Foto: Queen – Official promotional Foto © by Queen
Die legendäre britische Rockband Queen wird dieser Tage 55 Jahre alt. Zeit für eine Hommage von Ulf Kubanke. Der Popkukturexperte zeigt auf, was die Band mit, aber auch über ihren charismatischen Frontman Freddie Mercury so einzigartig gemacht hat.
Spricht man von den legendärsten Rockbands des Planeten, sind die Etiketten meist schnell verteilt. Die Beatles gelten vielen als großartigste Combo, Rolling Stones als die größte, Genesis als kopflastigste, Kinks die Gescheiterten, Doors, die Mystiker und The Who als die ruppigste Truppe der frühen Ära.
Unter all jenen gleichwohl: nur eine Majestät: Queen, die Königin der Hymnen.
Das Quartett um den schillernden Freddie Mercury
So in der Musik vier ausgesprochen individuelle Charaktere zum echten Kollektiv zussammenfinden, kann ein perfektes Team beachtliche Kunst hervorbringen. Queen setzen dieser Binsenweisheit im wahrsten Sinne des Worte die Krone auf. Alle vier Mitglieder strotzen in der gemeinsamen Zeit bis zu Mercurys Tod 1991 vor handwerklichem Können, songwriterischem Talent und stilistischer Vielfalt. Der Lohn für unvergängliche Evergreens a la „We Will Rock You“, „We Are The Champions“, „Bohemian Rhapsody“ oder „Radio Gaga“, die jeder seit gefühlten Äonen kennt, besteht zu Recht in musikhistorischer Unsterblickeit.
Auch menschlich handelte es sich bei den Vier allem Anschein nach um echte Pfundskerle, die stets das Herz auf dem rechten Fleck trugen. Kein Wunder mithin, dass sie sich auch unter Kollegen wie David Bowie (mit dem sie 1980 „Under Pressure“ machten) höchster Beliebtheit erfreuten. Folgende von Gary Numan erzählte Anekdote illustriert diese Eigenschaft besonders gelungen: Numan strandete 1982 vollkommen „Lost In Translation“ in Osaka, nach einem Zerwürfnis mit der Band Japan und der Absage gemeinsamer Konzerte. Ziellos und hungrig – denn er vertrug die japanische Küche nicht – irrte er umher und entdecket ein Queen-Plakat für deren Gig am selben Abend. Er kaufte eine Karte, ging er hinein, war aber viel zu schüchtern, um backstage zu gehen. Mercury und Co erkanntenden Kollegen, kümmerten sich um ihn wie um einen Welpen. Freddie ordert efür ihn von McDonald’s erstmal etliche Burger per Stretchlimo. „Don’t worry, Lovey. We care for you.“
Jedes einzelne Queen-Mitglied hatte individuelle kompositorische Fähigkeiten
Untereinander lief es – trotz großer Freundschaft – längst nicht immer so harmonisch. Doch wie in einer echten, verschworenen Familie siegte trotz Reibungen und Streitigkeiten schlussendlich stets die tiefe Zuneigung zueinander. Nicht minder stark waren die kompositorischen Fähigkeiten jedes einzelnen. Da ist zunächst Bassist John Deacon, der ob seiner zurückhaltenden Art von der Öffentlichkeit stets ein wenig in der Wahrnehmungsquarantäne vegetierete. Ein Typ, der nur ein Dutzend Sätze pro Tag spricht, die allesamt ins Schwarze treffen. Im Bandgefüge stets Ruhepol und Ausgleich zwischen den Temperamenten. Auf sein Konto gehen u. A. esentielle Hits wie der Dancefloorkiller „Another One Bites The Dust“ und der Videoclip-Klassiker „I Want To Break Free“. Letzterer erfährt auch dadurch eine besondere geschichtliche Bedeutung, dass die schwarze, südafrikanische Widerstandsbewegung den Track ab 1984 zur Hymne im Kampf gegen das weiße Apartheid-Regime erkor.
Brian May, seines Zeichens diplomierter Astrophysiker und leidenschaftlicher Tierschützer, entwickelte sowohl seine Gitarre „Red Special“ als auch deren Sound selbst. Mit „We Will Rock You“ verfasste er einen der ultimativsten Rocksongs aller Zeiten; mit „Who Wants To Live Forever“ (gemacht für den „Highlander“-Film) eine der schönsten Balladen. Besonders letztere zeigt, wie angenehm Mays warme Stimme mit Freddies Gesang harmoniert. Als besondere Anspieltipps empfehlen sich „Forever“, Mays instrumentale Pianofassung von „Who Wants…“ sowie das ergreifende „Sail Away Sweet Sister“ vom 1980er Album „The Game“.
Drummer Roger Taylor, ein graduierter Biologe, gilt als aufbrausender Feuerkopf der Band. Zu seinen musikalischen Visitenkarten zählen „I’m In Love With My Car“ und „More Of That Jazz“, deren Sound genauso schmirgelt wie Taylors rauhes Organ. Der Monsterhit „Radio Gaga“ stammt aus seiner Feder. Neben Queen erspielte er sich solo mit The Cross, u.A. den Hit „Shove It“ .
Freddies überbordender Ideenreichtum: Von „Killer Queen“ über „Bohemian Rhapsody“ und „We are the Champions“ bis „Barcelona“
Und dann ist da noch dieser eine Mann am Mikro, der wie kaum ein anderer im Rockolymp den Unterschied zwischen „echt gute Band“ und „absolute Legende“ ausmacht. Mercury war der Paradiesvogel unter den Sängern seiner Zeit. 1946 wurde er als Farroukh Bulsara auf Sansibar geboren. Als es dort 1964 zu einer gewalttätigen Revolution kam, flohen seine Eltern mit ihm gen London und ließen sich dort nieder.
Als sich die Ursprungsformation Smile in Queen umbenannte, ersann er den Künstlernamen Freddie Mercury. Die Liste seiner bahnbrechenden Queen-Kompositionen ist erwartungsgemäß lang. Die groovende „Killer Queen“, der Tränenzieher „Love Of My Life“, ihr Übersong „Bohemian Rhapsody“ oder die Königin aller Stadionhymnen „We Are The Champions“ bilden nur einen Bruchteil seines überbordenden Ideenreichtums ab. Auch wenn sein 1985er Soloalbum „Mr. Bad Guy“ abgesehen vom charmanten Singlehit „I Was Born To Love You“ nicht ansatzweise den Quailtätsstandard der Queen-Alben halten kann, lohnt sich das Reinhören für Fans. Weit besser gelang drei Jahre später das opernhafte „Barcelona“ an der Seite von Weltklasse-Sopranistin Montserrat Caballe. Als Klassik/Pop-Kreuzung nimmt das Album einen bedeutenden Rang unter frühern Crossover-Platten ein. Beide planten, das Titelstück gemeinsam bei der Eröffnung der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona zu singen. Mercurys Tod durchkreuzt den Coup.
Neben allen künstlerischen Meriten und der extrovertieren Bühnenpersönlichkeit, hatte Freddie auch einen selbstironischen, sehr trockenen Humor. Anspielend auf sein mächtiges Gebiss, erklärte er: „Die Menschen werden nervös in meiner Gegenwart. Sie denken wohl, ich wolle sie essen.“
Welche Queen-Alben sollte man unbedingt haben?
Bei der Frage, welche Queen-Alben man unbedingt haben muss, fällt die Antwort nicht leicht. Denn man kann keine der 14 zu Mercurys Lebzeiten erschienenen Studioscheiben ernsthaft aussortieren. Sogar eine insgesamt eher schwache LP wie „Hot Space“ verfügt durch ihre höchst extravagante Mischung aus heißem Disco-Groove, kühlen New Wave-Elementen und schneidigem Rock über etliche unterhaltende Momente.
Grundsätzlich gilt: Als Ausgangspunkt für Einsteiger bieten die verfügbaren „Greatest Hits“-Sammlungen einen gelungenen Start. Wer sich für die urwuchsigen Frühwerke zwischen Progrock und Hardrock interessiert, wird bei „Queen“ und „Queen II“ fündig. Treffend erklärte Freddie einst, diese klängen wie eine Mischung aus Led Zeppelin, Yes und Liza Minnelli.
Jene, die ihre 80er Inkarnation samt des damals angesagten Sounds lieben, sollten „The Works“ mit „A Kind Of Magic“ und „The Miracle“ mehr als nur ein Ohr leihen. Besonders letzteres hat mit dem Klopper „I Want It All“, dem dynamischen „Breakthru“ und dem pumpenden Tanzkracher „Invisible Man“ hervorragende Stücke in petto, denen man ihr Alter nicht anhört. Besonders der „Invisible Man“ glänzt mit Deacons Bass, passt gut hinter „Another one bites the Dust“.
Live gilt: Die Live Killers (1979) bringt das erste Jahrzehnt perfekt auf den Punkt. Die LP genießt unter Fans berechtigterweise höchstes Ansehen. Finger weg von der „Live Magic“, die einen tollen Gig lieblos auf eine Dreiviertelstunde herunterschneidet. Ansonsten sind alle posthum folgenden Live-Releases sehr gut.
Und dann, ja, dann erheben sich zwei brillanten Alben für die Ewigkeit:
„A Night At The Opera“ nehmen sie – ähnlich wie in „Bohemian Rhapsody“ gezeigt – größtenteils in einem abgelegenen englischen Landhaus auf. Von A bis Z bildet es ein Schaulaufen perfekten 70er Rocks, erweitert gleichzeitig dessen Grenzen. Ähnlich gut gerät das große Finale „Innuendo“ im Frühjahr 1991. Mercury holt hierfür mit nahezu übermenschlicher Willensstärke alle Kraft aus sich heraus, die dem malträtierten Körper längst nicht mehr zur Verfügung steht. Dieser entspringen Juwelen wie etwa das brachiale „Headlong“, das epische Titelstück samt edlem Flamencointermezzo oder das berührende „I’m Going Slightly Mad“.
Obwohl der ehrwürdige Abschluss „The Show Must Go On“ vom May stammt, erklärt es Mercurys künstlerisches Credo so umfassend wie optimal. „Wenn ich tot bin, möchte ich als Musiker von Wert und Substanz in Erinnerung bleiben.“ sagt Freddie dazu. Mein Lieber, das ist Dir lässig gelungen. Unsere verdiente Liebe nimm dazu.