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Das Virus gegen Nachdenken

Kam Covid aus einem Labor oder einem Tiermarkt? Das ist mir eigentlich vollkommen egal. Dass man über diese Frage nicht einmal nachdenken durfte, ist das viel größere Problem. Nicht nur vom „Volksverpetzer“ wurde man schnell als Querdenker einsortiert (Foto).

„Nun lass’ es doch endlich! Ist doch vorbei jetzt.“ Das sagt mein Umfeld, wenn ich das Thema Corona auch nur streife. Und ich kann diesen Reflex total verstehen. Mich ödet das Thema auch an. Aber leider hat mich vor allem das unkritische Verhalten meiner eigenen Zunft – der Journalisten – und vieler Freunde so tief enttäuscht, dass ich wahrscheinlich nie darüber wegkommen werde. Außerdem kommt regelmäßig aus den Untiefen der Corona-Zeit wieder etwas ans Tageslicht, das mich nachdenklich macht.

Jetzt haben ZEIT und NZZ Recherchen veröffentlicht, die nahe legen, dass das Virus nicht von einem Tiermarkt im chinesischen Wuhan stammt, sondern aus einem dortigen Forschungslabor. Mag sein. Für mich hat sich die Lage von Anfang so dargestellt: Ein neuartiges Virus breitet sich ausgerechnet in einer Stadt aus, in der in einem Labor zu dieser Sorte Viren geforscht wird. Doch der Ursprung soll ein Tiermarkt sein. Seltsam.

„Wo haben wir dich verloren?“

Manchmal ist es ganz einfach. Es sieht aus wie ein Labor-Unfall? Riecht wie ein Labor-Unfall? Schmeckt wie ein Labor-Unfall? Dann ist die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß, dass es ein Labor-Unfall ist. Gerade wenn die Geschichte in China spielt. Doch diese auf der Hand liegende Wahrscheinlichkeit durfte eine Zeit lang nicht erwähnt werden. Ich habe das trotzdem zwei oder drei Mal in Netzwerken gewagt. Und musste dafür bezahlen.

Mit Entfreundung. Mit wüsten Beschimpfungen. Mit Kommentaren wie: „Wo haben wir dich eigentlich verloren?“ Auch wenn ich gerne darauf verzichte, ein Teil dieses imaginären „Wir“ zu sein – das ist ein ganz übler Versuch, Freunde ins Abseits zu schieben, weil sie sich nicht in die Schlange der Inhaber der richtigen Meinung einreihen wollen. Weil sie es wagen, einfach mal nachzufragen oder abzuweichen. „Ach, du Möchtegern-Journalist weißt es also besser als die besten Wissenschaftler der Welt?“ Auch ein sehr beliebter Kommentar. Nein, weiß ich natürlich nicht. Aber eine Frage darf ich trotzdem stellen, oder?

Ich hätte da noch eine Frage

Es geht überhaupt nicht darum, am Ende mit irgendetwas Recht behalten zu haben. Worum es aber geht ist, dass wir aus diesen finsteren Zeiten lernen. Leider scheint das nicht der Fall zu sein. Es gibt immer noch Leute, die sich zutiefst wundern und mit Abscheu reagieren, wenn sie auf Menschen stoßen, die noch eine Frage hätten oder aus irgendeinem Grund anderer Meinung sind als sie selber. Beispiele sind das Klima oder Donald Trump. Wer bei diesen Themen irgendwelche Differenzierungen fordert, ist genau so raus, wie Leute, die es jemals für möglich hielten, dass das Virus aus einem Labor stammt. Undifferenziertheit ist immer noch groß in Mode.

Labor oder nicht? Ist mir vollkommen egal. Aber drüber reden und diskutieren wäre eine Wohltat gewesen. Warum durften Schauspieler sich nicht in Allesdichtmachen-Videos über die neue Corona-Realität lustig machen? Sie wurden behandelt, als hätten sie gerade öffentlich Katzenbabys den Hals umgedreht. Warum durfte Mandy, die sonst Bierdosen und Drehtabak im Späti verkauft, ohne jede medizinische Ausbildung abertausenden weinenden Kindern ein Wattestäbchen tief in den Hals stecken? Vieles in der Corona-Zeit war so doof, denkfaul, so undialektisch und düsterdeutsch, dass es mich noch heute gruselt.

Erstmal schnell entfreunden

Nur wenn wir verstehen, was während Corona passiert ist, können wir es besser machen. Deshalb wäre es hilfreich, wenn wir wüssten, woher das Virus wirklich stammt. Die Erzählung, dass es unweigerlich und immer schneller zu weiteren Pandemien kommen wird, weil Klimaveränderungen und Raubbau an der Natur eine Ursache seien, sollte dringend neu bewertet werden. Vielleicht sollten wir einfach dafür sorgen, dass in Labors, die sich mit derartig hochgefährlichen Experimenten beschäftigen, die Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Klingt unterkomplex, scheint aber realistischer, als jetzt erstmal schnell das Klima zu retten. Aber für diesen Satz werde ich hier wahrscheinlich erstmal entfreundet.

Frank Schmiechen ist Journalist und Musiker. Er startete als Reporter bei der Bergedorfer Zeitung, war später unter anderem Stellv. Chefredakteur der WELT und Chefredakteur des Online-Mediums Gründerszene. Seit einigen Jahren arbeitet er freiberuflich als Kommunikationsberater. In den 70er Jahren begann er seine Musiker-Karriere als Songschreiber, Bassist, Gitarrist und Pianist. Sein Herz schlägt auch für guten Wein und den HSV. Frank Schmiechen lebt in Berlin und hat vier Töchter.  

Foto: NIAID/Flickr

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2 Gedanken zu “Das Virus gegen Nachdenken;”

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    Danke Frank Schmiechen für diesen starken Text. Mir ging es ähnlich wie Ihnen. Vor allem als Mensch mit Impfschaden, den ich wohl für den Rest meiner Tage mit mir herumschleppen werde. Ja, Sie haben vollkommen recht: Es ist am Ende scheißegal, ob der Virus aus einem Waffenlabor entwichen ist oder woher er sonst kommt. Aber allein die Tatsache dafür abgestraft zu werden öffentlich darüber nachzudenken und in „Schwurblerecke“ gestellt zu werden, wirft ein ungutes Licht auf den Zustand der Debattenkultur. Wenn selbst die gute alte Kontaktschuld wieder ausgegraben werden muss, um Menschen mit Fragen zu diskreditieren, muss man eigentlich das Gefühl haben, dass man richtig liegt. Aber das alles wird leider keine Konsequenzen haben, weder kulturelle noch rechtliche. Freunde, oder solche, die man dafür hielt, sind verloren, der Graben, der mit Corona (bewusst?) aufgerissen wurde, ist viel zu tief.

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    „Vieles in der Corona-Zeit war so doof, denkfaul, so undialektisch und düsterdeutsch, dass es mich noch heute gruselt.“ So ist es. Ich bin immer noch entsetzt, mit welcher überheblichen Nonchalance von unseren Regierungen, Medien, Wissenschaftlern und Journalisten, aber auch allzuvielen Mitmenschen das Thema und Andersdenkende verächtlich gemacht wurden. Das Vertrauen ist von meiner Seite weg. Dieses Land liebt definitiv die Freiheit nicht. Und das Thema ‚Laborunfall in Wuhan‘ galt als Verschwörungstheorie. Und mit den Lockdowns und den FFP2-Masken wollten Maßnahmenradikale, die sich „Drosten-Ultras‘ nannten, Demokratie und Kapitalismus abschaffen. Und vieles mehr.

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