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Warnung durch Analyse: Wie man das „Corona-Krieger“-Milieu durchleuchtet

Die Journalisten Annelie Naumann und Matthias Kamann haben im April mit dem Buch „Corona-Krieger- Verschwörungs-Mythen und die Neuen Rechten“ eine präzise Analyse des Milieus rund um die „Querdenker“ vorgelegt. Besonders wertvoll sind die Passagen, in denen deutlich wird, wie sehr die Alternativmedizin in der linken Szene an Bedeutung verloren, dafür aber in rechten Zirkeln an solcher gewonnen hat. Eine Rezension.

Augenscheinlich hat die Szene rund um die „Querdenker“ ein neues Betätigungsfeld entdeckt. Wie das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ berichtet, sammeln Menschen aus diesem Milieu „Hunderttausende Euro von Spenden und wollen Parallelstrukturen zur staatlich organisierten Fluthilfe aufbauen – entgegen Bitten der Krisenstäbe, nicht auf eigene Faust anzureisen.“ Das Bundesinnenministerium warnt davor und rät, „sich ausschließlich an Spendenaktionen zu beteiligen, die von offiziellen Hilfsorganisationen organisiert werden.“Wie darüber hinaus aus der „WELT“ weiter zu erfahren ist, sind dem Ministerium „Behauptungen aus der Szene“ bekannt, denen zufolge „Bundeswehr und THW nicht ausreichend in den Krisenregionen vor Ort seien oder die Hilfe nur mangelhaft koordinieren würden.“ Solche Äußerungen seien, so die WELT weiter, „meist mit Aufrufen zur Hilfeleistung und finanziellen Unterstützung durch einzelne Protagonisten der „Querdenker“-Szene verbunden“. Ausdrücklich erklärt das Bundesinnenministerium, auf diese Weise werde das Ziel verfolgt, „das Vertrauen in die staatlichen Maßnahmen und Strukturen zu beschädigen“.

Die von den Querdenkern ausgehende Gefahr besteht fort

Die Entwicklung zeigt deutlich, dass es mit der von den Querdenkern ausgehenden Gefahr nicht vorbei ist, auch wenn die letzten Großdemonstration Anfang November in Leipzig und Mitte November in Berlin schon rund ein Dreivierteljahr zurückliegen. Warum der Fortbestand der Gefahr zu erwarten war, kann man durch die Lektüre des von Annelie Naumann und Matthias Kamann verfassten und Ende April im zur „Eulenspiegel Verlagsgruppe“ gehörenden Verlag „Das Neue Berlin“ erschienenen Buch „Corona-Krieger: Verschwörungsmythen und die Neuen Rechten“ erfahren.

In ihrer luziden Schrift rekapitulieren die beiden Autoren auf 180 Seiten und ergänzt um eine Übersicht der Chronologie der Ereignisse das, was „Corona-Krieger“ seit der Pandemie an grotesken Verschwörungsmythen verbreitet haben und erklären, wie sich die heterogene Szene gefunden und weiterentwickelt hat. Thematisch sind Naumann und Kamann schon lange mit der Materie vertraut: Naumann hat, so auch der Klappentext des Buchs, bereits seit 2015 einen Fokus auf die „rechtsextreme Szene, die AfD und die sogenannten Neuen Rechten“. In der Tat. Zahlreiche Texte hat sie dazu in der „WELT“ publiziert und zudem ein ausführliches Dossier zum Q-Anon-Kult co-erstellt. Matthias Kamann wiederum verantwortet seit Jahren die AfD-Berichterstattung der Zeitung und ist somit ebenfalls ein exquisiter Kenner der auch in Teilen der Partei mit großen Sympathien bedachten „Querdenker“.

Wer parallel zu der Schrift der beiden Autoren oder unmittelbar davor (so die Verfasserin dieser Rezension) bzw. danach ein Buch wie das von dem Recherchenetzwerk „Correctiv“ herausgegebene Werk „Corona – Geschichte eines angekündigten Sterbens“ liest, in dem der rasante Ausbruch der Pandemie von Januar bis Mai 2020 punktgenau und weltweit nachgezeichnet wird, kann den verstörenden Effekt, der sich bei der Lektüre der ebenfalls akribisch aufgezogenen „Corona-Krieger“ einstellt, noch verstärkter erleben. Die dort geschilderte Parallelwelt erscheint dann noch greller, noch irrationaler und noch beängstigender.

Vier Kapitel, vier Schwerpunkte mit der Maske als Zentral-Feindbild der Szene

Das Buch gliedert sich in vier Kapitel. Nach der Beschreibung der „Mythen in Zeiten der Pandemie“ und der Darstellung der einzelnen „Bewegungen“ innerhalb der Anti-Corona-Schutzmaßnahmen-Szene folgen ein eigenes Kapitel über „Die AfD in der Pandemie“ und eines über die von den „Corona-Kriegern“ ausgehenden „Bedrohungen“.

Als zentrales Feindbildsymbol der Szene machen Kamann und Naumann bereits in der Einleitung die Maske aus. Und liegen damit richtig, denn es stimmt, was sie schreiben: „Die Maske wurde zum Symbol politischer Entzweiung. Wer mit ihr eine ‚Querdenken‘-Demonstration besucht, stößt auf Ablehnung. Wer sie dort nicht trägt, fühlt sich einem Kollektiv von Kämpfenden zugehörig“. Und zwar Kämpfenden, die sich im „Widerstand“ wähnen.

Dieser Widerstand, so die Autoren zutreffend weiter, manifestiere sich „an den Masken“. Er sei „autoritär und rebellisch“ zugleich: „Autoritär, weil die Legitimität der auf Wahlen beruhenden politischen Entscheidungsstrukturen infrage gestellt und zu Teil offen bestritten wird“ und „rebellisch“, da „bewusst und sichtbar gegen Regeln“ verstoßen werde, um „die Staatsgewalt zu provozieren“.

Diese Doppelstrategie, so die beiden Autoren, sei „jahrzehntelang eine Strategie des Linksradikalismus“ gewesen. „Seit einiger Zeit“ aber werde diese auch von Rechten verfolgt. Fürwahr. Mit diesem Ansatz können, wie Kamann und Naumann aufzeigen, Rechte in der Pandemie erstmalig an gesellschaftliche Strömungen andocken, die mit ihnen bislang nichts zu tun hatten, sich nun aber „durch die Schutzmaßnahmen provoziert fühlen und für eine Kultur der Vorgabenverweigerung sehr empfänglich“ seien, darunter etwa „Verächter*innen der etablierten Medizin“. An dieser Stelle sei als kleine Kritik angemerkt, dass die durchgehende Verwendung des Gendersternchens insofern leicht bedauerlich ist, weil das ansonsten nicht aus einer linksdralligen Ecke kommende Buch in seiner sezierenden kühlen Sachlichkeit gerade auch für ein bürgerliches bzw. konservatives Publikum bestens geeignet ist.

Mythen der Pandemie, Autoritarismus und Rebellentum

In den „Mythen der Pandemie“ legen die Autoren einerseits eine Auflistung besonders absurder Verschwörungserzählungen vor, wie etwa (i) die auch von dem radikalisierten und fanatisierten Koch Attila Hildmann gestreute Behauptung, das Wasserwerk einer großen Stadt halte Fässer mit Beruhigungsmitteln vor, die man bei Demonstrationen zwecks Sedierung der Teilnehmer ins Trinkwasser gieße oder (ii) das Phantasma, Hinterbliebenen, die eine andere Krankheit hatten, seien „Corona-Lügenprämien“ angeboten worden, wenn sie den Verstorbenen einen Corona-Tod attestieren.

Andererseits, und das macht dieses Kapitel so verdienstvoll, werden die Denkschemata aufgezeigt, die hinter diesen Mythen stecken und die erwähnte Mélange aus Autoritarismus und Rebellentum erst ermöglichen. So verdeutlichen die Autoren etwa, dass oftmals Angst „für alle möglichen Ratschläge und Erläuterungen, die das Beängstigende weniger bedrohlich erscheinen lassen“, empfänglich mache, während umgekehrt mit „der Behauptung, dass Impfungen hochgefährlich seien“, Angst geschürt werde. Wer Kamann und Naumann liest, versteht demgemäß besser, wie sich Leute in ein krudes Weltbild regelrecht hineintreiben lassen. Und zugleich, wie wenig neu eine durch Verschwörungsmythen „geprägte Mentalität“ ist, so schrill sie aktuell auch wirken mag. Diese Mentalität beschreiben die Autoren so:

Eine kleine Gruppe verfolge finstere Pläne, um sich selbst Reichtum und Macht zu sichern und den Rest der Menschheit zu unterdrücken. Errichtet werden damit simple Freund-Feind-Konstruktionen, nach deren Maßgabe der Zustand der ganzen Gesellschaft und weite Teile der Geschichte geordnet werden: Böse gegen Gute, Reiche gegen Arme, Bill Gates und die Pharmaindustrie gegen wehrlose ‚Versuchskaninchen‘, kleine ‚verlogene Elite‘ gegen großes unschuldiges ‚Volk‘“.

Und erläutern zutreffend weiter:

Verschwörungsmythen gab es schon vor der Pandemie. Eine durch sie geprägte Mentalität war laut der großen Leipziger Autoritarismus-Studie bereits 2018 bei knapp einem Drittel der Deutschen manifest. Sie zeigte sich etwa in der Zustimmung zu Sätzen wie diesem: ‚Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte.‘ Oder: ‚Die meisten Menschen erkennen nicht, in welchem Ausmaß unser Leben durch Verschwörungen bestimmt wird, die im Geheimen ausgeheckt werden.

Aus diesem zweiten Satz spricht letztlich Größenwahn. Denn wer so denkt, maßt sich an, im Besitz der Wahrheit zu sein. Einer Wahrheit, die der Masse durch finstere Mächte verheimlicht werde. Somit beanspruchen Verschwörungsgläubige für sich selbst Definitionshoheit und damit das Recht auf Autorität. Dies kann sich mit einer schon bestehenden Ideologieverbinden, wonach es kämpferische Gemeinschaften geben soll. Zunächst eine kleine Gemeinschaft der Wissenden, die sich als exklusiver Zirkel (faktisch also auch als Elite) über die Masse der angeblich noch unaufgeklärten ‚Schlafschafe‘ erhebt. Dann aber wird eine große Gemeinschaft erträumt, in der sich das bisher irregeleitete Volk gegen die manipulierende Herrschaftsclique erhebt. Und zwar angeführt von denen, die schon jetzt die angeblichen Lügen durchschaut haben wollen. Der Aufstand lässt sich dabei so begründen, dass dem bestehenden System – bei dem es sich in Deutschland um einen demokratischen Rechtsstaat handelt – angeblich die Legitimität fehlt. Denn das System soll ja auf Lügen beruhen und die breite Volksmasse von der demokratischen Teilhabe ausschließen.“

Adornos „Studien zum autoritären Charakter“ sind unverändert relevant

Wer sich schon länger mit dem autoritären Denken beschäftigt und den 1950 erstmals erschienenen Klassiker „Studien zum autoritären Charakter“ gelesen hat, dürfte wahlweise erschrecken oder abgeklärt resignieren. Denn ganz offenbar nimmt der Hang des Menschen zu den gerade geschilderten gedanklichen Auswüchsen nicht ab. Adorno etwa schrieb unter dem Stichwort „Usurpatorkomplex“ zu „Pseudokonservativen“, mit denen er sich als „konservativ“ camouflierende Autoritäre meinte, Erhellendes, das sich in seiner allgemeinen Gültigkeit auch auf die heterogenen „Corona-Krieger“ übertragen lässt, auf deren Demos immer wieder Plakate mit Bestrafungsphantasien für Politiker und Medienvertreter zu sehen waren:

Die Regierung durch gewählte Vertreter wird angeklagt, die Demokratie zu verfälschen und Roosevelt und besonders dem New Deal wird vorgeworfen, die Macht usurpiert und diktatorisch befestigt zu haben. Folglich beschuldigen die Pseudokonservativen die Progressiven genau dessen, was sie selbst tun möchten, und sie benutzen die Anklage als Vorwand, ‚die Gauner hinauszuwerfen‘. Sie rufen zur Verteidigung der Demokratie gegen deren ‚Missbrauch‘ auf und möchten, indem sie die ‚Missstände‘ anprangern, letztlich die Demokratie selbst zu Fall bringen. Die pseudokonservative Ideologie kommt der Projektion im Psychischen gleich.“

Die Anmaßung, sich im Besitz der Wahrheit zu wähnen

Die Anmaßung, im Besitz der „Wahrheit“ zu sein, ist, wie Kamann und Naumann schon im ersten Buchkapitel aufzeigen, auch der ideenweltliche Konnex der „Corina-Krieger“ hin zur AfD, die, wie die Autoren zu Recht betonen, schon seit ihren Anfangstagen im Jahre 2013 den Slogan „Mut zur Wahrheit“ vor sich herträgt, was wiederum zeigt, dass „Grundstrukturen verschwörungsmystischen Denkens“ in ihr von Beginn an angelegt worden seien. Anhand diverser Beispiele wird sodann dargelegt, wie sich dieses Denken ganz konkret bei führenden AfD-Politikern manifestiert. Auch hier schaffen es die Autoren, Einzelspiele kruder Äußerungen, in diesem Fall aus der Zeit vor der Pandemie, die man als Leser vielleicht medial mitbekommen hat, nicht nur nochmals in Erinnerung zu rufen, sondern sie zudem zu kontextualisieren. Im Spezialteil zur AfD wird dieser Ansatz weiter verfolgt. Überdies zahlt sich dort Kamanns langjährige Berichterstattung über die Partei aus. Detailliert ist nachzulesen, wie „der Widerstand gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zum neuen Radikalisierungsmotor für die Gesamtpartei“ wurde.

Lob verdient auch die gelungene Gewichtung der Inhalte des Buchs. So nimmt etwa die Darstellung der Q-Anon-Bewegung relativ wenig Raum ein, was richtig ist, da sie im Vergleich zu den U.S.A. in Deutschland eine untergeordnete Bedeutung hat und zwar auch unter den „Corona-Kriegern“. Ausführlicher ist hingegen die Beschreibung einzelner relevanterer Untergruppen im Kapitel „Bewegungen“, bei der interessanterweise deutlich wird, dass sich „der ‚Querdenker‘-Bewegung nur eine Minderheit aus existentieller Betroffenheit im familiären oder finanziellen Sinne anschloss“. Das dürfte wohl bisher nicht jedem bekannt sein.

Wie die Alternativmedizin von linken in rechte Zirkel überging

In diesem „Bewegungen“-Kapitel richten die beiden Journalisten das Scheinwerferlicht auf die wichtigen gedanklichen Fragmente, aus denen sich das Gros der „Corona-Krieger“ zusammensetzt wie auch auf die Herkunftsmilieus Letzterer. So stößt man auf Verfechter von Alternativmedizin und auch auf Rechtsradikale, die zwar nicht dominant sind, aber nunmehr an Milieus andocken können, zu denen sie sonst keinen Bezug haben. Obwohl, stimmt das überhaupt so mit dem fehlenden Bezug?

An dieser Stelle gilt es innezuhalten und jenen Teil des Buches genau zu lesen, der unter der Zeile „Aus der Tiefe der Siebziger“ eine verblüffende Entwicklung aufzeigt, die jedenfalls medial bisher kaum thematisiert worden und eher ein Spezialthema für Menschen ist, die sich mit Weltanschauungsfragen beschäftigen. Das sollte sich ändern. Denn es ist exakt so wie Kamann und Naumann hervorheben: Die „Kritik an der Schulmedizin“ ist – anders als weithin bekannt – schon länger keine dominante „Domäne der politischen Linken“ mehr. Das liege, so die beiden, nicht zuletzt daran, dass die Schulmedizin heutzutage viel „sanfter“ wirke als noch in den 70er und 80er-Jahren, weshalb sie „viel weniger Angriffsfläche für politisch links motivierte Kritik“ biete. Selbst die Grünen, darauf weist das Buch auch hin, seien „im November 2020 bei ihrem Bundesparteitag auf Distanz zur Alternativmedizin“ gegangen und hätten dort mit kritischem Blick vor allem auf die Homöopathie beschlossen, dass die gesetzlichen Krankenkassen nur noch solche alternativen Leistungen finanzieren sollten, „deren Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen ist“. Daran, so Kamann und Naumann, zeige sich ähnlich wie bei Corona, dass die Grünen „die im Zusammenhang mit dem Klimaschutz entwickelte Anerkennung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse auf andere Bereiche ausdehnen“.

Dieser Verlust eines angestammten linken Alternativmedizin-Milieus hat den beiden Buchautoren zufolge längst „Übergänge zwischen Alternativmedizin, Esoterik, Verschwörungsglauben und offener Ablehnung des demokratischen Rechtsstaats“ nach sich gezogen. „Vehemente ‚Verfechter*innen einer subjektivistischen Medizin“ und „anekdotenhaften Wissenschaftskritik“ dürften, so die Buchthese, aufgrund der Abkehr vieler Linker von der Alternativmedizin nur noch „wenige Probleme damit haben, sich in ein ganz anderes politisches Spektrum zu begeben“.

Dieser Erklärungsansatz wird hoffentlich auch in der weiteren Beschäftigung mit den „Querdenkern“ und ihren Anhängern weiter verfolgt, will man die Szene nicht nur beschreiben, sondern auch die ihr innewohnende Dynamik verstehen. Zugleich ziehen Kamann und Naumann die lange „Tradition rechtsradikaler Denkformen“ in der Alternativmedizin nach, die sich bis zu frühen Anhängern des Anthroposophie-Gründers Rudolf Steiner (gestorben 1925) zurückverfolgen lässt. Viele dieser „Adepten“, so die Autoren zutreffend, haben „die Weimarer Republik, den Pluralismus und die liberale Demokratie abgelehnt“.

Darüber hinaus, so erfährt der Leser weiter, waren aber auch „fast alle Protagonist*innen der rechtsradikalen Szene“ bei der zweiten großen Corona-Demo Ende August 2020 in Berlin präsent, ebenso auch Neonazis.

Fortbestehende Bedrohung – die aktuellen Ereignisse geben den Autoren Recht

Auch wenn die „Querdenker“-Demos derzeit im öffentlichen Raum keine große Rolle mehr spielen, besteht kein Grund zur Entwarnung, wie das Schlusskapitel „Bedrohungen“ zeigt. Erwähnt wird etwa die schon im Herbst 2020 erfolgte Beobachtung von Teilen der „Querdenker“ durch den baden-württembergischen Verfassungsschutz. Und einen Monat nach Erscheinen des Buchs veröffentlichte der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen einen rund 170 Seiten langen „Sonderbericht zu Verschwörungsmythen und ‚Corona-Leugnern‘“, in dem er unter anderem zu dem Schluss kommt, dass „davon ausgegangen werden“ müsse, dass auch nach einem Pandemieende „ein grundsätzliches, enttäuschtes, staatsfernes und mobilisierungsfähiges Personenpotential fortbesteht“.

Man könnte überlegen, ob das Autorenduo die Unterschiede zwischen der Anschlussfähigkeit der Pegida-Bewegung mit ihrem „Islamisierungs“-Phantasma bis weit in bürgerliche Kreise hinein und den eher in schrillen Kreisen mobilisierenden „Querdenkern“ hätte herausarbeiten sollen. Jedoch sind diese letztlich nur graduell und auch unter bürgerlich daherkommenden Menschen, nicht zuletzt vielen rigiden Christen mit Rechtsdrall gab und gibt es eine ausgesprochene Corona-Verharmlosung und teilweise auch Sympathien mit den Querdenkern bis hin zu eigenen Demobesuchen. Jüngst hat auch die ARD in einer Doku aufgezeigt, wie schnell sich bis dato ganz normal lebende Menschen über Youtube inder Corona-Krise in Verschwörungswelten haben hineinziehen lassen. Den beiden Autoren ist also beizupflichten, wenn sie u.a. das folgende Resümee ziehen:

Als wäre Corona mit Zehntausenden Toten und den grundsätzlich unumgänglichen Eindämmungsmaßnahmen nicht schon schrecklich genug, wurden die Bürger*innen auch noch mit extremistischer Propaganda, Hassreden und Verschwörungsideologien konfrontiert. Das erste Pandemiejahr war für die Deutschen nicht zuletzt in dieser Hinsicht ein Schock: Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass naturwissenschaftliche Fakten so aggressiv geleugnet und demokratische Institutionen mit solcher Wut attackiert werden könnten. Und dass Demokratiefeind*innen mit solchem Selbstbewusstsein in die Öffentlichkeit treten würden. Es handelt sich nur um eine Minderheit und wird wohl eine bleiben, doch ist sie hochgefährlich. Sie nutzt die Krise, um antisemitische Vorurteile zu verbreiten, Journalist*innen, Forscher*innen und demokratisch gewählte Politiker*innen zu bedrohen und  – mal durch Übergriffe auf der Straße, mal durch Hetze  – verfassungsfeindliche Positionen Raum greifen zu lassen.“

Wie schnell sich ein solcher Hass wieder entladen und große Demonstrationen mobilisieren kann, sieht man aktuell in Frankreich, wo sie sich gegen Impflichten für Mitarbeiter im Gesundheitswesen und Feuerwehrleute richten, und seit diesem Wochenende auch in Italien, wo es nicht einmal um eine Impflicht, sondern nur um sonstige Schutzmaßnahmen geht. Bleibt zu hoffen, dass Deutschland eine vierte Corona-Welle mit dann wieder schärferen Restriktionen und damit zu erwartender neuer „Querdenker“-Agitation erspart bleibt. Sicher ist das aber nicht. Und genau deshalb ist das Buch von Kamann und Naumann von so großer Relevanz:

 

Annelie Naumann/Matthias Kamann, Corona Krieger – Verschwörungsmythen und die Neuen Rechten, Berlin, Das Neue Berlin, 2021, 192 S., EUR 16.

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3 Gedanken zu “Warnung durch Analyse: Wie man das „Corona-Krieger“-Milieu durchleuchtet;”

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    Vielen Dank für den Artikel, dem ich vollumfänglich zustimme!

    Hier wurden Strukturen geschaffen, die bei weiteren Reizthemen reaktiviert werden.
    So gesehen, werden uns diese Gruppierungen, Personen sind austauschbar, erhalten bleiben.

    Artikel, bzw. Personen, wie Sie, sind es, die darauf hinweisen.

    Danke Dafür 🙂

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      Danke Ihnen, aber in diesem Fall gebührt das Lob den beiden Buchautoren, die das alles ja zum Thema machen. Ich gebe es nur wieder.

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    Die „Kritik an der Schulmedizin“ ist – anders als weithin bekannt – schon länger keine dominante „Domäne der politischen Linken“ mehr …

    Das mag so sein. Insgesamt aber ist sich die bei Corona-Leugnern manifestierende Wissenschaftsfeindlichkeit selbstverständlich eine Folge der von liberalen Medien stets wohlwollend begleiteten, häufig masslosen, Kritik an bspw. technischem Fortschritt, wissenschaftsbasierter Medizin oder Gentechnik. Und die war (zumindest öffentlich) eine nahezu ausschliessliche Domäne der politischen Linken, über nunmehr 4 Jahrzehnte meiner politischen Beobachtung.

    Darauf wird in liberalen Medien allerdings praktisch nie hingewiesen, ein Schelm, wer Böses dabei denkt …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

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