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Songs von Leonard Cohen (8): Don’t Go Home With Your Hard-On

Wahrscheinlich könnte ich einen schönen Distinktionsgewinn einheimsen, wenn ich sagen würde, „Death of a Ladies‘ Man“ wäre mein Lieblingsalbum von Leonard Cohen. Leider wäre das gelogen, ich muss also auf den Originalitätsbonus verzichten. Aber ich mag das von Phil Spector produzierte Album doch; auch und gerade, weil Cohen hier mit seiner normalen Gesangsstimme auftritt, weil ihm Spector nicht die künstliche Tiefe gönnt, die zuweilen dazu dient, auch gedankliche Tiefe dort zu insinuieren, wo sie zum Glück nicht vorliegt.

Womit wir schon bei den Texten dieses Albums wären. Und auch die sind oft auch deshalb schön, weil sie nicht – wie etwa „Who By Fire“, „Hallelujah“, „You Want It Darker“ oder „Lover Lover Lover“, alles Songs, die ich hier besprochen habe – partout tiefsinnig sein wollen. Wie dieser hier. „Geh nicht mit deinem Steifen nach Hause.“

Erektionen und wie man mit ihnen umgehen soll, sind gelegentlich Gegenstand der populären Musik; merkwürdigerweise fallen mir aber nur deutsche Beispiele ein. „Veronika, der Lenz ist da“ von den Comedian Harmonists etwa:

Die ganze Welt ist wie verhext / Veronika, der Spargel wächst!

Weniger jüdisch-verschmitzt, mehr arisch-direkt beim „Pflaumen-Polka“ von Viktor (höhö) und den Viktorianern (höhöhö), hinter denen sich angeblich das Medium Terzett verbarg:

Im Garten sind die Pflaumen reif (Pflaumen reif, Pflaumen reif) / die Bäume hängen voll und steif (hängen voll und steif) usw.; wir haben das als pubertierende Schüler (höhöhöhö) gern gehört, aber mich hat damals schon gestört, dass die Bäume „voll und steif hängen“. Hängen ist genau das, worum es nicht geht. Warum man nicht „stehen“ singen konnte, ist mir rätselhaft. Schließlich heißt es im deutschen Volkslied:

Ein Männchen steht im Walde ganz still und stumm / Er hat von lauter Purpur ein Mäntlein um.

Aber das nur nebenbei. Noch arischer, noch direkter, kurzum: ostdeutsch geht es in „Erektion“ zu, einer Masturbationsfantasie des Rappers Nils Wehowsky alias Finch:

Erektion
Er kriegt wieder einen hoch
Macht euch bereit, bereit, bereit
Er wächst und gedeiht, gedeiht, gedeiht

Erektion
Aus einer anderen Dimension
Es ist an der Zeit, der Zeit, der Zeit
Pimmel ist steif, so steif, so steif

Na, und so weiter. Kamm man lustig finden, muss man nicht.

Und nun Cohen: Geh nicht mit einem Steifen nach Hause / Der macht dich doch nur verrückt … Klingt wie der Werbespruch eines Bordells. Und tatsächlich las ich in irgendeiner Cohen-Chatgruppe, dass „Schönheitssalon“ beziehungsweise „Friseurladen“, wo der Vater des Sängers gearbeitet hat, im Englischen ein Codewort für Bordell sein soll. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber bei der Recherche zu meinem Maria-Buch lernte ich, dass im jüdischen Palästina zur Zeit Jesu „Friseuse“ tatsächlich ein Euphemismus für Hure war, weshalb man in einigen frühen antichristlichen jüdischen Texten die Auskunft findet, Miriam / Maria sei Friseuse gewesen.

Hier wird deutlich ausgesprochen, dass die Mutter des Sängers ein Callgirl war, eine Prostituierte, die man telefonisch bestellte: „Meine Mutter war ein Mädchen, das man jederzeit rufen konnte.“

Und, so lernen wir in der letzten Strophe, der Sänger arbeitet weiter, wie es sich für einen braven jüdischen Jungen gehört, im Geschäft seines Vaters: mit Lippenstift, Lidschatten und Silikon. (Silicon Valley bekommt in dem Zusammenhang ganz neue Assoziationen. Und wenn wir schon bei Witzen und bei Jesus, Maria und Joseph sind, wie wär‘s mit diesem jüdischen Witz: Woher weiß man, dass Jesus Jude war? Nun, er arbeitete im Geschäft seines Vaters, wohnte im Elternhaus, bis er 30 war, und seine Mutter hielt ihn für Gott.)

Wo war ich stehen geblieben? (Ist man erst in dieser albernen Stimmung, wird auch der Satz doppeldeutig …) Ach ja, beim Refrain, dem Werbespruch des väterlich-mütterlichen Bordells. Gegen den Steifen hilft kein Schütteln und Rütteln, hilft kein Regen, hilft kein Motown … Hä? Motown? Ich würde gern glauben, dass es sich um eine Anspielung auf den Song „Sexual Healing“ des Motown-Stars Marvin Gaye handelt, in dem der vor Wollust kranke Sänger seine Freundin um Heilung – „grab hold and take control“, „open up and let me in“ – bittet: „Please don’t procrastinate / It’s not good to masturbate.“

Aber „Sexual Healing“ kam erst 1982 heraus, und nach Gayes Weggang von Motown, „Death of a Ladies‘ Man“ bereits 1977. Es gab aber jede Menge Motown-Titel, die hier passen würden, von Barry Gordys „Money“ bis Stevie Wonders „Fingertips“. Was den Regen angeht, so heißt es in „Crying in the Rain“ von den Everly Brothers: „Raindrops falling from heaven / Could never wash away my misery“ – or melt down my hard-on, ergänzt Cohen hier.

Es passt zu einem Werbesong für ein Freudenhaus, dass in ihm zwei andere Institutionen kritisiert werden, die – auch – der Erleichterung männlicher Sexualnot dienen: die Affäre und die Ehe. In der zweiten Strophe ist von Frauen die Rede, die einen Mann anmachen, ihn dann aber zwingen, um den versprochenen Sex zu betteln: „Please please me oh yeah like I please you“, wie die Beatles sangen. In der dritten ist von der Braut die Rede, die mit ihrem Schleier zur Hochzeit erscheint, wie es bei Juden und Christen üblich ist, ganz in weiß, wie Roy Black sie besang, überirdisch unberührbar für den elenden Affen mit seinem Schwanz – und, einmal doch berührt, für immer da, ob man sie ruft oder nicht.

Das sind Verse, die ziemlich gut Cohens damalige Gefühle Frauen gegenüber wiedergeben, seine ständige „Geilheit“, wie er es in einem Tagebucheintrag nennt, und seine Skepsis gegenüber der Ehe oder eheähnlichen Verhältnissen, aus denen er immer wieder auszubrechen versucht. Ich, das kann man nicht oft genug wiederholen, ist ein anderer, aber manchmal nur, um doch ich sein zu können.

Alles in allem also sowohl vom Gesangsstil wie auch vom Inhalt her ein ehrlicher Song. Und hier ein Ratschlag an alle Ehemänner: Hören Sie nicht auf diesen Mann. Nehmen Sie ihren Steifen mit nach Hause. Vielleicht haben Sie Glück.

 

I was born in a beauty salon
My father was a dresser of hair
My mother was a girl you could call on
When you called she was always there

Ah but don’t go home with your hard-on
It will only drive you insane
You can’t shake it (or break it) with your Motown
You can’t melt it down in the rain

I’ve looked behind all of the faces
That smile you down to your knees
And the lips that say, Come on, taste us
And when you try to they make you say please

Ah but don’t go home with your hard-on …

Here comes your bride with her veil on
Approach her, you wretch, if you dare
Approach her, you ape with your tail on
Once you have her she’ll always be there

Ah but don’t go home with your hard-on …

So I work in that same beauty salon
I’m chained to the old masquerade
The lipstick, the shadow, the silicone
I follow my father’s trade

Ah but don’t go home with your hard-on …

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