Der zweite Teil des Tagebuchs, das mein Urgroßvater Joseph Samuel, der sich später Posener nennen musste, über seine Auswanderung aus und Rückkehr nach Preußen führte.
Den 10ten May 1840 bin ich in Berlin angelangt. Mein böser Fuss ist die Ursache, dass ich die Stadt nicht sehen kann!
Den 16ten habe ich Berlin verlassen und komme den 19ten in Hamburg an, ich muss all mein bisschen Geld für die Seereise nach England anwenden, nicht allein das Geld, sondern auch eine alte Uhr, welche mir mein Schwager Wolf zum Andenken gegeben hat, habe ich verkaufen müssen, um das ganze Reisegeld zusammen zu machen.
Den 24ten dieses, bin ich in Hull (England) angelangt. Wir waren 3 Tage zur See und wir hatten sehr schlechtes Wetter, obgleich ich das Wetter gar nicht gesehen habe, indem ich alle 3 Tage sehr seekrank war und habe viel Übel und Schmerzen daran gefunden; wir kamen in Hull des Nachts an, und mein ganzes Vermögen (musste ch ausgeben, um) die erste Nacht mein Logie (zu bezahlen). Nun jetzt bin ich in der grossen weiten Welt, ich verstehe kein Wort von der Sprache, und es fängt mich zu hungern. Ich kann keine Arbeit finden, obgleich ich mir solche viele Mühe gegeben habe um solche zu suchen. Der liebe Gott weiss, wie es mir gehen wird. Mein Reisekamerad Wolf Lippmann ist auch schon in (unleserlich), er schreibt aber heute an seinen Bruder, wo er hofft, etwas Geld geschikt zu bekommen. Er ist sehr gut für mich, und hat mir versprochen Wortzuhalten.
Den 30ten dieses bin ich, durch Hülfe meines Reisekamerads in North Childs (Shields)angelangt. Ich habe ein Landsmann von mir Moses Lippmann angetroffen, welcher mich sehr gut empfangen hat und hat mir sogleich Arbeit geschaft bei einem Schneider, wo ich doch wenigstens mein gebrauch verdienen hoffe. Ich habe diese ganze Woche gearbeitet, und wie ich mir meine Löhnung holen wollte, erklärte mir der Mann, dass, wenn ich (am Schabbat) nicht arbeiten wollte, bei ihm keine Arbeit mehr bekommen kann. Nicht um eine Million, sagte ich meinem Meister, werde ich (am Schabbat) arbeiten. Ich schreibe so eben an Euch, meine guten Eltern, um mein Herz ein wenig zu erleichtern. Ich treffe so eben einen anderen Landsmann von mir an, welcher mir ein ganz kleinen Werst Wahre gibt, um zu suchen etwas damit zu verdienen. Ich laufe und arbeite, biete allen meine Wahre an, aber es will mir niemand etwas abkaufen. Ich weiss wirklich nicht, was ich anfangen soll? Es ist mir schon überdrüssig in dieser Gegend zu bleiben, und muß Sehen von hier Vort zu kommen, meine einzigen Besitzthümer sind das bisschen Wahre, welche mir mein Landsmann auf Zutrauen mit gegeben hat, für die Reisemittel anzuwenden.
Ich komme den 4ten August in Liverpool an. Ich habe meine ganze Reise zu Pfuss machen, es sind 200 englische Meilen, aber diese Mühe! so eine weite Reise zu Fuss zu machen ohne kaum 3 Worte Englisch sprechen und mit so wenig Mittel zu besitzen. O! wie oft habe ich wieder nach Hause gewünscht, obgleich wir arm waren, so viel Grahm habe ich doch … gelitten. Ich habe mich nur geschähmt wieder nach Hause zu kommen, sonst währe gleich wieder umgekehrt. Glücklicherweise habe ich hier Arbeit bekommen bei einen meiner Relions-Genossen! Ich arbeite Tag und Nacht aber kann nicht viel sparen, obgleich ich sehr eingezogen lebe, möchte ich nur Soviel zusammen (bekommen), um meine Reise nach New York bezahlen kann, und wie werde ich meine Eltern unterstützen können, wenn ich kaum so viel verdiene, was ich zu meinem Unterhalt brauche? Ich stelle übrigens zu Gott mein grösstes Zutrauen und hoffe er wird meine armen Eltern weder mich verlassen.
Joseph ist also – und blieb es bis an sein Lebensende – ein frommer Jude. Seine Kinder jedoch wurden alle religiös indifferent.