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Den Imperialismus in seinem Lauf…

Trumps auch militärischer Griff nach Grönland und dem Panamakanal mag zunächst skuril erscheinen – als hätte die Welt nicht schon genug Probleme. Aber wenn er es nur halbwegs ernst meint, wäre das eine noch weit größere Gefahr als das angedrohte Einstellen der Militärhilfe für die Ukraine. Denn es würde die internationale Ordnung endgültig aushebeln. Und es stärkt besonders Linke und viele im Globalen Süden in ihrer Ansicht, dass nicht Putin-Russland die aktuell größte Bedrohung ist, sondern der alte Feind: die USA.

In meinen jungen 1970er Jahren gab es die „Liga gegen Imperialimus“. Da diese Gruppierung aus der äußersten Linken kam, war klar, wogegen sie sich richtete, wie zuvor schon viele aus der Studentenbewegung und APO und unzählige Linke nach ihnen: den US-Imperialismus. Die Stichworte und Parolen: Vietnam, CIA-Unterstützung für den Putsch in Chile und anderen Ländern, Kriege für Öl und andere Bodenschätze. Wie oft bei Verschwörungsanhängern und Simplifizierern hatte das mehr als einen wahren Kern: Die USA waren, seit sie 1917 die Weltbühne betraten, auch immer eine imperiale Macht, mit oft entsetzlichen Zügen.

Die Sowjetunion war den Maoisten in den diversen K-Gruppen damals zwar suspekt. Aber auch sie waren überzeugt, wie es schon Marx und Lenin gelehrt hatten, dass der Imperialismus die höchste Stufe des Kapitalismus sei und der Sozialismus immerwährenden Frieden verspreche. Dabei blendeten die versammelten Linken natürlich aus, und nicht wenige tun das bis heute, dass die UdSSR noch viel mehr eine imperialistische und zudem kolonialistische Macht war, wie zuvor das Zarenreich und in ihrer Nachfolge es heute Russland ist. Schließlich hatte Stalin nach dem Zweiten Weltkrieg ganz Mittel- und Osteuropa inklusive Ostdeutschland dem Sowjetimperium einverleibt. Was Putin in neoimperialistischer Manier wiedererobern möchte.

Trump 1 führte keine Kriege

Doch den wahren Feind sehen Linke und auch viele in der SPD, selbst manche in bürgerlichen Kreisen, noch immer in den USA. Und die gaben ja auch allen Grund dazu: mit Bushs Krieg gegen den Irak, Reagans Interventionen in Grenada und anderen Ländern, mit dem Krieg in Afghanistan, auch wenn der sich anfangs gegen den Terrorangriff von al-Qaida richtete. Trumps Getöse schon vor seinem Wiederamtsantritt, dass er Grönland notfalls mit militärischer Gewalt den USA unterwerfen und den Panama-Kanal zurückhaben will, weckt die übelsten Erinnerungen.

Dabei wird gerne vergessen, dass Trump in seiner ersten Amtszeit – was auch immer man ihm sonst vorwerfen muss – keine Kriege geführt, sondern im Gegenteil die US-Truppen aus Irak und Syrien abgezogen und den Abzug aus Afghanistan eingeleitet hat. Mit jeweils katastrophalen Folgen, aber getreu seiner (zumindest damaligen) Linie, die USA ganz auf den Konflikt mit China auszurichten – der kommenden konkurrierenden, bedrohlichen Weltmacht. Dazu passt, dass er die Nato schwächen wollte und mit dem Austritt der USA drohte. Europa sollte und soll sich um sich selbst kümmern.

Die alte Weltmacht?

Doch womöglich hat „Make Amerika Great Again“ für ihn für seine zweite Amtszeit eine neue, auch ganz andere Bedeutung: die USA nicht nur im Inneren wieder stark zu machen, sondern auch international, als alte und immer noch führende Weltmacht. Die angedrohte Landnahme Grönlands und in Panama und sein Liebäugeln mit einer Angliederung Kanadas wären dann nur erste Schritte. Dazu würde sich fügen, dass er die Nato diesmal nicht auflösen, sondern offenbar militärisch stärken will, indem er von den anderen Mitgliedsstaaten verlangt, ihre Militärausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern.

Man kann Trumps scheinbare Eskapaden allerdings auch sehr anders interpretieren, so wie er sie selbst erklärt. Nämlich als Bestreben, einen chinesischen Zugriff auf die Seltenen Erden unter dem grönländischen Packeis und den Panamakanal zu verhindern, eine der wichtigsten Passagen der Erde, ebenso eine russische Beherrschung der bald eisfreien arktischen Schifffahrsrouten, und unbehinderte US-Militärstützpunkte auf Grönland gegen Russland zu sichern. (Plus – als Schmankerl – den dänischen Kolonialismus auf der Rieseninsel zu beenden.)

Im Interesse des Westens

Das wären alles durchaus berechtigte geostrategische Interesse. Und sie müssten auch im Interesse des übrigen Westens sein, mag die Aufregung hierzulande auch noch so groß sein. Erst recht, wenn Trump es ernst macht, den russischen Vormarsch in der Ukraine gegebenenfalls mit einer massiven Verstärkung der Waffenhilfe an das angegriffene Land zu stoppen und einen Waffenstillstand der Hamas in Gaza zu erwingen mit der Androhung, sie sonst zu vernichten.

Wie oft hat Alles eben mehrere Seiten: Trump bedroht die Demokratie in den USA und mit seinen Ankündigungen den Weltfrieden – das Prinzip, dass kein Staat Grenzen verschieben und Land mit Gewalt rauben darf. In einer Zeit, wo dieses Prinzip von Putin-Russland schon lange massiv verletzt wird und sich China vor allem wirtschaftlich, aber auch mit der Unterstützung Russlands längst ebenfalls zu einer gefährlichen imperialistischen Macht aufgeschwungen hat. Aber zugleich richtet sich der neue alte US-Präsident genau gegen diese Angriffe gegen den gesamten Westen.

Das kleine gernegroße Deutschland muss sich nun entscheiden, auf welche Seite es sich schlägt. Für viele Linke und Rechte, ebenso etliche in den Medien, ist die Sache klar: Trump ist das größte aller Übel. Aber wie sehen es die dazwischen?

Ludwig Greven ist freier Publizist. Er war Politikchef der „Woche“ und politischer Autor bei zeit-online und schreibt u.a. für „Politik & Kultur“, die Zeitung des Deutschen Kulturrats, die christliche Zeitschrift „Publik-Forum“ und in diesem Blog. Er ist mit einer Russin verheiratet.

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