Gewerkschaften erkämpft wurden (Tariflöhne).
Es gibt allerdings einen Preisfaktor, der sehr stark ins Gewicht fällt und der vom Staat verursacht wird. Das sind Preiserhöhungen, die auf eine verstärkte Regulierung des Bauens zurückgehen. Experten beziffern die Preissteigerung bei Neubauten, die auf aktuelle staatliche Auflagen zurückgehen, auf 28,5%. Hauptpreistreiber ist dabei die „Energiesparverordnung“ (Enev), die zum Stichdatum 01. 01. 2016 noch einmal entscheidend verschärft wird. Der zulässige Wert für den Primärenergiebedarf wird darin um 25% abgesenkt, der für den Bedarf an Wärmeenergie um 20%. Die „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen“ (Arge) in Kiel errechnete in ihrer Studie „Kostentreiber für den Wohnungsbau“, dass sich allein durch die Verschärfung der energetischen Vorgaben der qm neugebauten Wohnraums um 100 € verteuert. Die Konsequenz mutet absurd an: „Den rund 86 000 € Mehrkosten pro Haus stehen […] nur knapp 30 000 € Einsparungen bei Heizosten und Warmwasserbereitung in den kommenden 20 Jahren gegenüber.“ (FAZ vom 1. 8. 2015) Im Klartext bedeutet dies, dass die Eigentümer von neu errichtetem Wohnraum oder die Mieter desselben von der Regierung zu einer Klimaumlage gezwungen werden, die andere Bevölkerungsgruppen nicht zu bezahlen haben. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) gibt dies offen zu, wenn sie sagt, die Verschärfung der Energiesparverordnung sei notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Die Ministerin, die in ihrem Ressort die Felder Bauen und Umwelt betreut, hat sich hier eindeutig für den Vorrang der Umwelt – des Klimaschutzes – entschieden. Die Mieter in den Großstädten haben das Nachsehen. Aber für sie hält die SPD ja ein anderes Instrument aus dem politischen Reparaturset bereit: die Mietpreisbremse.
Den Spitzenplatz unter den staatlichen Preistreibern in Deutschland gebührt der grün-roten Landesregierung von Baden-Württemberg. Auch sie hat reguliert, und nicht zu knapp: In der Novelle der „Landesbauordnung“ wird für Neubauten eine Dach- und Fassadenbegrünungspflicht verordnet. Außerdem muss jedes neu gebaute Haus einen wettergeschützten und diebstahlsicheren Fahrradstellplatz vorhalten. Gleichzeitig wurde die Verpflichtung, Auto-Stellplätze zu bauen, gelockert. Hierüber können zukünftig die Kommunen befinden. Grüne Bürgermeister werden sie verbieten, schwarze werden sie vorschreiben. Willkommen im schwäbischen Flickenteppich! In den neu errichteten Wohnungen und Häusern werden künftig auch noch Flächen vorgeschrieben, die dem Abstellen von Rollatoren dienen. Schwäbische Zeitungen spotteten genüsslich über die neuen Studentenwohnheime im Tübingen und Heidelberg, die – vorausschauend – mit Rollator-Flächen ausgestattet werden.
Die Landesregierung wäre nicht grün, hätte sie in der neuen Verordnung nicht auch noch etwas für die Windkraft getan. Künftig soll es jedem Garteneigentümer erlaubt sein, in seinem Garten eine „Kleinwindkraftanlage“ zu errichten und zu betreiben. Die Anwälte für Nachbarschaftsrecht reiben sich schon jetzt genüsslich die Hände.
Die Kosten für das Bauen kennen seit Jahrzehnten nur eine Richtung: nach oben. Dieser Preistrend, der die normale Teuerung übersteigt, liegt zum einen an höheren Ansprüchen der Bauherren in Bezug auf Wohnqualität, Baumaterialien und ästhetischen Chic. Aber auch die Hersteller von Fertighäusern oder die Bauträger, die Häuser erstellen, drehen kräftig an der Preisschraube. Dabei nutzten sie den Wunsch vieler Menschen nach den „eigenen vier Wänden“ aus. Da die Subventionen der staatlichen Wohnungsbauförderung nicht immer sehr zielgenau sind, erzeugen sie bei den Bauträgern Mitnahmeeffekte, die sich ebenfalls als Preiserhöhungen auswirken Der Architekt und Autor Thomas Drexel hat gezeigt, dass es auch anders geht. In seinem Buch „Lowest Budget“ zeigt er an 24 Beispielen, wie mit vergleichsweise wenig Geld wohnliche, ästhetisch ansprechende Häuser errichtet werden könnten. Als preisliche Obergrenze für ein solches Eigenheim nennt er 125.000 €. Das Billig-Haus ist kein einfältiges phantasieloses Gebilde. Nein, Drexels Häuser sind originell, orientieren sich an überkommenen Baustilen vom klassischen Giebelhaus über das Bauhaus bis zu modernen Lofts und Ateliers. Es wäre an der Zeit, dass das Bundesbauministerium eine Förderung auflegt, um Häusern, die unter dem Kostenrahmen von 125.000 € bleiben, ein größeres Marktsegment zu sichern. Damit könnte man einen Teil des Kostenanstiegs beim Bauen dämpfen und das Bauen auch für Menschen mit mittlerem Einkommen erschwinglich machen.
Mich wundert immer wieder, warum man in der Wohnungsbaupolitik das wichtigste Gesetz der Markwirtschaft nicht anwendet: Konkurrenz! Von anderen Branchen kann man lernen, wie sie funktioniert. Warum überbieten sich die Autofirmen gegenseitig mit Sonderrabatten für Neuwagen? Weil sie ihre Überproduktion abbauen müssen. In Berlin konnte man kurz nach der Wende 1989/90 einen solchen „Mieter-Wohnungsmarkt“ erleben. Bevor der Run der „Kreativen Internationale“ auf Berlin einsetzte, gab es über 200.000 leer stehende Wohnungen. Die Vermieter senkten die Mieten, verzichteten auf Mietkautionen und zahlten den neuen Mietern sogar den Umzug. Paradiesische Zeiten für Mieter. Die Wohnungsbaupolitik müsste alles unternehmen, um solche Zeiten wieder aufleben zu lassen. Dann könnte sie auch auf rein kosmetische Maßnahmen wie die Mietpreisbremse verzichten.
Gegen Wohnungsnot und Mietsteigerungen hilft nur ein Mittel: ein Überangebot an freien Mietwohnungen. Deshalb gilt die Devise: bauen, bauen, bauen!
Lieber Herr Werner,
was den Markt und den Wettbewerb betrifft:
kann ich Sie nur wieder auf Sedlacek verweisen:
http://www.spiegel.de/wirtscha.....16975.html
Und einen Faktor erwähnen Sie hier überhaupt nicht:
Die gestiegene Immobilienrendite!!!
Während vor einigen Jahrzehnten Immobilien eine maximale Rendite p.a. von 2 % bis 3 % aufwiesen, liegen Sie in den erwähnten Ballungsräumen bei mindestens 5% .
Was das bedeutet, kann sich jeder, der die Zinseszinsrechnung beherrscht, ausrechnen.
Sorry aber diesen Satz muß ich doch hier noch loswerden:
So naiv wie Sie als Student die maoistischen Gedanken gepredigt haben, so naiv wollen Sie uns heute erzählen dass der Markt und der Wettbewerb alles regulieren.
Und dann schreien Sie nach der “ Wohnungsbaupolitik “
Sie als ehemaliger Westberliner müßten esw doch wissen,dass die “ Wohnungsbaupoltik “ in Westberlin via Subventionen die Kassen der Baubranche überschwemmt hat.
Lieber Herr Werner!
Bauen, bauen ist es nicht allein. Es wird falsch gebaut. M.E. haben wir ein krasses Überangebot an Luxuswohnungen, die selbst gut Verdienende nicht mehr abstottern können. Diese führen zu Käufern z.B. aus Golfstaaten, die diese Immobilien exakt zwei Monate im Jahr nutzen. Die unteren sind fast so teuer wie die oberen, und erstere sind oft lange auf dem Markt. Ein normal Verdienender will eine bezahlbare Wohnung oder ein Haus oder Hausteil. Um dieses zu sichern, sollte man ihm das Teil, wenn möglich, nackt anbieten, mit allen Anschlüssen, aber ohne fertige Küche und Bäder, so dass er selbst darüber bestimmt, was er damit dann macht. Solche Immos gibt es gelegentlich, aber es wird erschreckend wenig für den Innenausbau abgezogen, ähnlich wenig, wie im Hotel, wenn Sie das Abendessen nicht wollen. In diesem Kapitalismus gibt es alles nur noch pauschal und verteuert. Ich sehe ziemlich schwarz für die Mittelschicht. Ja, und für die Selbstbestimmung. Die vielen Regeln sind ätzend.
Andererseits könnte man getrost eine Wette abschließen auf eine platzende Immobilienblase. Die Käufer werden wegbrechen, a) weil zu teuer, b) weil keine Garantie, dass nicht in der Nachbarschaft ein Heim entsteht. Und c) irgendwann wird der Leitzins steigen, und das wird dann das Pünktchen auf dem i sein. Ich bin als Käufer schon zweimal aus Grund a weggebrochen (miserables Preis-Leistungsverhältnis) und zweimal aus Grund b und mache drei Kreuze, weil es genauso kam, wie ich mir vorstellte. Beide Male hatte ich geplant, die Immobilie zu vermieten, doch wenn die Miete nicht an den Kaufpreis angepasst werden kann, muss man die Hände davon lassen.
Die jetzige Konzeptlosigkeit, sowohl bei der Bauplanung als auch bei der Unfähigkeit, den Zustrom zu begrenzen ist schon lange ablesbar, zum Beispiel an gescheiterter Schulpolitik. Dieses Land ist nur auf dem Autosektor (und ein paar weiteren Ingenieurs-Leistungsbereichen) kreativ, und das war’s. Diese Kanzlerin erzeugt eine unheilvolle Mischung aus großem Kapitalismus und miserabler, oft linkslastiger Verwaltung. Mein Pessimismus kennt keine Grenzen. Das ganze Konstrukt wirkt fahrig oder inkompetent. Die große Stütze eines jeden Staats, die Mittelschicht, wird mit den Problemen, auch Sicherheitsproblemen, allein gelassen. Kürzlich kaufte ich ein in einem Markt neben einem Containerheim, den ich nie wieder besuchen werde, weil ich gesehen habe, wie eine kleine Gruppe, an dunklerer Tönung gut erkennbar, vor dem Heim anfing, sich gegenseitig erst mit Stühlen zu schlagen und dann mit einem Fahrrad. Die Stühle hat auf jeden Fall der Steuerzahler gezahlt, aber die Stühle sind weniger das Problem, sondern der Sichtplatz genau neben dem Markt. Polizei erschien nicht, diese Dinge scheinen Alltag zu sein.
Also Fazit: Bauen? Wer wird noch investieren bei dieser chaotischen Lage? Wo soll das Geld zum Bauen herkommen? Wie soll der Markt neben dem Heim überleben, wenn die Käufer woanders hingehen? Krasseste Konzeptlosigkeit und Überforderung, statt vorübergehend die Grenzen zu schließen und nachzudenken, was man will und dabei ganz klar zu sagen, ob man die Mittelschicht überhaupt noch will oder vorhat, sie auszubluten. Gestern unterhielt ich mich mit einem sehr fleißigen, brillant deutsch sprechenden Kosovaren, der seit ca. 15 Jahren hier lebt und arbeitet und dem es höllisch stinkt, dass die Mehrheit seiner Landsleute auf seine Kosten in den Sozialstaat einwandert. Und der war nicht rechts. Rechts sind nur ganz wenige. Mit dem Etikett des Migranten ist man allerdings unverdächtiger, wenn man diese gravierenden Missstände auf jedem Sektor anspricht.
Dieselben Missstände übrigens beim Autobahnbau. Es kann doch nicht angehen, dass alles auf einmal repariert wird und die Bürger stundenlang in Staus abhängen. Warum kein Reparaturplan über zehn bis zwanzig Jahre?
Alles völlig planlos und chaotisch. Ich mochte Bundeskanzler Schröder nicht besonders, aber das Gefühl, er würde die Gemengelage nicht überblicken, hatte ich nie. Und auch nie das Gefühl, er braute an einer Mischung aus Suprakapitalismus und Armut ohne Mitte. Und auch nicht den Eindruck, er würde Antisemitismus tolerieren. Oder sprachlos und unkommunikativ sein. Oder zu Sätzen Zuflucht nehem wie: „Das ist nicht hilfreich.“
Diese Lage kann nur die CDU/CSU korrigieren, indem sie einen neuen Vorstand wählt. Ansonsten reiten wird ins Desaster.
Die Grunderwerbsteuer haben Sie vergessen.
Bis August 2006 lag diese bundesweit bei 3,5 %.
Seither wird sie von den Ländern festgelegt. Außer Bayern und Sachsen haben alle Länder erhöht, Spitzenreiter sind Brandenburg, NRW, Saarland und Schleswig-Holstein mit jeweils 6,5 %.