Unser Autor Hans von Seggern führt die Tradion der Top 5 Song Listen aus dem Kultroman „High Fidelity“ von Nick Hornby fort. Den Auftakt machen die besten Tracks zur „Eulologie“.
In dem Kultroman „High Fidelity“ lässt Autor Nick Hornby seine Hauptfigur, den Besitzer eines Londoner Plattenladens, mit seinen Angestellten immer wieder neue Top 5 Listen von allem und jedem ersinnen: Die Top 5 Hits aller Zeiten, die schlechtesten 5 Songs aller Zeiten, die Top 5 der besten ersten Songs auf Seite 1 von Pop-Platten etc. pp. Dabei stellt Hornbys Protagonist die Frage nach dem Ursprung des Blues:
“What came first – the music or the misery? Did I listen to the music because I was miserable? Or was I miserable because I listened to the music?”
Während diese Frage – es ist die Frage nach der Henne und dem Ei – wohl nie beantwortet werden wird, kann man festhalten: Die Top 5 Listen aus „High Fidelity“ müssen fortgeführt werden – just for the heck of it!
„Owls“ und „Night Owls“- Songperlen
Heute: die Eule! Welches sind die Top 5 Songs über Eulen? Hat sich eigentlich je jemand diese Frage gestellt? Der vorliegende Text soll einen brauchbaren, wenn auch vorläufigen, Vorschlag machen zur Beantwortung dieser bislang stark vernachlässigten Frage.
Denn: Wer sich auf die Suche nach der Eule in der Populärkultur macht, wird fündig: „Owl“ und insbesondere die „Night Owl“ erweist sich als ein ergiebiges Suchwort. Es zeigt sich gar: Unter den zahlreichen „Owl“- und „Night-Owl“-Songs finden sich die feinsten musikalischen Perlen, ja es ließe sich ohne Not eine Geschichte des Pop von den 50ern bis heute anhand der Eulen-Population im Reiche der Musik erzählen.
Um es vorwegzunehmen: Die „Night Owl“ ist Sinnbild des in den Partyzonen nächtlich sich verlierenden Flaneurs der Großstädte in einem ähnlichen Sinne wie Edward Hoppers „Nighthawks“ – also „Nachtfalken“ im Sinne von „Nachtschwärmer“. Hier nun unsere Hit Liste der Top 5 der besten Eulen Songs:
Nr. 5: Tony Allen – Night Owl (1955)
Im Jahr 1951 goss ein gewisser Lowell Fulsom den vielleicht ersten Eulen-Song der Nachkriegszeit in das klassische Blues-Schema und besang sich selbst als „Night Owl“: So streunt der Sänger durch die Bars der Stadt auf der Suche nach Abwechslung, nachdem die Angebetete ihn verlassen hatte.
Bereits vier Jahre später kleidete DooWop-Star Tony Allen seinen eigenen Song mit dem gleichen Titel in das seinerzeit modische Soundgewand: Nun ist es die untreue Frau, die die „Night Owl“ verkörpert. Als lebensfroher Vamp amüsiert sie sich in den Bars der Stadt mit anderen Männern. Mokant versucht sich der Background Sänger auf Allens Hit daran, mit „oohoo“ den Ruf der Eule zu imitieren:
„Well, here comes the night owl (oohoo, night owl)
Walking through the front door (oohoo, night owl)
Yes, but it’s all, all over (oohoo, night owl).”
Mit seinem größten Hit „Night Owl“ schuf Allen einen einflussreichen Klassiker, der aufgrund seines Publikumserfolgs zu zahlreichen Nachahmungen einlud. Bemerkenswert ist etwa die Cover-Version des als „King der Surf Gitarre“ bekannt gewordenen Dick Dale.
Eine besondere Perle nach Tony Allen und Dick Dale ist Frank Zappas eigenwillige Version des Songs: Aus der großen Kramkiste der amerikanischen Musikgeschichte bedient sich Zappa und erschafft eine – im wahrsten Sinne des Wortes – kauzige Parodie.
Nr. 4: Gerry Rafferty – Night Owl (1979)
Mit „Baker Street“ hatte Gerry Rafferty im Jahr 1978 einen Mega-Hit gelandet, sodass die Messlatte hoch lag für seinen nächsten Song: „Night Owl“. Diese erblickte am 26. Mai 1979 das Licht der Welt. Sanft und resilient rockt der Song vor sich hin wie ein Uhu im nächtlichen Gleitflug. Und tatsächlich gelang es dem schottischen Soft-Rocker, mit „Night Owl“ immerhin halbwegs an den Mega-Erfolg aus dem Vorjahr anzuschließen:
„Yes, I get a little lonely when the sun gets low
And I end up looking for somewhere to go
Yes, I should know better but I can’t say no,
Oh no, no, no.”
Raffertys „Night Owl“ ist niemand anders als er selbst – als einsamer Trinker. Mit „Night Owl“ besingt er die eigene Alkohol-Sucht und landet mit diesem tristen Thema einen weiteren Top 10 Hit. Es sollte, nach „Baker Street“, der bedeutendste seiner gesamten Laufbahn bleiben.
Nr. 3: Cypress Hill – Spark another Owl (1995)
“Once again the power of the herbs open up your mind”: Der Track “Spark another Owl” der Chicano-Rapper Cypress Hill aus L.A. propagiert die entspannenden Segnungen des Cannabis-Konsums. Eine spooky bass line, knarzig wie ein Text von Peter Handke, ein funky drum beat und das glamouröse Vibrato eines Fender-Rhodes-Piano-Sounds grundieren die Message der Raps von Cypress Hill, die mit 18 Millionen verkauften Platten zu den Superstars des Genres zählen: Vergiss den ganzen Stress und zünd lieber noch ‘nen Joint an: Do you wanna spark another owl?
“You can keep the muthafuckin‘ stress
Smoke it up, just puff it up, oh yeah
Light it up, then put your spliff up in the air
Do you wanna spark another owl? Smoke another owl!“
Was soll man dazu sagen? Smoke responsibly!
Nr 2: Andre Nickatina – Awake like an Owl (2000)
Die Zerrissenheit der amerikanischen Gesellschaft thematisiert Rapper Andre Nickatina from the City of San Francisco. Es ist nun einmal so: Wenn du in Frisco nicht gerade Millionär bist, lebst du entweder bei deinen Eltern, in einer WG oder halt als homeless unter einer Brücke. Nickatinas Rap kennzeichnet eine kreative Verwendung der englischen Grammatik im Dienste des Reims:
“When you up all nite
You see things you shouldn’t have saw
Cuz the nite gets raw
Drama is thicker than Skippys peanut butter
Imagine worried thoughts of a young man’s mother
Feelin’s empty, love don’t live here anymore
Awake like an owl at a quarter to four”
Atemlos pusht der rhythm mit einem quirky bass sound den Song vorwärts, ebenso atemlos wie der Protagonist von Nickatinas „Awake like an Owl“ sich durch die Nacht bewegt, um sich mit zwielichtigen Geschäften über Wasser zu halten.
Nr.1: Carly Simon – Night Owl (1972)
„Night Owl“ war ein Song, der Mitte der 60er Jahre von Carly Simons späterem Partner, dem Singer und Songwriter James Taylor für seine Band The Flying Machines geschrieben wurde. Die Band trat seinerzeit in Greenwich Village in einem Club namens Night Owl Café auf, der Taylor zu dem Titel inspirierte. Im Night Owl Café spielten Größen wie Stephen Stills („Love the one your with“) oder The Lovin‘ Spoonful („Summer in the City”). Es war schlicht und einfach the place to be.
Die Originalversion von „Night Owl“ atmet die rohe Energie des psychedelic Beat mit der klassischen Besetzung von Gitarre, Bass, Drums und der mit Hall nachbearbeiteten Stimme von James Taylor. Ein Song mit Tempo und eigentlich großartig, er klingt noch heute aggressiv und frisch – kommerziell jedoch war er zunächst ein Flop.
Erst Carly Simons Version auf ihrem „No Secrets“ Album war der Durchbruch für diesen Song beschieden. James Taylor hatte mittlerweile einen Plattenvertrag bei Apple Records unterzeichnet, dem Plattenlable der Beatles. Auf Carly Simons Version singen Linda und Paul McCartney Background Vocals und den Bass spielt der legendäre „5. Beatle“: Klaus Voormann,
Die Platte sollte die erfolgreichste für Simon werden und verhalf der jungen Sängerin zu weltweiter Popularität: Sie behauptete sich fünf Wochen auf Platz 1 der Charts. Lasst euch nur durch euer business verbrauchen – my time is the night time.
Playlist: https://open.spotify.com/playlist/4J6KkgOAzo7HbbDVm1qb1u?si=7UTS73a1RcuLP8OSnAIPdg&pi=pikCU9C7S3qtS
Foto: Tom Maelsa
Hans von Seggern ist promovierter Literaturwissenschaftler und zunächst mit einer umfangreichen Studie zum Thema „Nietzsche und die Weimarer Klassik“ hervorgetreten. Zahlreiche Arbeiten zur Geschichte des Unbewußten – zu Spinoza, Nietzsche, Freud und Benjamin. Sein Engagement für die innovative Wissensvermittlung in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft führt ihn regelmäßig in (fast) alle Museen dieser Welt.
Tolle Idee. Ich würde gern was über Schiffsuntregänge machen….. angefangen mit dem besten Song „The Wreck Of The Edmund Fitzgerald“ von Gordon Lightfoo
Wunderbare Idee! Wir freuen uns und sind gespannt!