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Ewige Ruhe? Von wegen!

Denken Sie nicht, verehrter Leser, Sie hätten nach Ihrem Ableben Ruhe vor dieser Welt.

Erst diese Woche, am Montag, hat der französische Staatspräsident Emmanuel Macron den am 12. Juli 1935 verstorbenen französischen Offizier Alfred Dreyfus zum Brigadegeneral befördert.

Dreyfus musste sich aus Abrahams Schoß erheben und in den Elysee-Palast eilen.

Verstorbene, das wissen wir nämlich aus dem zweiten der Henoch-Bücher, haben keineswegs Ruhe in den Himmeln. Genauer gesagt befinden sie sich im dritten Himmel, was der Patriarch bezeugt. Henoch wurde ja bekanntlich kurz nach seinem 365ten Geburtstag entrückt und sauste durch sieben Himmel, bis er  bei den Cherubim und Seraphim und vor dem Thron des Allmächtigen ankam. Da fühlte er sich gleich wie im siebten Himmel. Und Himmel, müssen Sie wissen, sind irgendwie durchsichtige Schalen, die sich um die Erdkugel drehen. An jedem Himmel ist ein Wandelstern drangeklebt.

Ach so: Im dritten Himmel befindet sich das Elysium und das Purgatorium. Henoch hats gesehen. Dort werden die Seelen danach getrennt,

  • ob sie rein sind, dann kommen sie ins Elysium oder
  • ob sie noch zu reinigen sind, dann kommen sie ins Purgatorium, das kommt von „purgare“ – dem lateinischen Wort für reinigen.

Und wer auf dem Stuhl Petri sitzt, dem sind des Himmelreichs Schlüssel übergeben, wie das Evangelium sagt. Der kann dann da noch was machen. Er kann z.B. die Zeit im Purgatorium verkürzen, kann einen gewissen Ablass in der Reinigungszeit gewähren.

Es ist ein allgemeines Missverständnis, dass ein Martin Luther geglaubt habe, das gehe generell nicht. Luther war vielmehr erzürnt darüber, wie billig beim Ablasskrämer Johannes Tetzel so ein Ablassbrief zu bekommen war. Infolge dieser Erfindung des Herrn Gutenberg mit diesem Druck mit beweglichen Lettern, war derselbe zur Billigware verkommen.

Nein, zum Nachlass der Sünden braucht’s schon mehr.

Nehmen wir das Beispiel des armen Mikolaj Kopernik („Kopernik“ = polnisch der Kupferschmidt, auch der Kesselflicker), genannt auch Nikolaus Kopernikus.

467 Jahre musste er im Purgatorium schmoren, bis der Bischof von Torun (Thorn) ihn 2010 rehabilitierte, ihn also daraus erlöste. Ihn wieder in die Gemeinschaft der Heiligen aufnahm. Ihn in ein geweihtes Grab legte, wo ein ehrwürdiger Domherr des Domes zu Thorn ja auch hingehört.

In unserer Jetztzeit können auch Parteien die Verstorbenen wieder ins Paradies, also die Partei aufnehmen. Das Protokoll der 137. Sitzung der Zentralen Parteikontrollkommission der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands vom 13. Oktober 1956 z.B. vermerkt:

„Die ZPKK schlägt vor, den Parteiausschluss nachfolgender Genossen aufzuheben und sie nach ihrem mutmaßlichen Tod zu rehabilitieren.“

Es lag tatsächlich nahe, dass die Genossen tot waren. Sie waren 1936 im Moskauer Exil aus der Kommunistischen Partei (KPD) ausgeschlossen worden. So etwas zu überleben war so unwahrscheinlich, wie das Überleben eines Kirchenbanns im Polen des Jahres 1543.

Und mit der Rehabilitierung gehören die Genossen nun bis in alle Ewigkeit in die wirkliche und wahrhaftige Vorhut der Arbeiterklasse. Schön, nicht wahr?

„Rehabilitierung“ war übrigens ein dem Großen Brockhaus bis 1990 unbekanntes Wort. Es ist erst 1990 in den Westen und in den Rechtsstaat geschwappt. In die Rehabilitierungsgesetze.

Im deutschen Rehabilitierungsrecht zum „SED-Unrecht“ wird nämlich der einst von der SED zum Gegner Erklärte von … (diesem) … Makel befreit (Bild oben).

Also mir z.B. hat das Land Sachsen-Anhalt den 1984 vom Ministerium für Staatssicherheit angehängten Makel genommen, ein Agent des Westens zu sein. Und nun trägt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff aus der DDR-Block-CDU den Makel an meiner statt. Er trägt das Kainsmal mit Würde, glauben Sie mir!

So viel Macht haben französische Staatspräsidenten natürlich nicht. Sie können lediglich vor 90 Jahren Verstorbene zum Brigadegeneral ernennen. Aber das wenigstens können sie.

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Über Bodo Walther

Bodo Walther, geboren 1960 in Weißenfels im heutigen Sachsen-Anhalt, studierte 1985 bis 1991 Rechtswissenschaften in Tübingen und Bonn. Er war aktiver Landes- und Kommunalbeamter in Sachsen-Anhalt, ist heute im Ruhestand und Anwalt in der Nähe von Leipzig.

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