Banana! Wir nehmen die selbsternannten Alternativen zu den etablierten Parteien zu ernst.
Extremisten haben nichts zu bieten. Das war vielen Menschen in Deutschland schon immer klar. Doch es gibt eine Menge Leute, die trotzdem mit ihrer Stimme für Alice Weidel (AfD) oder Sahra Wagenknecht (BSW) den etablierten Parteien einen Warnschuss vor den Bug verpassen wollen. All diesen enttäuschten Wählern sei empfohlen, sich nochmal das Gespräch von Weidel mit dem Unternehmer Elon Musk und ihre Rede auf dem AfD-Parteitag anzuhören. Auch die Reden von Wagenknecht und ihren Parteifreunden auf dem BSW-Parteitag können helfen, sich von irrationalen Hoffnungen zu kurieren.
Musks schwachbrüstiger Gastbeitrag in der Welt am Sonntag hätte eine Warnung sein müssen. Der Mann hat eigentlich gar keine Lust auf Politik. Den Artikel hat er sehr wahrscheinlich von seiner hauseigenen Künstlichen Intelligenz runtertippen lassen. Politik interessiert ihn nicht, sie ist für ihn lediglich Mittel für sein Geschäft. Was natürlich völlig ok ist. Doch die Erwartungen an sein Gespräch mit Alice Weidel waren trotzdem gewaltig. Man zitterte wie Espenlaub. Die Zerstörung der deutschen Politik war erwartet worden. Oder die sofortige Machtübernahme? Mindestens. Und dann das. Geplänkel. Gestotter. Gelache. Zwei Gesprächspartner, die sich so gar nicht wohl fühlten. Intellektuelle Höhenflüge? Gefährliche Gedanken? Wenigstens irgendein Gedanke? Humor? Nix! Peinliches Schweigen.
„Nieder mit den Windmühlen!“
Für eine Unternehmensberaterin aus der Schweiz befand sich Weidel auf einer erschreckend niedrigen intellektuellen Flughöhe. Ein paar kluge Fragen an Musk hätte sie sich schon notieren dürfen. Und zu allem Überfluss wollte sie einem Amerikaner auch noch ernsthaft erklären, was es mit Adolf Hitler eigentlich auf sich hat. Das Fremdscham-O-Meter stieg auf ein nie zuvor erreichtes Rekordniveau. Als Kanzlerin würde sie das wahrscheinlich auch in Israel versuchen.
Wer das alles nicht glauben wollte, wurde bei der Betrachtung des AfD-Parteitags eines Besseren belehrt. Geradezu rührend, wie sich die großen Medien danach mit einzelnen Inhalten und Formulierungen von Weidels Rede auseinandersetzten. Das wäre überhaupt nicht nötig gewesen. Ja, sie hat „Remigration“ gesagt und es wurde „Alice für Deutschland“ gerufen. Wer lässt sich davon noch provozieren? Viel aussagekräftiger als diese abgedroschenen Versuche, die Medien hinter dem Ofen hervorzulocken, waren ihr dauergekränkter Ton – „So!“ – und die völlige Abwesenheit von Lockerheit, Brillanz oder originellen Gedanken. Weidel: „Nieder mit diesen Windmühlen der Schande.“ Ächz. Ich fordere: Nieder mit den unoriginellen Gedanken!
„Ami go home!“
Nein. Diese Alternative ist überhaupt nichts für Deutschland. Peinlicher geht es ich. Auch nicht von den etablierten Parteien. Das wurde so kurz vor der Wahl im Scheinwerferlicht dieser zwei Veranstaltungen noch einmal wundervoll deutlich. Kleingeistiger Schrebergartenismus, hölzernes Sprachgeballer, keine Spuren von Selbstironie oder anderen Sorten Humor. Das hat Deutschland nicht verdient. Wenn Weidel dann doch mal lacht, stirbt wahrscheinlich irgendwo ein süßes Katzenbaby.
Bei unseren Wagenknechts lief es ähnlich. Sahra und ihr Mann Oscar Lafontaine ließen beim BSW-Parteitag ihrem unverstellten Hass gegen die USA freien Lauf. Die BSW-Politikerin Sevim Dagdelen forderte im Namen ihrer Chefin: „Ami go home.“ US-Atomwaffen sollten ebenfalls weg aus Deutschland. Von einer „Blutspur“ der Amerikaner war die Rede. Ich hoffe, dass die Amis uns wieder aushauen, wenn Leute wie Wagenknecht und Dagdelen hier in Deutschland irgendetwas zu sagen haben. Denn die wollen sich natürlich lieber wieder in Richtung Russland orientieren. Das kann man sich nicht ausdenken. Und dieser gequirlte Irrsinn wird den jubelnden Parteifreunden und dem staunenden Publikum ernsthaft als „Friedenspolitik“ verkauft.
Kreuz bei den Schein-Alternativen
Co-Parteichefin Mohamed Ali sagte dann noch: „Natürlich versucht man, uns jetzt runterzuschreiben, denn wir sind in der Tat eine echte Gefahr für den politischen Mainstream.“ Nein, liebe Frau Ali. In dieser Form seid ihr höchstens eine Gefahr für die gute Laune. Ihr seid Überlebende einer untergegangenen Welt. Einer Welt, in der ihr dazu erzogen wurdet, Russland als besten Freund zu betrachten. Und die „Amis“ als blutrünstigen Feind. Ganz egal, was passiert. Und das funktioniert sogar dann, wenn in der Ukraine Wohngebiete mit russischen Raketen bombardiert werden und unbeteiligten Familien pünktlich zum Anfang des Winters die Energieversorgung zerschossen wird.
Tut mir leid, liebe Protestwähler. Aber wir müssen uns auch bei der anstehenden Bundestagswahl an Parteien halten, die einigermaßen bei Trost sind. Die machen nicht alles richtig. Im Gegenteil. Sie haben in den vergangenen 20 Jahren eine ganze Menge falsch gemacht. Besonders in den vergangenen drei Jahren. Wer möchte, dass das besser wird, hat eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Wie wäre es mit einer Beteiligung an demokratischen Prozessen? Jeder kann in Parteien mitarbeiten. Jeder kann sein Wissen und seine Erfahrung einbringen. Einfach auf dem Sofa sitzen bleiben und dann das Kreuz bei den Schein-Alternativen machen, ist wenig hilfreich. Diese Leute werden dem Anspruch unseres Landes und seinen vielen klugen Menschen in keiner Sekunde gerecht.
Frank Schmiechen ist Journalist und Musiker. Er startete als Reporter bei der Bergedorfer Zeitung, war später unter anderem Stellv. Chefredakteur der WELT und Chefredakteur des Online-Mediums Gründerszene. Seit einigen Jahren arbeitet er freiberuflich als Kommunikationsberater. In den 70er Jahren begann er seine Musiker-Karriere als Songschreiber, Bassist, Gitarrist und Pianist. Sein Herz schlägt auch für guten Wein und den HSV. Frank Schmiechen lebt in Berlin und hat vier Töchter.
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