Teil 2 (und Schluss)
- Irrtum: Migration schadet nicht den Herkunftsländern.
Ein Argument wird immer bemüht, wenn es darum geht, eine verstärkte Einwanderung zu rechtfertigen. Die Migranten seien in der Regel besonders motiviert, im Leben voranzukommen. Das sei für die Aufnahmeländer unter ökonomischen Gesichtspunkten ein Gewinn. Paul Collier hat in seinem schon erwähnten Buch „Exodus. Warum wir Einwanderung neu regeln müssen“ (2014) diesem Argument einen zweifelhaften moralischen Wert zugesprochen: „Ein Talenttransfer von armen in reiche Gesellschaften ist nicht unbedingt etwas, das weltweit gefeiert werden sollte.“ An konkreten Beispielen weist er nach, dass der Brain Drain der Durchsetzungsstarken und Risikofreudigen den Herkunftsländern einen schweren Entwicklungsschaden zufügt. In London gebe es mehr sudanesische Ärzte als im Sudan, in Paris mehr rumänische Ärzte als in Bukarest. Haiti erlitt, bedingt durch die räumliche Nähe zu den USA, einen extrem starken Aderlass, indem 85% der gebildeten Haitianer auswanderten. Dass mit dem verbleibenden Rest der Staat nicht zu modernisieren ist, liegt auf der Hand.
Collier plädiert – solche Beispiele vor Augen – dafür, eine Höchstzahl für die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa einzuführen und sie auch glaubhaft einzuhalten. Alle jungen Menschen, die aus unterentwickelten Ländern zu uns kommen, um hier zu studieren, sollten verpflichtet werden, anschließend in ihre Heimatländer zurückzukehren, um an deren Entwicklung mitzuwirken. Deutschland verlangt keine Studiengebühren und lockt deshalb viele Studenten aus Ländern an, die nicht zu den hochentwickelten, reichen Staaten zählen. Wenn diese Studenten nach dem Studium in Deutschland bleiben, müssten ihre Heimatländer auf den Entwicklungsbeitrag dieser gut ausgebildeten Elite verzichten. Im Grunde könnte man sagen, dass das reiche Deutschland seine akademische Elite auf Kosten armer Länder verstärkt. Der Ökonom Jagdish Bhagwati von der Columbia-Universität fordert deshalb eine Sondersteuer für Migranten, die an die Herkunftsländer überwiesen werden solle. Damit könnte ein Teil des Schadens, der durch die Auswanderung gut ausgebildeter junger Menschen entstanden ist, ausgeglichen werden. Collier hält für überlegenswert, 10% der Steuern, die Migranten in den Aufnahmeländern an den Staat entrichten, als monetäre Wiedergutmachung für den Brain Drain an die Herkunftsländer zu überweisen.
Wir Deutschen haben nach dem Zweiten Weltkrieg erfahren können, wie sich ein solcher Braindrain ökonomisch und politisch auf ein Land auswirkt. Die DDR litt von ihrer Staatsgründung 1949 an unter der Flucht gut ausgebildeter Fachkräfte und Akademiker. Dieser Abfluss von Humankapital verursachte in der DDR einen großen volkswirtschaftlichen Schaden. In manchen Krankenhäusern war nur noch ein Notdienst aufrechtzuerhalten, wenn wieder einmal Ärzte gen Westen geflohen waren. Der Mauerbau 1961 hatte in diesem Talentverlust sicher ihre wichtigste Begründung. Wenn nur ein Teil dieser schwerwiegenden Folgen in den armen Ländern eintritt, wenn sie die massive Auswanderung ihrer jungen Elite zu verkraften haben, müsste eine verantwortungsvolle Flüchtlingspolitik alles tun, um den unkontrollierten Brain Drain der Talente zu regulieren.
Wenig untersucht ist bislang, ob die Auswanderung der relativ gut Ausgebildeten und der Durchsetzungsstarken die politische Entwicklung der Heimatländer bremst. Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass mit diesen Migranten auch das potentielle Protestpotential auswandert, das am ehesten in der Lage wäre, die herrschenden Eliten in Richtung besserer Regierungsführung zu drängen. Insofern ist die Auswanderung nicht nur ein ökonomisch schädlicher Aderlass, sondern auch ein Hemmnis bei der politischen Entwicklung armer Ländern in Richtung Demokratie und Rechtsstaat.
Zur Migrationsbilanz gehört folgende Erkenntnis: Wenn eine tolerante Flüchtlingspolitik sich für die Migranten segensreich auswirkt, verschlechtert sie gleichzeitig die sozialen und politischen Bedingungen für die Zurückgebliebenen.
- Irrtum: Alle sind bei uns willkommen.
Amerikanische Psychologen und Soziologen lieben das Experiment. Theorien sollen dadurch „geerdet“ werden, dass sie sich im Praxistest experimentell bewähren. US-Forscher haben eine Vielzahl experimenteller Rollenspiele entwickelt, mit deren Hilfe man bei den „Spielern“ spezielle Einstellungen und Verhaltensweisen erkunden kann. Im Rahmen der Migrationsforschung haben die Forscher eine Eigenschaft besonders untersucht, die sie bei der Integration von Fremden in die einheimische Kultur für die wichtigste halten: die Kooperationsbereitschaft zur Beförderung des Allgemeinwohls. Die Resultate dieser Experimente sind ernüchternd. Je weiter die Kultur der Einwanderer-Gesellschaft von der einheimischen Kultur entfernt ist, desto geringer fällt die Kooperationsbereitschaft der Zugewanderten aus. In der Sprache der Soziologie heißt das, dass die „Einwanderung das Sozialkapital der einheimischen Bevölkerung verringert“ (zit. nach Collier). Afrika-Experten können dieses Ergebnis anhand eigener Erfahrungen mit afrikanischen Ländern bestätigen. Gesellschaften, in denen feste Familienbande und rigide Clanstrukturen die Leerstelle „guter“ gesamtstaatlicher Institutionen ersetzen, gelten die Ehrvorstellungen des Clans immer mehr als die Gemeinwohlbestrebungen der Gesellschaft. Soziologen halten deshalb die Überwindung des Ehrenkodex´ partikularer gesellschaftlicher Gruppen in Westeuropa für eine der größten Errungenschaften der Zivilgesellschaft (z.B. das Verbot des Duells im 19. Jh.). Dieser kulturelle Wandel habe dem Gemeinwohlgedanken in den westlichen Demokratien erst den Weg geebnet.
Wenn man dieses Ergebnis ins Auge fasst, muss man das zentrale Axiom der Verfechter der multikulturellen Gesellschaft mit einem dicken Fragezeichen versehen. Die Vorstellung, dass Einwanderung per se die Kreativität der einheimischen Kultur und Ökonomie erhöht, erweist sich so lange als Fiktion, als die Segregation der in ihren familiären Banden verhafteten Zuwanderer ihre Kooperationsbereitschaft – notwendige Bedingung kreativen Zusammenwirkens – lähmt.
Neben der Kooperationsbereitschaft spielt auch die Größe der Diasporagemeinde eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob Zuwanderung das Kreativitätspotential einer Gesellschaft erhöht. Migrationsforscher haben herausgefunden, dass der Wohlstand eines reichen Landes am Anfang der Migration durch die zunehmende Diversifikation der Gesellschaft zunimmt, weil die Kreativität der neuen Bürger die Wirtschaft belebt. Ab einem Kulminationspunkt – dem Sättigungsgrad der Einwanderung – nimmt er hingegen wieder ab, weil die soziale und die mentale Tragfähigkeit der Vermischung erreicht ist. Die Diasporagemeinde der Eingewanderten ist dann so groß geworden, dass eine Verschmelzung mit der Mehrheitsgesellschaft nicht mehr nötig ist. Alle lebenswichtigen Funktionen können dann in der Einwanderer-Gemeinde verrichtet werden. Ähnliche Erfahrungen haben deutsche Großstädte mit den Quartieren gemacht, in denen sich Ghettos bestimmter Einwanderergruppen gebildet haben (Berlin-Neukölln, Duisburg-Marxloh, Bremen-Nord, Dortmund-Nordstadt). Collier beschreibt ähnliche Situationen in seinem Heimatland Großbritannien. Nach dem letzten Zensus bilden die einheimischen Briten in ihrer Hauptstadt nur noch eine Minderheit. In Bradford und im Londoner Stadtteil Tower Hamlet haben muslimisch-asiatische Parteien bei Lokalwahlen 2/3-Mehrheiten erzielt. Die neu gebildeten Stadtverwaltungen begannen, die bestehenden Institutionen, vor allem die Schulen und Kindergärten, konsequent in ihrem Sinne umzugestalten. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass ausgerechnet der Erzbischof von Canterbury vorgeschlagen hat, in solchen Gemeinden ein paralleles Rechtssystem, die Scharia, zuzulassen.
Die Erkenntnis, dass ab einer bestimmten Größe der Diasporagemeinde keine Vermischung mit der Mehrheitsgesellschaft mehr stattfindet, hat noch eine weitere unangenehme Nebenwirkung. Die Jungendlichen der zweiten und dritten Generation verlieren ihren Ehrgeiz und geben sich mit Jobs innerhalb der Community zufrieden (Berufsziel: Verkäufer im Gemüseladen des Onkels). Gleichzeitig findet in muslimischen Gemeinden eine Re-Islamisierung statt, die der Identitätsvergewisserung dient. In Berlin kann man beobachten, dass muslimische Mädchen gegen den Willen ihrer weniger religiösen Eltern ein Kopftuch tragen. In London tragen Frauen aus Bangladesch einen Schleier, obwohl dies im Heimatland nicht üblich ist. In Frankreich ist die zweite und dritte Einwanderer-Generation weniger bereit, ihre Kinder in Schulkantinen essen zu lassen als die erste. Während in Frankreich in der Nachkriegszeit Juden und Muslime friedlich zusammenlebten, kommt es bei der dritten muslimischen Einwanderer-Generation häufig zu antisemitischen Attacken bis hin zu tödlichen Anschlägen. Die hier geschilderten Tendenzen werfen die grundsätzliche Frage auf, wie viel kulturellen Separatismus ist die Mehrheitsgesellschaft zu ertragen bereit ist. Bei der Bestimmung einer verantwortungsvollen Flüchtlingspolitik sollte dieser Aspekt nicht außer Acht gelassen werden.
Mögliche Lösungsansätze
Wie immer man die Flüchtlingsfrage regelt: Das Asylrecht muss unangetastet bleiben. Es ist ein Grund- und Menschenrecht, das aus leidvoller deutscher Erfahrung den Weg in unsere Verfassung gefunden hat. Das Asylrecht bedingt notwendigerweise die Einzelfallprüfung, die selbst dann noch nötig ist, wenn die Asylbewerber aus „sicheren Heimatländern“ stammen. Der „kurze Prozess“ , den die aufgeregte öffentliche Meinung oft fordert, verbietet sich geradezu. Auf der anderen Seite lässt sich die moralische Kraft, die unserem Asylrecht innewohnt, nur glaubwürdig verteidigen, wenn seine missbräuchliche Inanspruchnahme ausgeschlossen wird. Allen Versuchen, das Asylverfahren als Einfallstor für Arbeitsmigranten zu nutzen, sollte deshalb entgegen getreten werden.
Unabhängig vom Asylverfahren sollte für Menschen, die aus Kriegsgebieten fliehen mussten, ein Einwanderungskorridor offen gehalten werden. Diesen Menschen, die in der Regel gar nicht dauerhaft auswandern wollten, sollte ein Bleiberecht gewährt werden, das dann endet, wenn in ihrem Heimatland wieder Frieden herrscht und ein normales Leben möglich geworden ist.
Der Zuzug von Arbeitsmigranten sollte gesteuert werden. Vor allem muss die unkontrollierte und oft lebensgefährliche Flucht über die „grüne Grenze“ oder über das Mittelmeer unterbunden werden. Das könnte so geschehen, dass eine Einsatzgruppe der EU im Rahmen von Frontex, ausgestattet mit einem Mandat der Vereinten Nationen, die Infrastruktur der Schleuserbanden, vor allem ihre Schiffe, schon in den Transitländern zerstört. Dazu müssten vor allem die beiden wichtigsten Transitländer Türkei und Libyen kooperieren. In Libyen sollte die Zentralregierung unterstützt werden, die vor der „Morgendämmerung“-Miliz in den Osten des Landes geflohen ist. Die italienische Küstenwache hat Beweise, dass sich diese Miliz am Menschenschmuggel beteiligt, um ihre Bewaffnung zu finanzieren. Flüchtlinge, die es trotz verstärkten Schutzes der Außengrenzen nach Italien, Spanien oder Griechenland schaffen, sollten nach einer Erstversorgung in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.
Die robuste Verhinderung der illegalen Einwanderung ist nur dann glaubwürdig und moralisch vertretbar, wenn durch ein Einwanderungsgesetz gewährleistet wird, dass ein jährliches Kontingent an Flüchtlingen legal einreisen und dauerhaft bei uns leben darf. Vorbild für das Gesetz könnten die Regelungen sein, die in den USA, in Kanada und Australien gelten. Diese Länder legen jährlich fest, welche Berufsgruppen legal einreisen dürfen. Ein Teil des Kontingents kann auch durch Los vergeben werden. Das Signal ist eindeutig: Nicht die Migranten suchen sich ihr Land aus, sondern umgekehrt. Wenn es eine legale Einwanderung gibt, hat der Staat auch das moralische Recht, illegale Einwanderung zu unterbinden.
Einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung der Fluchtursachen könnte eine vernünftige Entwicklungshilfe leisten. Gegenwärtig leistet Deutschland in 129 Ländern Entwicklungshilfe – oft mit zweifelhaftem Erfolg. Das „Center of Global Development“ (USA) führt Deutschland in der Liste, die die Maximierung der Effizienz misst, erst auf Rang 31 der Geberländer – also ganz hinten. Vor allem missachtet die deutsche Hilfe einen Grundsatz, der inzwischen in der Entwicklungszusammenarbeit unumstritten ist: Ein Land wird sich nur dann positiv entwickeln, wenn es gut regiert wird. Die Hilfe für ein armes Land sollte also von einer guten Regierungsführung abhängig gemacht werden. Neben den üblichen (publikumswirksamen) Projekten im Bildungs- und Medizinbereich sollte deshalb auch Hilfe beim Aufbau einer effektiven Verwaltung (Statistik- und Steuerbehörden, Katasterämter, Justizwesen, Anti-Korruptionsbehörden) geleistet werden.
Paul Collier repräsentiert nicht mehr den Stand der Forschung und hat eine eher merkwürdige Perspektive auf Migration. Wir haben sehr viele Einzelergebnisse über ökonomische und politische Auswirkungen der Migration auf Ein- und Auswanderungsländer. Bei der Migration gibt es je nach Entwicklungsstand der Ein- und Auswanderungsländer und der supranationalen Soft-Law Institutionen Gewinner und Verlierer.
Um mit dem Debunking der Mythen aufzuräumen:
1. Bei der Migration gehen vor allem die talentierten Mittelschichten weg, weil sie das Kapital für Menschenschlepper aufbringen können.
Die These ist falsch. Die Kapitalkosten für die Migration hängen vor allem vom institutionellen Ensemble ab an Landpreisen, Finanzinstitutionen, Arbeitsmarktinstitutionen und Familie.
Z.B. haben die USA und globale NGO’s aus dem Norden in Guatemala eine Mikrokreditindustrie hochgezogen und damit den lokalen Bauern einen Kapitalzugang für das Migrationsprojekt in den Norden verschafft. Zusammen mit Privatkrediten aus der Institution Familie können die Summen zusammengebracht werden für das Migrationsprojekt, obwohl es sich um semi-alphabetisierte Bauern handelt. Auf Häuser und Land werden Hypotheken aufgenommen und die jungen Männer gehen in die USA, weil es dort einen Arbeitsmarkt gibt für diese Leute, um die Hypotheken abzuzahlen. Es kommt nicht auf das Humankapital allein an, sondern auf das Geflecht der Institutionen. Das vor allem die Bildungselite abwandert ist eine Fantasie, weil die amtliche Statistik so schlecht ist, überlebt diese Fantasie.
2. Entwicklungshilfe als Migrationsbremse
Bei der Entwicklungshilfe muss man sehr vorsichtig sein, weil es aus der Sicht der westlichen Geber vor allem mehreren Zwecken dient 1) Aussenhandelsförderung 2) Scheckbuch-Politik 3) Geopolitik und in der Vergangenheit war es auch ein Instrument für die anti-kommunistische Einhegung.
Die Gesamtsumme der Entwicklungshilfe ist eher klein und private Institutionen – z.B. die intrafamiliären Rücküberweisungen übersteigen die institutionelle Entwicklungshilfe bei weitem. Es gibt einen sehr einfachen Grund, warum Kapital nicht einfach aus den kapitalreichen Ländern in die arbeitsreichen Länder mit grosser Bevölkerung fließt. Das liegt zum einen an der Qualität der Institutionen und am Risikoprofil der Infrastrukturinvestitionen. Investitionen sind immer risikobehaftet und Kapitalverlust ist ein ernsthaftes Investitionshemmnis. Das Problem kann man im Prinzip lösen mit einem System internationaler Steuern, die die Aufwendungen für die Entwicklungsarbeit gerecht auf die UNO Staaten verteilt und für die Auslandsdirektinvestitionen Kreditbürgschaften und Kreditgarantien bereitstellt. Die westlichen Staaten haben das immer torpediert. Auch die ordentliche Kapitalaufstockung der UNDP ist immer verhindert worden, damit sie denn westlich dominierten supranationalen Institutionen Weltbank und IMF nicht gefährlich werden kann. In Asien sollte die UNDP der amerikanisch und japanisch dominierten ADP nicht gefährlich werden. Die Tobin Steuer war eher ein harmloser Versuch eine internationale Steuer einzuführen. Wir haben wesentlich besser konstruierte internationale Steuersysteme, die die suprime Krise verhindert hätten. Die Entwicklungsökonomen weigern sich einfach diese Literatur zu lesen, und betreiben ihr Unwesen einfach so weiter. Theorie Versagen in der Praxis hilft nichts gegen ein einmal installiertes wissenschaftliches Milieu mit Infrastruktur an Zeitschriften, Lehrstühlen, NGOs.
Anders formuliert Entwicklungshilfe ist das Zuckerbrot in der ansonsten Zuckerbrot und Peitsche Politik des Westens. Meistens übernehmen die Anglo Five die Peitsche und die kontinentaleuropäischen Verbündeten geben das Zuckerbrot.
3. Brain Drain Debatte
Die Brain Drain Debatte ist eine einseitige Sichtweise aus Indien ( und anderen Auswanderungsstaaten ). Bhagwati ist der Auffassung, dass die Auswanderungsländer ein Besteuerungsrecht auf Auswanderer haben, selbst wenn sie im Ausland leben, weil sie in deren Ausbildung investiert haben. Dabei unterschlägt er die ökonomischen Auswirkungen der Migration auf die Auswanderungsländer.
Erstens, die Auswanderer verändern das Lohngefüge im Ein- und Auswanderungsland, so dass sich die Einkommenssteuerbelastung im Verhältnis zu den Unternehmenssteuern und Grundsteuern verändern. Weniger Arbeitskräfte im Auswanderungsland bedeutet eine andere Verhandlungsmacht der Gewerkschaften in den Auswanderungsstaaten. D.h. die Lohnsumme in den Auswanderungsstaaten ändert sich im Verhältnis zu den Profiten. Gleichzeitig verändert sich die Lohnsumme auf den ethnisch seggregierten Arbeitsmärkten in den Einwanderungsländern im Verhältnis zu den Profiten. Das Problem mit den Nationalökonomen ist, dass sie dabei immer außer Acht lassen, dass Ein- und Auswanderungsländer Güter austauschen mit Hilfe der durch Ein- und Auswanderung veränderten Lohnsummen und Profiten. Selbstverständlich muss man den Handel mit einberechnen, um Gewinner und Verlierer der Einwanderung zu bestimmen. In der Handelspolitik wird das gemacht – bei der Einwanderungspolitik wird dann immer so getan, als ob es keine Handelstheorie gibt.
Hinzu kommt das Phänomen der Rücküberweisung von einem USD/Euro Raum in schwächere Währungsräume. Neben Exporten kann man auch USD/EURO durch Rücküberweisungen einnehmen und so Importe und Schulden begleichen. Die erweiterten Importmöglichkeiten verändern natürlich die Lohnsumme der Exportindustrie in den Einwanderungsländern. Ebenso ändert sich die Steuerbasis in den Einwanderunsländern, weil gewisse Steuerarten von mehr Steuerzahlern getragen werden. Ebenso ändert sich die Steuerbasis in den Auswanderungländern, weil die rücküberweisungsempfangenden Familien Verbrauchssteuern abführen. Der Grundsteuer Ertrag der Ein- und Auswanderungsländer ändert sich durch Haus- und Landkäufe. Ebenso berücksichtigen Moodys und Standard & Poor Rücküberweisungen und Exporte der Arbeitsdiasporas und Handelsdiasporas bei den Ratingnoten und senken damit die Schuldenlast.
Qualifizierter indischer Auswanderer =/= qualifizierter Inder – diese Wahrheit versteht Bhagwati nicht. Es kommt darauf an, wo die indischen Auswanderer arbeiten und wo sie ihre Reproduktionsarbeit in welcher Währung abwickeln. Der Return On Investment durch Auswanderung findet durch den internnationalen Handel, Deviseneinnahmen und effizientere Arbeitsteilung sehr viel rascher statt, als wenn der qualifizierte Inder in Indien geblieben wäre. Es wäre ungerecht, wenn der indische Auswanderungsstaat dieselbe Lebenssteuer auf qualifizierte Auswanderer fordert wie für qualifizierte Inder.
Der Großteil der globalen Umverteilung von Einkommen wird von intrafamiliären Rücküberweisungen und davon abgeleiteten Verbrauchssteuern und Grundsteuern geleistet.
Die Größe der fiskalischen, Lohn- und Profit + güterwirtschaftlichen Veränderungen hängt sehr stark von der urbanen Verteilung auf die Hafenstädte, Fertigungsstädte, Finanz Hubs und Technologie Hubs ab. Die Siedlungsmuster der Diasporas bevorzugen Großstädte, wo ganz andere Konsummuster und Arbeitsmarktregimes herrschen als in Provinzstädten. Diese geographische Verteilung hat einen gewaltigen Effekt auf die Produktion und Reproduktion der ökonomischen Flüsse in der Weltwirtschaft, weil die Konjunkturzyklen das Auftragsvolumen und die Arbeitsmärkte völlig unterschiedlich treffen. Einwanderer haben völlig verschiedene Übergangswahrscheinlichkeiten von Arbeit und Arbeitslosigkeit in den Fertigungsstädten, Finanz Hubs, Technologie Hubs,…Die Übergangswahrscheinlichkeiten von Branche zu Branche sind völlig unterschiedlich. Die Fokussierung auf Ethnizität ist eher ein Kritikpunkt an den Medien und der Politik. Realität ist etwas anderes.
4. These Migration schadet nicht den Herkunftsländern
Es gibt einen Fall, wo die Migration den Herkunftsländern schadet. Falls das Auswanderungsland ein sehr kleines BNP hat, seine Devisen mit Rohstoff-Export verdient oder eine sehr kleine Inselökonomie ist. In diesem Fall können Fachkräfte-Auswanderung zusammen mit dem Blasen von Rücküberweisungen einen so großen Dollar-Strom erzeugen, dass die Währung des Auswanderungslandes stark aufwertet und die Exportindustrie gegenüber der Exportindustrie der Einwanderungsländer nicht mehr konkurrenzfähig ist. Die Kettenmigration verschlechtert die Wechselkurse immer weiter und zerstört die Exportindustrie der Auswanderungsländer, während die Exportindustrie der hochindustrialisierten Einwanderungsländer immer stärker wird.
Rohstoff-Exportländer haben sehr oft oligarchische Strukturen und können es sich leisten, die Qualifikationen der einheimischen Arbeitskräfte nicht zu entwicklen, weil die Devisen von einer Rohstoffindustrie mit geringen Arbeitskräftebedarf erwirtschaftet werden. Rücküberweisungen sind dann eine willkommende Steuerquelle, um die Sozialleistungen mit zu finanzieren im Auswanderungsland. Eliten behalten dann einen größeren Anteil an den Rohstofferträgen. Der Effekt ist gut erforscht, aber die Einwanderungsländer wollen diesen für sich nützlichen Effekt nicht verändern.
5. These Die Diaspora Größe ist das Problem
Auch diese Idee muss man zurückweisen. Es kommt nicht auf die Größe der Diaspora an, sondern auf ihre Zusammensetzung und das institutionelle Geflecht aus supranationalen Institutionen, transnationalen NGO’s und nationalen urbanen Systemen – und nicht zu vergessen auf den größeren Rassismus gegenüber bevölkerungsstärkeren sichtbaren Diasporas.
Diasporas bestehen aus Arbeitsdiasporas, Handelsdiasporas, wissenschaftlichen Diasporas, Flüchtlingsdiasporas und Exil-Diasporas mit religiösen Institutionen, Finanzinstituionen, Kulturvereinen, Schulen, Zeitungen und Ethnofood Nischen. Bei den Arbeitsdiasporas kommt es darauf an von welchen Bildungs- und Arbeitsmarktinstitutionen sie einwandern. So unterscheiden sich z.B. auch heute noch die vietnamesischen Boatpeople (Süd-Vietnam) sehr stark von den vietnamesischen Vertragsarbeitern (rotes Vietnam) der DDR. Im Übrigen existiert eine politische Zusammenarbeit nicht per se wegen der geteilten Ethnizität, wie man es an diesen im Dauer Clinch liegenden zwei Migrantengruppen sieht. Gleiches läßt sich über die verschiedenen kubanischen Einwandergruppen sagen, die sich politisch darin unterscheiden, ob sie Verlierer oder Gewinner der kubanischen Revolution sind.
Handelsdiasporas können handelspolitisch und für die Rating-Einstufung sehr wesentlich werden, wenn die Mitglieder geographisch die richtigen Produktionsländer mit den wichtigsten Absatzmärkten verbinden. Der internationale Handel ist immer noch von unvollständiger Information geplagt und so wird es immer wieder Akteure geben, die Arbitragegewinne machen können. Die jüdische Diaspora war bekannt für ihre Handelsdiaspora und ihrer Fähigkeit über religiöse Institutionen eine kaufmännische Diaspora zusammen zubringen, die die Informationsasymmetrien im Weltmarkt ausnutzen konnte. Im arabischen Raum ist es die libanesische Diaspora, in Ostafrika die indische Handelsdiaspora. Handelsdiasporas und Arbeitsdiasporas sind als Devisenquellen nicht zu unterschätzen, weil sie es ermöglichen dass lokale Finanzinstitutionen Kreditverbriefungen mit höheren Ratings auf dem Markt werfen können, als es für die Staatspapiere des Auswanderungslandes üblich ist.
Die wissenschaftliche Diaspora entfaltet einen Wissenstransfer über ihre Netzwerke und Patentanmeldungen. Im Vergleich mit dem Wissenstransfer der transnationalen Konzerne und ihrem Outsourcing und Offshoring ist das nicht mehr vernachlässigbar, sobald sich die technisch-wissenschaftliche Diaspora as Subunternehmer für die US Globalisierung anbietet. Genau das geschieht im Falle der chinesischen und indischen Einwanderung in den USA, weil dort Rückkehrer anfangen Fertigungs- und Softwareindustrien aufzubauen, die sich in die Produktions- und Lieferketten von Apple etc. einordnen. Auchh bei diesem Phänomen muss man auf das Geflecht der Institutionen schauen. Diaspora Entrepreneurs brauchen steuerliche Anreize in den Outsourcing Staaten und einen Abnehmermarkt in den transnationalen Konzernen. Die Bildungsinstitutionen müssen das technische- und betriebswirtschaftliche Know-How vermitteln. Typischerweise sind das auch nicht alteingesessene Einwanderer, sondern die 1.5 Generation mit einer Primär-Sozialisation im Auswanderungsland.
Der einseitige Blick auf die Kultur und den Phänotyp ist ein Ergebnis des rassifizierenden Kulturerbes Europas und der USA und hat nichts mit den Realitäten zu tun. Der Kulturalisierungsdiskurs verhindert sogar die Freilegung des Blickes auf die tatsächlichen Ursachen von Armut, Reichtum und Rassismus in den Einwanderungsländern und Auswanderungsländer.
Multikulturalismus ist aber im Prinzip auch keine Ideologie der Diasporas, sondern der Liberalen. Die Diaspora-Generationen 1.5, 2te Generation … lehnen sich typischerweise gegen die familiären Traditionen auf, weil sie ihren Sinn verloren haben. Liberale Multikulturalisten nutzen den Multikulturalismus als Legitimationsstrategie für die Ausgrenzung. Gleichzeitig grenzen sie riesige Arbeitnehmer Gruppen in den Auswanderungsländern aus mit ihrer Freihandelspolitik und verlagern die soziale Kosten auf die intrafamiliären Rücküberweisungen, die das Gros der transnationalen Umverteilung stemmen.
Fazit:
In der Migrationspolitik gibt es tatsächlich viel zu tun, aber da der Rahmen fehlt: Migrationspolitik in Zusammenhang mit Fiskalpolitik, Handelspolitik, Wissenschaftspolitik und Wohungspolitik, Bildungspolitik, Urheberrecht, Patentrecht und Währungspolitik zu sehen, wird sich nicht viel ändern.
Wer hätte das gedacht? Überraschung: Die Bourbonen schützen sich in Elmau, die Bevölkerung soll „Kuchen“ essen:
http://www.faz.net/aktuell/pol.....48264.html
Durchaus passend zu ESM, „WO ein Wille ist, ist auch ein Weg“ und natürlich zu „Gehen Sie da nicht mit“.
Übrigens meinte Marie Antoinette, die das vielleicht gesagt hat (nicht gesichert), dass sie Scheiße fressen sollten. Nur redete man so nicht in höheren Kreisen.
Wenn wir Scheiße fressen sollen, redet man nicht von Kuchen, sondern von „Reisefreiheit“. Bla. Oder von Steuererleichterungen für bessere Türsicherungen und Alarmanlagen. Bla.
Sorry, aber wenn Menschen der sichere Hungertod droht, weil die EU ihre Grenzen gegenüber „illegalen“ Einwander*innen dicht hält und dann hinsichtlich des „Flüchtlingsproblems“ von „Kreativitätspotentialen“ geredet wird, dann findet der „Braindrain“ nach meiner Wahrnehmung an anderer Stelle statt.
Egal, ich lasse mich vor dem Hintergrund humanitärer Katastrophen zwar ungern auf solche ökonomischen Nützlichkeitsdebatten ein, aber um dem oben zitierten Ökonomen auch inhaltlich zu widersprechen, möchte ich mal folgendes Zitat des Ökonomen Bryan Caplan anführen (in Kauf nehmend, dass selbiger aus einer Richtung kommt, die mir mindestens genauso unsympathisch ist):
„Machen Sie sich nun einmal Folgendes klar: Volkswirte wissen bereits, wie man aus der Weltwirtschaft viele Billionen Dollar mehr herausholen könnte. Wie? Mit offenen Grenzen. Gegenwärtig sitzen die meisten Arbeitskräfte in unproduktiven Gefilden fest. Herrschte Freizügigkeit, so könnten diese sich in produktiveren Regionen ansiedeln und damit die Gesamtproduktivität massiv erhöhen. Die übliche Kosten-Nutzen-Betrachtung sagt grob eine Verdoppelung des Weltbruttosozialprodukts vorher. Wir sitzen gewissermaßen auf einem Talentberg, der tragischerweise Jahr für Jahr ungenutzt verkümmert“ (http://www.offene-grenzen.net/.....alentberg/).
Hat es etwa diesen Grund, dass Tsipras aufmuckt? Auch Griechenland wäre natürlich recht glücklich über diese 360 Mio, und wir hätten weniger Probleme damit, wenn wir sehen würden, dass sie bei dem Pomp oben abgeschnitten werden.
Ludwig I dagegen von Bayern, legte sich als Pomp eine Tänzerin zu. Als sein Volk dagegen aufbegehrte, trat er zurück. Mit Ludwig I kann man leben. Baute München und Bayern auf und trat zurück, als es genug war.
Was diese Veranstaltung betrifft: Es fehlt ihr der natürliche Adel. Um zu wissen, was der ist, muss man Bilder von Queen Elizabeth II oder der ehemaligen Queen Consort Sophia von Spanien betrachten. Queen Elizabeth II weiß genau,was sie tut und was man nicht macht.
Diese aber wissen nicht mehr was sie tun. Sie beindrucken niemanden, allenfalls Oma und Opa über achtzig, soll heißen die alte Katze auf dem Ofen aus den Bremer Stadtmusikanten. Und ständig suchen sie neue Goldesel. Das ist aber die Geschichte vom Knüppel aus dem Sack, mit dem sie die Polizei ausstatten.
Das Volk aber verehrt Helmut Schmidt, den alten Kapitän. Ist das ein Wunder?
Vor einigen Jahren wären solche Demonstranten, wie wir sie beim Gipfel sehen, noch anstößiger gewesen. Ich bin der Ansicht, dass sie heute mehr Sympathien genießen. Geschähe ihnen etwas, hätten sie die Sympathie aller.
Ich glaube, es ist uns allen klar geworden, dass wir nicht mehr von Kapitänen regiert werden, die zuletzt vom Schiff gehen würden, sondern von Individuen, die sich etwa so inszenieren wie einstmals die Bourbonen.
Für Kapitäne hatte man Respekt. Hier wäre vor allem Helmut Schmidt zu nennen, der sich in der Zeit des Terrorismus der Rote-Armee-Fraktion eindeutig diesbezüglich äußerte. Nennen wir ihn einfach eine Ausnahmeerscheinung. Die Monarchen auf dem Schloss sind besser von Roland Emmerich dargestellt, in dessen Weltuntergangsfilm sie Schiffe für sich gebaut hatten und nur für sich und das anhängige Kapital, das für eine Passage zum Kap zahlen konnte. So gesehen hat die ganze Veranstaltung etwas Undemokratisches. Einfache Menschen aus dem Volk schwingen sich auf, zu Königen zu werden. Die Demokratie hat sich daher weitgehend abgeschafft.
Wir anderen sind renitente Kritiker oder Sklaven.
Unter der Oberfläche gärt der Überdruss. Was sie da für 360 Mio Steuergeld bereden, könnten sie ebenso gut in einer online-Konferenz abhaken. Vor dem Überdruss haben sie Schiss, deswegen das riesige Polizeiaufgebot, das dann gleich weiter zieht nach Telfs. Die Polizei kann nichts dazu. Sie werden auch unterbezahlt.
Wann endlich geben unsere Politiker diese schamlose Selbstinszenierung wieder auf? Wird ihnen nie klar, dass sie an Ludwig II von Bayern erinnern, einen psychiatrischen Fall?
Apropos: Wenn sie diese 360 Mio, die das angeblich kostet, in Haiti investiert hätten, wäre Haiti vermutlich ein wenig geholfen.
Diese Veranstaltung ist dégoutant. Sarkozy würde sie genießen. Aber ich glaube immer, dass der sich eines Tages die leere Ecke im Invalidendom reserviert. Und Frau Merkel ist Napoleona ohne Armee.
Und noch was, Frau Merkel: Noch gehören die Brezn und das Weißbier uns, dem Volk. Wir können die auch backen. Davon können Sie nur träumen. Sie können nur die Reste unserer Zünfte schlecht verwalten. Schaffen Sie Ihre Luxustreffen ab!
Lieber Herr Werner,
lesen Sie z.B. das:
http://www.theguardian.com/wor.....ping-haiti
Die Leute, die das verhindern könnten, sitzen in einem von einem Philosophen erbauten und von seinem offspring restaurierten Luxustempel und reden über die Verschiebung von Geldern, nicht über das Wohl von Menschen.
Lieber Herr Werner!
Haiti ist ein schlechtes Beispiel:
http://en.wikipedia.org/wiki/Slavery_in_Haiti
In Haiti kann man nicht leben. Nie nach Columbus und bis heute. Die Geister der vollständig getöteten Ureinwhner (Holocaust) scheinen es verdammt zu haben.