Clint Eastwoods erster amerikanischer Film nach dem Ausflug in den Italo-Western. Ein B-Movie, bei dem sich Regisseur Ted Post bei den Stilmitteln der italienischen Filme bediente. So ist die Musik von Dominic Frontiere teilweise direkt bei Ennio Morricone geklaut.
Bei allen Ähnlichkeiten ist Posts Film in der Intention völlig anders als die Italo-Western. Bei diesen kommt das Gesetz nicht vor (oder allenfalls als hilfloses Opfer der Bösen wie der Sheriff in Sergio Corbuccis Meisterwerk „Il grande Silenzio“, im gleichen Jahr – 1968! – gedreht wie „Hang ‚em High“. In den Italo-Western obliegt es meistens einem einsamen Rächer, die Bösewichter zu erlegen, die ohne ihn uneingeschränkt herrschen würden. Das war natürlich beeinflusst durch die italienische Erfahrung mit der Mafia und der Korruption von Polizei und Justiz unter der Ägide der DC einerseits und andererseits von romantischen linken Traditionen, die bis in die Resistenza und den Anarchismus zurückgingen und von den Brigate Rosse fortgeführt wurden.
Es ist kein Zufall, dass in den frühen 1970er Jahren in West-Berlin praktisch der gesamte Kaderstamm der diversen linksradikalen Gruppen an einem normalen Samstagabend im „Filmkunststudio im Schlüter“ gefunden werden konnte, wo man in schöner Eintracht, wenn auch in nach Organisationszugehörigkeit getrennten Sitzreihen Italowestern guckte.(Rudi Dutschke selbst war von einem französischen Western radikalisiert worden, von Louis Malles „Viva Maria!“. Andere Geschichte.)
Bei „Hängt ihn Höher!“ geht es im Gegensatz zu den italienischen Vorbildern darum, dass der einsame Held – Clint Eastwood natürlich – eben nicht außerhalb des Gesetzes seine Rache sucht, sondern im Auftrag des Gesetzes – hier verkörpert durch einen „Hanging Judge“, gespielt von Pat Hingle. Diese Gestalt ist bei weitem interessanter als Eastwood, der vor allem schön anzusehen ist. Es wird nie klar, ob der Richter aus Lust am Hängen agiert oder schlicht, weil er kein anderes Mittel als drakonische Strafen sieht, um Law & Order in diesem wilden Territorium durchzusetzen – und ob ihm selbst seine Motive klar sind.
Der Höhepunkt des Films ist denn auch eine öffentliche Mehrfachhinrichtung, die durch das gemeinsame Hymnensingen der wie zu einem Jahrmarkt angereisten Farmer und ihrer Familien und die Predigt des Pfarrers zu einer sadistischen Tortur für die Delinquenten wird. Ein unangenehmer Film, der aber allein deshalb von Bedeutung ist, weil er einer der ersten so genannten „revisionistischen“ Western ist, die ja alle vom italienischen Vorbild beeinflusst wurden.
Vor Kurzem las ich Clemens Meyers »Die Projektoren«. Mich interessierte an dem Buch, wie der Autor (Kriegs-)Erinnerungen und Filme (Karl-May-Filme), Kriege (insbesondere Jugoslawienkriege), Rechtsradikalisierung von Jugendlichen in Ost (DDR) und West verbindet. Der Protagonist in »Die Projektoren« war Meldekind bei den Partisanen im 2. Weltkrieg, Gefangener unter Tito, Akteur bei den Karl-May-Verfilmungen und schrieb später Western in Westdeutschland. Schon länger fragte ich mich: Welche Bedürfnisse befriedigten eigentlich Karl-May-Verfilmungen und Western im Nachkriegsdeutschland? Dank Ihres Artikels und dem von Richard Kämmerlings unter der Überschrift »Die Cowboys und die Rechtsphilosophie« in der welt, den ich nun gefunden habe, verstehe ich das jetzt besser. Was die heutigen Geschehnisse in den USA betrifft: Es kommt alles nicht wirklich überraschend, sondern mit Ansage.