„There is much talk today in Germany about the AUFARBEITUNG (literally, the >>working over<<) of its recent history – a very German word that is usually translated as >>coming to terms with the past<< (on whose terms?) but that also evokes Freudian connotations …, and that, in a more mundane and domestic meaning, also can be used to describe the remodeling of an old garment (>>ein Kleidungsstück aufarbeiten<<) to make it look as good as new.“
Bild oben: Am Morgen des 3. Oktober 1990
Haben Sie schon einmal etwas von der Anordnung des DDR-Ministerrates über Ehrenpensionen für … Verfolgte des Faschismus sowie für deren Hinterbliebene vom 20. September 1976 gehört ? Diese vertrauliche Dienstsache – VD 26/19/76 ?
Wiederkehrende monatliche Zahlungen an diesen Personenkreis zu leisten, der Begriff des NS-Verfolgten war bereits im DDR-Gesetzblatt 1950, Seite 92, sehr klar definiert…
… Wiederkehrende monatliche Zahlungen, das war 1976 keine DDR-Idee. Die Regelung war dem am 13. April 1956 erlassenen (West-) Berliner Gesetz zur Anerkennung und Versorgung politischer, rassischer und religiöser Verfolgung (PrVG) nachgebildet. Auch dieses leistet in Berlin lebenden einstigen NS-Verfolgten (und nur diesen) eine Rente.
Aber diese Höhe der DDR- (Alters-) Versorgungenen !
Für Aluchip-Verhältnisse war es schon gigantisch, was für Männer ab 60, für Frauen ab 55, ausgereicht wurde. Wenn die Zahlungen, in Euro übergeleitet, 717,50 monatlich betragen, so waren das 1992 1.400 Deutsche Mark und waren das 1989 1.400 DDR-Mark. Das war in der DDR deutlich über dem DDR-Durchschnittslohn eines Berufstätigen.
Je länger ich Diskussionen um Entschädigungen für erlittenes DDR-Unrecht und auch um NS-Entschädigungen verfolge, um so mehr kann ich nachvollziehen, warum der DDR-Ministerrat die Zahlungen an NS-Verfolgte als vertrauliche Dienstsache – VD 26/19/76 händelte: „Bitte nicht öffentlich ausdiskutieren !“ Was nicht heißt, dass ich das für gut halten würde. Geheimnisse gebären Legenden.
Und machen Sie sich keine Illusionen: Das (West-)Berliner Gesetz zur Zahlung von Verfolgtenrenten entstand 1956 unter Französisch/Britisch/Amerikanischem Besatzerstatut.
Unterschätzen Sie nicht den Sozialneid!
Der geht schon bei Winzigkeiten los.
Wer zum Beispiel zu Unrecht in der DDR in Haft war, bekommt diese Haftzeit in der Rentenversicherung als Ersatzzeit angerechnet und als Rentenerhöhung geleistet. Das ganze Berufliche Rehabilitierungsgesetz ist das Aufstellen fiktiver Versicherungsverläufe. Glauben Sie, solche Versicherungsfremden Leistungen fänden die ungeteilte Zustimmung derer, die in die Rentenversicherung einzahlen ? Schon die „Mütterrente“, auch so eine „versicherungsfremde Leistung“, findet ein solches Wohlgefallen nicht. Obwohl Mütter nun aber wirklich einen Beitrag leisten, welcher der Gemeinschaft der Rentenversicherten zu Gute kommen wird.
„Du, Du bist kein Opfer!“
Mit diesen Worten baute sich vor 30 Jahren ein Haftkamerad vor mir auf. „Ich, ich lebe heute von sozialer Hilfe, ich bin ein Opfer! Du bist ein Wendegewinnler!“ Vor dreißig Jahren, das war, als ich im Leipziger „Bund der Stalinistisch Verfolgten“ verkehrte. Einer spezifisch ostdeutschen Gründung von Haftkameraden, die im Zusammenhang mit einer Haft in den 1960er Jahren keinesfalls das Glück gehabt hatten, aus der Haft gen Westen freigekauft worden zu sein.
Anders war dies in den 1970er und 1980er Jahren, wo nach Wiedergabe einer Schätzung durch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 21. September 2000, dort unter Rz. 11, 90 bis 95 vom Hundert aller Gefangenen des Ministeriums für Staatssicherheit
„ … nach Teilverbüßung ihrer Freiheitsstrafe über den Weg des Freikaufs in die Bundesrepublik Deutschland gelangte.“
Und als ich 1982 aus der ersten Haft in die DDR entlassen wurde, mein Personalausweis eingezogen war, ich ein Ersatzdokument zu tragen hatte und tiefer kaum fallen konnte, …
Da war ich ja wirklich in ein anderes Umfeld gekommen, als 1985 nach meiner Entlassung in die Bonner Republik.
Die erste Fassung für eine „Kapitalentschädigung“ nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz trug dem 1992 noch Rechnung: 300 Deutsche Mark für jeden erlittenen Haftmonat. In der DDR Verbliebene erhielten 250 Deutsche Mark mehr:
In der Diskussion um die 2007 eingeführte „Besondere Zuwendung für Haftopfer“ ging es von Anfang an um die Frage, wer diese denn „brauche“. Und bis zum 1. Juli diesen Jahres war die Abprüfung der sozialen Verhältnisse der Zahlung vorgeschaltet.
In der Tat: Einstige Verfolgung führt nicht zwangsläufig in heutige Armut. Und heutige Armut ist nicht zwangsläufig eine Folge einstiger Verfolgung. 29,5 % aller Altersrentner in Beitrittsgebiet sind heute armutsgefährdet. 19,6 Prozent im Bundesdurchschnitt. Völlig unabhängig davon, ob einst verfolgt oder nicht.
Versorgungsrenten
Ab einem „Grad der Schädigungsfolgen, GdS, von 30 (% der Minderung der Erwerbsfähigkeit)“ infolge einer DDR-Haft oder jedes Aufenthaltes in einem geschlossenen Jugendwerkhof (egal unter welchen Vorwürfen) zahlt der Staat (nicht die Deutsche Rentenversicherung) zusätzlich zur „0pferrente“ noch eine Versorgungsrente.
Als Schädigungsfolge wird hier stets eine psychische Schädigung vorgetragen, die infolge eines vor Jahrzehnten erlittenen Traumas arbeitsunfähig gemacht habe und nun eine Altersrente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung ersetzen müsse.
Ein schwieriges Feld. Weil nicht nur meiner Ansicht nach allein eine Aufgabe, ein „Gebrauchtwerden“ das Trauma zu überwinden hilft, die „Dämonen“ vertreibt. Und weil ein Nichtstun dieselben herbeiruft.
Übrigens: Können Sie auf dem Bildnis des Heiligen Antonius, (unten) von Otto Dix die Dämonen erkennen? Ich hatte es schon einmal abgebildet, hier …
„Die wollen alle nur den Sozialstaat abzocken!“
Die „SED-Opferbeauftragte“ streitet von Amts wegen um Versorgungsrenten für die verletzte Seele der in der DDR Gedemütigten. Das ist die Definition ihres Amtes.
.Und sie findet auch beständig neue Opfergruppen, die immer noch nicht entschädigt seien.
Die Landesbeauftragten tun dies sowieso.
Aber auch die Bundesstiftung Aufarbeitung versteht sich mittlerweile als eine solche „Stimme der Opfer“.
Es gibt keine regierungsamtliche Aufarbeitungsinstitution, welche die Schilderungen der Härte der Diktatur NICHT mit einem Ruf nach „Geld für die Opfer“ verbinden würde.
Verwundert es da, dass ein nicht geringer Teil der Bevölkerung Schilderungen des „SED-Unrechts“ als einen Versuch abtut, staatliche Kompensationszahlungen zu erlangen ?
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Noch mehr Aufarbeitung:
„Aufgearbeitet“: (1) Das DDR-Bild der Bonner Republik
„Aufgearbeitet“: (2) Das „Gaucken“ als Läusekamm
„Aufgearbeitet“: (3) Gegangene und Gebliebene – zwei DDR-Bilder
„Aufgearbeitet“: (4) 1998, der Wiederaufstieg der SED/PDS/LINKE und die Gründung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
„Aufgearbeitet“: (5) Landesbeauftragte
„Aufgearbeitet“: (7) Die Gegenbilder