Als Beatle-Fan war „Help“ für mich eine Enttäuschung, wie schon „Beatles For Sale“. Die Beatles wirkten auf beiden Alben abgekämpft und einfallslos. Andere Bands wie die Rolling Stones, Kinks, Pretty Things, Byrds waren musikalisch aufregender; Bob Dylan zeigte, was man alles an Text in einem Rocksong unterbringen konnte, aber die Beatles …
Nun ja, rückblickend und rückhörend wirkt das Album „Help“ noch lange nicht so müde und langweilig wie damals. John Lennon hat erzählt, wie er in der Titelnummer zuerst wirklich „Songs in der ersten person“ schrieb; und abgesehen davon bleibt es ein Song, der alle Stärken der Band präsentiert und auch deshalb von wenigen anderen Künstlern gecovert wurde.
Außerdem, um bei Lennon zu bleiben, gibt es „You’ve Got to Hide Your Love Away“, was einerseits Dylans Gesang kopiert, andererseits möglicherweise der erste Song ist, in dem auf homosexuelle Liebe angespielt wird. Lennon meinte, er habe den Song für Brian Epstein geschrieben, mit dem er eine Fast-Affäre hatte. (In seinem dritten Buch „Skywriting by Word of Mouth“, von mir nachgedichtet als „Zwei Jungfrauen oder wahnsinnig in Dänemark“ beschreibt er ziemlich drastisch Epsteins Verführungsversuch.)
Paul McCartney wiederum hat „Yesterday“ abgeliefert, was zwar bei weitem nicht sein bestes Werk ist, aber durch die Begleitung mit einem Streichquartett – statt einfach, wie es damals üblich war, eine Streichersoße darunterzulegen – den Vergleich mit Liedern der Romantik herausforderte, also einen Anspruch erhob, der erst mit „Eleanor Rigby“ eingelöst wurde. Ringo Starr hat mit dem Covern der Country-Nummer „Act Naturally“ von Buck Owens viel dazu beigetragen, der Verschmelzung von Country- und Rockmusik den Weg zu ebnen. „Ticket to Ride“ schließlich ist mit seinem an die Byrds erinnernden Sound und dem Tempowechsel mitten im Song musikalisch auf der Höhe der Zeit. Und ging mit dem Vers „She said that living with me was bringing her down / She would never be free while I was around“ weit über das hinaus, was damals in der Popmusik, die immer noch als Musik für Teenager gehandelt wurde, üblicherweise gesagt wurde und werden konnte: Wie schockierend das „Zusammenleben“ junger Leute ohne Trauschein damals noch war, macht etwa der Film „The Knack“ deutlich, den Regisseur Richard Lester zwischen „a Hard Day’s Night“ und „Help!“ drehte.
Kurzum, in „Help!“ findet sich vieles, was nach vorne weist, auf die musikalischen und textlichen Experimente späterer Alben. Im Grunde genommen hätten viele der Songs durchaus Platz finden können etwa auf dem „Weißen Album“. So auch „You Like Me Too Much“ von George Harrison.
(Der Text ist unten angehängt.)
In der Literatur wird das Lied oft abgetan als weiterer unbedeutender Popsong, obwohl es harmonisch seine Tücken hat; hier will ich aber nur auf den Text eingehen. Harrison wird als Texter oft unterschätzt, und das, was man von ihm mag, etwa „While My Guitar Gently Weeps“, ist eher grenzwertig. Aber er konnte schreiben, und seine frühen Texte haben zuweilen einen zynischen Unterton, der das fröhliche Popgedudel – wohlgemerkt: nichts, gar nichts gegen fröhliches Popgedudel – konterkariert. Sein erster Song etwa, „Don’t Bother Me“, richtet sich an ein Mädchen, das sich offensichtlich Hoffnungen auf den Sänger macht, nachdem seine Freundin verlassen hat: „I’ve got no time for you right now / Don’t bother me“.
In diesem Song fällt auf, dass von Liebe nicht die Rede ist. „Du magst mich zu sehr, und ich mag dich.“ Dabei wohnen die beiden, um die es in diesem Lied geht, zusammen: „Heute früh bist du abgehauen, aber heute Abend kommst du zurück.“ Dabei liegt das nicht daran, dass sie ihn liebt, sondern dass sie sich einfach nicht traut: „You haven‘t got the nerve.“ Wäre sie nur halbwegs konsequent, würde sie ihn verlassen, denn das hätte er verdient. Aber nein, sie glaubt ihm, „und das ist nett“, dass er ihr folgen und nach Hause bringen würde, „wo sie hingehört“.
Das Ganze ist unangenehm, zweie Leute, die zusammenleben, obwohl es vielleicht für beide besser wäre, sie würden sich trennen. Als wäre er die damals beliebte Comic-Figur Andy Capp, der Berufsarbeitsloser und Kneipengänger, und sie seine leidensgeprüfte Ehefrau Flo. Und, um die Assoziation zu verstärken, wird das Ganze fröhlich vorgetragen, mit einer Kneipenklavier-Begleitung von George Martin. Das ist schon übel.
Denn wenn die Beatles etwas verkörperten, in ihrer Frühzeit jedenfalls, dann war es die Absage an den Zynismus des Erwachsenenalters, an die Kompromisse und Halbheiten des bürgerlichen Lebens: „Please Please Me“, „She Loves You“, „I Wanna Hold You Hand“, „Can’t Buy Me Love“ – alles Hymnen auf die Liebe, so gut wie „all You Need Is Love“. Und dieser Song ein Abgesang auf jenen Optimismus.
Ich mag dich. Du magst mich. Vielleicht zu sehr. Denn eigentlich müsstest du mich verlassen, verdient hätte ich es. Aber du fällst immer wieder auf meine Sprüche ein, nimmst mir meine Entschuldigungen ab. Das ist wirklich nett von dir. Ich mag dich ja. Sag ich ja.
Puh.
Though you’ve gone away this morning you’ll be back again tonight,
Telling me there’ll be no next time if I just don’t treat you right,
You’ll never leave and you know it’s true,
Cause you like me too much and I like you.
You’ve tried before to leave me but you haven’t got the nerve,
To walk out and make me lonely which is all that I deserve,
You’ll never leave and you know it’s true,
Cause you like me too much and I like you.
I really do and it’s nice when you believe me if you leave me,
I will follow you and bring you back where you belong,
Cause I couldn’t really stand it I‘d admit that I was wrong,
I wouldn’t let you leave me cause it’s true,
Cause you like me too much and I like you.
Cause you like me too much and I like you
… a storm is threatening – Alan Posener bittet zum Tanztee. 😉