avatar

Gegen die AfD mit undemokratischen Mitteln?

Proteste gegen die immer rechtsextremere Partei sind berechtigt und notwendig. Ihren Parteitag verhindern und sie verbieten zu wollen, ist jedoch der falsche Weg. Das bestärkt sie und ihre vielen Anhänger nur. Ein Plädoyer für mehr Selbstvertrauen in die Demokratie.

Die AfD fordert jetzt ganz offiziell „Remigration“, die Rückführung von Millionen Migranten, auch deren in Deutschland geborenen Nachkommen und solchen mit deutscher Staatsbürgerschaft. Unter dem Druck des Rechtsaußen-Flügels von Björn Höcke und der Blockierer rings um den Parteitag im sächsischen Riesa nahm sie es am Wochenende als zentrales Ziel in ihr Wahlprogramm auf. Kanzlerkandidatin Alice Weidel hatte den Begriff bisher vermieden, um den letzten bürgerlich-konservativen Anschein zu wahren und ihren Gegnern nicht noch mehr Angriffsfläche zu bieten. Vielleicht aber auch schlicht, weil sie selbst mit einer Migrantin liiert ist.

Die Gegendemonstranten und zahlreichen scharfen Kritiker der Partei werden sich dadurch bestätigt fühlen: „Seht, die AfD ist eine menschen- und demokratiefeindliche völkische Partei, die es mit allen Mitteln zu stoppen gilt. Sie hat es ja selbst bewiesen!“ An der Diagnose gibt es nichts zu deuteln. Man kann aber auch umgekehrt fragen: Was haben die teils gewaltsamen Proteste in Riesa und die massenhaften Demonstrationen gegen die Remigrationspläne vor einem Jahr gebracht? Die AfD ist seitdem nur stärker geworden, womöglich gerade auch deswegen, und zur bundesweit zweitstärksten Kraft und stärksten im Osten aufgestiegen. Allerhöchste Zeit daher, darüber nachzudenken und zu diskutieren, ob der bisherige Weg, die rechtsradikale Partei zu bekämpfen, zielführend ist oder ob es nicht bessere, klügere Mittel gibt.

Ein AfD-Verbot würde zu nichts führen

Selbstredend gibt es Gründe genug, ein Verbot der AfD zu erwägen, das auch eine ganze Reihe von Verfassungsrechtlern fordert. Denn sie macht keinen Hehl (mehr) daraus, Freiheit und Demokratie für alle Anderen abschaffen zu wollen, wenn sie erst mal an der Macht ist, wie einst die Nazis und wie andere rechts- und auch linksautoritäre Parteien in Europa und darüber hinaus. Doch es bleibt ungewiss, ob das Bundesverfassungsgericht einem Verbotsantrag folgen würde. Und selbst wenn, was das bewirkte. Denn die Gesinnung in den Köpfen ihrer Anhänger und die Ursachen, die so stark gemacht haben, wären damit ja nicht beseitigt. Im Gegenteil: Es würde sie und die Parteiführung nur in ihrer vermeintlichen „Opferrolle“ bestärken und der verqueren Auffassung, dass sich die etablierten Parteien und die Demokraten selbst antidemokratischer Mittel bedienen, um sie von der Macht fern zu halten. Und sie so noch mehr radikalisieren.

Es bleibt mithin das alte Dilemma, dass sich eine freiheitliche Demokratie ihrer Feinde erwehren muss, ohne ihre eigenen Grundwerte zu verraten. Und das nicht wie vordem bei der – inzwischen in „Heimat“ umbenannten – NPD, die nie wirklich eine Gefahr darstellte, weshalb das Bundesverfassungsricht ihr Verbot abgelehnt hat. Sondern bei einer Partei, die sich daran macht, mit einer wachsenden Unterstützung der Wähler die Demokratie tatsächlich zu beseitigen. Wird da nicht Widerstand zur Pflicht, wie es so schön pathetisch heißt?

Besonnene Gegenwehr

Ja, unbedingt. Aber auf besonnene Weise, ohne in Angst und Schockstarre zu verfallen und den Rechtsextremen Futter zu liefern. Solange eine Partei nicht verboten ist, darf und muss sie z.B. Parteitage abhalten; das schreibt das Parteiengesetz vor. Mahnwachen und Demonstrationen dagegen sind sinnvoll und angebracht. Gewaltsame Blockaden und stundenlange Straßenschlachten mit der Polizei lenken dagegen nur von dem eigentlichen Ziel ab und dienen wie die Demonstrationen vor einem Jahr und das ewige Beschwören der „Brandmauer“ im Wesentlichen dazu, das eigene Gewissen zu beruhigen und sich als wahre Demokraten zu feiern. Keinen einzigen AfD-Anhänger wird es bei der Wahl am 23. Februar davon abhalten, sein und ihr Kreuz bei der Partei zu machen. Eher sehr im Gegenteil.

Genauso sinnlos und falsch ist es, der Union und ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, auch der SPD und selbst Teilen der Grünen zu unterstellen, sie würden der AfD nachplappern und wollten die Brandmauer einreißen, wenn auch sie schärfere Maßnahmen gegen die unkontrollierte Immigration fordern. Denn erstens hat Merz unmissverständlich klar gemacht und jetzt sogar mit seinem Amt als Parteichef verbunden, dass es mit seiner CDU keine Bündnisse mit der AfD geben wird, weder im Bund noch in der Ländern. Für SPD und Grünen gilt das sowieso.

Probleme lösen statt sie zu leugnen

Zweitens bedeutet, die nicht abzustreitenden Probleme bei der Aufnahme und Integration eines Teils der Millionen Menschen, die seit 2015 in Land gekommen sind, erst recht die Gefahr durch  potenzielle und tatsächliche Straftäter und Terroristen, zu benennen nicht, den Rechtsextremisten nach dem Mund zu reden. Sondern das zu tun, wozu Regierende verpflichtet sind: Probleme zu lösen, die vielen Bürgern unter den Nägeln brennen, und Gefahren abzuwehren. Und damit auch der AfD, genauso dem BSW Wasser abzugraben. Zugleich aber immer deutlich zu machen, dass für Menschen- und Fremdenfeindlichkeit kein Platz sein darf.

Die CDU tut daher gut daran, nicht den Lockrufen von CSU-Chef Söder zu folgen, die Asyl- und Migrationspolitik in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs zu stellen, worum sich Merz erkennbar bemüht. Denn das wäre nur Wasser auf die Mühlen von AfD und BSW. Aber die Probleme auch nicht zu leugnen, jedoch stets deutlich zu machen, dass es keine politischen Wundermittel gibt, wie Populisten und Autoritäre behaupten (was auch viele ihrer Anhänger durchaus wissen), und dass Deutschland weiter auf Migranten angewiesen ist, allerdings in kontrollierter und humaner Weise.

Keine Bündnisse mit der AfD, nirgendwo

Koalitionen mit der AfD darf es auf keiner Ebene geben. Das würde ihr nicht nur hochgefährlichen Einfluss auf staatliche Entscheidungen geben, sondern auch ihr antidemokratisches Programm gesellschaftsfähig machen und sie weiter stärker, statt sie – wie manche glauben wollen – zu „entlarven“ und zu schwächen. Wohin das führt, zeigt Österreich erschreckend. Die mit der AfD und anderen rechtsextremen Parteien eng verbundene FPÖ ist auf schlechtestem Weg, dort nun den Kanzler zu stellen, mit der konservativen ÖVP als Juniorpartner.

Es hilft jedoch nicht, wie ein Kaninchen vor der AfD-Schlange zu hocken. Einen erheblichen Teil ihrer Anhänger und Wähler kann und wird man nicht erreichen, weil sie sich von der Demokratie abgewendet haben und sich nur noch im Bereich der „alternativen Fakten“ bewegen. Doch um die übrigen muss man sich umso mehr bemühen, auch durch bessere Politik, die die wirklichen, drängenden Probleme angeht, statt dass sich Demokraten untereinander zerstreiten, wer die Feinde der Demokratie bekämpft und wer sie angeblich unterstützt.

Im übrigen: Man muss nicht über jedes Stöckchen springen, dass einem Weidel und ihre braunen Parteigenossinnen und -genossen oder Wagenknecht hinhalten. Manchmal ist es besser, sie zu ignorieren und ihnen nicht zusätzlich eine öffentlichen und mediale Bühne zu geben. Am stärksten überzeugen Demokraten, wenn sie demokratisches Selbstvertrauen zeigen. Die AfD hat bisher nur 20 Prozent der Wähler hinter sich, das BSW bundsweit nur etwa 5 Prozent. Dreiviertel der Bürger sind für andere, demokratische Parteien. An uns allen ist es, dass es dabei bleibt.

Ludwig Greven ist Publizist. Er war Politikchef der „Woche“ und politischer Autor bei zeit-online. Er schreibt v.a. für „Politik & Kultur“, die Zeitung des Deutschen Kulturrats, die christliche Zeitschrift „Publik-Forum“, in diesem Blog und nun auch Kommentare für den „Kölner Stadtanzeiger“.

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top