Hitler ist wieder Mode, schreibt der amerikanische Libertäre Austin Petersen im konservativ-jüdischen „Tablet“ und fragt, keineswegs rhetorisch: „Ist meine eigene libertäre Bewegung daran schuld?“ Ähm, ja. Es gibt, wie Peterson schreibt, eine „Pipeline zwischen den Libertären und der Neuen Rechten“. Besonders – aber eben nicht nur – in den USA, wo viele Libertäre Donald Trump unterstützen oder im Bunde mit Evangelikalen oder katholischen Fundamentalisten wie J.D. Vance eine „postliberale Ordnung“ befürworten, in der es um den zentralen Wert der Libertären, die individuelle Freiheit, erheblich schlechter stehen würde als jetzt.
Wie kommt das? Es gibt sicher viele Antworten, aber die erste und wichtigste liegt in der Ideologie der Libertären selbst, genauer: in ihrer Ausformulierung durch ihre Säulenheilige Ayn Rand. Für Rand ist der Staat schlechthin Feind der Freiheit; ihre Anhängerinnen sind oft an der Aussage zu erkennen, dass „alle Freiheitsrechte Rechte gegenüber dem Staat“ seien.
Ist der Staat per se Feind der Freiheit?
Dieser Satz klingt gut und einleuchtend, ist aber falsch. Wie heißt es in der Unabhängigkeitserklärung der USA, dem Gründungsdokument des Liberalismus, übrigens der wichtigsten philosophischen und politischen Gegenposition zum Libertarismus: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness. That to secure these rights, Governments are instituted among Men, deriving their just powers from the consent of the governed …“
Genau: Regierungen sind dazu da, die unverwirkbaren Rechte der Bürger und Bürgerinnen zu sichern. Nach Thomas Jefferson, von dem dieser Passus stammt, ist der Staat also nicht der Feind der Freiheit, sondern deren Voraussetzung. Nach seiner liberalen Lesart sind Freiheitsrechte zwar auch nötig als Schutz gegen staatliche Übergriffigkeit, der Staat aber nötig, um diese Rechte zu wahren, sei es gegen ausländische Tyrannen und ihre Agenten, daher das stehende Heer und die Geheimdienste, sei es mächtige innenpolitische Gruppierungen und Individuen wie Aristokraten und Kapitalisten, man denke an die Gesetze gegen Monopole und für das Streikrecht, sei es gegen Verbrecher, daher Polizei und Gerichte, sei es – am wichtigsten überhaupt – gegen die Tyrannei der Mehrheit, daher Schutzrechte für Minderheiten und Minderheitsmeinungen.
Ohne den liberalen Staat degeneriert die Demokratie entweder in die Anarchie oder in die Herrschaft der Stärksten und Gewissenlosesten oder nacheinander in die Anarchie und die Herrschaft der Rücksichtslosen. Doch genau diese Herrschaft wollen die Randisten. Ayn Rand selbst muss man sich als Friedrich Nietzsche für einfache Gemüter vorstellen. Sie ist lesbarer, moderner und eindimensionaler als der gequälte Autor von „Also sprach Zarathustra“, der unter dem Mittelmaß des deutschen Bürgertums litt und sich einen „Übermenschen“ imaginierte, der unter diesem – heute würden manche sagen „Shitbürgertum“ – aufräumen sollte.
Der Geniekult Ayn Rands
Ayn Rand betete wie Nietzsche den großen Künstler an (es war bei dieser unglücklichen Vatertochter immer ein Mann); in „The Fountainhead“ ist das ein junger Architekt, der die Ansicht vertritt: „Die großen Schöpfer, die Denker, die Künstler, die Forscher, die Erfinder, – immer standen sie allein gegen die Menschen ihrer Zeit. Jeder Gedanke traf auf Widerstand (…) Sie stritten, sie litten, sie büßten. Doch sie siegten.“ Was natürlich weder auf Forscher noch Erfinder zutrifft, man denke etwa an Albert Einstein oder Thomas Edison; noch auf Denker, die – man nehme Rand selbst, obwohl sie mehr fühlte als dachte, Nietzsche, Freud, Popper, Foucault u.v.a.m. – schnell Anhänger gewannen und gewinnen; und was die Künstler betrifft, so hat der von Rands Held formulierte Originalitätskult mehr Schrott hervorgebracht als der möglicherweise allzu konservative Geschmack der jeweiligen Epoche. Vor allem aber beweist der Widerstand der Masse gegen Ideen, Erfindungen, Entdeckungen und Kunstwerke nicht automatisch ihre Wahrheit, Richtigkeit, Nützlichkeit oder Schönheit; ist nicht jeder Zeitgeistkritiker ein verkanntes Genie.
Ayn Rand hatte erlebt, wie der bolschewistische Staat ihren geliebten Vater – einen Apotheker – enteignete. Sie selbst allerdings war ein bevorzugtes Kind des neuen Regimes; ihren Hass auf den Staat an sich entdeckte sie erst nach ihrer legalen Übersiedlung in die USA. Und das ist auch nachvollziehbar. Denn ihre Kritik am Staat lautet, dass er eine Verschwörung der Mittelmäßigen zur Unterdrückung der natürlichen Elite sei, was der bolschewistische Staat in seinen Anfängen nicht war: Er war eine Verschwörung eines Teils der intellektuellen Elite gegen die Masse des Volks. Rand hatte immer etwas Bolschewistisches an sich, etwas Unbedingtes und Sektenhaftes, und die Demokratie hat sie weder begriffen noch gemocht noch unter ihren Anhängern geduldet.
Wie alle Verschwörungstheorien enthält auch Rands Staatstheorie ein Körnchen Wahrheit. Natürlich ist der demokratische Staat – siehe oben – ein Instrument in den Händen der Vielen, Schwachen, um sich gegen die Wenigen, Starken zu wehren. Das kann so weit gehen, zumal wenn bestimmte Interessengruppen – Gewerkschaften, Umweltaktivisten, Postkoloniale – oder der Zeitgeist einen bestimmenden Einfluss auf Teile der Regierung bekommen, etwa auf die Judikative oder den Erziehungsapparat, dass aus dem Schutz der Vielen vor Übergriffen der Starken eine gegen jede Exzellenz, jede Initiative, jede Innovation gerichtete Herrschaft des Mittelmaßes wird.
Kommunizierende Rohre: Libertarismus und Faschismus
Hiergegen die Rechte der Einzelnen, insbesondere der Unternehmer, und der Dissidenten zu schützen, ist nicht nur richtig, sondern notwendig und gut liberal gedacht – wirtschaftsliberal und gesellschaftlich liberal. Die Libertären aber verabsolutieren die Kritik am demokratischen Staat, den sie als Feind ansehen, und verbünden sich im Namen der Freiheit mit den reaktionärsten Kräften – auch deshalb, weil sie letztlich, wie die Reaktionären, die Masse verachten, das Schwache verabscheuen und das Starke anbeten.
Deshalb haben sie eine offene Flanke hin zum Faschismus, der die Förderung der angeblich überlegenen Rasse und der Starken innerhalb dieser Rasse zur Aufgabe des Staates, ja die Freiheit des Starken gegenüber den Schwachen zum Kern ihrer Moral machte. „Wenn zivilisierte Männer gegen Wilde kämpfen, unterstützt man die Zivilisierten, egal wer sie sind“, so einer der bekannteren Sprüche Ayn Rands. Das ist aber nur die Umkehrung der postkolonialen Position, dass man in einer solchen Lage die Wilden unterstützt, egal wer sie seien. Was bedeuten aber „wild“ und „zivilisiert“, etwa wenn sich das zivilisierteste Volk Europas dem Völkermord verschreibt? Ganz offensichtlich befinden sich die beiden Begriffe jenseits des Rechts, das auch dem „Wilden“ die gleiche Menschenwürde zumisst wie dem „Zivilisierten“.
Elon Musk, Peter Thiel, J.D. Vance, Steve Bannon und andere proklamieren ein postliberales Zeitalter, Donald Trump und Viktor Orban ebnen diesem Zeitalter dem Weg, und allzu viele Libertäre jubeln ihnen dabei zu oder ebnen ihnen den Weg, indem sie im Namen der Meinungsfreiheit den Feinden der Freiheit eine Gasse schlagen. Die Herrschaft der Übermenschen wird aber nicht mehr Freiheit bringen, sondern weniger. Das sollten ihre nützlichen Idioten bedenken.
Ja, es gibt „Libertäre“, die autoritären Verlockungen erliegen. Das Posener Aynd Rand als Beleg dafür aufführt, zeigt allerdings nur eines: er hat sie nicht verstanden bzw. wahrscheinlich überhaupt nicht gelesen.
In ihrem Beitrag „Das Wesen der Regierung“ aus 1967 beschäftigt sich Rand genau mit dieser Frage. Interessanterweise greift Rand teilweise exakt dieselben Argumente auf, mit denen Posenener Rand zu widerlegen vermeint. Beispiele:
Posener schreibt: „Für Rand ist der Staat schlechthin Feind der Freiheit“
Bei Rand liest sich das so:“Aus allen oben diskutierten Gründen würde eine Gesellschaft ohne organisierte Regierung der Gnade des erstbesten Kriminellen ausgeliefert sein, der sie in ein Chaos aus Bandenkriegen stürzen würde.“
Posener schreibt:
„Wie heißt es in der Unabhängigkeitserklärung der USA, dem Gründungsdokument des Liberalismus, übrigens der wichtigsten philosophischen und politischen Gegenposition zum Libertarismus: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness. That to secure these rights, Governments are instituted among Men, deriving their just powers from the consent of the governed …“
Genau: Regierungen sind dazu da, die unverwirkbaren Rechte der Bürger und Bürgerinnen zu sichern. Nach Thomas Jefferson, von dem dieser Passus stammt, ist der Staat also nicht der Feind der Freiheit, sondern deren Voraussetzung.“
Bei Ayn Rand liest sich das dann so: „In der Geschichte der Menschheit ist das Verständnis für die legitime Funktion einer Regierung eine sehr neue Errungenschaft: Sie ist erst 200 Jahre alt und ist datiert auf die Gründerväter der Amerikanischen Revolution. Nicht nur, dass sie das Wesen und die Bedürfnisse einer freien Gesellschaft identifizierten – sie ersannen auch die Mittel, sie in die Praxis umzusetzen. Eine freie Gesellschaft kann – wie jedes menschliche Projekt – nicht zufällig erreicht werden, durch bloßes Wünschen oder durch die „guten Absichten“ ihrer Führer. Man benötigt ein auf objektiv gültigen Prinzipien basierendes komplexes gesetzliches System, um eine Gesellschaft frei zu machen und sie frei zu erhalten – ein System, das nicht abhängig ist von den Motiven, dem moralischen Charakter oder den Absichten des jeweiligen Regenten; ein System, das keine Gelegenheit und kein gesetzliches Schlupfloch für die Entstehung einer Tyrannei lässt.“
Diese Zeilen können Jahrzehnte später als treffendste Kritik am Regierungsstil von Trump oder Orban angeführt werden.
Posener schreibt:“Nach seiner liberalen Lesart sind Freiheitsrechte zwar auch nötig als Schutz gegen staatliche Übergriffigkeit, der Staat aber nötig, um diese Rechte zu wahren, sei es gegen ausländische Tyrannen und ihre Agenten, daher das stehende Heer und die Geheimdienste, sei es mächtige innenpolitische Gruppierungen und Individuen wie Aristokraten und Kapitalisten, man denke an die Gesetze gegen Monopole und für das Streikrecht, sei es gegen Verbrecher, daher Polizei und Gerichte, sei es – am wichtigsten überhaupt – gegen die Tyrannei der Mehrheit, daher Schutzrechte für Minderheiten und Minderheitsmeinungen.“
Bei Rand liest sich das so: „Die legitimen Funktionen einer Regierung fallen in drei Kategorien, die in Bezug auf körperliche Gewalt und den Schutz der Rechte des Menschen alle Fragen abdecken: Die Polizei, um Menschen vor Kriminellen zu schützen – die Armee, um Menschen vor ausländischen Angreifern zu schützen – und die Gerichte, um Streit unter Menschen anhand objektiver Gesetze zu schlichten.“
Posener mag inhaltlich das richtige meinen. Allerdings könnte er sich dafür auf Rand berufen anstatt ihr Gegenteiliges zu unterstellen. So ist das einfach nur unredlich.
Vielen Dank für Ihre Hinweise, lieber Harald Wiese. Die Ausführungen von Ayn Rand, die Sie zitieren, sind zwar nicht originell, aber gerade deshalb richtig. Vielleicht hatte sie mit 62 eine gewisse Altersweisheit erreicht. Außerdem galt es 1967 die liberalen Ideen zu verteidigen gegen einen ausufernden Nanny-Staat. Ihre Anhänger beziehen sich aber nicht auf diese gut liberalen Argumente, sondern auf die frühe Ayn Rand der 1930er und 1940er Jahre, auf die sich meine Kritik bezieht.
@Harald Wiese
Sie sprechen einen Punkt an, der mir immer wieder auffällt, wenn Sie derzeit mit Vertretern der Meinungen des vorherrschenden linken Establishments diskutieren:
Wenn Sie die individuelle Freiheit bedroht sehen, wird Ihnen Verantwortungslosigkeit und Unreife unterstellt, wenn Sie innere Sicherheit z.B. durch falsche Wirtschafts- oder Energiepolitik bzw. falsche Anreize bei der Immigration bedroht sehen, wird Ihnen Autoritarismus, Staatsgläubigkeit oder gar Rassismus unterstellt.
Das führt natürlich zu gar nichts, nur müssen sich die so Unterstellenden nicht wundern, wenn sie arrogant, selbstgerecht und unredlich wirken und man ihnen übel nimmt, daß man nicht ernst genommen wird. Ich sehe wohl den Autor des Textes, über den wir hier diskutieren, nicht in dieser Reihe, denn er stellt sich ja seit Jahren der hier und anderswo der Diskussion wie wenig andere. Daß Ayn Rand „altersweise“ geworden wäre.. nun ja, wenn ich an Autoren wie Aldous Huxley oder George Orwell denke, erscheint mir auch ihre Gesellschaftskritik eher in der Angst vor vor der totalitären Massengesellschaft begründet zu sein. Ihr da tiefere Einsicht in die Erfordernis eines funktionierenden Staatswesens abzusprechen, das halte ich auch für eine kaum belegbare Unterstellung.
Lieber KJN, ich habe Ayn Rand nicht „tiefere Einsicht in die Erfordernis eines funktionierenden Staatswesens abgesprochen“. Ich habe nur gesagt, dass sich die von @Harald Wiese angeführten Gedanken so fast wörtlich bei liberalen Denkern des frühen 19. Jahrhunderts finden, ob das Thomas Jefferson, Robert Hamilton oder Edmund Burke sind. Und ja, die moderne industrielle und postindustrielle Gesellschaft wirft Fragen auf, die mit diesen Gedanken nur unzureichend beantwortet werden können. Ich finde es da wenig hilfreich, von „Vertretern der Meinungen des vorherrschenden linken Establishments“ zu schwadronieren, als ob noch das, was Alexander Gauland zutreffend „die Gesäßgeographie der Nationalversammlung von 1848“ nennt, irgendeine Hilfestellung zum Verständnis der Gegenwart bieten würde. Ist Steve Bannon „links“ oder „rechts“? Gehört Donald Trump zum „Establishment“? Wer herrscht hierzulande? Die Öffentlich-Rechtlichen Medienanstalten, oder Musk, Zuckerberg, Bezos, Thiel und Co.? Mein Beitrag zeigte Verbindungslinien auf zwischen einer antiautoritären Denkerin und autoritären Antidemokraten, und in Zeiten der neuen Unübersichtlichkeit sollte man – egal, auf welcher Gesäßhälfte man hauptsächlich sitzt – bereit sein, solche Linien zu sehen und zu verfolgen.
Lieber AP, lassen Sie uns doch mal über das sprechen, was Ayn Rand, die „dumme Person“, deren Anhänger „außer Rant und Band“ geraten, wirklich schreibt und nicht über das, was wir oder andere denken, was sie meinen könnte.
Sie schreibt in ‚Die Tugend des Egoismus‘, S.26, zusammenfassend über die Erfordernis von Ethik: „Ethik ist kein mystisches Hirngespinst und keine gesellschaftliche Konvention – und ebenso wenig ist sie ein entbehrlicher, subjektiver Luxus, den man abschalten oder in einem Notfall wegwerfen kann. Ethik ist eine objektive metaphysische Notwendigkeit des menschlichen Überlebens – nicht aufgrund des Übernatürlichen, Ihrer Nachbarn oder Ihrer Launen, sondern aufgrund der Realität und der Natur Ihres Lebens.“
Ersetzen Sie die „metaphysische Notwendigkeit“ durch naturwissenschaftlich begründbare evolutionär bedingte Notwendigkeit, dann haben Sie die Idee ihres Weltbildes aus heutiger Sicht schon gut verstanden. Zum Menschenbild ergänzt sie noch (gleiche Textsammlung, ab S.9, die ich aufgrund der gebotenen Kürze mit eigenen Worten zusammenfasse: Der Mensch muss spürbar Nutznießer der eigenen moralischen Handlungen sein dürfen und können, sonst steht die moralische Handlung stets in der Gefahr, die eigene Existenz zu gefährden und die Gesellschaft zerfällt in Opfer, die moralisch handeln und Täter, die die Moral ignorieren. Desweiteren (wieder Zitat, S.30):“Produktive Arbeit ist der zentrale Zweck im Leben eines rationalen Menschen, der zentrale Wert, der die Hierarchie aller seiner sonstigen Werte integriert und bestimmt. Vernunft ist die Quelle, die Voraussetzung seiner produktiven Arbeit – Stolz das Resultat. … Das Grundübel des Menschen .. ist der Akt, den Fokus seines Geistes auszuschalten, die Aussetzung seines Bewusstseins, was nicht Blindheit ist, sondern die Weigerung, etwas sehen zu wollen, nicht Unwissenheit, sondern die Weigerung etwas wissen zu wollen.“
Sie folgert das aus ihren vorhergehenden Naturbetrachtungen über Tier und Mensch, in denen sie der Tierwelt übrigens nicht explizit Bewusstsein abspricht (anschlussfähig an den Biologen und Philosophen Wolf Singer), jedoch Menschen vorwirft, ihr Bewusstsein willentlich auszusetzen, um Verantwortung loszuwerden, zu deligieren etc.
Das, erstens, klingt in meinen Ohren nicht nach „Außer Rant und Band“ und ist zum zweiten für einen naturwissenschaftlich orientierten Menschen sehr schlüssig bzw. sollte es sein, falls er seiner Disziplin tiefere Bedeutung zumisst. Die Autorin leitet nämlich menschliche Tugenden aus den Erfordernissen des Lebens, des Überlebens ab, ähnlich übrigens, wie die katholische Theologie mit ihrem Naturrecht. Das positive Recht seit der frz. Revolution möchte bezüglich dieser Zusammenhänge bekanntlich lieber blind bleiben und liefert seitdem menschliche Werte, die Ethik den Vorlieben jeweilig vorherrschenden politischen Strömung aus. Hier dürfte der Faschismusvorwurf ‚Biologismus!!‘ gegenüber Ayn Rant zu erwarten sein, oder in abgeschwächter Form ‚Das Recht des Stärkeren‘. Hierzu schreibt sie bereits einleitend S.7 der genannten Textsammlung:“Der Altruismus erklärt, daß jede Handlung, die anderen nutzt, gut ist und daß jede Handlung, die einem selbst nutzt, böse ist. Daher ist der Nutznießer einer Handlung das einzige Kriterium für moralischen Wert – und solange wieder Nutznießer jemand anderes, als man selbst ist, ist alles erlaubt.“
Ich möchte hinzufügen: Jede Macht, jede Willkür, jede Gewalt, jede ‚Maßnahme‘, jeder Krieg…
Egoismus jedoch, jedenfalls wie Ayn Rant ihn erläutert, schafft – Gerechtigkeit (!). Man kann ihr vielleicht einiges vorwerfen, aber sie war weder „dumm“ noch Misanthropin. Und es mag nicht „originell“ sein, was sie schreibt, aber das ist zumindest für mich kein Qualitätskriterium.
In den folgenden Texten (187 Seiten, bis 1964) dekliniert sie die umrissene Sichtweise ihrer „objektivistischen Philosophie“ für die gesellschaftlichen Phänomene (Menschenrechte, Rassismus, falscher Individualismus..) durch. Mit verblüffender Aktualität.
Lieber KJN, sie schreiben: „Lassen Sie uns doch mal über das sprechen, was Ayn Rand, die „dumme Person“, deren Anhänger „außer Rant und Band“ geraten, wirklich schreibt und nicht über das, was wir oder andere denken, was sie meinen könnte.“ Ich weiß nicht, wer Ayn Rand „dumm“ genannt oder gesagt hat, ihre Anhänger gerieten „außer Rant und Band“. Ich war’s nicht, und es ärgert mich, dass Sie sich mit solchen Unterstellungen selbst in Rage reden, während Sie gleichzeitig zur Sachlichkeit aufrufen. Aber bitte und nochmal: „Lassen Sie uns doch mal über das sprechen, was Ayn Rand wirklich schreibt und nicht über das, was wir oder andere denken, was sie meinen könnte.“ Guter Vorsatz. Und dann zitieren Sie Ayn Rand, die meint, die Ethik sei „eine objektive metaphysische Notwendigkeit des menschlichen Überlebens“, was das auch immer bedeuten mag. Und Sie, der Sie dafür sind, „über das (zu) sprechen, was Ayn Rand wirklich schreibt und nicht über das, was wir oder andere denken, was sie meinen könnte“, KJN zum Beispiel, Sie schreiben: „Ersetzen Sie die „metaphysische Notwendigkeit“ durch naturwissenschaftlich begründbare evolutionär bedingte Notwendigkeit, dann haben Sie die Idee ihres Weltbildes aus heutiger Sicht schon gut verstanden.“ So aber wollten Sie gerade nicht über Ayn Rand reden.
Ich lehne jede „metaphysische Notwendigkeit“ ab. Ich lehne jedes Gerede von „objektiver Metaphysik“ ab, ob das nun von Christen oder Muslimen oder idealistischen Philosophen stammt, und darüber sollten wir reden, statt leichtfüßig die Ergebnisse von Richard Dawkins und anderen Anti-Metaphysikern, die in mühsamer Kleinarbeit nachgewiesen haben, wie aus dem „egoistischen Gen“ das altruistische Verhalten von Tieren und Menschen – ganz ohne Metaphysik – zu erklären ist, der Denkerin, über die wir hier diskutieren, zu unterschieben.
Also: Über Ayn Rand reden: Gern. Und bis heute haben Sie kein Wort – kein einziges Wort! – zu der von mir zitierten Stelle aus „The Fountainhead“ geschrieben. Harald Wiese übrigens auch nicht. Sie erinnern mich an bestimmte Christen Muslime und Marxisten, die jeden Hinweis auf Widersprüche oder schlicht Unhaltbares in ihren Heiligen Schriften mit dem Hinweis auf andere Stellen begegnen, oder mit der Unterstellung, der Kritiker sei nicht tief genug ins Werk gedrungen, verstehe nicht, was „eigentlich“ gemeint sei, sei parteiisch, voreingenommen, feindlich usw.; reden wir also über „objektive metaphysische Notwendigkeiten“ und schwadronieren wir nicht über das katholische Naturrecht, empören wir uns nicht vorauseilend über den von niemandem erhobenen Vorwurf des „Biologismus“ gegen Ayn Rand. Reden wir also über das, was Ayn Rand wirklich geschrieben hat und nicht über das, was ihre Apologeten oder Kritiker denken, was sie gemeint haben könnte.“ Dann kommen wir weiter.
Und ich fange gleich an: „Der Altruismus erklärt, daß jede Handlung, die anderen nutzt, gut ist und daß jede Handlung, die einem selbst nutzt, böse ist. Daher ist der Nutznießer einer Handlung das einzige Kriterium für moralischen Wert – und solange wieder Nutznießer jemand anderes, als man selbst ist, ist alles erlaubt.“
Es tut mir Leid, aber das ist Unsinn. Erstens ist der Altruismus keine Denkschule. Der Altruismus ist eine Eigenschaft oder eine Gruppe von Handlungen, die als altruistisch, also nicht-eigennützig, gekennzeichnet werden. Und noch einmal: Richard Dawkins und andere haben gezeigt, dass der Altruismus evolutionär entsteht, evolutionär genau so wichtig ist wie der Egoismus. Ich will das hier nicht ausführen, lesen Sie dazu „Das egoistische Gen“. Sie interpretieren (!) Rand dahingehend: „Egoismus jedoch, jedenfalls wie Ayn Rant ihn erläutert, schafft – Gerechtigkeit (!).“
Nun, man kann den Egoismus immer so „erläutern“ – sprich umdefinieren -, dass er alles „schafft“. Dawkins, ich reite ein wenig darauf herum, weil Sie ja gern auf „naturwissenschaftlich begründbare evolutionär bedingte Notwendigkeit“ rekurrieren, wie ich auch, zeigt, wie der „Egoismus“ der Gene notwendigerweise auch genetisch bedingten Altruismus hervorbringt, oder „schafft“. Adam Smith zeigte, wie der Egoismus der einzelnen Marktteilnehmer in Summe die rationalste Verteilung von Ressourcen und Waren „schafft“. Alles ohne Rekurs auf Metaphysik oder gar objektive Metaphysik oder „objektive metaphysische Notwendigkeit“, eine Formulierung, die eher an Josef Stalin als an die Philosophie der Aufklärung erinnert.
„… als ob noch … „die Gesäßgeographie der Nationalversammlung von 1848“ …, irgendeine Hilfestellung zum Verständnis der Gegenwart bieten würde. “
Hinzu kommt, Klaus J. Nick,
die Psychologisierung der Akteure. Also das Hinterfragen deren eigenen Eigenpositionierung.
Als ich 1984 zum zweiten Mal einsaß, lud mich der Hallesche Bezirksstaatsanwalt Schwarz in sein Büro und erklärte mir, dass ich gegen mein eigenes Selbst handele. Weil die Errichtung des Sozialismus in der DDR mein eigenes Interesse sei und ich eben leider zu geistig umnachtet sei, das zu erkennen.
Wenn Sie sich ein Abo der WElt leisten würden, könnten Sie hier den Nachweis lesen, dass Alexander Gauland auch zu blöd ist, sich selbst zu erkennen. Sich gewissermaßen slbst verraten habe:
https://www.welt.de/politik/deutschland/plus6913490d71dafa6e0afd0699/alexander-gauland-der-verraeter-seiner-einstigen-werte.html
Lieber Bodo Walther, mit der „Psychologisierung der Akteure“ haben Sie natürlich einen Punkt.. ‚ich will ja nur dein Bestes‘ sollte jeden hellhörig machen. Ich finde nur man sollte den bisweilen deutlichen Ton von Ayn Rand nicht mit glühendem Idealismus verwechseln. Ich komme darauf in meiner Antwort an Alan Posener. Ein Welt Abo habe ich seit langem, den Artikel von AP über Gauland hatte ich gelesen und letzterer war aber m.A. nach gar nicht daß Thema.
Lieber AP, es wird jetzt etwas mühsam:
1.) https://starke-meinungen.de/blog/2025/11/19/wie-libertaere-zu-nuetzlichen-idioten-der-autoritaeren-werden/comment-page-1/#comment-103123
2.)
„..Ayn Rand halte ich für eine im Kern dumme Person,..“
https://starke-meinungen.de/blog/2025/11/19/wie-libertaere-zu-nuetzlichen-idioten-der-autoritaeren-werden/comment-page-1/#comment-103078
Ich empfinde das nicht als schlimm, aber möchte meine Sympathie für Ayn Rand gegen diese Abqualifizierung verteidigen.
Daß Sie der Begriff ‚Metaphysik‘ triggert, habe ich befürchtet und deswegen versucht, ihn in die derzeitige Zeit zu übersetzen und dazu gehört auch eine Interpretation, die aber – aus meiner Sicht zumindest – die Aussage nicht verfälscht. ‚Metaphysik‘ darf man auch als ’noch nicht verstandene Physik‘ interpretieren, da ist der Physiker (Naturwissenschaftler) mittlerweile gelassener, weil er weiß (und hofft) daß seine Disziplin ein Prozess bleibt, der keine Absolutheit, bestenfalls jedoch verlässliche Theorien liefert. Da Richard Dawkins entgegenzusetzen, erscheint mir, mit Verlaub, daher ein wenig zu billig, vor allem weil er selber auch seine harsche Haltung gegen die Theologie relativiert. (gegoogelt z.B. hier:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/der-atheistische-evolutionsbiologe-richard-dawkins-und-das-kulturchristentum/ ).
Ich bin daher schon länger der Meinung (dokumentiert auch hier, daß der angebliche Gegensatz von Religion und Naturwissenschaften nie existiert hat und nur eine Folge eines dogmatischen Wahrheitsanspruchs auf beiden Seiten ist.
„Ich lehne jede „metaphysische Notwendigkeit“ ab. Ich lehne jedes Gerede von „objektiver Metaphysik“ ab, ob das nun von Christen oder Muslimen oder idealistischen Philosophen stammt, und darüber sollten wir reden..“
Deswegen hatte ich versucht zu „übersetzen“. Wenn Sie mir erklären, an welcher Stelle Ayn Rand wirklich „idealistisch“ ist und nicht nur versucht, eine Philosophie, die sich hart an der Realität des Lebens orientiert, dann bin ich ja bei Ihnen. Furor über Begriffe reicht mir wohl nicht.
Daß die Evolution Kooperation beinhaltet weiß ich auch.. eben. Da ist er, versteckt, oder direkt, der Eigennutz der Kooperation. Und Altruismus ist natürlich keine „Denkschule“ aber oft genug die Forderung nach Altruismus der Anderen zum Eigennutz und genau gegen diese scheinheiligen Moralisierungen richtet sich Ayn Rand, in dem sie sich um eine „objektivistische“ (an der Lebenswirklichkeit orientierte) Sichtweise des altruistischen Handelns bemüht, die ohne Täuschung anderer auch zum Eigennutz führt. Die mittlerweile (auch in der Tierwelt übrigens) von der Evolutionstheorie bestätigt und weitgehend akzeptiert wird. Und die sich in der Praxis, z.B. als Selbständiger, der ich lange war, als Überlebensstrategie erweist: Netzwerke, ‚eine Hand wäscht die andere‘ wo gar nichts negatives dran ist und Sie haben nicht nur einen Chef, sondern viele, die Kunden. Hilfsbereitschaft ist eine Charakterzug, ohne den im echten Leben ganz ‚objektivistisch‘ nichts geht. Interessanterweise halten es gerade linke Ayn Rand -Gegner, wenn sie von ‚Zusammenarbeit‘, ‚Empathie‘, ‚Humanismus‘ usw. reden, für notwendig, diese evolutionsbedingten, ja natürlich im Menschen angelegten Eigenschaften zu institutionalisieren, an einen Staat zu deligieren. Das muss dann doch mit deren Menschenbild zusammen hängen. Auch thematisiert Ayn Rand, wenn man sie denn liest.
Ich möchte ja gar nicht verschweigen, daß auch die Figur des einsamen Helden oft dazu dient, zu manipulieren und auszubeuten, eine Zeit lang waren wir alle ‚Manager‘, ‚Ich-AGs‘ und mit der richtigen ‚Anlagestrategie‘ bald Millionäre. Nur muss man den Gewinn, den ein Autor bringen kann, auch wollen.
Ach ja: Ich erinnere Sie also an dogmatische Christen oder Muslime.. Ich bin nicht sehr begabt für Rollenspiele, ich verbuche das daher mal als Erfolg.. Eher gehörte ich zu den ersten, die z.B. bei Merkels „Das ist Alternativlos“ stutzten. Tatsächlich sehe ich in dem mitreißenden Monolog von Gary Cooper als verkannter Architekt in dem Film „The Fountainhead“ eher eine emanzipative Aufforderung, den Lebenskampf, die Konkurrenz, die Strategien und Machenschften als gegeben zu akzeptieren, als eine Verherrlichung des Genies, der Stärke und des solitären Helden oder Führers dem man gerne folgt. Es geht eben ganau nicht darum, zu folgen, sondern bei sich zu bleiben. Und Sie, lieber AP haben kein Monopol darauf, vorzugeben, wie die Aussagen Ayn Rands verstanden werden sollen bzw. wo Lesen aufhört und Interpretation anfängt. Wäre ich Pädagoge, würde ich Schülern beide Strategien für das eigene Leben aufzeigen, die (egoistische) Entwicklung der eigenen Fähigkeiten, aber auch viele unterschiedliche Interessen zu pflegen, um sich die Welt, wie sie ist, zu erschließen und den Anschluss an die Mitmenschen nicht zu verpassen. Und: Nicht jeder verkannte Postkartenmaler wird zum menschenverachtenden Diktator. Hitler war kein Ayn Rand – Fan, sondern Kollektivist.
Wenn wir beide das allerdings noch nicht mal schaffen, uns zu verständigen, weiß ich auch nicht weiter.
Lieber KJN, ohne mich zu erheben: ich bin ein relativ gefragter Journalist, und ich muss auch viel schreiben, weil meine Rente (so viel zu den Akademikern) nicht reicht; und dennoch verbringe ich viel Zeit damit, auf Ihre Kommentare einzugehen. Das geht aber nur, wenn wir über das Gleiche reden. So, und nun vorneweg: Stimmt, ich habe Ayn Rand als dumm bezeichnet. Ich bleibe auch dabei, wenn man damit ihren intellektuellen Beitrag zur Theorie der Freiheit meint; dass sie als Selbstvermarketerin und Sektenführerin höchst clever war, bezweifle ich nicht.
Zurück also zum Zitat, und es fällt Ihnen vielleicht auf, dass ich mir damit mehr Mühe gebe als Sie mit dem Zitat, das ich aus „The Fountainhead“ anführte. Mich „triggert“ nicht der Begriff Metaphysik. Ich habe mit Gewinn Kants „Metaphysik der Sitten“ gelesen. Bei Kant freilich ist Metaphysik das schlicht Apriorische, nicht wie bei Ihnen „noch nicht verstandene Physik“. Es tut mir Leid, aber philosophische Begriffe haben eine Bedeutung und eine Geschichte, und man kann sie nicht einfach mit „für mich bedeutet x aber y“ abtun. Sonst kann es keine Diskussion geben.
Ähnliches gilt für The Fountainhead. ich zitiere den Roman, Sie zitieren die Rede aus dem Film. Sie sind nicht identisch. Sie schreiben: „Tatsächlich sehe ich in dem mitreißenden Monolog von Gary Cooper als verkannter Architekt in dem Film „The Fountainhead“ eher eine emanzipative Aufforderung, den Lebenskampf, die Konkurrenz, die Strategien und Machenschaften als gegeben zu akzeptieren, als eine Verherrlichung des Genies, der Stärke und des solitären Helden oder Führers dem man gerne folgt.“ Aber was „Sie darin sehen“, ist – sorry – schnurz. Man muss schon am Text arbeiten, wie ich ihn zitiere, und bis jetzt weigern Sie sich, das zu tun.
Im Übrigen, aber das nur nebenbei: Einsame architektonische Genies, die von ihren Auftraggebern – hier ein großer Konzern – nicht verstanden werden und immer wieder Abstriche an ihren genialischen Werken vornehmen mussten, hat es im 20. Jahrhundert weiß Gott genug gegeben, von Erich Mendelsohn über Le Corbusier bis Frank Gehry. Und in 90 Prozent der Fälle wünscht man, ihnen wären noch mehr Fesseln angelegt worden. Schauen Sie sich Le Corbusiers Entwurf für die Neugestaltung von Paris an, oder Hans Scharouns Pläne für den Wiederaufbau Berlins; und, und und. Eine Architektur, die das Genie feiert und nicht die – leider sehr gewöhnlichen – Nutzer, ist weniger wert als nichts. Und das wissen Sie merkwürdigerweise, wenn es nicht gerade Ayn Rand ist, die dem einsamen Genie das Wort redet.
https://m.youtube.com/watch?v=ma3ZnU29YFg
Freunde, ich wünschen euch einen schönen 1. Advent und eine besinnliche Adventszeit!
Alleluja, alleluja – Psalm 85
(84) Nach der Heimkehr aus der Verbannung
8 Laß uns, Herr, deine Gnade schauen und gewähre uns dein Heil!
… Genossen, was für ein Gejammer. Vielleicht kann jemand hier mal ‚libertär‘ erklären. Bei individueller Freiheit, Autonomie (Nationalstaat) freie (soziale) Marktwirtschaft und Demokratie gehe ich mit.
Was aaaber die Veralberung von Natur und Wissenschaft und Recht – ‚UnsereDemokratie‘, Klima-Hip-Hopp, mehr als zwei Geschlechter, Sprachverstümmelung, u.a.m. – damit zu tun haben, wissen wohl nur Ideologen. Oder?
… und ja; die Tyrannei der Geringsten und Dümmsten, der Oberflächlichen, der Neidischen und der Dreiviertels-Schauspieler (Nietzsche über Sozialismus) hat fertig.
Und das ist auch gut so. Es leben die ’nützlichen Idioten‘. 😉
(Antwort unten im Thread funktioniert nicht)
Lieber Alan Posener, ja, Milei hat etwas von Thatcher. Natürlich sind Stil und Kontext anders. Jedenfalls ist er nicht durchgehend freiheitlich, siehe zB seine Positionen zu Familie, Abtreibung und seine Medienschelten.
Lieber Klaus J. Nick, wenn man Rand zu Ende denkt, landet man wohl in so einer Gesellschaft: Ein Nachtwächterstaat, in dem der Staat nur Polizei, Militär und Gerichte stellt, eine Art Unternehmensgesellschaft, in der große Player ohne Regulierung agieren, ein radikaler Leistungs- und Erfolgsindividualismus/eine Art Silicon-Valley-Meritikratie hoch zehn und ein Kult des Starken, in dem Empathie und Gemeinsinn als Kollektivismus verunglimpft werden. Ob man so leben möchte, ist eine andere Frage, ich jedenfalls nicht (und ich bin selbständig und komme mit US-Kunden zurecht).
Liebe Kerstin, “Stabilität oder Chaos?” bezog sich nicht auf deutsche Befindlichkeiten. Kommt Argentinien eher in Richtung Chile oder zurück in die Spirale: Hyperinflation, Kollaps, Militärputsch und/oder peronistische Revanche? Als ich dort war, sah ich die Folgen des dysfunktionalen Staates, Bargeldengpässe, ausgefallene Bankautomaten, Gewalt, ich stand 2 Nächte in Schlangen vor Krankenhäusern für eine Gelbfieberimpfung, bis ich aufgab und sie mir über Beziehungen besorgte und mein bester argentinischer Freund operierte nächtelang Gehirnverletzungen aus den Drogenkriegen in Rosario etc. Das war unter Macri, danach kamen wieder die Peronisten, und die Lage verschlechterte sich weiter. Trotzdem ist das Land, wenn man weiß, wie man sich bewegt, schön und lebenswert. Und eines: egal ob arm oder reich, ob Peronist oder nicht, niemand beklagte sich, jammerte und nörgelte vor mir, wenn überhaupt machten sie sich über ihre Lage lustig. Der Humor scheint in D dagegen erstaunlich gut darin, sich zu verstecken.
Zur AfD: Die Gründer waren nicht libertär. Sicher tummeln sich in diesem Sammelbecken aus Enttäuschten, Verbitterten, Autoritären und Glücksrittern auch einige Rechtslibertäre. Höcke hat jedenfalls weit mehr mit Perón gemein als mit einem Libertären. Und Perón wiederum bediente sich nicht zufällig an einzelnen wirtschaftspolitischen Ideen unserer Nazivorfahren und nahm nach 45 ja auch gern einige von ihnen auf.
Ich versuchte Analyse. Sie schreiben mir deutsche Befindlichkeiten zu. Ich behaupte nicht, dass die AfD libertär sei, sondern schrieb, dass sie „m. E. Trittbrettfahrer libertärer Propaganda“ wäre. Genau darin sah ich die Verbindung. Da ich mich eine Weile mit der Globalgeschichte, Weimarer Republik, dem NS, der DDR, Transformationsgeschichte und der Verbreitung und Wirkung von Propaganda auf Massen beschäftigt, ist mir die argentinische Geschichte nicht gänzlich unbekannt. Argentinien war von 1976 bis 1983 eine Militärdiktatur mit ca. 30000 Todesopfern. Wenn ich die Nachrichten richtig lese, dann benutzt J. Milei in Argentinien ebenfalls einen Populismus gegen LGBTQ+, woke, Feminismus usw. Er hat einige Institutionen gegen Diskriminierung abgeschafft und spart an der Erinnerungskultur zur Diktatur. Mensch kann vielem kritisch gegenüber stehen, doch der Ausgangspunkt der Diskussion hier war, dass der demokratische Staat die Freiheiten seiner Bürger schützen sollte. Ansonsten will ich noch mal auf das Buch von Quinn Slobodian verweisen.
Liebe Kerstin, mit Verlaub. Ich hatte über das als “libertär” etikettierte Experiment in Argentinien geschrieben und genau das hat mit Ihrer Argumentationsrichtung schlicht nichts zu tun.
Sie vermischen völlig unterschiedliche Ebenen: osteuropäische Transformationsgeschichte, die AfD, Propagandawirkungen, Argentinien und Slobodians Analyse extraterritorialer libertärer Exit-Ideologien (ob die empirisch immer so sauber ist und nicht ein wenig normativ gefärbt, sei dahingestellt) und ziehen daraus Verbindungen, die analytisch so belastbar sind wie ein Klappstuhl im Orkan.
Slobodian beschreibt Projekte, die Demokratie umgehen wollen: Privatstädte, Sonderzonen, Sezessionen, extraterritoriale Enklaven.
Was er nicht beschreibt: wirtschaftliche Reformpolitik innerhalb demokratischer Institutionen.
Argentinien unter Milei ist, ob man seine Politik gut findet oder nicht, das genaue Gegenteil: ein marktwirtschaftlicher Reformversuch im Rahmen eines demokratischen Staates, ohne Sonderzonen, ohne Sezessionspläne, ohne Privatstädte. Er betreibt harte Staatssanierung, aber keinen Exit aus staatlicher Ordnung. Dass er dabei auch Rechtspopulismus einsetzt, ist unbestritten. Aber Antiwoke-Rhetorik ist kein Zonenliberalismus à la Thiel und Dubai, kein Hongkong-Modell, keine Freihandels-Enklave wie Singapur, kein Tech-Enklavenprojekt wie Prospera und schon gar nicht das “Silicon Valley als Kolonialmacht“.
Kurz: Die libertären Experimente, über die Slobodian spricht, haben mit Argentinien in etwa so viel gemeinsam wie die Seychellen mit der DDR.
Wer Milei kritisieren will, findet reichlich Material, nur eben nicht in Slobodians Buch. Und ebenso wenig lässt sich die AfD als Trittbrettfahrerin der libertären Extraterritorialitäts-Ideologie einordnen, was nicht ausschließt, dass einzelne Strömungen der Partei gelegentlich auf libertäre Träumereien wie die von Rand aufspringen.
Es ging mir beim Verweis auf das Buch von Slobodian vor allem um die Denkschulen. Dabei schreibt er auch über Projekte in London, Luxemburg, USA. Ich schreibe auch nicht, dass alle Libertären, dieser Denkschule folgen, doch sehe ich auch bei Milei entsprechende Muster. Ich wünsche J. Milei mit seinem Experiment – wenn ich schon Experiment lese – viel Erfolg. An diesem „Experiment“ sind Menschen beteiligt. Sie hätten mir Ihre Einschätzung zu J. Milei wirtschaftlicher Reformpolitik gern anders mitteilen können. Wenn diese sich innerhalb demokratischer Institutionen bewegt und bleibt, um so besser.
Lieber Ben Frick, ich bitte Sie..
„Zuende denken..“ das machen totalitär denkende Menschen, die die Welt wie Descartes als determiniert en Mechanismus sehen. Und deswegen wird da auch in Ideologien gedacht, die den Menschen nichts zutrauen und ihn daher ständig gängeln, zähmen, eine bestimmte Gesinnung abverlangen usw. Das hatten wir in der jüngeren Geschichte zur Genüge. Ihre Dystopie, die Sie aufgrund der Ideen von Ayn Rand entwerfen, hat es jedoch noch nie gegeben. Und ich bin bestimmt kein Fan der Silikon Valley , aber der Hype darum ist vor allem der Dummheit und die Angst der anderen geschuldet. Vor einem Jahr ging die Welt am CO2 zugrunde, jetzt an der KI und nächstes Jahr wird es auch etwas geben, wovor Sozialisten und europäische Bürokraten den unmündigen Bürger zu schützen vorgeben. Tun sie aber nicht: Ich kann Ihnen x Beispiele über das Geschäftsgebaren in der Telekom-Branche nennen. Hier in Deutschland. Ayn Rand hat damit nichts zu tun. Eher die derzeitige herrschende Ideologie des staatlich gepamperten Günstlingenkapitalismus.
Lieber Klaus J. Nick,
wenn schon das bloße Weiterdenken einer Ideologie und ihrer Auslegungen als “totalitär“ gelten soll, dann nehme ich den Titel des Hobby-Diktators gern an.
Ich nehme Rand ernst: die klaren Feindbilder, das dualistische Gut-Böse-Schema, die fast schon messianische Überhöhung des genialen Einzelnen und die Idee, dass der Staat nur stört. Das ist keine Beschreibung der Welt, das ist eine Heilslehre. Und diese Heilslehre basiert auf einem Menschenbild, das ziemlich eindimensional ist. Der Starke schafft, der Schwache bremst, Empathie gilt als moralischer Selbstmord, gesellschaftliche Rücksichtnahme als Verrat an der eigenen Größe. Das ist keine Naturkonstante. Dass eine Rand-”Dystopie“ nie umgesetzt wurde, ist ja genau der Punkt. Sie bleibt attraktiv, solange sie nicht auf Realität trifft. Zwischen „staatlich gepampertem Günstlingenkapitalismus” und Rands Heroen-Gesellschaft gibt es ein weites Feld freiheitlicher Ordnungen, in denen weder die Schwachen verachtet noch die Starken vergöttert werden und umgekehrt.
“Silicon-Valley-Meritokratie“ war metaphorisch gemeint. Der Ort steht nun einmal für Innovation, andere Cluster kennt hier kaum jemand. Dass einzelne Wort herausgepickt, gründlich missverstanden und zum eigenen Rant genutzt werden, führt dann eher vom Thema weg als hin. Gerade dort sehe ich, wie sehr Fortschritt von Zusammenarbeit abhängt und wie wenig von der randschen Fantasie des genialen Einzelkämpfers.
Rand und Rant. Nicht zufällig ähneln sich diese beiden Wörter.
Lieber Ben Frick, der „geniale Einzelkämpfer“ ist i.d.R. harmlos. Wie die möglicherweise intellektuell bipolare Ayn Rand. Ich fürchte eher die umsetzbaren Ideologien, die alle gaaanz toll finden mit den alternativlosen lösungsorientierten Programmen… befördert von charismatischen Persönlichkeiten, die alle noch toller finden.
Lieber Klaus J. Nick,
Harmlos? Dann ist er ein Einzelkämpfer, und „genial“ hat er sich wohl im Spiegel zugeflüstert. Genial ist da höchstens seine Fähigkeit, konsequent niemanden zu beeindrucken, weder zu Lebzeiten noch in der Nachwelt. Harmlosigkeit ist schließlich kein Talent.
Lieber Bodo Walther,
es ist ja schön, dass Sie das WISSEN mit dem Willen.
Ich frage mich da immer, wie Sie zu diesem Willen kommen? Rein logisch kann man das Wollen nicht wollen. Es passiert einem. Hat Ihr Wille nicht auch ganz viel mit Ihrer damaligen Zwangslage zu tun und ihrer eigenen Empfindsamkeit? Haben Sie vielleicht mit Ihrer eigenen Empfindlichkeit nur spezifisch auf Ihre Umgebung reagiert? Und haben vielleicht andere Menschen mit ihrer eigenen Empfindsamkeit ganz anders auf eine vergleichbare Umgebung reagiert? Ist es wirklich gesteuertes Wollen, wenn manche Menschen glauben, sie treffen eine bewusste Entscheidung, wenn sie mit Freunden auf ein Heavy Metal Konzert gehen? Oder ist es „nur“ eine durch die konkrete Situation generierte neuronale Reaktion, die unser Gehin uns als selbstbestimmte Entscheidung unterjubelt? Wer zufällig auf so einem Konzert landet und etwas geräuschempfindlich ust, wird viel eher zugeben, dass ihn die äusseren Umstände quasi zu einem Handeln oder Wollen getrieben haben. Das mag daran liegen, weil ein Faktor – der Lärm – in dieser Situation so dominant ist. Aber auch in jeder anderen Situation, reagieren wir letzlich „nur“ auf eine Vielzahl von externen und internen Reizen bzw. Faktoren. Dass unser System so angelegt ist, dass man sich einreden kann, man handle autonom, ist ein netter Trick, aber letztlich ziemlich unlogisch.
Sicher, 68er,
ich arbeitete in der DDR 48 Stunden die Woche und erhielt dafür einen Lohn von 550 DDR-Mark Ost. Dann war ich in Haft und wurde von dort in den Westen verkauft und war 24.
Und das Arbeitsamt bewilligte mir 800 Mark Arbeitslosengeld West. Zwei Jahre lang. Als Geheimtipp wurde eine Arztadresse in Westberlin rumgereicht. Der schrieb einen noch ein weiteres Jahr krank. Wegen Haftmacke und so.
800 DM, davon konnte man damals, 1985 leben. Und als ich mit dem Studium begann, hatte ich ja auch nicht mehr an BAFöG.
Mein Glück war damals mein Onkel Wiprecht, der sagte:
„Du bist kerngesund und hast einen Beruf erlernt. Bis Montag hast Du alle Gärtnereien im Ort aufgesucht und sie nach Arbeit gefragt. Und bis Freitag stehst Du in Lohn und Brot. Sonst gibt es einen Tritt in den Arsch!“
Ich finde Ihre Analyse zu Rand und bestimmten Strömungen zutreffend. Der Rand-Kult hat ja auch etwas Sektenhaftes und fällt schnell von Rand in den rant.
Aber schauen wir auf Argentiniens „libertäres“ Experiment, das die deutschen Medien überwiegend verteufeln, aber manche auch als Freiheitsheld idealisieren. Milei teilt mit Rand den radikalen Individualismus, die moralische Überhöhung des Marktes und die Abneigung gegen Kollektivismus, ebenso ein wenig Stil und Rhetorik. Anders als Rand ist er aber kein Heroen-Philosoph, sondern ein Ökonom, der Arme nicht als Versager, sondern als Opfer eines korrupten Staates versteht.
Am stärksten prägen Milei die Denker der Österreichischen Schule, vor allem Hayek und Mises (Anti-Inflation, Minimalstaat, freie Preise), ergänzt durch Rothbards libertären Radikalismus (Staatskritik, Steuer-als-Zwang) und eine Prise Friedmans Pragmatismus (Schulwahl, Deregulierung, Steuersenkungen). Allerdings setzt er all das anders um: Hayek und Mises hätten keinen abrupten Sozialabbau in einer 40%-Armutsgesellschaft empfohlen, Rothbard wollte den Staat abschaffen, Milei stärkt im Gegenteil Polizei, Militär und Justiz, und Friedman war Monetarist, Milei will die Zentralbank gleich ganz eliminieren.
Vieles, was er tut, ist eine improvisierte Mischung aus Theorie, Populismus und der Notlage eines Landes, das jahrzehntelang durch Inflation, Staatsklientelismus und peronistischen Verwaltungsapparat zersetzt wurde. Die kurze liberale Unterbrechung unter Macri scheiterte am dysfunktionalen Staat und am peronistischen Widerstand. Ich war in der Endzeit dieser Regierung ein halbes Jahr im Land: ein wunderschönes Land mit herzlichen Leuten, das seinen Bürgern aber enorm viel abverlangt, was die starke Auswanderung der letzten Jahre erklärt.
Ich würde sagen, Milei ist ein Marktliberaler mit libertärem Kern, kombiniert mit konservativer (Ordnungs-)Politik und populistischer Kommunikation. Vieles kann er per Dekret umsetzen, aber größere Strukturreformen wie Privatisierungen, Ministeriumsabbau sowie Reformen von Bildung und Gesundheit brauchen parlamentarische Mehrheiten, die er nicht hat. Die ganz großen Vorhaben wie Dollarisierung und Abschaffung der Zentralbank erscheinen politisch nahezu unmöglich, weil sie Verfassungsänderungen und Supermehrheiten erfordern.
Er wird Argentinien verändern. Die offene Frage ist nur: in Richtung Stabilität oder in Richtung Chaos?
Und vielleicht bestätigt Argentinien Ihren Punkt: Libertäre Ideen können in einem zerstörten Staat schnell zu Werkzeugen der Starken werden, wobei ich hoffe, dass sich das in Argentinien nicht bewahrheitet, schon weil dort bislang unklar ist, wer überhaupt als ganz stark gelten könnte.
Lieber Ben Frick, danke für diese exzellente Analyse. Ich sehe Milei auch eher in der Tradition Maggie Thatchers (was er natürlich in Argentinien nicht sagen darf) und der chilenischen Reformer als Ayn Rands. Leider ist er stark vom Wohlwollen Donald Trumps abhängig. Es würde der EU gut anstehen, Argentinien stärker zu unterstützen.
Lieber Ben Frick, Ihre Beschreibung bestätigt mich in der Auffassung, daß Milei versucht die Fehlentwicklungen in seinem Land zu beenden, in dem er die Möglichkeiten nutzt, die er in seinem Land hat. Und dazu gehören auch immer Faktoren Populismus und die Romantik (der Kettensäge). Im Kern denke ich, daß er das Richtige tut. Gleiches funktioniert nicht in anderen Ländern, schon gar nicht in Deutschland aufgrund der Mentalität. Es kann immer nur zur Inspiration dienen, die aber, falls die Partei die sie in ihrem Wahlkampf verkörpert, auch nach dem Wahlsieg vertreten muss. Ähnlich sehe ich das mit Ayn Rand. Ihre Hauptgegner sind gerne Menschen, die meinen, etwas ganz oder gar nicht machen zu müssen. Gerne die mit dem 5-Jahresplan.
Es geht m. E. nicht nur um die Wirtschaft, sondern um ein Gesamtpaket über das Sie in dem von mir genannten Buch von Quinn Slobodian etwas lesen könnten, das auch hier in Deutschland verbreitet wurde und für das es z. B. in Ostdeutschland einen Resonanzraum gab. Thilo Sarrazins »Deutschland schafft sich ab« brachte da manches ans Licht. Als Ostdeutsche erlebte ich eine Transformation, wenn auch unter dem Schutz einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, direkt. Über die wirtschaftlich Transformation in Osteuropa und Kotransformation im Westen könnten Sie im Buch »Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent« von Philipp Ther und in vielen anderen nachlesen. Auch hier ging es nicht nur um eine wirtschaftliche Transformation, sondern auch um politische und rechtliche. Viele Menschen können aus den verschiedensten Gründen mit den neugeschaffenen individuellen Freiheiten anderer nichts anfangen. Sie schreiben: „Die offene Frage ist nur: in Richtung Stabilität oder in Richtung Chaos?“ Genau. Allerdings möchte ich dies noch erweitern: Welche Art der „Stabilität“? Es ist die Frage, wen es dabei an die Macht spült. M. E. kam Putin nicht von ungefähr an die Macht. Ich bin weder Historiker, Soziologe noch Wirtschaftswissenschaftler, doch beobachte ich seit über 15 Jahren den Aufstieg der AfD, die m. E. Trittbrettfahrer einer libertären Propaganda ist, die Feindbilder, Verschwörungstheorien, FakeNews usw, verbreitete. Ich habe mich zu wenig mit Mileis Argentinien beschäftigt, doch ein Blick nach Osteuropa stimmt mich für die individuelle Freiheitsrechte nicht gerade positiv.
Ich denke ja, Kerstin. Ayn Rand ist ein emotionales Gesamtpaket. Und es wäre grob fahrlässig, die Resonanz, die sie hat, als dumm, pubertär usw. abzutun.
Ob Amy Rand heute noch eine Säulenheilige der Libertären ist, weiß nicht. Nach diesem Artikel in der Zeit sucht sich jeder von Rand etwas Passendes raus. https://www.zeit.de/politik/ausland/2017-02/ayn-rand-donald-trump-usa-libertarismus-bestseller/komplettansicht Ist eine Gesellschaft aus lauter ganz auf sich „gestellten Individuen“ nicht eine Utopie? Kennen Sie das Buch »Kapitalismus ohne Demokratie« von Quinn Slobodian? In diesem Buch schreibt Quinn Slobodian die Geschichte des Neoliberalismus fort, schreibt über verwirklichte Utopien einer anarchokapitalistischen, antistaatlichen Denkströmung. Dabei zeigt er, dass viele der Akteure keine Berührungsängste zur »extremen Rechten« haben.
„Ohne den liberalen Staat degeneriert die Demokratie entweder in die Anarchie oder in die Herrschaft der Stärksten und Gewissenlosesten oder nacheinander in die Anarchie und die Herrschaft der Rücksichtslosen. Doch genau diese Herrschaft wollen die Randisten.“
Ja, so sieht es wohl aus. Die „Randisten“ wollen – vielleicht liege ich falsch, aber daran erinnert mich ihre Denke – eine Herrschaft der „Stärksten“ in einem Sinne, der das Prinzip „Survival of the fittest“ der Evolutionstheorie komplett missversteht.
„Survival of the fittest“ bedeutet bekanntlich nicht n o t w e n d i g, dass sich die „Stärkeren“ im Sinne irgendeines menschlichen Wertesystems durchsetzten. Es bedeutet nicht n o t w e n d i g Auslese der Kräftigsten, Gesündesten, Klügsten oder sonst wie Begabtesten oder gar der nur wirtschaftlich Erfolgreichsten.
Es bedeutet, dass die Häufigkeit des Vorkommens eines Gens davon abhängt, wie gut das E n s e m b l e der Phänotypen, die zu Genotypen mit diesem Gen gehören, an seine jeweilige Umwelt angepasst ist, um das Gen möglichst erfolgreich zu replizieren.
Dafür kann es unterschiedlich Strategien geben. Zum Beispiel kann jeder Phänotyp des Ensembles versuchen, sich möglichst oft fortzupflanzen; das Ensemble kann aber auch das Ziel verfolgen, die Wahrscheinlichkeit für eine Fortpflanzung nur eines ihrer Mitglieder zu maximieren, nur um die beiden bezüglich der Zahl der sich fortpflanzenden Phänotypen eines Ensembles extremen Strategien zu nennen. Welche erfolgreicher ist, wird jeweils von den Umweltbedingungen abhängen.
„Versuchen“ und „Ziel verfolgen“ sind hier natürlich nur bildlich gemeint. Es liegt kein bewusstes Verfolgen einer bestimmten Strategie vor.
Konkrete Beispiele von Genen, die sich an ihre Umwelt im Sinne des Prinzips „Survival of the fittest“ besonders gut angepasst haben, sind Gene der Genotypen der „handelsüblichen“ Rinder, die wir Menschen zwecks Verzehr in Massen „produzieren“. Sie sind nicht vom Aussterben bedroht, was man von den Genen in Genotypen von uns Menschen nicht „verwerteter“ Rinder nicht behaupten kann.
Die Rinder, die als Klops zwischen zwei Brötchenhälften enden, sind genau die „Sieger“ des „Spiels“ „Survival of the fittest“, im Sinne der „Randisten“ sind sie die „Überrinder“.
Deshalb ist diese Ideologie, die Abwesenheit staatlicher Ordnung würde durch natürliche Auslese eine von uns Menschen w ü n s c h e n s w e r t e „natürliche Ordnung“ etablieren, so ein idiotischer Irrtum.
Dazu benötigt man natürlich gar keine Theorie, sondern muss nur dahin schauen, wo die staatliche Ordnung verloren gegangen ist: zum Beispiel aktuell in die Regionen des Sudans, in denen Menschen gerade fürchterliches Unrecht angetan wird. Warum reisen Libertäre eigentlich nicht dahin zwecks Gründung erfolgreicher Unternehmen ohne staatliche Bevormundung?
Libertären scheint nicht klar zu sein, was der Staat für sie alles leistet. Das sind keineswegs nur Straßenbau, Bildung, ein wenig Verteidigung und Polizeischutz und Streitschlichtung. Dass überhaupt ein friedliches Miteinander möglich ist, verdanken wir dem Tun des Staats, h a u p t s ä c h l i c h seiner Unterstützung sogenannter „sozial Schwacher“. Eigentlich könnte man diese Unterstützung auch Schmerzensgeld oder Schadenersatz nennen, aber das ist ein anderes Thema.
Sozialausgaben sind keineswegs nur Unterstützung der einkommensschwachen Bürgerinnen und Bürger ohne Vermögen, sondern aktive Investition in die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft ohne Bürgerkrieg und Tod und Verderben.
Das kostet. Der Staat geht in Vorleistung, ohne die Einkommenserwerb in einem Ausmaß, das über „von der Hand in den Mund“ hinausgeht, grundsätzlich gar nicht möglich wäre. Deshalb sind Steuern nicht „Raub“, sondern das Begleichen einer Schuld.
Das ist aber nur bildlich gesprochen, um ein bisschen zu provozieren. Volkswirtschaftlich erfüllen Steuern eine andere Aufgabe, der Staat ist kein Betrieb.
Das ist jedenfalls meine Meinung.
PS: Nach meiner Erfahrung in diesem Forum (und anderswo) wird möglicherweise vieles wieder missverstanden. Das nehme ich dann auf meine Kappe, ich hätte es unmissverständlicher ausdrücken müssen. 😉
Lieber Sven Klapproth,
ob das, was „die Randisten“ verkünden gut oder schlecht sei, betrachte ich wie Religionen auch. Sie erschließen sich mir aus der Religionsgeschichte als wiederum Antwort auf etwas eine andere Religion. Eine Antwort, zu der es einen Anlaß gab. Der Anlaß für Алиса Зиновьевна Розенбаум (Alissa Sinowjewna Rosenbaum) war meiner Ansicht nach, der Idee des Sozialismus zu antworten.
Lieber AP..
„Opfermodus“ ist natürlich nicht ungeschickt..
Was bedeutet es denn wirklich, wenn ein sich als Libertärer bezeichnender Hitler ‚inspirierend‘ findet, oder was auch immer. Doch wohl, daß er überhaupt nicht weiß, wie kollektivistisch das Regime war. Und das soll ich.. nein ich pass jetzt auf: Das nehme ich nicht ernst und wüsste auch nicht, was mir das sagen sollte.
Und das
„Mit Verlaub aber: Albert Einstein mit Ayn Rand vergleichen: Außer, dass beide jüdisch waren, haben sie nichts gemeinsam. Einstein war Wissenschaftler, Rand war Ideologin.“
..ist wirklich unter Ihrem Niveau. Da nehme ich also einen zweiten Juden her.. Ich habe davon geschrieben, daß das Denken eine Folge von Emotionen ist. Wer wirklich Wissenschaftler ist, weiß das. Einstein wusste das. Rand wahrscheinlich nicht. Ich kann Ihnen über das Thema Emotion und Denken sehr gutes Buch nennen, wenn es Sie interessiert (und Sie sich wieder abgeregt haben).
Noch einmal, lieber KJN, sine ira et studio: Wenn ein Libertärer Hitler lobt, hat es nichts zu bedeuten. Darum habe ich den Artikel aus „The Tablet“ zum Anlass genommen, grundsätzlich zu werden und mich mit dem Webfehler des Libertarismus zu beschäftigen.
Und ja, ich weiß, dass Emotion und Denken nicht zu trennen sind (und lese gern gute Bücher darüber). Aber ich bestehe auf dem grundsätzlichen Unterschied zwischen Fakten und Interpretationen, Theorien und Ideologien. Die Evolution ist Fakt. Die Relativitätstheorie beschreibt und erklärt Fakten. Karl Marx, Sigmund Freund, Ayn Rand (um nur drei jüdische Kulturkritiker zu nennen) gehen aber nicht von Fakten aus, sondern nutzen Fakten, um ihre vorgefasste Ideologie zu stützen. Das ist ein gewaltiger Unterschied, den Karl Popper (um einen weiteren jüdischen Kritiker zu nennen) im Begriff der Falsifizierbarkeit zusammenfasste. Eine Theorie, die nicht falsifizierbar ist, mag interessant sein, ist aber nicht wissenschaftlich. Man kann dagegen mit Kuhn, Feyerabend und Foucault argumentieren, aber wenn man sieht, wohin diese Relativierung des Unterschieds geführt hat, Stichwort „eleganter Unsinn“ (Sokal), würde ich da sehr vorsichtig sein.
Lieber AP: „Eine Theorie, die nicht falsifizierbar ist, mag interessant sein, ist aber nicht wissenschaftlich.“
Da ist man sich in dieser sehr grundsätzlichen Sache vollkommen einig und dann trotzdem..
Vielleicht kann man sich ja bei der Wahrheitssuche gar nicht einig sein.
Ja, lieber KJN Fakten und Wahrheit sind nicht dasselbe. Ich bin generell dafür, sich über Fakten zu streiten und nicht über die Wahrheit.
Hallo! Die Falsifizierungstheorie von K. Popper finde ich dahingehend interessant, dass man sie selber falsifizieren kann: Falsifizierung und Verifizierung sind im Grunde dasselbe, zwei Seiten einer Medaille. Wenn ein Satz „p“ falsifiziert wird, dann ist der Satz „nicht p“ verifiziert. Und umgekehrt. Das lässt sich auch auf Theorien anwenden, die ja auch nichts anderes sind als zusammenhängende Sätze.
Und das hat Auswirkungen auf „Wahrheit“ und führt dazu dass Fakten von Wahrheit abhängen und sich nicht losgelöst von Wahrheit verstehen lassen.
Das sehe ich anders, lieber Roland Ziegler: Das Problem mit Poppers Theorie ist, dass man sie nicht falsifizieren kann. Und darauf haben Thomas Kuhn und andere hingewiesen. Es handelt sich also weniger um eine Beschreibung und Interpretation, wie die Evolutionstheorie, die falsifizierbar ist, als um eine Definition.
Demnach hätte Popper seine Aussagen immunisiert? Das wäre sehr bedenklich und würde ihren Stellenwert im Diskurs sehr entwerten. Ich glaube dagegen, dass seine Aussagen logischen Charakter haben und in dieser Form falsch sind.
Was dagegen stimmt, ist, dass wir grundsätlzich fallibel sind, also irren können und .
Dies ist selber eine Aussage, die falsch sein kann. Aber (nach allem, was wir wissen un d wissen können) nicht falsch ist.
D.h. die wahr ist. (Vor diesem Wort braucht man keine Angst zu haben.)
Aber egal, das führt zu weit weg. Ihre Überlegungen zum Libertarismus (eine rudimentäre Moraltheorie, die falsch ist), um die es hier ja geht – finde ich richtig. Falsifikation hin, Faktizität her.
Ich habe Poppers Aussage, daß eine wissenschaftliche Theorie prinzipiell falsifizierbar sein muss, immer als Forderung nach einem Arbeitsethos, einer Moral in der Wissenschaft verstanden, die fordert, immer auch das mögliche Scheitern der eigenen Hypothese mitzudenken bzw. zu akzeptieren, besser noch als ein Ergebnis zu begrüßen. Und eben nicht z.B.: ‚Wir messen (belegen) so lange, bis es zur Theorie passt‘. Beliebt ist auch: ‚Ich messe nur da, wo es passt.‘ Weniger beliebt ist heutzutage das Faktum: Wer viel misst, misst viel Mist.
Ja, in etwa. Popper war jedoch strenger. Er meinte, eine wissenschaftliche Theorie müsse Prognosen ermöglichen, deren Bestätigung zwar die Theorie erhärtet, deren Nichteintreten aber – theoretisch zumindest – die Theorie selbst widerlegt. Sein wichtigstes Beispiel war die gravitätisch bedingte Rotverschiebung des Lichts, die Einstein 1911 postulierte, die aber erst 1925 gemessen werden konnte. Man kann sich aber für wissenschaftliche Theorien andere Falsifizierungsmöglichkeiten ausdenken. Würde man zum Beispiel Dinosaurier-Skelette in einer Pliozänschicht finden, wäre das vermutlich mit der Darwin’schen Theorie schwer oder gar nicht zu vereinbaren. Das Problem mit dem „wissenschaftlichen“ Sozialismus auf der anderen Seite ist, dass er zwar jede Menge Vorhersagen macht, allen voran die Verelendung des Proletariats, die zu einer Revolution führt, die ihrerseits die Bedingungen für den Kommunismus schafft, dass aber deren Nichteintreten auch mithilfe der Theorie erklärt wird. Ähnlich ist es bei Freud. Dass die Enthüllung der tiefsten Gründe für Neurosen eben nicht zu einer kathartischen Überwindung derselben führt, sondern dass Leute teilweise jahrelang in Therapie verbleiben, wird nicht als Widerlegung der Theorie akzeptiert. Poppers Forderung wäre also: Wenn man eine Theorie aufstellt, sollte man sagen, unter welchen Bedingungen man sie als widerlegt ansehen würde.
Aber durch das Nicht-Eintreten des Prognostizierten wird die Theorie nicht falsifiziert. Das ist viel zu stark ausgedrückt, ergibt logische Probleme (Falsifikation = Verifikation mit negativem Vorzeichen) und passiert in der Wirklichkeit auch nicht. Stattdessen deutet das Nicht-Eintreten lediglich daraushin, dass hier etwas in der Theorie nicht stimmt. Dass die Theorie nicht „vollständig“ ist oder ein noch ungelöstes Problem enthält. Das ist etwas ganz anderes. Und genauso interpretieren wir z.B. auch die Newton-Physik: nicht als falsifiziert, sondern als einen Spezialfall der Physik. Die Theorie wird erweitert. Man begibt sich auf Fehlersuche oder ergänzende, idealerweise integrative Erklärmodelle, aber tritt die Theorie nicht in die Tonne. Und so „irren“ wir uns tatsächlich im Zuge des Fortschritts „nach oben“.
Doch, das sagte Einstein: Wird die Rotverschiebung nicht beobachtet, dann stimmt meine Theorie über die Gravitation nicht. Und genau das fordert Popper von jeder Theorie, die ernst genommen werden will: dass sie selbst angibt, wie sie falsifiziert werden kann. In der wissenschaftlichen Praxis, das hat Thomas Kuhn gezeigt, läuft es eher so, wie Sie es beschreiben. Freilich: würde ein Apfel nach oben fallen, wäre Newton widerlegt.
Ja, das ist das Argument gegen die Induktion (es stammt von David Hume): Wir sehen täglich, dass die Äpfel nach unten fallen, aber können von den nach unten fallenden Äpfeln nie darauf schließen, dass es nicht igendwann – morgen schon – einen Apfel gibt, der nach oben fällt. Soweit richtig. Für Popper haben wir daher immer nur Vermutungen, nie Wahrheiten. Sobald unsere Theorie falsifiziert wird, ersetzen wir die Theorie durch eine andere, die aber ebenfalls über den Charakter einer Vermutung nie hinauskommt.
Falsch daran ist, dass eines von beiden wahr sein muss: entweder der Satz, der Apfel fällt immer nach unten, oder der Satz, er fällt nicht immer nach unten (sondern nur unter den Bedingungen, denen wir bislang ausgesetzt sind). Eine dieser beiden Annahmen ist keine Vermutung, sondern wahr. Beide (entgegengesetze) Sätze können nicht zugleich falsifiziert werden. Einer davon muss wahr sein.
Lieber Roland Ziegler, auch Popper hielt die Evolution ebenso für ein Faktum wie die Gravitation. Insofern haben wir nicht immer nur Vermutungen, sondern meistens gute Annäherungen an eine Wirklichkeit, die wir nie vollständig erfassen können. Es ging ihm hauptsächlich darum, dass Theorien offen bleiben für ihre eigene Widerlegung und sich nicht – Sie haben den Begriff hier ja auch verwendet – „immunisieren“, wie es die meisten Ideologien tun.
Ja, lieber AP, das haben Sie m.E. bestens erklärt: „Er meinte, eine wissenschaftliche Theorie müsse Prognosen ermöglichen, deren Bestätigung zwar die Theorie erhärtet, deren Nichteintreten aber – theoretisch zumindest – die Theorie selbst widerlegt.“
Deswegen wird noch – zu Recht finde ich – ein Unterschied zwischen exakter Naturwissenschaft (die größeren Teile von Physik, Astronomie, Chemie, Mikro- und Molekularbiologie z.B.) und der Empirie gemacht, die auf Grund der Komplexität des untersuchten Gegenstandes nichts anderes als mathematische Modellierung und Statistik bleibt (Wirtschaftswissenschaften, Epidemiologie, Klima etc.), um ihre Thesen zu belegen.
Die gravitative Rotverschiebung des Lichts hingegen wurde von Einstein durch eine vergleichsweise einfache Gleichung beschrieben, die alle Parameter (Variablen) enthalten sollte, die zu dem Effekt führte. Die zum Beweis herangezogenen astronomischen Daten entsprachen diesem begrenzten Satz von Parametern, auch infolge des im All vorliegenden Hochvakuums. Im Rahmen der akzeptieren Fehlertoleranz (aufgrund physikalischer Erfahrung, Fehlerfortpflanzungsgesetz) konnte eine Übereinstimmung der berechneten und beobachteten Werte festgestellt werden, was der Beweisführung im reinen mathematischen Kontext nahe kommt. Ich formuliere das so ausführlich, um aufzuzeigen, daß hier zwei Gedankenkonstrukte, das der Theorie und das des ‚Experiments‘ (hier der astronomischen Beobachtung) direkt miteinander verglichen werden konnten und zwar vollständig.
Schon z.B. bei den Gasgesetzen (die Druck, Volumen und Temperatur miteinander in Beziehung setzen) ist das nicht mehr möglich. Es gibt die einfache Gleichung für ideale Gase, die nur für Wasserstoff und Helium bei Zimmertemperatur akzeptabel genau gilt und sie muss daher für größere Gasmoleküle durch die bei Physikern als ‚hässlich‘ geltende Van der Waals – Gleichung ersetzt werden, die sog. Korrekturglieder (an die Beobachtungen angepasste Konstanten) enthält, die den sie verursachenden physikalischen Effekten (Wechselwirkungen zwischen den Molekülen) nicht mehr eindeutig zugeordnet werden können. Solche Näherungen (Modellierungen für komplexe Systeme) taugen daher nicht als Beweis oder Widerlegung einer Theorie, als funktionierende Arbeitshypothese sind sie in der Praxis natürlich akzeptiert. Einstein selber verspürte z.B. enormes Unbehagen mit seiner „Kosmologischen Konstanten“, die in die zugörigen Gleichungen eingesetzt wurde, um damals noch als statisch angesehene Universum zu beschreiben. Man sieht, gerade die ernsthaft durchgeführte Naturwissenschaft kommt an Karl Poppers Forderung nicht vorbei, insbesondere der empirische, nur modellierende Teil davon. Und ich vermute die Beschäftigung damit inspirierte auch die Aussage:
„Wenn man eine Theorie aufstellt, sollte man sagen, unter welchen Bedingungen man sie als widerlegt ansehen würde.“
Diese ist z.B. der Experimentalphysik immanent, weil die Versuchsplanung die Theorie mit den Randbedingungen des Experiments vollständig berücksichtigt.
Theorien außerhalb der exakten Wissenschaft, also bei komplexeren Untersuchungsgegenständen lassen sich so nicht beweisen, aber sie lassen sich zumindest prinzipiell widerlegen (oder sollen sich widerlegen lassen) wie Sie am Beispiel Dinosaurier im Pliozän gezeigt haben. Bis dahin gelten sie zumindest als starke Arbeitshypothesen und entsprechen auch dem Popper’schen Kriterium. Das tun wohl die meisten von der Politik zu ihrer eigenen Begründung angeführten Thesen nicht. Und auch sicher die Ayn Rands nicht, wobei ich das von solchen rein politischen Programmen auch nicht erwarte. Im Gegenteil: Es macht mich misstrauisch, wenn Wissenschaft als Begründung für Politik angeführt wird.
Danke für die Erläuterungen, lieber KJN. Und zu Ihrem letzten Satz: „Es macht mich misstrauisch, wenn Wissenschaft als Begründung für Politik angeführt wird.“ Ja, weil die Wissenschaft allenfalls die Bedingungen umreißen kann, innerhalb derer Politik Entscheidungen treffen muss. Also: Weltklima erwärmt sich (wissenschaftliche Aussage): Soll man trotzdem an Atomausstieg festhalten, obwohl Atomkraft fast klimaneutral ist (politische Frage)? Gegen die Wissenschaft in der Politik wird oft angeführt, dass viele Wissenschaftler zu Beginn des 20. Jahrhunderts Anhänger der Eugenik und der Rassentheorie waren. Widerstand kam in erster Linie aus kirchlichen Kreisen. Auch das Beispiel zeigt aber vor allem: Wissenschaft kann die Moral nicht ersetzen, und die Politik argumentiert in einem Spannungsfeld zwischen dem, was sie über die Welt zu wissen meint, dem, was die Moral gebietet, dem, was die Wähler wollen und dem, was realistisch angesichts wirtschaftlicher und politischer Machtverhältnisse erreicht werden kann.
Lieber Alan Posener, Sie skizzieren die – richtige- These des sog. „Fallibilismus“. Poppers „Falsifikationalismus“ ist aber extremer. Seine Theorie ermöglicht eigentlich keinen wissenschaftlichen Fortschritt, der aus einer „Induktion“ von vielen sich bewährenden und bewährten Thesen besteht. Kurz gesagt glaube ich nicht, dass Sie Poppers Theorie korrekt darstellen, sondern eher als Inspirationsquelle nutzen. Was ja auch in Ordnung ist.
…P. Feyerabend hat Poppers Ansatz zu der berühmten These weitergesponnen: „Anything goes“. KJN hat das oben zurecht als „eleganten Unsinn“ bezeichnet. Popper hat erhebliche Anteile an diesem Unsinn.
Ja, lieber AP, die Politik darf die Entscheidungen, die sie selber fällen muss, nicht an ‚die Wissenschaft‘ deligieren. Wozu gehen wir sonst wählen?
Jein. Es gibt wichtige Politik-Bereiche, die sind der Entscheidung der Wähler entzogen, weil man der Ansicht ist, die Wissenschaft oder die Erfahrung oder die Moral habe hier bereits das letzte Wort gesprochen. Mein Lieblingsbeispiel ist die Geldpolitik, auf die Sie beharrlich nicht eingehen. In Israel ist es außerdem die Wasserpolitik. In der Europäischen Union kann die Todesstrafe nicht verhängt werden, egal, was die Wähler sagen. In den USA schon, dort werden außerdem Staatsanwälte und Richter in vielen Bundesstaaten gewählt, hier würde man – zu Recht – die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr sehen – und lässt dann doch die obersten Richter vom Bundestag wählen. Also, it’s complicated. Aber wir sind hier, glaube ich, nicht wirklich weit auseinander.
Und noch abschließend – ich hatte es bereits erwähnt: Wenn Popper seine eigene Theorie gegen sein eigenes Postulat, jede Theorie müsse falsifizierbar sein, immunisiert, spätestens dann müsste jedem klar sein, das hier etwas gründlich schiefgelaufen ist.
Ich antworte hier sozusagen auf Ihr „Bundle“, lieber Roland Ziegler. Um mit dem wichtigsten zu beginnen: Die Bezeichnung „Eleganter Unsinn“ stammt m.W. nicht von Paul Feyerabend, sondern von Alan Sokal und bezeichnet nicht die Wissenschaftstheorie Poppers, sondern die, wenn man will, entgegengesetzte Theorie der postmodernen Strukturalisten Jacques Lacan, Jean Baudrillard, Gilles Deleuze u.a.. Ein wunderbares, hoch amüsantes Buch, das Ihnen gefallen dürfte. Auch Paul Feyerabend – Lieblingsphilosoph von Benedikt XVI – hat wenig mit Popper zu tun.
Dennoch gebe ich Ihnen – und Thomas Kuhn und anderen Kritikern – Recht: So, wie Popper den idealen Wissenschaftsbetrieb skizziert, läuft es in der Praxis nicht. Ich kenne einige Physiker (einer ist Bassist in meiner Band), und deren Arbeit ist extrem kleinteiliges Herumpuzzeln im Rahmen der herrschenden Paradigmen. Wenn ein Experiment missglückt, also nicht das erwartete Ergebnis bringt, wird in der Regel nach einem Fehler beim Experiment – einem Mess- oder Apparatfehler – gesucht, nicht nach einer Revidierung der Theorie gerufen.
Poppers Falsifizierbarkeit wäre, wie die Gesetze der Logik, ohnehin keine Theorie, sondern eine Setzung a priori, und insofern erübrigt sich die Immunisierung, weil die Setzung sich als solche erklärt, wie Kants kategorischer Imperativ oder Occams Rasiermesser. Aber ich gebe gern zu, dass Popper sowohl mit seinem Diktum, die Toleranz gelte nicht gegenüber Intoleranten wie auch mit seiner Wissenschaftstheorie viel Unheil angerichtet hat.
Sokal kenne ich nicht, hört sich gut an, dem werde ich nachgehen. Die Poststrukturalisten haben auf alle Fälle viel „eleganten Unsinn“ erzählt. P. Feyerabend war aber der mit dem „anything goes“. Und bei nicht eintretenden Prognosen messen wir lieber nochmal nach, so lange bis es passt. So wie es Ihr Bassist macht. Das ist auch völlig richtig so. Wenn alle Stricke reißen, es nicht passen, d.h. sich das Ergebnis partout nicht einstellen will, dann ergänzen oder ändern wir die Theorie. So arbeiten „wir“ uns bzw. den Fortschritt nach oben.
@AP „Mein Lieblingsbeispiel ist die Geldpolitik, auf die Sie beharrlich nicht eingehen.“ Wessen Geldpolitik meinen Sie speziell?
Die Politik der Europäischen Zentralbank, der Bank of England, der Fed usw.
Wäre die Unabhängigkeit der Justiz wirklich in Gefahr, wenn Richter gewählt würden, @Alan Posener ?
Habe 2 Jahre in einer Kanzlei in Konstanz gearbeitet und wir traten auch vor Schweizer Gerichten auf.
Richter werden dort gewählt. „Friedensrichter“ von der Volksversammlung. Kantonsrichter vom Kantonsparlament. Bundesrichter durch das Bundesparlament.
Zugangsvoraussetzung: Keine. In de untersten Instanzen werden tatsächlich noch Schreinermeister zum Richter gewählt. Der Jurist ist der „Justizsekretär“. Der gießt das „gesunde Rechtsempfinden“ des Schreinermeisters dann in Paragrafen.
Warum setzte ich „gesundes Rechtsempfinden“ eigentlich in Anführungszeichen? Es gibt dieses wirklich!
Ach so:
Doch, die Schweiz ist ein funktionierender Rechtsstaat!
Lieber APO,
das mit den nicht hinterfragbaren „Fakten“ bzw. Grundentscheidungen ist letztlich nur der Versuch, kollektive Erfahrungen der Vergangenheit, die unsere Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpumkt geprägt haben, zu tradieren um die zukünftigen Generationen ob kollektiv oder individuell vor vergleichbaren Katastrophen zu schützen.
Letztlich sind das voraufkläreriche Konstruktionen. Soetwas wie nichthinterfragbare religiöse Glaubenssätze oder Tabus. Für eine gewisse Zeit kann das funktionieren, aber wenn die Menschen keine eigenen Erfahrungen mehr haben, die es ihnen ermöglichen, die Wertung oder ein für heilig erklärtes Faktum, nachzuvollziehen, können diese Tabus dazu führen, dass wichtige Diskussionen in einer Gesellschaft nicht geführt werden.
Und weil solche Tabus letztlich wahrheitsfeindlich sind, sind sie faktisch alles andere als unverrückbar.
Ich habe früher lange über die sog. Ewigkeitsgarantie des Grundgesetztes nachgedacht. Ich mag diesen Trick sehr und ich denke, dass dieser mahnende Finger unserer Mütter und Väter des Grundgesetzes mein Leben in den letzten ca. 60 Jahren positiv beeinflusst hat. Aber Recht ist faktisch immer das Recht des stärkeren und wenn die Gesellschaft insgesamt ins Wanken gerät, ist die Ewigkeitsgarantie des GG im Zweifel die Tinte nicht mit der sie geschrieben worden ist.
Hier in dem Artikel wird das auch diskutiert:
https://www.lto.de/recht/feuilleton/f/tabu-gesetze-regeln-verbote-werbung-menschenwuerde-verfassungsrecht-justiz
Mfg
Ihr 68er
@APO Es gibt wichtige Politik-Bereiche, die sind der Entscheidung der Wähler entzogen, weil man der Ansicht ist, die Wissenschaft oder die Erfahrung oder die Moral habe hier bereits das letzte Wort gesprochen. Mein Lieblingsbeispiel ist die Geldpolitik
Die Wähler haben sich(!) bzw. den Parlamenten bzw. der Politik bestimmte Politik-Bereiche entzogen. Aber die Wähler können das rückgängig machen, wenn auch nicht umstandslos und einfach. – Das ist eine prinzipiell andere, eine demokratienähere Betrachtung/ Formulierung.
Was etwa die unabhängige Entscheidungskompetenz der EZB betrifft, steht sie – anders als zuvor die der Bundesbank – durchaus heftig in Kritik. Und damit steht sie in der Gefahr, ihre geldpolitisch stabilisierende Funktion zu verlieren, qua Vertrauensverlust ihre primäre Aufgabe nicht mehr erfüllen zu können. Soll heißen: Auch die Unabhängigkeit und die Entscheidungskompetenz der EZB ist eine nur sehr relative. Das aber nur nebenbei.
Was die anderen genannten Bereiche betrifft – Wissenschaft, Erfahrung, Moral – sie haben im Entferntesten keine politisch und juristisch definierte Position, wie sie der der EZB vergleichbar wäre. Der Versuch, Wissenschaft, Erfahrung und Moral politische Entscheidungskompetenz zuzuschreiben, würde die Wähler zu Recht auf die Barrikaden treiben. Allenfalls können Wissenschaft, Erfahrung und Moral informell Entscheidungsgründe liefern. Und die können die Wähler in Anspruch nehmen – oder auch nicht.
Kulturell und gesellschaftlich mögen Wissenschaft, Erfahrung und Moral gewisse Zwänge ausüben, quasi autonome Entscheidungen fällen (wollen). In kultureller oder gesellschaftlicher Perspektive kann/ könnte ich Ihnen deshalb zustimmen, APO. In demokratischer/ demokratietheoretischer nicht.
Klar, eine ausreichend große und starke Mehrheit – oder eine sich selbst populistisch rechtfertigende Exekutive wie in Ungarn oder den USA gerade – kann die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft ebenso aufheben wie die Religionsfreiheit oder die Unabhängigkeit der EZB. Was das bedeutet, haben wir nun in zwei Diktaturen erfahren.
Es gibt dazu ein Obstkorb-Gleichnis (ich habe vergessen, von wem das stammt): Man nimmt 8 Äpfel und 8 Birnen und legt sie in einen Obstkorb. Später zählt man das Obst nach und zählt plötzlich 17 Obststücke. Unsere Prognose trat nicht ein, unsere Theorie wurde falsifiziert. Aber welche? Es könnte sein, dass unsere Rechnung 8 + 8 = 16 falsifiziert wurde und in der Wirklichkeit 8 + 8=17 gilt. Es könnte auch sein, dass es ein Gesetz gibt: Wenn man 8 Äpfel und 8 Birnen in einen Obstkorb legt, findet eine wundersame Vermehrung statt. Oder wir haben uns anfangs verzählt oder jemand später hat einen Apfel hinzugelegt. Diese beiden letzten Optionen sind sinnvoll, die ersten aber nicht. Nichts davon kann Poppers Theorie erklären (stattdessen könnte man z.B. Wittgenstein: „Über Gewissheit“ konsultieren).
@APO: Freiheit der Kunst und der Wissenschaft ebenso aufheben
Es ging nicht darum, die Freiheit der Wissenschaft aufzuheben. Es ging darum, ob Wissenschaft demokratische Entscheidung einschränken oder (partiell) ersetzen darf. Wenn ich für undemokratisch halte, dass ein Max-Planck-Institut für irgendwas anstelle des demokratisch gewählen Parlaments entscheidet, hebe ich damit nicht die Freiheit der Wissenschaft auf. Einfluss nehmen darf Wissenschaft soviel sie will. Aber der Wähler entscheidet.
„Haben wir in zwei Diktaturen gesehen“
Lieber Alan Posener,
der Populismus Orbans hat etwas anderes in der Tüte. Es ist zuerst das Bestreben der Familie Orban, an den Fleischtöpfen und damit noch reicher zu werden.
Dazu bedient Orban den ungarischen Phantomschmerz zum 1918 verloren gegangenen Gross-Ungarn.
Die Lage der ungarischen „Landsleute“ in der Ukraine. Die Aversionen gegen „den Islam“ und „die EU“.
Ersteres ist ein Antriggern an die Türkenherrschaft (die aber dem Protestantismus in Ungarn eine Chance gab),…
Letzteres ist ein Antriggern an die Wiener, die „uns freien Ungarm“ immer ihren allein richtigen Glauben aufzwingen.
All dies hat wenig mit Tahespolitik zu tun, sichert aber ich wiederhole mich, der Familie Orban den Platz am Fleischtopf.
Lustig sind mir immer wieder deutsche Rentner, die ungarische Immobilien zu überteuerten Preisen kaufen und sich Sonne im Alter erhoffen. Auch das eine geschickte Politik Orbans. Es bringt Euro ins Land.
Auch ein wissenschaftstheoretischer Aspekt (Paywall!):
https://www.tagesspiegel.de/wissen/wie-kauflich-ist-die-wissenschaft-jeffrey-epstein-sammelte-forscher-wie-kunstwerke-14939096.html
AP:“Die Politik der Europäischen Zentralbank, der Bank of England, der Fed usw.“
Zunächst die Grundaufgabe, im Verwaltungsbereich des jeweilig gewählten Souveräns für Geldstabilität zu sorgen, damit sich Unternehmen und Privatleute auf ihre eigentlichen Aufgaben und Interessen konzentrieren können. Das geht aber nur, wenn die Staatsausgaben niedrig bleiben und, ja, der Zugang über die Grenzen des jeweiligen Verwaltungsbereiches reguliert bleibt. Protektionismus und Keynesianismus ist immer eine ’suboptimale‘ Lösung, kann aber im Krisenfall erforderlich sein. Ich denke schon Mises, Hayek &Co zeigen den richtigen Weg auf. Wenn aber durch Fördertöpfe für idealistische Vorhaben, unrealistische Entwicklungspolitik, eine nicht durch politische Einheit abgesicherte Währung, desaströse Energiepolitik, weltfremde Asylpolitik usw. usf. jeder ordnungspolitische Grundsatz Makulatur wird, nützt auch die beste reine Lehre nichts. Davon mal abgesehen scheinen Volkswirtschaften sowieso Lehenszyklen von ca. 80 Jahren zu unterliegen, die abzumildern eine Aufgabe der Politik ist. Dazu muss sie sich aber auch erkennen können, wo die Nöte der Bevölkerung tatsächlich liegen, und zwar die im jeweiligen Verwaltungsbereich. Von wegen Demokratie..
Über Ihre „Abers“ können wir streiten, oder auch nicht, lieber KJN. Mein Punkt ist der: Seit die Zentralbanken den Goldstandard aufgegeben haben, muss irgendjemand die Geldmenge regeln. Das könnte das Parlament sein, oder die vom Parlament gewählte Regierung. In der Praxis hat das – siehe Italien früher, und davor auch Frankreich, siehe die Weimarer Republik – immer zu Inflation geführt. Hingegen garantierte die unabhängige, nur der Geldwertstabilität verpflichtete Bundesbank die Ersparnisse der Bundesbürger. Das Modell wurde von der EZB übernommen. Der Bundestag KANN, selbst wenn er es wollte, die zirkulierende Geldmenge nicht erhöhen, etwa um die Schulden der Regierung zurückzahlen zu können. Wie wir ja auch keine Zölle beschließen können im Rahmen des europäischen Binnenmarkts. Das heißt, der Liberalismus à la Hayek, Mises oder Erhard ist davon abhängig, dass die Geldpolitik dem Zugriff der Politik entzogen ist. Der Populismus hingegen – siehe die Populisten im frühen 20. Jahrhundert in den USA, siehe Trump heute – wollen die Geldpolitik kontrollieren. Der Liberalismus ist unbedingt gegen den Populismus, und da weiß er sich mit dem Libertarismus einig. Das Problem mit den Libertaristen ist nur, dass sie immer wieder starke Männer anhimmeln, und die neigen dazu – siehe Hitler mit den Mefo-Wechseln und der Kontrolle der Reichsbank – , die Geldpolitik ihren politischen Zielen zu unterwerfen. Wie es übrigens Kohl mit dem Euro getan hat, aber das ist eine andere Geschichte.
Lieber AP, wenn die Politik einen weitgehend akzeptierten (Gold-)Standard aufgibt, muss sie sich nicht wundern, daß dann Begehrlichkeiten Einfluss nehmen, regieren. Und „Populisten“ sind dann immer die anderen. Jede politische Richtung hat ihre Klientel und bedient sie hemmungslos, seien es die Landwirte, das Militär, die Bürokratie, die Elektroindustrie (Klimaschutzindustrie), die NGOs, die Gewerkschaften und Verbände, die ‚Kulturschaffenden‘..
Und wenn Sie den tieferen Sinn eines Goldstandards anzweifeln, verweise ich auf den Erfolg des Bitcoins, der gleichfalls auch nur etwas repräsentiert: Die Fähigkeit der Volkswirtschaften leistungsfähige Prozessoren zu produzieren.
Wahrscheinlich ‚bin‘ ich auch rechts – libertär und fordere daher, mittlerweile ganz der Landschaftspflege verpflichtet: Intakte Zäune, damit die Verwaltungsbezirke mit ihrer Verantwortlichkeit wieder erkennbar werden und die Kettensäge. Nach dem Gießkannenprinzip.
Lieber KJN, nicht „die Politik“ hat den Goldstandard aufgegeben, sondern die Regierung des Deutschen Reichs 1914, um den Krieg durch Schulden zu finanzieren. Die republikanische Regierung hat 1924 den Goldstandard wieder eingeführt. Während der Großen Depression hat zuerst die Regierung Großbritanniens 1931, gefolgt von Deutschland 1932 und den USA 1933 (endgültig 1971 unter Nixon) die Golddeckung aufgegeben.
Es war aber zuerst die Populist Party in den USA, die um 1900 ein Abrücken vom Goldstandard forderte, um die Geldmenge zu erhöhen und die verschuldeten Bauern zu entlasten.
Lieber AP, danke für den historischen Abriss in Sachen Goldstandard – nun es war eben der Politiker Kaiser Wilhelm II, der sich eine ‚Priorität‘ ausgesucht oder definiert hat, um ein Beispiel für geldpolitische Sündenfälle zu liefern. Es geht letztlich immer um die Referenz für die Währung, mindestens aber eine Reserve zur Absicherung, darum daß das System und das Vertrauen darin im Krisenfall nicht kollabiert. Eine EZB hat sich da in der Vergangenheit auch nicht mit Ruhm bekleckert, sei es bei der letzten Finanzkrise oder mit der Erhöhung des Geldumlaufs zwecks Förderung der Binnenkonjunktur die Inflation bei über 2% zu halten. Richtig? Es gibt also schlechte und gute Gründe, um Stabilitätskriterien bei der Währung zu lockern und Geld zu drucken. Alimentierung von Sonderinteressen politisch einflussreicher Klientel gehört m.E. zu den schlechten, weil sie nur dem Machterhalt dient. Die D-Mark galt mal auf dem Balkan faktisch als harte Hauptwährung, weil es in Deutschland Industrie gab, die über ihre Tätigkeit eine stabile Wirtschaft garantierte. Industrie im Land und nicht sonstwo. Donald Trump liegt da also nicht ganz falsch mit seiner Zollpolitik, die für eine gewisse Zeit wahrscheinlich eine gewisse Inflationsgefahr birgt, die aber dem $ letztlich nützt. Die die EU im Übrigen auch macht, und sei es über Regelungen, die anders heißen und bestimmte Parteigänger zu Gute kommt wie Lieferkettengesetz oder CO2-Abgabe und die dem € nicht nützen.
Ja, lieber KJN, wir können uns lange über die Gründe für die harte Währung D-Mark unterhalten. (Hinweis: Der Schweizer Franken war immer schon noch härter, obwohl die Schweiz wie Deutschland eine Dienstleistungsökonomie ist: etwa 75% des BIP.) Aber wie wir das auch immer im Einzelnen beurteilen mögen, und nur darum geht es mir: Ein Grund für die Härte der D-Mark, des Franken und des Euro im Vergleich zu Lira und Franc ist die Unabhängigkeit der jeweiligen Zentralbanken und damit der Geldpolitik von der Politik, die natürlich immer eine „Klientelpolitik“ ist. (So ist der Anteil der Italiener und Griechen, deren Vermögen aus Immobilienbesitz besteht, viel höher als in Deutschland, während es hierzulande viel mehr Sparer gibt. So war eine inflationäre Politik in Griechenland und Italien populär, in Deutschland unpopulär. Das macht sie aber – auch in Italien usw. – nicht richtig.) Denn darüber diskutieren wir hier: Dass bestimmte wichtige Bereiche – darunter ein so zentrales wie die Geldpolitik – in liberalen Demokratien der Entscheidung des Wahlvolks entzogen sind. In Israel zum Beispiel auch die Wasserwirtschaft, die komplett verstaatlicht und zugleich entpolitisiert, d.h. einer neutralen Behörde unterstellt wurde, analog der Zentralbank. Mit durchschlagendem Erfolg, wie Seth M. Siegel in seinem Buch zeigt.
@AP: „In Israel zum Beispiel auch die Wasserwirtschaft, die komplett verstaatlicht und zugleich entpolitisiert, d.h. einer neutralen Behörde unterstellt wurde, analog der Zentralbank.“
Ich vermute es lassen sich solche Angelegenheiten je nach Erfordernis verfassungsrechtlich regeln. Sie nennen bei Israel einen wichtigen Punkt einer überlebenswichtigen Angelegenheit. In den USA z.B. wird vor allen Dingen Oberflächenwasser gefördert, das eine aufwendige Desinfektion erfordert – die Wasserversorgung ist folgerichtig verstaatlicht, unterliegt also nicht nur staatlicher Kontrolle. In Deutschland demgegenüber brauchen Sie in den allermeisten Regionen nur irgendwo ein Loch bohren und Sie haben Grundwasser oder Uferfiltrat. Entsprechend gibt es m.W. etwa 6000 private Wasserversorger. Es ist durchaus ein lukratives Geschäft, wenn sie denn diese Position besitzen. Es lassen sich sicher noch viele weitere Bereiche finden, die nicht der Demokratie unterliegen (oder unterliegen sollten), ob sie aber damit auch kein Politikum werden, bezweifle ich wohl. Und sei es, daß irgendjemand meint, man könne den Bereich privatisieren und zwecks Steuerbetrug an Steuerbetrüger in verbündeten Ländern verkaufen und zurückmieten (‚cross border leasing‘). Wenn Politiker kreativ werden, ist Vorsicht geboten.
Lieber KJN, wie „hart“ eine Währung ist, hat wenig zu tun mit dem, was Anhänger der exakten Wissenschaften schätzen. Es basiert ausschließlich auf Gefühl und Vertrauen: Dem Gefühl und Vertrauen darauf, dass man eine gewisse Menge an Währung auf dem Konto oder in der Tasche jederzeit ohne nennenswerten Wertverlust gegen Ware eintauschen kann, dass das Land/der Staatenverbund hinter der Währung seine Verbindlichkeiten bedient, wenn man ihm Geld leiht (es also anlegt) und dass er die Banken entsprechend beaufsichtigt, damit sie nicht unvermittelt bankrott gehen. Das hat nicht einmal etwas mit messbaren Erfahrungswerten zu tun: Ein Land kann als Schuldner bislang alle seine Verbindlichkeiten bedient haben, aber wenn es unter den professionellen Anlegern glaubhafte Erzählungen gibt, das könnte in Kürze nicht mehr der Fall sein, ziehen sie sich aus dessen Währung zurück.
Das wichtigste Pfund, das eine Währung in die Waagschale werfen kann, ist daher institutionell festgeschriebene Berechenbarkeit: Verlässlichkeit, dass die Ziele der Zentralbank transparent sind und dass sie diese Ziele verfolgt und nicht Partikulärinteressen. Im Euroraum sind das Ziel der EZB (vorrangig die Wahrung der Preisstabilität) und ihre Unabhängigkeit, die garantiert, dass sie vorrangig diese Ziele verfolgt, in Art. 282 AEUV festgeschrieben.
„Es [die Währungsstabilität] basiert ausschließlich auf Gefühl und Vertrauen..“
Genau lieber Jens Breitenbach. Gefühl subsummiert und Vertrauen ist da, wenn die Bilanz positiv ist. Und das ist, wenn Ausbildung funktioniert, Arbeit gefunden wird, deren Wert nachvollziehbar ist, Mehrwert produziert wird und die Wirtschaftskreisläufe und damit der eigene Wert in der Gesellschaft verstanden werden. Das allein macht Menschen stark, selbstbewusst und gesund. Und diese Veranstaltung nennt man Landwirtschaft, Handwerk, Industrie und Unternehmertum. Damit steht und fällt alles.
Alles andere führt in Abhängigkeit, Armut, Hörigkeit und Sklaverei und macht krank. Und genau das sagt letztlich auch Ayn Rand.
„Und diese Veranstaltung nennt man Landwirtschaft, Handwerk, Industrie und Unternehmertum. Damit steht und fällt alles.“ Nein. Am wichtigsten sind Dienstleistungen. Es nützt gar nichts, Blech zu hämmern, wenn niemand das Gehämmerte kaufen will. Die Landwirtschaft beschäftigt gerade einmal zwei Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Und das ist ein Fortschritt. Grob gesagt fällt der Anstieg des Wohlstands überall mit dem Rückgang der Handarbeit zusammen. Ayn Rand halte ich für eine im Kern dumme Person, aber den Satz hat sie nie gesagt und hätte sie nie gesagt, und ich fordere Sie auf, lieber KJN, mir eine Stelle bei Ayn Rand zu zeigen, in diese der Industrie, dem Handwerk und der Landwirtschaft das Wort geredet hat.
Nein lieber Alan Posener, das werde ich nicht tun. Weil Ayn Rand da m.W. nichts explizites drüber gesagt hat und zweitens selbst wenn, es auch nichts ‚beweisen‘ oder ‚widerlegen‘ würde. Und schon gar nicht, daß sie oder ich eine „dumme Person“ wäre. Ich merke aber, daß ich meine Sichtweise mit immer zwei Perspektiven, der blinden Evolution und daß Fortschritt nicht zwangsläufig in die richtige Richtung gehen muss, also nicht den Menschen, wie er nun mal ist, im Mittelpunkt hält. Einen Impetus, den ich bei Ayn Rand sehe, nicht jedoch bei der derzeit kompletten Linken, dem größten Teil der ‚Grünen‘ und auch nicht bei Ihnen. Sehen Sie mir bitte nach, daß ich mir weitere Erläuterungen erspare. Ich bin aber sicher, Zustimmung für Ihre These werden Sie wahrscheinlich woanders bekommen.
Der. ..Ich merke aber, daß ich meine Sichtweise mit immer zwei Perspektiven, der blinden Evolution und daß Fortschritt nicht zwangsläufig in die richtige Richtung gehen muss, also nicht den Menschen, wie er nun mal ist, im Mittelpunkt hält, nicht verstanden werden will.
Lieber KJN, Sie können sich mit Absicht missverstanden fühlen. Was natürlich einen gewissen Wohlfühleffekt erzeugt. Sie könnten aber auch auf die Argumente anderer Leute eingehen.
Meine zwei Argumente: 1. Industrie, Handwerk und Landwirtschaft sind nicht die einzigen möglichen, nicht einmal die wichtigsten Grundlagen einer Volkswirtschaft. (Adam Smith, 18. Jahrhundert, aber immer noch richtig.) 2. Das hat Ayn Rand auch nicht behauptet (schon allein deshalb, weil ihr die Volkswirtschaft schnurz war. Sie interessierte nur das herausragende Individuum.)
Zeigen Sie mir, wo ich hier falsch liege. Es dürfte nicht so schwer sein, zumal ich Ihrer Ansicht zustimme: „dass Fortschritt nicht zwangsläufig in die richtige Richtung gehen muss, also nicht den Menschen, wie er nun mal ist, im Mittelpunkt hält.“ (Und das wiederum ist nicht Ayn Rand, sondern Edmund Burke, wie Adam Smith 18. Jahrhundert.)
Lieber AP, es bleibt Ihr Geheimnis, was sich am „sich mißverstanden fühlen“ „Wohlgefühl“ sein soll,.. nun gut: Nein, ich plädiere nicht für industrielles Bleche dengeln in großen Fabrikhallen (wohl aber in der Ausbildung zum Mechaniker, ein anderes Thema), aber dafür, daß die aktive Teilhabe am Produktionsprozess jenseits von Vertrieb und Logistik für eine Hälfte der Menschheit befriedigend ist und wichtige Perspektiven bietet. Auch um die Prozesse zu verstehen, zu verbessern und ja, auch die Technologie und die Expertise zu behalten. Ich selber habe in meinem Chemiestudium das Periodensystem noch fast komplett in Praktika und Arbeiten in meinen ‚Reagenzgläser‘ bearbeitet, bearbeiten dürfen muss ich ja schon sagen und sieht man einiges realistischer, weil man weiß, wie wichtig diese Erfahrungen für die spätere Arbeit sind, gerade auch bei Personalverantwortung. Wenn Sie das nicht nachvollziehen können, ist das Ihre Sache, andere können es. Und nun zu Ayn Rand, die von mir aus auch als Radikalindividualistin missverstanden werden kann: Sie lässt sich nicht gerne fremdbestimmen, organisieren und will Sinn in ihrer Arbeit finden und sie geht davon aus, daß vielleicht nicht alle, aber doch viele so ticken. Ja, eher die, die nicht ihren Arbeitsfrust im Callcenter bei der Kaltacquise oder der Altenpflege mit Konsum betäuben können, die Menschen sind nun mal unterschiedlich. Desweiteren ist natürlich Produktion nicht mehr so wichtig, wenn alle alles haben und die Wirtschaft nur noch mit Wegwerfmentalität am Laufen gehalten werden kann, die aber bekanntlich auch schon länger aus China bedient wird. Um so wichtiger wären Überlegungen, die lokale Kreislaufwirtschaft durch sinnvolles Recycling, Restaurationen, Reparaturen, lokale Landwirtschaft (wir bekommen Knoblauch aus China!) usw. usf. – nein nicht mit Steuergeld zu fördern – sondern zu ermöglichen. Ich denke dabei nicht an die Rettung der Erde und des Klimas, sondern an sinnvolle Arbeit. Ich hatte das aber alles schon in anderer Form geschrieben. Ayn Rand hat das hochorganisierte Individuum mit den Argumenten ihrer Zeit retten wollen, sie würde heute mit anderen Beispielen argumentieren Mehr kann ich dazu derzeit nicht sagen und man muss auch hingucken wollen, was so in der Arbeitswelt passiert.
Lieber KJN, ich bin Absolvent der Schulfarm Insel Scharfenberg, sieben Jahre also auf einer Insel, wo wir nicht nur Ställe ausgemistet und Kühe gemolken, Kartoffeln und Weizen geerntet und Felder mit dem Pferd geeggt haben, sondern auch in der Gärtnerei, Schlosserei, Druckerei, Weberei, in der Maler- und Druckerinnung arbeiten konnten und – an zwei Nachmittagen der Woche jeweils vier Stunden – mussten, überdies den Fährbetrieb mit Ruderkähnen aufrechterhalten mussten. Ich mache bis heute alle Malerarbeiten an Haus selbst, den Garten inklusive leichtes Mauern sowieso selbst und bin der Letzte, der den Wert der Handarbeit jenseits ihres Nutzens für die Volkswirtschaft, sondern als Bestandteil der Charakterbildung gering schätzen würde. Dem, was Sie schreiben, stimme ich also unbedingt zu. Ich bin nur der Ansicht, dass Ayn Rand mit einer solchen Schule, in der notwendigerweise die „Gemeinschaft“ groß geschrieben wurde (ich brachte mich ein als Mitglied des Schülerausschusses und als „Küchenchef“, der dafür sorgte, dass im Speisesaal morgens, mittags und abends auf- und abgedeckt wurde), gar nichts hätte anfangen können.
Wenn ich Sie erinnern darf, geht es in diesem Beitrag um das Verhältnis der Libertären zu den Rechten, die mit Freiheit gar nichts am Hut haben. Und in diesem Sinne habe ich – mit Belegen – Ayn Rand als Ideologin des Ultraindividualismus kritisiert. In meinen letzten zwei bis drei Jahren auf der Insel kam ich häufig in Konflikt mit dem Gemeinschaftsideal der Schule, das durchaus repressive Züge hatte. Hätte ich damals Ayn Rand gekannt, wer weiß? Vielleicht hätte ich sie toll gefunden. Denn sie hätte jede Unterordnung des starken Individuums unter die „Gemeinschaft der Lernenden und Lehrenden“ genauso abgelehnt wie der 18-jährige Schnösel, der ich damals war. Nur in ihrem eigenen Umfeld, wo sie de facto als Sektenführerin agierte, duldete sie keinen Individualismus. Das ist auch klar. Denn in der Theorie und Praxis lehnte sie jede Einschränkung des Individuums durch Gruppenzwang ab. Das heißt: Ihre Anhänger hatten kein Recht, ihre Herrschaft infrage zu stellen.
Ayn Rand interpretiert lediglich die Marx’sche Beobachtung der Entfremdung der Arbeit in ihrer Zeit, die schon längst eine (freiwillig) konforme Massengesellschaft war und die es heute noch ist. Das wird dann zum Problem, wenn Bachelor- und Masterabschluss ins Call- oder Jobcenter führt. Die einen fordern dann Reichinneks Kommunismus in ihrer Not, die anderen Ayn Rands Individualismus. Der erste -Ismus wurde schon öfters getestet.
Siehe unten. Scharfenberg war eine Antwort auf die Entfremdung.
Lieber KJN,
wie Sie denke ich, dass die Herstellung von Gütern Ursprung von Wohlstand ist.
Und nein, lie APO,
die Dienstleistungsgesellschaft ist nicht Ursache sondern Folge des Wohlstands. Hohe Herstellungs- weil hohe Lohnkosten sind Anlass, bestimmte Waren nicht mehr „hier“ zu produzieren, sondern sie einzuführen.
Hat Folgen. Der Tod deutscher Textilindustrie hat nicht nur zur Folge dass „wir“ dann nicht mehr wissen wie „man das macht:, So sagte mein Vater, Weber wie seine Muter und wie sein Grossvater, …
„Wir“ konnen dann auch keine Spinnmaschinen mehr herstellen, keine Strickmaschinen und irgendwann auch keine Nähmaschinen mehr.
Dann warten „wir“ auf die Corona-Masken aus China.
„Wir können Deutschland nicht als einen Freizeitpark organisieren, in dem wir uns gegenseitig die Haare schneiden.“
Hat Helmut Kohl mal gesagt.
Warum die gegenwärtige Zollpolitik Trumps? Er versucht, den Absatz amerikanischer Produkte im Land zu begünstigen.
Die Produktion.
Nein, Bodo Walther, Sie irren. Der Wohlstand ist Ergebnis der Emanzipation von der körperlichen Arbeit. Ich traf schon vor 40 Jahren holländische Kartoffelbauern, die monatelang auf Skiurlaub waren, weil es bei ihnen auf dem Riesen-Hof im Winter – zwischen Ernte und Aussaat – nichts zu tun gab; und Ernte und Aussaat besorgten auch Maschinen. Der Weg der Familie meiner Frau führte vom kleinen Familienbauernhof, wo die Arbeit und das Kinderkriegen die Männer und Frauen früh altern ließen, über eine Anstellung bei der Bahn oder dem Staat und der Nebentätigkeit als Zuschneider für einen jüdischen Konfektionsbetrieb in die dritte Generation zu einem Förster in Staatdiensten, einem Ingenieur und einer Lehrerin. Das ist sozialer Aufstieg, mehr Wohlstand, weniger Knochenarbeit. Ich habe noch als Student erlebt, wie Arbeiter bei Opel Bochum die Räder wuchten mussten, die an die Autos am Band festgeschraubt wurden. Heute machen das nicht Chinesen, sondern Roboter. Auch in China wuchtet keiner Räder an die Autos.
Auch Kohl irrte. Und Sie würden ihn nicht zitieren, wenn er statt der Friseure die Juristen kritisiert hätte. Im Zeitalter von KI ist der Friseurberuf einer der wenigen, die nicht wegrationalisiert werden können. Bei Juristen bin ich mir nicht so sicher.
Natürlich ist Wohlstand ein Ergebnis technischer Erfindungen bei der Herstellung von Produkten. Der Spinnmaschine, weche des Spinnrad ersetzte und des mechanischen Webstuhls, gegen den die schlesischen Weber nicht mehr ankamen.
Bei der Herstellung von Produkten.
Und „wir“ stellen das Produkt nicht mehr her.
Lieber Bodo Walther, meistens wird die Zeitachse nicht mitgedacht: Die Produktion die Nutzung, der Verbrauch der Produkte ist natürlich die Grundlage für den Wohlstand, aber durch die Rationalisierung und die Automatisierung wird Arbeit ständig entwertet. Gemäß dem Bonmot von AP, das man sich einrahmen lassen sollte:
„Im Zeitalter von KI ist der Friseurberuf einer der wenigen, die nicht wegrationalisiert werden können. Bei Juristen bin ich mir nicht so sicher.“
Geld verdienen Sie, das sage ich Ihnen aus Erfahrung, nur mit Innovation – und das erzeugt einen enormen Druck, auf den ‚Erfinder‘, den Ingenieur, erstens, falls er keine Nische im operativen Geschäft findet oder sonstwo in der Bürokratie. Aber auch auf den Verbraucher, der ständig überzeugt werden muss, Windows 11 zu installieren, sich eine Smart Watch oder einen Super HD-Fernseher zu kaufen oder sein Leben Updates und sonstigen Betreuung seines ‚Smart Home‘ zu widmen – bzw. den Dienstleistungs-Arbeitsmarkt für ehemalige Informatik-Studenten zu alimentieren. „Besinnungslose Innovation“ nannte das der Architekturkritiker Dankwart Gunatzsch irgendwo auf welt.de.
Mein Punkt bei Ayn Rand in dem Zusammenhang sollte sein: Ich halte ihr Eintreten für Individualismus für emanzipativ, gerade in einer Zeit wo bestimmte Ansichten gerne als alternativlose Vernunftshandlungen verkauft werden, z.B. die die ich genannt habe, aber auch ‚follow the science‘ u.s.w. Also gilt nach wie vor Kant: „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen..“ Sie wissen schon. In der Medienmassengesellschaft mit der Informationsflut.
Und das ist Voraussetzung um zu verstehen, daß tatsächliche Innovation die Kenntnisse und vor allen Dingen die sinnlichen, körperlichen Erfahrungen der manuellen Arbeit beinhalten muss. Dazu müssen keine Ochsen mit Pflug mehr über die Felder gequält werden, aber Schweißen, Löten, Feilen, Sägen sollte schon jemand können, der eine CNC-Fräse programmiert. Ich habe mich in den Betrieben, wo ich arbeitete, immer versucht, mich auch als ‚Chef‘ praktisch nützlich zu machen – nicht um zu gefallen oder ein Gutmensch zu sein, sondern ich brauchte den Kontakt zu dem, was ich da organisieren sollte. Das war bezeichnenderweise nicht immer gern gesehen. Ist aber erforderlich, um ‚resilient‘ zu bleiben, wie man heute sagt. Also z.B. noch eine Idee davon zu haben, wie man auf die Schnelle FFP-Masken produziert. In der Praxis, nicht per Google..
Lieber AP, die sehr umfassenden Tätigkeiten und Ausbildung in Ihrer Schulzeit sind wirklich ein Privileg und ja, es ist das, was ich meinte. Sie haben damit denke ich schon früh einen sehr guten Überblick über das Leben erhalten. Und auch Selbstbewusstsein und wenn das zu zeitweiligem Schnöseltum geführt haben sollte, so sei Ihnen das gegönnt. Leider läuft es im Kleinbürgertum, aus dem ich stamme, nicht immer ganz so optimal. Die Angst war damals, in den 1960ern und 70ern doch noch sehr groß, die Kinder könnten ‚es‘ nicht schaffen und müssten sich daher stark fokussieren, nicht links, nicht rechts gucken und möglichst Akademiker werden. Auch in Unkenntnis der tatsächlichen akademischen Arbeitswelt, in der die Arbeit ja auch über die Jahrzehnte entwertet wurde. Sich gegen solche Entwicklungen zu stellen, halte ich für politischen Unsinn, allerdings erklärt das m.E. auch den ‚run‘ auf den Öffentlichen Dienst mit Ausnahme derzeit des Lehrerberufs und die auch daraus folgende Überbürokratisierung. Oder eben auch die unglückliche Abhängigkeit des Abstimmungsverhaltens der Abgeordneten aus Angst, sich gegen die Parteidisziplin zu stellen und damit ggf. den gutbezahlten Job zu verlieren (s. derzeitige Rentendebatte).
Was Ayn Rand betrifft frage ich Sie: Was war der pädagogische Zweck, die Schüler auf einer Schulfarm Insel Scharfenberg so umfassend auszubilden? Gemeinschaftsfähigkeit oder sachliche ‚Kompetenzen‘, wie man heute sagt – oder beides? Ich denke daß man da wirklich versucht hat, den kompletten Menschen zu sehen und wenn das nicht geschieht, dann suchen die Menschen, bis sie das finden was ihnen fehlt. Die einen finden das im Kollektivismus rassentheoretischer Art, wie im Postkolonialismus oder bei den alten Ganzrechten (oder Linken, je nach Interpretation) und die anderen im weitergetriebenen Individualismus einer Ayn Rand. Ich sehe letzteres als kleineres Übel und daß das über Kontakte zu AfD, Trump, Orban irgendwie rechten Kollektivismus befördern könnte, kann ich nicht erkennen. Das wäre auch noch so ein Punkt: Denkt man da eigentlich mittlerweile in seuchenhygienischen Kategorien wie bei der Massentierhaltung?
Lieber KJN, Sie fragen: „Was war der pädagogische Zweck, die Schüler auf einer Schulfarm Insel Scharfenberg so umfassend auszubilden? Gemeinschaftsfähigkeit oder sachliche ‚Kompetenzen‘, wie man heute sagt – oder beides?“
Beides. Aber es war nicht vorgesehen, dass wir eine Lehre abschließen, auch wenn der Landwirt, der Schlosser, der Tischler einen Meisterbrief hatten. Ziel war die Ausbildung ganzheitlicher Persönlichkeiten im Sinne der Reformpädagogik. Unsere Schwesterschule war die Odenwaldschule. Aber anders als die „Oso“, die tatsächlich eine Schule für die Elite war, war Scharfenberg eine städtische Schule und nahm bevorzugt Kinder aus Heimen oder kaputten Familien auf. Für die Stadt war es billiger, sie auf Scharfenberg unterzubringen, wo die Lehrer auch den Internatsbetrieb beaufsichtigten, als in einem Heim, wo das Pflege- und Aufsichtspersonal extra zu bezahlen war; und die Kosten für Essen und Unterbringung auf Scharfenberg lagen unterhalb des Sozialhilfesatzes, den eine allein erziehende Mutter ggf. beantragen konnte. Insofern war Scharfenberg seit seiner Gründung 2022 unter der Ägide der USPD keine Schule für „Privilegierte“. Ich als Professorensohn war eher eine Ausnahme.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schulfarm_Insel_Scharfenberg
Lieber AP, was Scharfenberg angeht: Ich habe immer öfter den Eindruck, daß man in den Köpfen 1922 weiter war, als heute.
Lieber KJN,
1995 fing ich im Landratsamt Leipzig an, weil das Land diese Kommune angewiesen hatte, mindestens einen Juristen einzustellen.
Der Kreistag hielt 1995 „so nen Wessi“ für völlig überflüssig.
Mein Job als Jurist war (leider) bis weit in die 2000er Jahre hinein:
„Herr Walther, da hat jemand gegen meinen Bescheid geklagt, begründen Sie mal, warum ich alles richtig gemacht habe. Ich bin da nicht der Fachmann für.“
Ich verwundert mich immer über Studiendirektoren, die mir Liberalismus als ein System erklären, …
In dem das Schaf dagegen klagen kann, dass die Wölfe beschlossen hatten, was es zum Abendbrot gibt,…
Aber meinen, diese ganze Juristerei sei KI-ersetzbar.
Keine Frage: Juristerei ist sogar durch Nichtjuristen ersetzbar. Ein Beamter, der vorm Verwaltungsgericht nicht begründen kann, warum sein Handeln rechtmäßig gewesen war, …
Der ist auf dem Posten eine Fehlbesetzung.
Kann KI da helfen ? Sicher. Muss man dann aber auch bedienen können. Und verstehen, was KI da sagt.
Die Frage ist eher, lieber Bodo Walter, auf wessen Seite in dem von Ihnen geschilderten Streit Ayn Rand wäre.
Lieber Bodo Walther, was die KI angeht, sehe diese Entwicklung eher positiv: Sie wird die Menschheit dazu zwingen, sich auf ihr Menschsein zu besinnen. Der Mensch hinter dem Juristen, dem Chemiker, dem Schriftsteller usw. wird wieder wichtiger. Intuition, Erfahrung, Mitgefühl.. Wie Sie das ja auch ansprechen. Vieles meiner Arbeit als angestellter Chemiker war Kontrolle und das kann eine KI besser, wenn ich ihr beibringe worauf sie achten muss. Journalisten z.B. die abschreiben oder nachplappern ersetzt eine KI und mein Bedauern darüber hält sich in Grenzen.
Ähnlich positiv sieht es Gregor Schmalzried:
https://www.penguin.de/buecher/gregor-schmalzried-wir-aber-besser/paperback/9783442143245
Habe ihn gerade für WELT interviewt. So von wegen nachplappern.
Als älterer, 65-jähriger Herr WEISS ich, dass der Wille, stark zu sein, die Stärke stärkt.
Und dass das sich hineinbegeben in die Rolle des Hilfsbedürftigen die Leistung schwächt.
Möglicherweise spielt der Hintergrund „des Sozialismus“ hier eine Rolle. Es ist ein allgemeines Narrativ, dass „der Sozialismus“ in der DDR Chancen und Möglichkeiten verbaut habe. Wer das postuliert, der muß dann „beweisen“, welche Möglichkeiten in einem Land außerhalb „des Sozialismus“ stecken.
Hier gibt es dann zur DDR wieder eine Unzahl von Menschen, die vortragen, die schwere Verfolgung in der DDR habe ihre Psyche so sehr geschädigt, dass es anschließend nix mehr zu entfalten gegeben habe. Und der Staat nun mit einer Versorgungsrente versorgen müsse.
Haben mir 3 Jahre Haft in der DDR so wenig in der Psyche angetan, dass ich anschließend ein Jurastudium hinlegen und abschließen konnte ? Und in diesem Beruf arbeiten konnte ? Oder ist ein Studium anderer Dinge als des eigenen Elends, versehen mit einem „Das schaffst Du!“ eben hilfreich für die stabile Psyche?
So, jetzt widme ich mich meinem Zweitstudium. Geschichtswissenschaft auf Bachelor. Und es ist keineswegs so, dass ich das kann, weil ich zufälligerweise von Altersdepressionen verschont sei. Vielmehr stellen sich solche Altersdepressionen ein, wenn man „so was“ nicht macht.
Ja, das mag alles sein, lieber Bodo Walther, aber ob Sie es glauben oder nicht, hier geht es nicht um Sie und andere DDR-Geschädigte oder Nicht-Geschädigte, sondern um die Theorie der Ayn Rand.
Ob Sie es selbst glauben oder nicht, lieber Alan Posener,
es geht mir genau darum: Um das Lob des so genannten Egoismus, das Ayn Rand singt.
Denke ich auch, lieber Bodo Bodo Walther, Ayn Rand formuliert die Emanzipation gegen den Kollektivismus und das ist eine emotionale Angelegenheit. Und keine Wissenschft. Für viele ist das indiskutabel, überflüssig oder unvernünftig, aber sogenannte Vernunft hat in Form von Risikoaversion, Angst , Feigheit, Müdigkeit, Verkopftheit, Bequemlichkeit usw. schon oft zu Zusammenbruch und Unterwerfung geführt.
Alissa Rosenbaum, die unter dem Pseudonym Ayn Rand bekannt ist, hat sich zeitlebens leidenschaftlich für die Starken und die Kapitalisten eingesetzt. Ihrer Überzeugung nach war dies der einzig vernünftige und logische Weg, um eine florierende Gesellschaft zu schaffen. Sie vertrat die Ansicht, dass die Starken, die Innovatoren und die Unternehmer die treibenden Kräfte hinter dem Fortschritt und dem Wohlstand einer Nation sind. In diesem Kontext war Religion für sie ein eher negatives Konzept, obwohl sie selbst aus einer jüdischen Familie stammte. Sie betrachtete religiöse Überzeugungen und Praktiken oft als hinderlich für den individuellen Erfolg und die persönliche Freiheit.
Es ist zwar nachvollziehbar, dass man angesichts der zahlreichen Missetaten, die im Namen der Religion begangen wurden, eine kritische Haltung einnimmt, doch diese Sichtweise ist in vielerlei Hinsicht sehr einseitig. Religion hat, auch in der heutigen Zeit, das Potenzial, viel Gutes zu bewirken und Gemeinschaften zu stärken. Diese positive Rolle wird oft übersehen, insbesondere wenn man sie mit den Ansichten von Personen wie J.D. Vance vergleicht, der sich ebenfalls als Libertärer äußert, jedoch eine andere Perspektive auf die Rolle von Gemeinschaft und Tradition hat.
Obwohl Ayn Rand keine ausgewiesene Philosophin im klassischen Sinne war, hat sie dennoch bedeutende philosophische Ideen in ihre Werke integriert, die vor allem in Form von Romanen präsentiert wurden. In diesen Erzählungen flossen ihre gesellschaftlichen Vorstellungen und Überzeugungen ein, die sie in einer fesselnden und oft provokanten Art und Weise darlegte.
In meiner persönlichen Auffassung sind Libertäre und Autoritäre in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich, da beide Gruppen oft extreme und unflexible Ansichten vertreten. Ich empfinde sie als weitgehend deckungsgleich und betrachte sie als (unnütze) Idioten, die nicht in der Lage sind, die komplexen sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhänge zu erkennen, die unsere Welt prägen.
Bei aller Kritik an Ideen und Ideologien sollte man m.E. doch auch immer beachten, daß nur die kleine Minderheit bereit ist irgendwelchen Programmatiken konsequent zu folgen. Und das ist auch gut so (von wegen der Pöbel ist doof). Ein wahrer Libertärer folgt gar nichts, ist weder ewiger Schüler noch Oberlehrer, sondern schlichtweg erwachsen und kümmert sich vor allem anderen um seine eigenen Probleme und sein eigenes Auskommen und versucht es zumindest ernsthaft, die Folgen des eigenen Handelns oder Nichthandelns zu tragen. Und er ist daher kein Idealist, denkt aber dennoch über die Welt und sein Umfeld nach.
Und er kann dialektisch in Ursache und Wirkung, sowie die Zeitachse stets (mit) denken und ‚belegt‘ seine Thesen nicht andauernd mit Anekdoten, Ist-Zuständen und Publikationen von vermeintlichen Autoritäten. Und er weiß, daß Ideen und Ideologien immer eine Folge von Problemen und die wiederum sind meistens eine Folge von Übertreibungen der jeweiligen regierenden Gegenideologie.
Ich brauche für Ayn Rand und die wunderbare Deklamation der Hauptfigur, dem Architekten Howard Roark (Gary Cooper) in der Verfilmung The Fountainhead keinen Beipackzettel. Denn auch ich weiß, daß Ayn Rand, die lt. Ihrer Aussage, lieber AP, mehr fühlt als denkt und deren Bedeutung Sie vermutlich damit diskreditieren wollen, ein Feuerkopf ist. Ja was denn sonst? Denken kommt vom Fühlen und wenn wenn es den 5-jährigen Albert Einstein nicht frustriert hätte, daß ihm niemand schlüssig erklären könnte, warum sich eine Kompassnadel ausrichtet, hätten wir heute vielleicht keine Relativitätstheorie. Das Gleiche gilt für Friedrich Nietzsche. Ich bin nun mal kein Anhänger von Platons „Politiker müssen Philosophen sein“ wenn Wissenschaft selber ganz offensichtlich Ideologien und Zeitgeist unterliegt. Und in einer Zeit, wo die Mehrheit bei allem nach dem Staat ruft („da müsste doch mal jemand was machen“), kann ein bisschen mehr Ayn Rand nicht schaden. Ich möchte nicht z.B. von Mr. ‚Studien-haben-gezeigt‘ Lauterbach regiert werden, weil ich weiß, wie Studien entstehen. Und zur Dialektik: Ich bin derzeit froh, daß es Donald Trump, Viktor Orban und (ja ich weiß, der passt nicht in die Reihe) Javier Milei gibt, die das ach so bewährte diplomatisch verkrustete regelbasierte politische Geschäft aufzumischen in der Lage sind, damit es wieder funktional wird. Ut aliquid fiat, wie der Arzt mit Numerus clausus noch sagt. Beispiele hierzu sind Legion.
Daß manche ‚Libertäre‘ Hitler T-Shirts tragen.. soll ich jetzt Libertäre doof finden, um der Kontaktschuld zu entgehen? Querverbindungen gibt es zu allem und jedem und ich merke, daß ich keine Lust mehr dazu habe, mich diesbezüglich zu rechtfertigen. Entschuldigung, aber Ideologiekritik muss vor allem inhaltlich sein und darf sich nicht damit begnügen, aufzuzeigen, wer mit wem Kaffee trinkt oder wer welches T-Shirt trägt. Sie darf finde ich dabei durchaus persönlich sein, wenn sie eindeutig und offensichtlich ist: Wenn z.B. ein Zohran Mamdani eine „globale Intifada“ fordert, dann weiß ich wirklich sehr genau, wo ich mit dem dran bin. Alles andere ist Raunen à la ‚Correctiv‘.
Lieber KJN, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber Sie wiederholen sich. Ich hingegen habe mit diesem Beitrag versucht, den Webfehler des Libertarismus zu finden. Damit entschuldige ich weder staatliche Übergriffigkeit noch linke Staatsgläubigkeit. Und diese Frage lässt tiefer blicken, als Ihnen vielleicht lieb ist: „Daß manche ‚Libertäre‘ Hitler T-Shirts tragen.. soll ich jetzt Libertäre doof finden, um der Kontaktschuld zu entgehen?“ Nein, Sie „sollen“ gar nichts außer vielleicht raus aus dem ewigen Opfer-Modus: „Kontaktschuld“. Niemand will Ihnen etwas Böses antun.
Mit Verlaub aber: Albert Einstein mit Ayn Rand vergleichen: Außer, dass beide jüdisch waren, haben sie nichts gemeinsam. Einstein war Wissenschaftler, Rand war Ideologin.
Lieber Klaus,
„Und das ist auch gut so (von wegen der Pöbel ist doof). Ein wahrer Libertärer folgt gar nichts, ist weder ewiger Schüler noch Oberlehrer, sondern schlichtweg erwachsen und kümmert sich vor allem anderen um seine eigenen Probleme und sein eigenes Auskommen und versucht es zumindest ernsthaft, die Folgen des eigenen Handelns oder Nichthandelns zu tragen.“
Gewagte Aussage. Dafür sind M.Krall oder R.Zitelmann oder H.Lüning doch sehr mitteilungsbedürftig und missionarisch als lebende Beipackzettel (i.e. Erklärbären) auf allen verfügbaren Kanälen unterwegs.
Abgesehen davon, dass der ganze Ansatz grundfalsch, asozial und selbst pure Ideologie ist.
Klar kann jeder reich werden. Aber eben nicht alle. Eigentlich eine Binse. Und die, die es „nicht schaffen“, für die Kapitalismus nicht die Lösung ist?
Ich empfehle, ganz unvoreingenommen: H. Flassbeck, Grundlagen einer relevanten Ökonomik.
Oder A. Tooze, Der Crash.
Beste Grüße und schönes Wochenende!
Lieber Stefan, H. Lüning will Whisky verkaufen und das finde ich auch in Ordnung, andere wollen ihre Platten/CDs oder was auch immer verkaufen, weil die Musik dazu wohl nicht ausreicht und verzapfen zu diesem Zweck m.E. wesentlich dümmeres Zeug als Lüning und das auch noch wie Sektenprediger..
Danke für die Literaturtipps, aber über den Kapitalismus werden wir beide wohl auch nicht einig, weil ich dessen Existenz nämlich für ein Naturgesetz halte.
Lieber Klaus, wusste gar nicht, dass Lüning Alkohol verkauft.
Kapitalismus als Naturgesetz klingt arg nach K. Marx, Sminkersmiley! Aber da würde ich Ihnen sogar zustimmen.
Tooze und Flassbeck sind übrigens keine Antikapitalisten. Im Gegenteil.
Ja, lieber Stefan, Marx hat sich grundsätzlich mit der universellen Gegenwart des Kapitalismus auseinandergesetzt und da sehr vieles richtig analysiert. Das intellektuelle und auch menschliche Defizit sehe ich eher bei seinen ‚Followern‘, insbesondere den Kulturmarxisten, die z.B. mit ihrer Identitätspoltik die Rassenlehre wieder auferstehen lassen. Wenn ich mir das Verhalten einiger sich links bekennender Bekannter und Zeitgenossen z.B. im Restaurant ansehe, wo bei der Auswahl optimiert, dann gemäkelt und geknausert, stets getrennt bezahlt wird, einerseits und andererseits im möglichst entfernten, abstrakten, bei Asylbewerbern usw. moralistisch Großzügigkeit gefordert wird, stehe ich daneben und muss Ulf Poschard mit seiner Zuweisung ‚Shitbürgertum‘ zu 100 % zustimmen. Ökonomie und Kapitalismus ist ein chaotisches System wie das Wetter und da muss man sich bisweilen warm anziehen und die sich anstrengen um ein nicht so kleinliches Leben führen zu müssen, wie diese Haltung fordernden Shitbürger, die stets die Verantwortung ander deligieren möchten oder – m.E. völlig hilflos – jedem Cent hinterherlaufen. Z.B.im Restaurant oder im Supermarkt. Statt ihr Leben grundsätzlich an das Einkommen anzupassen, z.B.bei der Wahl des Wohnortes..