Irgendwie werden wir den Reichsparteitag nicht los. Schießt Klose ein Tor, faselt eine Fernsehmoderatorin von einem „inneren Reichsparteitag“ des Stürmers. (O Gott: Stürmer. Aber lassen wir das.) Und nun möchte Nürnberg – Stadt der sozusagen äußeren Reichsparteitage – Welkulturerbe werden. Mitsamt Reichsparteitagsgelände, versteht sich.
„Wir sind der Ort der Täter“, erklärt Oberbürgermeister Ulrich Maly stolz im „Zeit“-Interview, „von den sogenannten Rassegesetzen über die Masseninszenierung der Reichsparteitage bis zur Verurteilung der Hauptkriegsverbrecher.“ Na, wenn das kein Grund ist, Weltkulturerbe zu sein, was dann? Und wenn es mit dem Welkulturerbe nicht klappt, könnte die Reichskulturkammer, ähm, der Bundeskulturminister deutschlandweit einen Wettbewerb ausschreiben: „Ort der Täter“. Nach dem Motto „Unser Dorf soll brauner werden“ könnte man sich um die entsprechende Auszeichnung bewerben. „Besuchen Sie Kleinkleckersdorf: Ort der Täter 2011. Hier die Kneipe, in der wir Hitler anno 29 zujubelten. Hier das Arbeitslager für russische Kriegsgefangene. Hier der jüdische Friedhof, den wir wiederholt, auch nach 45, geschändet haben. dort das abgebvrannte Asylbewerberheim.“
Es ist schon komisch: Während Berlin den Palast der Republik als Dokument der Diktatur abgerissen hat, eine Kulturtat, die allenfalls zu übertreffen wäre durch den Abriss des Berliner Doms, jener „Pickelhaube“ (Matthias Heine), in der Hofprediger Stöcker den christlichen Antisemitismus predigte, will Nürnberg das Reichsparteitagsgelände zum Weltkulturerbe erklären lassen. Dabei ist das Areal ein einziges Argument für Dynamit. Wie übrigens auch große Teile der Fußgängerzone in Nürnberg selbst.
Apropos Dynamit: Zeitgleich mit Nürnbergs merkwürdigem Vorstoß hat der Chef der Bundesarchitektenkammer den Abriss des deutschen Biennale-Pavillons gefordert. Dessen „ausgeprägt nationalsozialistische Monumentalität“ entspreche nicht dem heutigen deutschen Staatsverständnis. Das kann man zwar mit Fug und Recht bezweifeln, residiert beispielsweise das Bundesfinanzministerium in einem liebevoll restaurierten Nazi-Bau, fand die letzte WM im liebevoll modernisierten Olympia-Stadion von 1936 statt. Aber jedem Abriss wohnt ein Zauber inne, und wenn man schon nicht die hässlichen Bürokratenkästen abreißen kann oder will, mit denen die Nazis unsere Städte zustellten und in denen heute Finanzämter und andere Behörden ihrer schrecklichen Arbeit nachgehen, so wäre der Pavillon in Venedig ein guter Anfang.
Er ist nicht einmal ein besonders schlechter Bau, aber es dürfte – wenn man nicht Oswald Matthias Ungers oder Hans Kollhoff damit beauftragt – ein Leichtes sein, etwas sehr viel Besseres an die Lagune hinzustellen. Und in 20, 30 Jahren kann man auch das wieder abreißen.
Was bleibet, sagte Hölderlin, stiften die Dichter. Nicht die Architekten. Und das ist gut so.
@ Calma amigo Alan! In der ERLOESUNG von der „Rassenfrage“ koennen besonders die Europeos von den Venezolanos lernen! Besonders jetzt, wo der Presidente, welcher immerhin demokratisch gewaehlt wurde (Jimmy Carter hat das bestaetigt!) – von zwei oder drei der Rassen abstammt welche die „Goldene Rasse“ der Latinos werden. (Er selbst hat sich als „El Indio de Barinas“ bezeichnet – der Indianer von Barinas.) Ich bin seit ueber zwanzig Jahren nicht in Venezuela gewesen und kann die heutige Situation nicht beurteilen. Sie waren moeglicherweise nie in Lateinamerika, besonders Venezuela ? Wahrscheinlich ist die Information welche Ihre Meinung ueber Venezuela und Lateinamerika praegen durch BBC, DW, und die britische und newyaaarkische Presse entstellt wurden. Es hat ein Venezuela vor Chavez gegeben und es wird ein Venezuela nach Chavez geben: In Venezuela ersteht eine Zivilisation aus drei Rassen (wie ueberhaupt in Lateinamerika) – und als intelligente „Weltmenschen“ sollten wir diese Entwicklung – ob geopolitischen Neigungen oder nicht – mit „Simpatia“ betrachten: Deshalb, Amigo Alan, hierbei eine Einladung sich mal die Venezolanos als talentiertes Volks zu studieren: Sehe youtube Video „DANZON NO. 2“. Das sind alles junge Menschen aus „unteren Schichten“ – denn die „Besitzerkaste“ in Venezuela verliert keine Zeit zum Studium der Musik – anstatt man wird „Economist“ oder „Rechtsanwalt“… P.S. Neben BBC koennen Sie auch ueber Lateinamerika viel in TELESUR sehen und lesen.
@ JZV: Ausgerechnet Venezuela! Die haben vielleicht kein Problem mit Nazi-Architektur, dafür aber mit dem Semi-Diktator, Iran-Freund und Antisemiten Chavez, einem National-Sozialsiten im eigentlichen Sinn des Wortes. Dann lieber unsere Ästhetik-Probleme.
In „Neu Nuernberg“ ohne Aerger mit Nazi-Architektur: „Neu Nuernberg“ wurde von dem deutschen Governeur Alfinger in „Klein Venedig“ 1529 gegruendet – aber durch den Wiederstand der einheimischen Coquibacoa wurde es 1535 „aufgegeben“. „Klein Venedig“ ist heute die Republik Venezuela und „Neu Nuernberg“ ist heute die Grossstadt Maracaibo. Vielleicht gibt es doch einen „lieben Gott“…