Seit Vierzehn Tage verfolgt mir das Unglükk immer noch mit einer fatalen Hartnäkigkeit; sehr gerne hätte ich für mich Selbst dieses traurige Bewustsein erspaart, nur allein, ich Notiere es hier an, um es einst in freudigen Tagen, vielleicht, durchzulesen wie groß meine Leiden waren.
Ich kam seit 14 Tagen hier an (Rio de Janeiro) mit einigen tausend Thaler und kaufte mir Wahre dafür ein, und noch einige tausend Thaler mehr welche ich hier auf Credit bekam, bezahlte ebenfalls die Fracht auf einem Segel-Schiff um nach Rio Grande zu kommen, machte mein Dispasch so gut ich konnte, und war bereit um mich einzubarkiren.
Mit „Dispasch“ – Dispatch – sind vermutlich die Frachtpapiere gemeint.
Wie ich an das Ufer kam, um mich zum Schiff zu begeben, kamen mehrere Leute zu mir und fragten mich, ob ich mein Dispasch in Ordnung hätte, und Sagten mir, daß sie die Kisten Wächter wären. Ich gab Ihnen mein Papier, welches ich Selbst geschrieben hatte. Sie fanden aber, daß das Papier nicht förmlich in der Ordnung wäre und nahmen ohne weiteres mein bischen Hab und Gut ab, nicht allein das was mir gehört, sondern auch dieses, welches ich auf Credit bekommen hatte. Oh! dieser Augenblikk war der Schreklichste meines Lebens, ich, der es mit so vielen Schwierigkeiten erworben, der es nur zum heiligen und guten Zwekk Benutzen wollte, der noch nie Jemandem etwas Leids zugefügt, bin das Opfer der verhängnißvollen Rache des Himmels; Oh Gott!!! warum bist du über mich so erbittert? warum schüttest du über mich die schwehrsten Leiden aus? du weißt welch heilige Pflicht ich übernommen. Du weißt das meine armen Eltern und Geschwister ihre ganze Hoffnung in mich setzen. Aber wahrscheinlich habe ich dieses verschuldet und mit gebeugtem Haupt nehme deine Strafe an und bitte dich, ihnen ein Ziel zu gewähren, und bringe in Erwähnung den heiligen Spruch meiner guten Mutter „Danke dem Allmächtigen so wohl für das Böse als für das Gute“. Noch will mich der liebe Gott mit seiner Verfollgung Prüfen, noch will Er sehen ob ich Ihm Lästern werde, nein mein guter Gott, ich nehme Strafe willig an und füge mich darin, den du hast mich damit sehr Abgehärtet. Seit einigen Tagen kaufe ich wieder auf Credit für zirka 1000 Thaler Wahre, und gebe einem meiner guten Freunde mit nach Rio Grande um etwas davon zu verdienen.
Mein Freund dem ich die Wahre mitgegeben heißt Gaspar Cohn. In der Eile, in der er gewesen, hat er Sellbige Wahre nicht in sein Kisten bewahren, hatte dieselbe also in der Tasche stekken müssen um sich später damit zum Schiff zu begeben. Es war also ungefehr Nachts um zwischen 11 und 12 Uhr, als wir ans Ufer kamen, aber Verhängnißvolle Fatalität, die selben 3 Männer, Kistenwächter, welche mir meine Sachen abgenommen hatten, kamen auch dann wieder, suchten meinem Freund die Taschen nach, fanden die Wahre und nahmen sie mit, alles Flehen und Bitten hat nicht geholfen. Sie nahmen meine letzte Hoffnung mit. Mein Freund hat seine Reise diese Nacht, und wie ich nach Hause kam, das weis ich heute auch nicht, ich muß doch sehr lange ohne Gedanken Herumgeirrt haben. So viel weis ich, daß ich mich den anderen Morgen sehr Spät schohn im Bette fand. Wahrscheinlich habe ich die Nacht über nicht geschlafen und mit dem Morgen ein wenig Eingeschlummert. Mein Aufstand war traurig und mein Unglükk noch nicht zu Ende, denn hundert Thaler welche ich für alle Noht in der Rukk Tasche hatte fanden sich nicht mehr, die müssen sie raus Gestohlen haben. Ich habe also den letzten Schlag noch ertragen müssen, und blieb in der großen Stadt Rio de Janeiro ohn einen Heller Geld. Ich schreibe diese Zeilen mit der größten Kaltblütigkeit, jedoch nur der Gedanke daran macht mich schäumen (?) und die Hände zittern mir.
In seinen Memoiren „Heimliche Erinnerungen“, die ich 2004 bei Siedler herausgab, schreibt mein Vater Julius Posener über Joseph: „Er war auf dem Weg durch die dunklen engen Gassen, die zum Hafen hinunterführten, als er von Räubern überfallen wurde, die ihm den größten Teil seiner Habe abnahmen.“ Jedoch waren es keine gewöhnlichen Räuber, sondern, wie Joseph schreibt, die „Kisten-Wächter“, also Beamte der Küstenwache oder des Zolls, die ihre Stellung ausnutzten, um Kaufleute auszunehmen.