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Vom „Russengeld“ …

Etwas über 210 Milliarden Euro an „eingefrorenem Russengeld“ lagert derzeit beim Finanzdienstleister Euroclear mit Sitz in Brüssel. Euroclear wiederum ist ein Unternehmen des Privatrechts, gehalten von mehreren Eignern, von denen zwei belgische Geldinstitute und ein fränzösisches Geldinstitut die Größten sind.

Wie kommt das da hin? Wo kommt das her? Und vor allem: Kann „man“ das verwenden in diesem gerechten und gottgefälligen Krieg gegen den russischen Aggressor?

Als „gelernter DDR-Bürger“, wie der Herbergsvater dieses Blogs zu sagen pflegt, fange ich mal mit Grundlegendem an: Den Begriffen „Devisen“ und „Konvertierbarer Währung“. Daran mangelte es der DDR bekanntlich.

„Konvertierbare Währungen“ und „Devisen“

Wie die Währungen aller Ostblock-Staaten war die DDR-Mark grundsätzlich nicht in eine andere Währung umtauschbar. War eine Binnenwährung, die weder ausgeführt noch eingeführt werden durfte. Selbst ein Umtausch in tschechoslowakische Kronen bedurfte für den Privatmann einer Sondergenehmigung und einer Antwort auf die Frage: „Wozu brauchste das denn? Ah, für den Urlaub? Gut, 30 DDR-Mark pro Tag. Wieviele Tage brauchste denn?“

Der Gegensatz dazu ist die „freie“ Konvertierbarkeit einer Landeswährung in eine andere Landeswährung. Und „frei“ setze ich in Anführungszeichen. Auch in Westeuropa gibt es dazu Beschränkungen, vor allem in der Höhe.

Das Geld Konvertieren erfordert eine Festgröße, an der sich dann alle anderen Währungen orientieren. Das ist der Dollar als Leitwährung und Welt-Reserve-Währung.

Seit dem 1. Juli 2006 ist der Rubel „frei Konvertierbar“.

„Devisen“ wiederum sind alle Währungen und Werte, die frei in Dollar konvertierbar sind. Zu Letzterem ist Gold zu nennen, dessen Preis derzeit steigt und steigt und steigt. Devisenbesitz war auch vor 2006 in Rußland erlaubt, unterlag aber einer Devisenaufsicht und in den 1990er Jahren war die Ausfuhr derselben aus Rußland im Grundsatz verboten, wurde aber trotzdem (in bar) praktiziert.

Die staatlichen russischen Gelder im Ausland

Geld ist Vertrauenssache. Sein Wert beruht auf dem Vertrauen, „dafür“ etwas zu bekommen. Der konvertierbare Rubel beruht auf dem Vertrauen des Rubel-Käufers, dass die russische Staatsbank dieses Vertrauen verdient. Dass sie also in der Lage wäre, ihm „seine“ Währung wieder zurückzuzahlen.

Als Faustpfand allen Vertrauens hat die Russische Staatsbank Gelder in Fremdwährungen angelegt und im Ausland deponiert. Beim oben schon genannten Finanzdienstleister Euroclear mit Sitz in Brüssel.

Bereits das „Einfrieren“ dieser Gelder ist deshalb ein westlicher Angriff auf die Konvertierbarkeit des Rubel. Der Ausschluss russischer Banken von den Dienstleistungen der  Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, SWIFT, einem ebenfalls in Belgien sitzenden Institut , macht den Handel mit Russland für Europäer fast unmöglich. Überweisungen nach oder aus Rußland gehen nicht auf diesem Weg, auf dem wir unser Geld überweisen.  „Wir“ sind nicht mehr im Frieden mit Rußland, sagt Friedrich Merz.

Die privaten „russischen Gelder“ bei „uns“.

19 Milliarden Euro an Vermögen russischer Oligarchen sind ebenfalls „eingefroren“. 

Wegen „Putinnähe“. Was meines Erachtens ein hohles Wort ist. Milliardär wird „man“ nicht mit Distanz zur Regierung „seines“ Staates. Nicht einmal in der Bundesrepublik Deutschland.

Kein Bürger sollte mit seinem Privatvermögen für die Handlungen „seiner“ Regierung haften. So jedenfalls ist derzeit noch die westeuropäische Auffassung davon.

NOCH.

Denn bereits das „Einfrieren“ dieses Vermögens geschieht ohne den Nachweis persönlicher Schuld oder Verantwortung für den russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022.

Wegnehmen, das „Russengeld“? Jedenfalls das staatliche?

Na ja, der Belgische Staat fürchtet da zu Recht jahrelange Prozesse mit der Russischen Staatsbank. Die Belgische Bankenaufsicht wäre die Behörde, die das genehmigen müßte und deshalb verklagt werden könnte.

Eigentum ist schließlich die heilige Kuh im so genannten Kapitalismus. Und es wird durch nationales und EU-Recht geschützt.

Wegnehmen geht eigentlich gar nicht. Vermögen als Faustpfand, das ginge. Wie wäre es mit der Idee, der Ukraine 140 Milliaren Euro daraus zu leihen, mit der EU als Bürge? Bis zu dem Tag, an dem Rußland an die Ukraine Reparationen leistet und dafür „sein Geld“ zurückbekommt? Also bis zum St. Nimmerleinstag? 

„Kapitalismus“ und Geldvertrauen

Es sind vor allem die Eigner des Finanzdienstleisters Euroclear, welche darauf verweisen, dass mit einer Enteignung russischer Gelder das Vertrauen in den Finanzstandort Brüssel nun  gegen Null sinken wird.

Was wiederum Frau Strack-Zimmermann bestreitet (Hatte jemand Anderes erwartet?). Das Vertrauen der US-Anleger in den Euro-Raum sei nach wie vor ungebrochen.

Was wiederum ich gar nicht anzweifle. Aber es geht um indisches, um chinesisches Vertrauen.

Was macht ein Schiffseigner, wenn der fremde Hafen nicht mehr sicher ist? Richtig, er baut sich einen eigenen.

Unser „kapitalistisches“ Weltwirtschaftssystem ist ein System mit dem Dollar als Leitwährung. Und dem Vertrauen auf diesen. Das hat keine Ewigkeitsgarantie und im Grundsatz ist auch der Streit um die „Russengelder“ ein Streit genau darum.

 

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Über Bodo Walther

Bodo Walther, geboren 1960 in Weißenfels im heutigen Sachsen-Anhalt, studierte 1985 bis 1991 Rechtswissenschaften in Tübingen und Bonn. Er war aktiver Landes- und Kommunalbeamter in Sachsen-Anhalt, ist heute im Ruhestand und Anwalt in der Nähe von Leipzig.

6 Gedanken zu “Vom „Russengeld“ …;”

  1. avatar

    Verrückt hans!

    132 Kommentare zur Wahl von Hofer, den ich mittlerweile schon wieder vergessen hatte.

    Da wurde noch richtig diskutiert hier.

    Spannend zu lesen.

    Tempi passati!

    Herr Greven schaltet von mir gefühlt jeden 2. Kommentar nicht frei, und wenn doch, meist erst nach ein paar Tagen, so dass er schon nicht mehr in den neuesten auftaucht. Und das liegt nicht daran, dass ich irgendwie radikaler oder ausfallender geworden wäre, sondern ich habe das Gefühl, dass er manchmal mit seinen Argumenten am Ende ist oder mich nicht mag oder nicht will, dass andere lesen, was ich schreibe. Der Mann ist für mich ein Rätsel.

    Herr Posener hatte und hat da ein besseres Standing. Schade, dass er weitgehend ins „Föttelion“ gewechselt ist. Mich verstören seine Musik- und Gartentexte in Zeiten wo die Welt von allen Seiten bewusst oder unbewusst auf den Ausnahmezustand gedrängt wird.

    Gruß

    68er

  2. avatar

    Der Herbergsvater hat das Hausrecht. Das habe ich hier nicht. Ich kann weder Beiträge noch Kommentare löschen, außer, wie jeder Autor, unter meinen eigenen Beiträgen. Die Herbergseltern sind – wofür ich ihnen sehr dankbar bin – Liane Bednarz und Ludwig Greven.

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      Ich würde da auch Herrn Walther in Schutz nehmen wollen. Das Herbergsvater-Mem ist ja schon vor längerer Zeit bei den SM bemüht worden, zu Zeiten, als es hier noch höher her ging und „der Autor Posener“ meinte ordnend in das Geschehen eingreifen zu müssen, vielleicht sogar, als der Autor Kurt Schmid dazu aufrief, dass hier alle mit Klarnamen schreiben sollten. Kann man alles nicht mehr rekonstruieren, weil eine unabwendbare Naturkatastrophe weite Teile der SM davonschwemmte auf Nimmerwiedersehen.

      https://starke-meinungen.de/blog/2025/05/08/vom-sprachenwirrwar-zu-babylon/#comment-99444

      Aber die „unsichtbare Hand“ die kein Herbergsvater sein will, ignoriert alle Fragen nach den Ursachen mal wieder, weil es ihr führnehmster Wesenszug ist?

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