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Die AfD ist in den Umfragen mittlerweile bundesweit die stärkste Partei.. Und sie verfügt über ein intellektuelles Vorfeld – die Neue Rechte -, das sehr strategisch agiert. Etablierte Parteien und ihr jeweiliges Vorfeld hingegen beschränken sich auf hilflose Abwehrrhetorik. Und etablierte Medien schließen eben jenes neurechte Vorfeld auch weiterhin konsequent aus dem Diskurs aus. Kein Interview, keine Einladung in eine Talkshow. Dahinter verbergen sich Feigheit und magisches Denken. So als könne man die Neue Rechte durch Ignoranz verscheuchen. Unterdessen hat indes fast jede noch so schrille Stimme die Chance auf eine Talkshow-Einladung, solange sie nur links ist. Zeit also für eine grundsätzliche Neujustierung im Umgang mit der Neuen Rechten. Beginnend mit Teil 1 einer neuen Serie dazu hier auf „Starke Meinungen“.
„Bekenntnislust“. Genauer: „Eine Welle der Bekenntnislust“. So lautet ein Begriff bzw. eine sprachliche Wendung, die der neurechte Verleger Götz Kubitschek bereits im März 2018 auf dem Blog „sezession.de“ prägte. Anlass dafür war die damalige „Erklärung 2018“, mit der sich, so Kubitschek, „eine Opposition von rechts sogar im intellektuellen Establishment“ gegen die Migrationspolitik der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel richtete.
In Sprache wie in Inhalt erinnerte die schlichte Erklärung an Äußerungen von Vertretern der seit dem Oktober 2024 aufgelösten Pegida-Bewegung und, mehr noch, las sich wie eine Solidaritätsadresse an diese. Die von Kubitschek in ihr beschworene „Opposition von rechts sogar im intellektuellen Establishment“ zeigte sich in Form der Erstunterzeichner, darunter etwa Thilo Sarrazin, Egon Flaig und Karlheinz Weißmann, aber auch Uwe Tellkamp, Matthias Matussek, Vera Lengsfeld, Frank Böckelmann, Alexander Wendt und Dieter Stein.
Kubitschek schrieb damals weiter, die Erklärung versammle „nicht das letzte Aufgebot, sondern die Spitze des Eisbergs“. Die Antwort auf die Frage des „Warum bloß?“ laute: „aus Bekenntnislust“. Er prognostizierte sodann: „Wir werden in den kommenden Monaten eine Welle der Bekenntnislust erleben. Zigtausend Leute werden den Finger heben und sich namentlich dazu bekennen, AfD zu wählen, oppositionelle Medien zu lesen, demonstriert zu haben und aus alledem keinen Hehl mehr machen zu wollen.“
Damals wurde diese Prognose außerhalb der neurechten Milieus nicht sonderlich ernst genommen. Wohl deshalb, weil man sich in Sicherheit wog. Die AfD stand im „Politbarometer“ vom 16. März 2018 bei aus heutiger Sicht mageren 13 Prozent und damit weit weg von der CDU/CSU, für die sich 32 Prozent der Befragten aussprachen.
Disclaimer, der erste: Nein, liebe Linke, ich bin kein Steigbügelhalter der Neuen Rechten, sondern beschreibe die Realität. Vermutlich werdet Ihr dennoch ausflippen, aber das ist Euer Problem und Euer Realitätsverlust.
2018 von Götz Kubitschek vorausgesagt, seit der „Seitenwechsel“-Buchmesse in Halle Realität: Die „Bekenntnislust“ zum (neu)rechten Denken
Siebeneinhalb Jahre später zeigt sich, dass es ein Fehler war, Kubitscheks Ansage nicht ernst zu nehmen. Denn inzwischen ist aus ihr längst Realität geworden. Und zwar mit voller Wucht. Die „Bekenntnislust“ zur AfD und/oder dem Gedankengut der Neuen Rechten ist im Hier und Jetzt mittlerweile alles andere als ein Randphänomen. Sie hat signifikante Teile der Gesellschaft erreicht. Die AfD pendelt sich in Umfragen seit einigen Wochen im Bund auf rund 26 bis 27 Prozent ein und liegt damit meistens ein bis zwei Prozentpunkte vor der CDU.
In den östlichen Bundesländern gedeiht und floriert sie inzwischen sogar so sehr, dass sie die Umfragen dort regelrecht dominiert. Aber auch im Westen ist sie stark. Hier die aktuellen Werte kurz vor dem Superwahljahr 2026: Baden-Württemberg: 21 Prozent (infratest dimap vom 16. Oktober 2025), Berlin: 16 Prozent (infratest dimap vom 19. November 2025), Mecklenburg-Vorpommern: 38 Prozent (infratest dimap vom 25. September 2025), Rheinland-Pfalz: 19 Prozent (infratest dimap vom 9. Oktober 2025) und, da wird es wirklich ernst: Sachsen-Anhalt: 40 Prozent (INSA vom 15. Oktober 2025). Das sind Zahlen, das sind Fakten.
Die inzwischen fraglos vorhandene „Bekenntnislust“ ist auch und gerade eine Gegenreaktion auf die untauglichen Versuche, alles, was neurechts oder überhaupt irgendwie rechts ist, aus dem bundesdeutschen Diskurs auszugrenzen. Mit den immer gleichen, inzwischen nur noch lächerlich klingenden Sprüchen bzw. Schlachtrufen linker Provenienz, die mittlerweile auch das liberal-konservative Umfeld der Verfasserin nerven: Bis heute erklingen sie, obwohl längst ranzig geworden: „ein Zeichen setzen“, „Gesicht zeigen“, „keine Bühne bieten“, „Alerta, Alerta, Antifaschista“, „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“, „die AfD muss ausgegrenzt werden“, „No pasáran“ und „kein Fuß breit“. Sie sind alle hilflos und pure Abwehrrhethorik ohne Wirkung. Nicht mehr als ein verbales Melatoninspray, das man sich wechselseitig in den Rachen sprüht, um irgendwie schlafen zu können. Um aber am nächsten Morgen brutal in der Realität zu erwachen. Man kann sich nicht dauerhaft sedieren.
Disclaimer, der zweite: Nein, liebe Linke, ich bin immer noch kein Steigbügelhalter der Neuen Rechten, aber Ihr sediert Euch, um der Realität zu entkommen.
Das „#AfDVerbotjetzt“-Geschrei als „Zurüstung zum Bürgerkrieg“
Die Königin der hilflosen Abwehrrhetorik ist der Slogan „#AfDVerbotjetzt“. Selbst von klugen Leuten von links geäußert. Die sich dabei wahnsinnig stark vorkommen. In Wahrheit aber ist es magisches Denken galore. Zutiefst autoritär. Ferdinand von Schirach nannte es bei Miosga „undemokratisch“ und „politisch ineffectiv“. Horrible dictu. Wut über Wut entlud sich in den sozialen Netzwerken über ihn. Obwohl er zugleich klar sagte, dass er nie die AfD wählen würde.
Man stelle sich nur mal vor, was passieren würde, leitete die etablierte Politik – soweit man bei der Schrumpf-SPD überhaupt noch von „etabliert“ sprechen kann – ein Verbotsverfahren gegen die AfD, also die bundesweit in Umfragen führende Partei ein: glauben die Befürworter desselben, das würden sich „die Leut“, wie man im Südwesten sagen würde, gefallen lassen? Ist die Erinnerung an die zahlreichen Demos gegen die Corona-Maßnahmen schon verblasst? Und wissen die Verbots-Befürworter, dass die „Zurüstung zum Bürgerkrieg“? ein klassischer neurechter Topos ist, zu dem es sogar ein gleichnamiges Buch von Torsten Hinz in der „Kaplaken“-Reihe im Antaios-Verlag von Götz Kubitschek gibt? Im Volltitel lautet es: „Zurüstung zum Bürgerkrieg. Notizen zur Überfremdung Deutschlands.“ Erschienen ist es bereits 2010. Hinz beruft sich darin auf einen Text von Hans Magnus Enzensberger, der 1993 einen zunächst „molekularen Bürgerkrieg“, eine „stumme Kriegserklärung“ aus Unzufriedenheit etwa über den zunehmenden „Müll an den Straßenrändern“ prognostizierte, der irgendwann zu einer physischen Aggression werde, weil „der Rest der Bevölkerung“ „mundtot“ gemacht würde und ein „rechtsfreier Raum entstünde“, wo „Zensur, Angst und Erpressung“ herrschten.
So ganz abwegig wirkt das längst nicht mehr. Besonders im Osten, aber nicht nur dort, sind die Menschen genervt, weil so vieles im Land nicht mehr funktioniert, obwohl sie brav ihre Steuern zahlen. Die unzuverlässige „Deutsche Bahn“ ist ein fast schon ikonisches Beispiel dafür. Die Wut auf „die da oben“ steigt entsprechend. Doch statt die Frustration ernst zu nehmen und sich zu fragen, WARUM das so ist und Wähler scharenweise zur AfD überlaufen, verschwenden aktive Politiker wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der damals noch aktive Politiker Robert Habeck und sogar als damaliger Oppositionsführer Friedrich Merz einen Teil ihrer kostbaren Zeit damit, Bürger rechtlich zu verfolgen, weil sie sich von diesen im Internet beleidigt fühlen, alles ermöglicht durch den relativ neuen Sondertatbestand der stärker bestraften Politikerbeleidigung in § 188 StGB.
Glauben also die Befürworter eines AfD-Verbotsverfahrens, dass all jene, besonders die im Osten, die ohnehin längst „auf Zinne“ sind, weil in Deutschland so viel schief läuft, sich die Einleitung eines solchen Verfahrens bravbürgerlich gefallen lassen würden? Ja, offenbar glauben sie es wirklich, beispielsweise die traurigen einflusslosen Jusos, die da neulich auf ihrem Kongress Schilder mit „AfD-Verbot jetzt“ hochhielten. Statt sich darum zu kümmern, warum die SPD so viele Arbeiter an die AfD verloren hat und statt zu checken, dass es Menschen wie der wiedergewählte Duisburger Oberbürgermeister Sören Link sind, die die SPD wiederbeleben, weil sie die Probleme beim Namen nennen, auch die mit Migranten. Und zwar so sehr, dass Link inzwischen als neuer SPD-Hoffnungsträger an Rhein- und Ruhr gilt.
Kein Disclaimer: Die Verfasserin findet die Rufe nach einem AfD-Verbot hilflos und bescheuert.
Halle: eine Buchmesse als Fanal
Ganz besonders hat sich die „Bekenntnislust“ Anfang November in Halle gezeigt. Dort fand erstmalig die von der Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen organisierte Buchmesse „Seitenwechsel“ statt, auf der alle zentralen Verlage der intellektuellen Neuen Rechten wie die „Junge Freiheit“, „Antaios“ und „Jungeuropa“ ebenso vertreten waren wie Medien, die wie beispielsweise etwa „Kontrafunk“ und „Tichys Einblick“ einen eher flachen, krawalligen rechtspopulistischen Einschlag (dazu mehr in einem späteren Teil dieser Artikel-Serie) haben, also niedrigschwelliger sind. Ebenso vor Ort war Hans-Georg Maaßen. Seine Präsentation der Neuauflage von Helmut Schelskys 1973 erschienenem Buchs „Systemüberwindung, Demokratisierung und Gewaltenteilung: Grundsatzkonflikte der Bundesrepublik Deutschland“ war wie so viele andere Veranstaltungen auf der Messe ein Publikumsmagnet, auch wenn Maaßen in Teilen der intellektuellen Neuen Rechten als eine Art Held der Klischee-„Boomer“ vorsichtig gesagt nicht so wirklich ernstgenommen wird (auch dazu noch später in einem weiteren Teil dieser Serie).
Kurzum, es manifestierte sich in Halle die physische Präsenz des von dem neurechten Autor Benedikt Kaiser seit Jahren propagiertem Konzept der „Mosaikrechten“. Kaiser ist einer der zentralen jüngeren Player der intellektuellen Neuen Rechten. Die ZEIT-Journalistin Mariam Lau hat ihn bereits im Juni 2024 portraitiert. Gerald Seebald erklärte das Konzept der „Mosaikrechten“ in der „WELT“ anlässlich der jüngsten Gründung der neuen AfD-Jugendorganisation „Generation Deutschland“ vorletztes Wochenende in Gießen treffend wie folgt:
„Es bedeutet im Kern eine strategische Arbeitsteilung verschiedener neurechter Akteure. Straßenbewegungen wie die Identitäre Bewegung sollen Sympathisanten rekrutieren, Verlage deren politische Theorie verfeinern und die Partei als parlamentarischer Arm alles wahr werden lassen. Alle Steinchen sollen sich dabei „gegenseitig strategisch vorantreiben und zugleich korrigieren“, schreibt Kaiser bereits 2017 in seinem Artikel „Mosaik-Rechte und Jugendbewegung“ in der neurechten Publikation „Sezession“ vom Verleger Götz Kubitschek.“
Und Seebald hat erkannt, wie ausdifferenziert das Konzept inzwischen ist und blitzschnelle Verortungswechsel ermöglicht:
„Das Konzept Mosaik ist also endgültig angekommen in der AfD. Auch der neue Vorsitzende der Generation Deutschland, Jean-Pascal Hohm, benutzt es in Gießen in einem Interview mit Phoenix. Die Erzählung von diesem Mosaik ist elementar für den Strategiewechsel der AfD mit den radikalen jungen Unterstützern. Sie erlaubt es, gleichzeitig zusammenzugehören (Mosaik) und getrennt zu sein (Steinchen im Mosaik). Eine so klassische wie geschickte, wenn vielleicht auch unbewusste Dialektik. Die neuen (jungen) Rechten müssen sich ab jetzt also einfach entscheiden, bei welchen Steinchen dieses „rechten Mosaiks“ sie wann mitspielen wollen. Auch Unvereinbarkeitsbeschlüsse der AfD beispielsweise zur Identitären Bewegung müssen so nicht abgeschafft werden, um die Jugend zufriedenzustellen. Ein Wechsel von einem zum anderen Steinchen im Mosaik ist nämlich durchaus möglich, betont Hohm immer wieder.“ So verkörpert das neurechte Vorfeld bereits das, was Höcke mit seinem Begriff „Bewegungspartei“ für die AfD vorschwebt.“
Und weil das neurechte Vorfeld das in der Tat verkörpert, ist es sehr selbstbewusst geworden. Nicht zu Unrecht. Denn die proppenvolle „Seitenwechsel“-Messe zeigte, wie groß der Zulauf längst ist. Es war ein gutgelauntes Treffen unter Gleichgesinnten, die froh waren, sich endlich nicht für das, was sie politisch denken, rechtfertigen oder gar schämen zu müssen. Diese Messe zu Halle war, man kann es nicht anders sagen, ein Dammbruch. In Form einer erfolgreichen Gegenreaktion auf die Ausgrenzerei all dessen, was irgendwie (neu)rechts ist.
Jenes krampfige Ausgrenzen hatte sich erst wenige Wochen zuvor erneut in der Pfalz, genauer in Landau manifestiert, als ausgerechnet Susanne Dagen – von der da schon bekannt war, dass sie die Organisatorin der „Seitenwechsel-Buchmesse“ ist, vom dortigen „Denkfest“ wieder ausgeladen wurde. Das war deshalb besonders absurd, weil es bei selbigem um das Thema „Kampfzone Freiheit – Wer hat Angst vor Ambivalenz?“ ging. Tatsächlich aber wurde es, das zeigt die Ausladung Dagens, zur bloßen Diskurssimulation, weil die Veranstalter sich irgendwelchen linken „No pasarán-Leuten fügten.
Kein Disclaimer: Die Verfasserin findet auch das Ausladen von Dagen hilflos und bescheuert.
Die mögen sich in die Hände klatschen, weil sie Dagen vertrieben haben, bevor sie überhaupt ankommen konnte. Tatsächlich aber war das ein Phyrrussieg. Wenige Wochen später stieg Dagens Buchmesse in Halle. Jawohl. Ihre. Und wie gesagt höchst erfolgreich.
Die rechte „Seitenwechsel-Buchmesse“ und ihre Frankfurter Buchmessen-Vorgeschichte
Die „Seitenwechsel“-Buchmesse ist tatsächlich ein Fanal. Nach all den Jahren des Ausgrenzens und der vergeblichen Hoffnung, in den Diskurs einbezogen zu werden, machen die (Neu-)Rechten jetzt einfach ihr eigenes Ding. Der Verleger Götz Kubitschek, dessen Stand in Halle konstant proppenvoll besucht war, schildert es mir gegenüber so:
„Den meisten von uns geht es nicht um den Diskurs. Es geht uns darum, neben die besetzten Räume, Strukturen, Orte der Zivilgesellschaft eigene Räume, Strukturen und Orte zu setzen. Die dort, wir hier, jeder macht seines, eigenständige Milieus und Szenen, das ist der konsequente Schritt, nachdem man uns die Beteiligung an den „offiziellen“ Räumen nicht gestattet hat. Dass dies irgendwann zu einem Diskurs führen kann, mag sein. Vorrangig ist nun aber der Wettbewerb: Wer macht die interessantere Arbeit?“
Tja. Das also ist das Resultat der Ausgrenzerei. Und auch das Ergebnis dessen, was 2017 auf der Frankfurter Buchmesse begann. Ich war war live vor Ort. Im Grunde war das der Zeitpunkt, als die „No pasarán-Fraktion vorläufig gewann, in Wahrheit aber den Aufstieg der Neuen Rechten und der AfD einleitete. So schrieb ich damals auf Facebook, im ICE auf der Rückreise, nachdem medial der falsche Spin aufkam, die Gewalt sei von rechts ausgegangen:
„Die Dinge sind heute bei den Veranstaltungen von Götz Kubitscheks „Antaios“-Verlags auf der Buchmesse sehr eskaliert. Und zwar von links. Die erste Veranstaltung mit Caroline Sommerfeld-Lethen, Martin Lichtmesz und dem gewiss provokant eingesetzten Björn Höcke konnte nach anfänglichen lautstarken Protesten in Antifa-Manier kurz stattfinden, die mit Sellner wurde sodann aber so massiv niedergebrüllt, dass das nicht mehr ging.
Ich habe alles live gesehen, und so sehr sich manche nun über meine Worte aufregen mögen (bzw. das auf Twitter bereits tun), so ernst meine ich sie: DAS geht nicht.
Niederbrüllen ersetzt keinen Diskurs. Die Beschädigung und der Diebstahl rechter Bücher (auch das ist passiert) schon gar nicht. Das sind Straftaten. Ich habe das heute bei meinem eigenen Auftritt mit Danijel Majic bei der „Frankfurter Rundschau“ klar verurteilt.
Offen gesagt irritiert mich prima facie das Verhalten der Buchmessenleitung. Heute dauerte es sehr lange, bis die Polizei einschritt. Man muss sich entscheiden. Entweder man lässt, und das wäre ohne Weiteres möglich, rechte Verlage nicht zu oder aber man lässt sie zu und sorgt für konsequenten Schutz der Durchführung ihrer Veranstaltungen. Alles andere ist hilfloser, aber auch unfairer Schlingerkurs.
Die Auseinandersetzung mit den Rechten läuft über das Argument. Und da hat das nicht-rechte Denken alle Karten für sich. Man muss die Debatte offensiv führen. Niederbrüllen verhindert sie.
Ich konnte heute schließlich auch frei und ohne Störung sprechen, obwohl Identitäre und Rechte teilweise am Stand der FR während meines Auftritts anwesend waren.
Kurz: der Diskurs hat Spielregeln. Und es ist wenig glaubwürdig, sich über die Brüllerei bei Merkels Wahlkampfauftritten im Osten zu beklagen, das, was heute passiert ist, hingegen gutzuheißen oder zu beschweigen. Es gibt so viele gute Möglichkeiten, neurechte Mythen zu entkräften. Geschrei in Antifa-Manier zählt sicherlich nicht dazu.“
Damals übrigens, und das ist retrospektiv wirklich interessant zu sehen, begann auch der mediale Aufstieg der Susanne Dagen, die acht Jahre später die „Seitenwechsel“-Buchmesse in Halle organisieren sollte. Kurz nach den Tumulten in Frankfurt initiierte sie die „Charta 2017“, die ein offener Brief gegen die Störaktionen auf der Buchmesse war. Etwas später startete sie gemeinsam mit der Publizistin Ellen Kositza, der Ehefrau von Götz Kubitschek, ein Youtube-Lese-Format namens „Aufgeblättert, zugeschlagen.“ Schnell wurde sie – no surprise! – zu einer Verfemten im „Mainstream“ bis hin zu der Ausladung zu Landau.
Disclaimer, der dritte: Nein, liebe Linke, ich bin immer noch kein Steigbügelhalter der Neuen Rechten, aber als genuin Liberal-Konservative streite ich für die Meinungsfreiheit, auch und gerade, wenn es um Rechte und deren Hang zum Autoritarismus geht. Prinzipientreue heißt bzw. muss heißen, auch gegen das Autoritäre nicht mit den Werkzeugen des Autoritarismus zu streiten.
Schon fünf Word-Seiten. Die Verfasserin muss langsam zum Ende kommen. Realisierend, dass dieser Text der Auftakt zu einer Serie wird. Weil es zu den Einzelaspekten längst so viel zu sagen gibt.
Wie untauglich all das war, zeigte sich in Halle. Dagen sagte mir, und sie hat das zutreffend beobachtet:
„Ganz starke Tage. Ich habe nur in fröhliche Gesichter geschaut. Ich habe so viele Glückwünsche und Dankeschöns entgegengenommen. Die Zeit war ran und wir haben hier zwei Tage voller Harmonie, voller Fröhlichkeit, voller Frieden gehabt. Und das erleichtert mich unendlich.“
Ich hatte nicht den Eindruck, dass hier irgendjemand aus Frustrationsgründen gekommen ist. Ich glaube, die haben darauf gewartet, dass man Leute trifft, mit denen man ins Gespräch kommen kann und ich glaube, Frustration war hier nicht der Anlass, um hierherzukommen. Ganz das Gegenteil. Und wie gesagt, dass macht mich sehr froh.“
Für mich als Besucherin war sehr besonders und ehrlich gesagt auch berührend, dass wildfremde Besucher mich ansprachen, weil sie mich optisch erkannten und mir dafür dankten, dass ich auf „X“ und „Facebook“ offen mit Rechten rede. So einfach also lässt sich das durchbrechen, was der Soziologe Aladin El-Maafalani „Misstrauensgemeinschaften“ nennt (wobei rätselhaft ist, warum er sich selbst aktuell mit einem Text für eines der Misstrauensorgane schlechthin, die „Weltbühne“ hergibt, noch dazu unter deren längst in der FAZ in Verruf geratenen Herausgeber Per Leo). Es ergaben sich daraus jeweils längere Gespräche, Chancen, zu erklären, warum die AfD eben nicht die frühere CDU ist. Dazu mehr in Teil 2 dieses Textes.
Was sie, also die AfD übrigens auch nicht sein soll, wie der wohl inzwischen wichtigste neurechte Vordenker Benedikt Kaiser betont. Dazu mehr im zweiten Teil. Doch statt sich damit zu beschäftigen, grenzen all jene, die an den medialen Schaltstellen des Landes sitzen, alles, was neurechtes Vorfeld ist, konsequent aus.
Selbst gegenüber der „Jungen Freiheit“, die unter Rechten als „Mutterschiff“ der neurechten Publizistik bezeichnet wird, ist das der Fall, obwohl ihr Chefredakteur Dieter Stein der Inbegriff der Mäßigung im neurechten Lager ist. Immer hat er versucht, die AfD auf gemäßigtem Kurs zu halten Härteste Texte gegen Björn Höcke geschrieben. Hat ihm medial aber nichts gebracht. Es ist grotesk. Jede noch so bizarre Stimme – wie namentlich die linksautoritäre Ulrike Herrmann – wird von Talkshows hofiert, solange sie links ist. Aber alles von rechts wird weiterhin als „no pasarán“ und „kein Fuß breit“ behandelt, obwohl es längst mit einem ganzen Bein in der Bevölkerung drinnen ist. Klar, es gibt Portraits, aber keinen Diskurs, also kein Interview und keine Veranstaltung mit dem neurechten Vorfeld im etablierten Bereich. Die einzige Veranstaltung im etablierten Umfeld mit einem Vertreter der Neuen Rechten fand 2016 statt, und zwar beim Hamburger Kongress von „Netzwerk Recherche“. Dort gab es einen Diskurs zwischen dem erwähnten Dieter Stein, einem CORRECTIV-Reporter und mir. Die Zusammensetzung sagt alles. Correctiv war damals jung, ich erst seit 2014 politische Journalistin. Wir aber waren die einzigen, die zusagten, alle Star-Journalisten hatten abgewunken. Nur so kam man auf uns. Seither gab es nicht eine einzige Interview- oder Veranstaltungsanfrage an Stein, wie er mir bestätigte.
Ein Fehler, wie sich jetzt zeigt. Denn auch Dieter Stein sieht Potential für die eigene Weltanschauung und sagte mir: „Insgesamt ist – auch ablesbar an den Umfragewerten der AfD – die Angst gesunken, sich mit abweichenden konservativen, rechten Positionen ‚sozial zu isolieren‘, wie Elisabeth Noelle-Neumann einen entscheidenden Effekt der Schweigespirale auf die Öffentliche Meinung beschrieben hat.“
Zugleich ist er realistisch-skeptisch, was die Zukunft der „Seitenwechsel“-Buchmesse angeht: „Sie spiegelt den inzwischen weiter gewachsenen Resonanzraum neuer, konservativer, rechter Medien und Verlage. Ob es gelingt, das Spektrum noch weiter über Tichy, Kontrafunk und Achse des Guten auch in „mittigere“ Verlage zu erweitern, muss sich zeigen – nur darin sehe ich eine echte Chance.
Disclaimer, der letzte hier: Nein, Frau Bednarz will die Rechte nicht hochschreiben, sehr wohl aber sagen, was ist. Weil das viel zu sehr nicht gesehen werden will. Stichwort AfD-Verbot-Schilder-Hochhalten unter Jusos.
Ende Teil 1 – Teil 2 folgt nächste Woche.
„Disclaimer, der erste: Nein, liebe Linke, ich bin kein Steigbügelhalter der Neuen Rechten, sondern beschreibe die Realität. Vermutlich werdet Ihr dennoch ausflippen, aber das ist Euer Problem und Euer Realitätsverlust.“
Sie schreiben Dinge, die zu bedenken sind, Frau Bednarz.
Aber ausweislich Ihrers Essays weiter unten – Stegner raus aus deutschen Talkshows – Schluss mit der „Dauerpräsenz“ der Putinversteher! – Inklusive deren selbstverständlicher Eingruppierung als Nichtfachleute oder Ahnungslose durch Sie höchstselbst (Auf welcher Basis eigentlich? Aber mit solchem Urteil sind Sie als Liberal-Konservative offensichtlich stets schnell bei der Hand.) – ist Ihr eigenes Akzeptanzfenster bezüglich anderer Meinungen doch sehr überschaubar.
Abgerundet wird dieser Befund dadurch, dass Sie missliebige, freilich polemische Kommentare zu Ihren Elaboraten hier wiederholt einfach löschen bzw nicht freischalten, zumal Polemik in der Argumentation Ihnen selbst sehr lässig aus der Feder fließt.
Und warum überhaupt der „Disclaimer“? Nur, um noch unterzubringen, dass selbstverständlich Sie die Realität beschreiben und „Linke“ unter Realitätsverlust leiden? Ihre Argumente, notabene: in diesem Essay, haben doch einiges für sich. Durch derlei billigen rhetorischen Firlefanz werden sie nur entwertet.
Sie haben offenbar meinen Schlussabatz zu dem Talkshow-Text überlesen:
„Es muss endlich Schluss sein mit der grotesk häufigen Einladung eben solcher Angstmacher. Das bedeutet nicht, dass man sie canceln sollte. Selbstverständlich nicht. Aber mit ihrer übergroßen Präsenz in deutschen Talkshows muss es ein Ende haben. „
Der oben abgebildete Verleger Götz Kubitschek, liebe Liane Bednarz,
ist nicht Mitglied der AfD. Er hatte einmal einen Aufnahmeantrag gestellt, aber der Bundesvorstand, damals noch unter Bernd Lucke, hatte sein Veto dagegen eingelegt.
In den zwei Jahren, in denen ich Präsident des Partei-Schiedsgerichts war (2016/2017), hatte ich das auf dem Tisch. Der Kreisverband Mereburg wollte, dass er nun aufgenommen wird. Aber wir meinten, das Verfahren sei abgeschlossen und Kubitschek könne einen neuen Antrag stellen.
Das hat er nie getan. Er klopfe nicht zwei mal an dieselbe Tür. Irgendwie auch konsequent.
Kubitscheks Ansinnen, dass es erst schlimmer kommen müsse, auf dass es besser werde, ist in der AfD umstritten.
Sagen wir mal so: Er ist zuerst Verleger. Die Freiheit des Wortes darf auch das.
Das ist mir alles bekannt.