Kretschmer will in Sachsen die Rechtsextremen nicht länger ausgrenzen. Klug so. Der Grünen-Kanzlerkandidat möchte sich mit Weigel nicht an einen TV-Tisch setzen. Dumm. Denn die Brandmauer- und Verteufelungsstrategie ist gescheitert. Zeit, etwas anderes zu wagen.
Michael Kretschmer hat etwas für Linkere und große Teile seiner Bundes-CDU gleichermaßen Unerhörtes getan: Er hat sich wie sein Parteifreund Mario Voigt in Thüringen auch mit Stimmen des BSW und der Linken und in Absprache mit ihnen als Ministerpräsident wiederwählen lassen. Er hat zudem vorher auch mit der AfD, der zweitstärksten Kraft im Landtag wie in den bundesweiten Umfragen, gesprochen. Und will die in erheblichem Maße rechtsextreme Partei wie die übrigen auch fürderhin konsultieren, wenn es darum geht, Mehrheiten für Gesetze seiner Minderheitsregierung mit der SPD zu gewinnen.
Keine Garantie
Die Empörung war schon nach seinem ersten Treffen mit den AfD-Abgeordneten groß. Und sie wird noch größer sein, wenn CDU und SPD in Dresden Gesetze mit der AfD beschließen sollten. Dabei ist sein Kurs vollkommen richtig. Er zeugt erstens von Respekt vor der Entscheidung des Souveräns, der Wähler, die die AfD in Sachsen sehr knapp hinter seine CDU gewählt haben, in Thüringen sogar zur stärksten Partei. Und es nimmt ihr zweitens – genauso wie der Wagenknecht-Partei – Wind aus den Segeln, sich erfolgreich als Opfer der etablierten Parteien und Paria zu inszenieren. Beide Parteien werden im Landtag Farbe bekennen müssen, ob sie willens und in der Lage sind, konstruktiv Politik mitzugestalten. Oder ob sie weiterhin nur Fundamentalopposition betreiben wollen. Das kann sie entzaubern. Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht.
Ziemlich klar ist aber jedenfalls, dass die bisherige Strategie von SPD, Grünen, Linken und der Bundes-CDU gescheitert ist, die AfD ständig als verfassungsfeindlich zu brandmarken und auszugrenzen. Das hat sie besonders, aber nicht nur im Osten nur stärker gemacht. Es bietet also erst recht keine Garantie, Wähler von der AfD zurückzugewinnen.
Dahin gehen, wo es stinkt und kracht
Kretschmer, der schon lange Bürgergespräche führt, weiß, dass längst nicht alle Anhäger der AfD Rechtsextremisten oder „Nazis“ sind. Und wo sie der Schuh drückt. Andere könnten das genauso wissen. Sie wollen es aber offensichtlich nicht, genauso wie erhebliche Teile der West-Medien und -Journalisten, weil es viel bequemer ist, sich selbst als Hüter der Demokratie zu feiern.
Dahin gehen, „wo es stinkt und kracht“, hat Sigmar Gabriel mal von seiner SPD gefordert, als die ihn zu einem ihrer vielen Vorsitzenden wählte. Auch er wollte mit AfD-Wählern reden und sie nicht mehr an den Rand stellen. Die Partei folgte ihm nicht. Und sank weiter ab.
Die Linke dagegen hat Kretschmer mitgewählt, um einen rechten Ministerpräsidenten zu verhindern, obwohl er mit der AfD gesprochen hat und es weiter tun will. Sie hat damit demokratische Reife bewiesen. Nur wer etwas wagt, kann gewinnen. Und Wähler zurückerobern.
Robert Habeck, der so gerne den Wagemutigen und Erneuerer gibt, zeigt hingegen für ihn ungewohnte Feigheit vor dem Feind. Weil er beim TV-Duell mit Scholz und Merz nicht dabei sein darf, kneift er und will sich nicht ersatzweise mit der AfD-Kanzlerkandidatin Weigel im Fernsehen duellieren. Dabei wäre es eine wunderbare Chance für ihn gewesen, ihre blaubraune Propaganda mit guten Argumenten zu entkräften. Es zeugt zudem von Hybris: Die AfD ist in den Umfragen die Nr. 2, ob es ihm gefällt oder nicht. Die Grünen sind nur Nr. 4. Sich mit Bürgern und Bürgerinnen an den Küchentisch zu hocken, mag wohlige PR generieren. Politisch bringt es überhaupt nichts.