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Der Marshmallow-Test

In den 1960er Jahren entwickelte Walter Mischel einen Test, mit dem er die Fähigkeit von Kindern messen konnte, auf die unmittelbare Erfüllung von Bedürfnissen im Interesse späterer, größerer Bedürfniserfüllung zu verzichten. Er nannte seine Versuchsanordnung den „Marshmallow-Test“.

Einem Kind wurde eine selbstausgesuchte Belohnung – etwa ein Marshmallow, ein Keks, ein Stück Schokolade – hingelegt und gleichzeitig erklärt, dass es zwei Marshmallows (Kekse, Schokoladenstücke …) bekommen wird, wenn es die Belohnung nicht sofort isst, sondern wartet, bis der Versuchsleiter zurückkommt. Daraufhin wurde das Kind in einem Raum allein gelassen, in dem der einzige äußerliche Reiz das Objekt der Begierde war.
Die Kinder wurden durch einen Einweg-Spiegel beobachtet. Der Versuch ist seitdem Hunderte Male wiederholt und auch gefilmt worden, und wer Lust hat, kann sich – etwa auf YouTube – auch entsprechende Videos ansehen.
Mischel (der Name wird „Mishelle“ ausgesprochen, Betonung auf der zweiten Silbe) wollte eigentlich nur die Strategien studieren, mit denen es Kindern gelingt, der Versuchung zu widerstehen, ausgehend von Freuds Behauptung, dass es dazu notwenig sei, eine mentale Repräsentation des Objekts zu bilden und dieses innere Bild irgendwie so zu manipulieren, dass es seinen Charakter als Versuchung wenigstens teilweise verliert. Mischel konnte nachweisen, dass Freud im Prinzip Recht hatte, und die neuere Hirnforschung gibt Freud und Mischel Recht bzw. erklärt, warum sie Recht haben Unsere emotionalen Reaktionen auf unmittelbare Sinneswahrnehmungen werden zunächst vom „heißen“ System unseres Gehirns gesteuert, das in der Amygdala angesiedelt ist; hingegen Abstrakte Gedanken, rationale Überlegungen, strategische Planungen vom „kalten“ System, das im präfrontalen Kortex sitzt. Sehr grob gesagt entsprechen die beiden Systeme den Freud’schen Begriffen „Es“ und „Ich“, und die Entwicklung der Kontrolle über die eigenen Bedürfnisse entspricht etwa der Forderung Freuds, „Wo Es war, soll Ich werden.“
Was Mischel zum Zeitpunkt der Durchführung seiner ersten Versuche – übrigens sämtlich an privilegierten Kindern im Kindergarten der Universität Stanford – nicht wissen konnte, sich aber bei Folgeuntersuchungen an den Versuchskindern herausstellte: Die Fähigkeit – oder Unfähigkeit – zur aufgeschobenen Bedürfnisbefriedigung bei Vier- bis Sechsjährigen erwies sich als zuverlässiger Indikator für den Erfolg oder Misserfolg im späteren Leben. Wer als Fünfjährige in der Lage war, bis zu 20 Minuten zu warten, um zwei Marshmallows zu bekommen, hatte in der Regel bessere Schulnoten und war in der Ausbildung und im Beruf erfolgreicher, neigte weniger zu Übergewicht oder Fettsucht, hatte weniger Drogenprobleme und war auch in Sachen sozialer Interaktion, Freundschaften und Familie stabiler und glücklicher.
Um hier kurz abzuschweifen: Der Sachverhalt selbst war nicht unbekannt, als ich 1969 zu studieren begann. Nur wurde die Fähigkeit zur aufgeschobenen Bedürfnisbefriedigung als „bürgerlich“ kritisiert. (Wie heißt es im Lied der „Doors“: „We want the world, and we want it NOW!“) Ich erinnere mich, wie in einem von Ulrike Meinhof geleiteten Seminar an der FU die Mitglieder einer Wohngemeinschaft sich darüber beschwerten, dass die Trebegänger, die sie aus der Güte ihres Herzens und aus politischer Überzeugung aufgenommen hatten, zunächst die weiblichen WG-Mitglieder verführt, dann den WG-Kühlschrank ausgeräumt und sich betrunken hätten und am nächsten Morgen mit dem WG-Fernseher und der WG-Stereo-Anlage verschwunden waren. Meinhof erwiderte ungerührt, die Trebegänger seien nicht asozial, sondern soziale Vorbilder, weil sie mit ihrer Überwindung bürgerlicher Verklemmtheit und bürgerlichen Besitz- und Leistungsdenkens die Zukunft verkörperten. „Tendenziell ist alles, was ein Prolet macht, richtig, und alles, was ein Kleinbürger macht, falsch.“ (Dass die RAF nicht gerade als Verkörperung des Lustprinzips daherkam, steht auf einem anderen Blatt.)
Noch in der „Vorläufigen Plattform“ der KPD/AO heißt es in Bezug auf „das Proletariat“ (ich zitiere aus dem Gedächtnis, weil ich das ‚Dokument weder besitze noch online finde), man wolle nicht Askese predigen, sondern vielmehr eine Ausweitung der Bedürfnisse, bis es schließlich zum Bedürfnis der Arbeiterklasse werde, den Kommunismus zu errichten. Das war, wie es sich für eine von Germanisten dominierte Partei gehörte, sehr Brechtisch gedacht, der in der „Mutter“ gedichtet hat: „Wir brauchen nicht nur den Arbeitsplatz / Wir brauchen die ganze Fabrik / Und die Kohle / Und das Erz / Und die Macht im Staat!“ Die Revolution als Vollendung des proletarischen Hedonismus.
Wir Studenten freilich sollten uns nicht einbilden, dass von den Arbeitern lernen bedeute, seine Bedürfnissen ausleben, im Gegenteil. Wie schrieb die „Rote Zelle Germanistik“: Es gelt, „die extreme Form des bürgerlichen Liberalismus, … die individualistische, schlampige, unpünktliche, von augenblicklichen Stimmungen abhängige Arbeitsweise zu überwinden.“ Was wir auch getan haben; und ich habe an anderer Stelle geschrieben, dass ich für diese harte Schule des Leistungsprinzips und der Selbstüberwindung durchaus dankbar bin, die mir auch bei meiner Arbeit als Lehrer und Journalist nützlich gewesen ist und bleibt.
Denn es bleibt wahr, dass jede Leistung Überwindung und Willenskraft voraussetzt, ob es sich um den Aufbau einer Partei oder die Erlernung eines Musikinstruments handelt. Aufgeschobene Bedürfnisbefriedung ist eben nicht nur eine bürgerliche Eigenschaft, sondern Voraussetzung der Zivilisation. Und auch bestimmten Formen der Barbarei, muss man allerdings hinzufügen.
Aber diese Abschweifung soll eigentlich nur klar machen, dass mich die Frage, die Walter Mischel aufwirft – und in seiner wunderbaren, soeben erschienenen intellektuellen Biografie, „The Marshamallow Test“ – ausführlich erörtert – schon länger umtreibt.
Vor allem geht es mir darum, den falschen Schlussfolgerungen entgegenzutreten, die aus Mischels Versuchen gezogen wurden und werden, und denen Mischel selbst scharf – na, nicht scharf, das ist nicht seine Art, aber entschieden – entgegentritt. Dazu gehört die „Say yes to no!“-Kampagne in den USA, die vom Kinderpsychologen David Walsh angeführt wird, und die von Michael Winterhoff in Deutschland initiierte Kampagne gegen „kleine Tyrannen“.
Nun mag es sein, dass Kinder gelegentlich ein „Nein!“ brauchen. Nein, verbessern wir diese Aussage: Eltern müssen ihren Kindern hin und wieder „Nein!“ sagen können, sonst gehen sie vor die Hunde. Den Kindern schadet das nicht sehr, aber man soll nicht so tun, als ob es immer in ihrem Interesse wäre. Manchmal schon: „Renn nicht auf die Straße!“ „Nein, du bekommst kein zweites Eis. Davon wird dir schlecht.“
Aber worum es Walter Mischel geht, ist eben nicht das Neinsagen der Eltern; ihm geht es um die Entwicklung der Fähigkeit, sich selbst nein zu sagen.
Ein Kind, dem ständig Wünsche und Bedürfnisse versagt werden, wird gerade nicht in der Lage sein, sich selbständig eine Belohnung zu versagen, wenn sie erreichbar vor seinen Augen steht und keine Autoritätsperson da ist, um ihm das Zugreifen zu verbieten. Nicht zufällig ist die Fähigkeit zur Aufschiebung der Bedürfnisbefriedigung eine vor allem bürgerliche, vielleicht sollte man sagen eine typische Errungenschaft der Mittelschicht. Im Prekariat, in bildungsfernen Schichten, bei vielen Zuwanderern aus autoitären Gesellschaften ist das Nein die Regel. Daraus entwickelt sich aber keine Ich-Stärke. Autoritär erzogene Persönlichkeiten werden zwar oft ihrerseits zu bigotten Moralpredigern, aber es überrascht nicht, dass sie besonders oft zu Fall kommen, indem sie jenen Lastern frönen, die sie so wortreich und rigide bei anderen verurteilen; man denke an katholische Priester oder fundamentalistische TV-Prediger.
Es nützt freilich auch nichts, wenn Eltern ihren Kindern wortreich ihr „Nein!“ erklären. Das entlastet sie, hilft aber dem Kind in der Situation einer Versuchung – Hausarbeiten machen oder Fernsehen – wenig. Das Kind muss vielmehr Strategien lernen, wie es mit der „heißen“ Versuchung des Fernsehens (des Videospiels usw.) umgeht. „Just say no!“ hilft ihm da wenig, so wenig wie es der Mehrheit der Raucher, Übergewichtigen oder Alkoholiker hilft, mit ihrer Sucht fertig zu werden. Kinder und Erwachsene müssen lernen, aus „heißen“ Versuchungen „kalte“ Reflexionsgegenstände zu machen; zielgerichtet zu denken und zukünftige Belohnungen – zwei Marshmallows, ein guter Schulabschluss, eine bessere Figur, Gesundheit – höher einzuschätzen als gegenwärtige Bedürfnisbefriedigung.
Vertrauen ist dabei wichtig. Hat ein Kind wenig Vertrauen in Erwachsene – etwa, weil es aus einer kaputten Ehe stammt und von dem Vater „verlassen“ worden ist, oder weil es von Erwachsenen immer wieder belogen wurde – wird es wenig Veranlassung haben, dem Versuchsleiter zu glauben, dass er mit zwei Marshmallows wiederkehrt. Hat ein Kind trotz Anstrengung aus welchen Gründen auch immer ständig eigenes Versagen erlebt, wird es wenig motiviert sein, sich ein weiteres Mal anzustrengen. Haben junge Erwachsene das Gefühl, von der Gesellschaft und der Schule abgeschrieben worden zu sein, werden sie wenig Sinn darin sehen, sich ihre gegenwärtige Bedürfnisbefriedigung zu versagen: Wer sagt denn, dass die Belohnung kommt?
Die schlechte Nachricht lautet: Wer als Kind oder junger Erwachsener nicht gelernt hat, seine Bedürfnisse zu steuern, wird es als Erwachsener nicht oder schwer lernen. In extremen Fällen kommt es zu einer mangelnden Ausbildung des Steuerungszentrums im präfrontalen Kortex; wer sich gar nicht in der Gewalt hat, ist geradezu prädestiniert, mit seinen Mitmenschen und dem Gesetz in Konflikt zu geraten.
Die gute Nachricht ist: Das Gehirn ist unfassbar plastisch; und viel länger, als es sich die Anhänger der „Gene bestimmen alles“-These bis vor wenigen Jahren vorstellen konnten. 50 Jahre nach den ersten Marshmallow-Tests können wir immer noch von ihnen lernen.

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134 Gedanken zu “Der Marshmallow-Test;”

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    @Marseillais
    „Fernziel“
    Das ist eigentlich ein sehr gutes Stichwort, das alles ins richtige Licht rückt: Das Fernziel hat man eben nicht immer und in diesem Fall ist es durchaus vorteilhaft, den 1. Marsmallow sofort reinzustopfen. Wie die Beeren und Kräuter in der Steinzeit. Mischel hat das Verhaltensrepertoire getestet. Und eben nicht ob das mal ein guter Krieger wird: Hart, wie Kruppstahl, zäh, wie Juchtenleder.. Sie wissen schon 😉

    Sowieso ist das nicht gut, jede Erkenntnis sofort in einen politischen Zusammenhang zu stellen – auf diese Weise wird auch die Wissenschft korrumpiert.

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    Me: Der Text steht, ich habe es jetzt begriffen, in überhaupt keinerlei pädagogischen Zusammenhang.

    Geht auch. Sollte aber heißen:

    Der Test steht, ich habe es jetzt begriffen, in überhaupt keinerlei pädagogischem Zusammenhang.

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    @ Alan Posener: Sie verstehen IMMER NOCH NICHT […] Der Versuch machte klar, dass einige Kinder schon mit vier Jahren über Techniken verfügten, die es ihnen leichter machte, auf die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung zu verzichten. Die nachfolgende Arbeit Mischels machte klar, dass diese Techniken nicht nur sehr nützlich, sondern auch erlernbar sind.

    Doch, doch, APO! Ich glaube, jetzt hab‘ ich’s.

    Mischel macht einen Test. Stellt dabei fest, Kinder können sich so und so verhalten. Und stellt nachträglich fest, dass die Kinder, die sich und so verhalten haben, im Leben erfolgreicher sind als die anderen. Und stellt fest, dass Kinder das Und-so-Verhalten erlernen können. – Und Mischel zieht aus seinem Test keinerlei pädagogische Schlüsse und stellt keinerlei pädagogische Forderungen.

    Wunderbar, APO! Mit Musils „Mann ohne Eigenschaften“ gesprochen, erzählen Sie uns wortreich von einem Test, woraus bemerkenswerter Weise nichts hervorgeht. Mit einem noch Größeren gesagt: Viel Lärm um nichts.

    Herrlicher Gag! Und ich, Weichei und Dummerchen, bin drauf reingefallen!

    (Erst Ihre wiederholte Argumentation in GROSSBUCHSTABEN hat mich drauf gebracht, APO. – Ich will jetzt nicht doch einen Zusammenhang mit „Ihrem“ Test herstellen. Der Text steht, ich habe es jetzt begriffen, in überhaupt keinerlei pädagogischen Zusammenhang. Gar keinem! Aber wie wäre es denn, wenn wir hier, auf dem Blog, PRÜGEL mit GROSSBUCHSTABEN als Regelstrafe mindestens für die ganz Tumben und Verstockten einführen würden, APO? PRÜGEL stellen immerhin ebenfalls eine bewährte mechanische Abkürzung auf dem Weg zum Erfolg dar: Wer in Kleinbuchstaben nicht versteht, den überzeugt die Autorität kurzerhand in GROSSBUCHSTABEN. Klassisch!)

    1. avatar

      Lieber EJ, Mischel kommt aus Wien. Er „stellt“ keine „Forderungen“. Das ist eher die preußische Art. Wenn Sie mir in drei, na, sagen wir: vier Sätzen erklären könnten, was Sie dagegen haben, dass Menschen lernen, ihre Bedürfnisbefriedigung aufzuschieben, um selbstgesetzte Ziel zu erreichen, ob es sich um das Konsumieren von Keksen oder das Spielen einer schwierigen Sonate, wäre mir mehr gedient als mit diesem dick aufgetragenen Sarkasmus.

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    Lieber Alan Posener,

    interessant bei ihrer Diskussion mit EJ dass sie selber nie die Frage stellen, warum die Ergebnisse des “ Tests “ sich nie (Ausnahmen bestaetigen die Regel) sich nicht in der Paedagogik durchgesetzt haben.

    Leider bleibt auch Walter Mischel im akademischen Vacuum 🙂

    Und wenn ich sehe wie die Ergebnisse heute in der Gesellschaft eingesetzt werden, dann frage ich mich schon welche Rolle die Kindererziehung heute spielt oder spielen soll. Der “ selbstbeherrschte Consumer “ 🙂 ?`??

    Die sogenannte Selbstbeherrschung als Ideal darzustellen ?

    Siehe auch Daniel Goleman:

    http://www.danielgoleman.info/

    Und sie erwaehnen die Selbstbeherrschung im zusammenhang mir der greediness im Konsum und auch im Finanzbereich ?

    „Entscheidend sind die Ziele, die wir uns setzen. “

    Ja unterschreibe ich auch.

    Nur welche Werte verfolgen die Ziele der Ergebnisse der Studie von Walter Mischel?

    Schade, dass Sie im Rahmen dieser Diskussion aus zeitlichen Gruenden nur an der Oberfläche bleiben.

    Postulate wie Hilfe zur Selbsthilfe sind sicherlich noetig, aber Appelle hoeren wir jeden Tag und wo bleibt die Veraenderung?

    Sie beklagen selber dass 30 Jahre sich wenig veraendert hat. Glauben sie bei uns in den US waere es anders?

    Und meine persoenliche Meinung:

    Selbstbeherrschung ergibt sich letztlich durch die Gesellschaft “ learning by doing “

    Und noch ein Hinweis:
    Human self-control research is typically modeled by using a token economy system. A token economy system is a behavioral program in which individuals in a group can earn tokens for a variety of desirable behaviors and can cash in the tokens for various backup reinforcers.
    aus:http://en.wikipedia.org/wiki/Self-control

    Wenn wir daher in einem kapitalistischen System leben gibt es doch keine self-control was die greediness betrifft oder habe ich Unrecht?

    http://en.wikipedia.org/wiki/Test_%28assessment%29

    1. avatar

      Lieber Jean-Luc,
      wenn Sie schon am ganz großen Rad des Kapitalismus drehen: Es gibt und gab schon immer einen Grundwiderspruch im Kapitalismus zwischen dem Wirtschaftssubjekt als Produzent (der soll fleißig, pünktlich, gewissenhaft usw. sein, kurzum die von Weber postulierten protestantischen Werte der innerweltlichen Askese internalisieren), und dem Wirtschaftssubjekt als Produzent (der soll lieber heute Geld ausgeben als morgen und im Idealfall totaler hedonist sein). Um mit der Fabel von der Ameise und der Zikade zu rden: Als Konsumenten sollen wir Zikaden sein und den ganzen Sommer hindurch singen, als Produzenten und Sparer Ameisen sein und fleißig vorsorgen. Dieser Widerspruch ist nicht aufzuheben.
      Im konkreten Leben jedoch kann – und muss – jeder entscheiden, ob er unbedingt – beispielsweise – ein neues Auto oder einen neuen Fernseher braucht. Mein Ford Focus und mein Röhren-TV sind beide 12 Jahre alt. Er kann sich aber auch fragen, ob Arbeit und Karriere das ganze Leben sein sollen, oder ob er andere Prioritäten setzt. Die richtige Bilanz zwischen Hedonismus und Verzicht finden; da hilft es, wenn man sich Ziele setzen und sie auch durch Willenskraft erreichen kann. Oder?

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    @ Alan Posener: wer sein Kind in eine Kita bringen will, kann auch heute dafür Hilfen beantragen

    Kinder aus schwierigem Milieu haben eher Eltern, denen Initiative und/ oder Fähigkeit dazu fehlt. (Die in den Hilfeplänen der Jugendhilfe vereinbarten Ziele beziehen sich nicht zuletzt auch auf Unterstützung bei der Erledigung bürokratischer Aufgaben.)

    Mit „kostenlos“, nebenbei, habe ich nicht nur die Vermeidung offener Gebührenerhebung gemeint, sondern auch Vermeidung verborgener. Es wäre kontraproduktiv, sonstige Hilfen mit der Begründung zu kürzen, dass die Familie durch den Krippen- und Kindergartenbesuch ihrer Kinder ja nun auch finanziell entlastet sei. Die Eltern sollten durch keinerlei Kosten davon abgehalten werden, ihren Kindern den Krippen- und Kindergartenbesuch zu ermöglichen.

    (Sollten die Erfahrungen mit dem vorgeschlagenen Krippen-/Kindergartenkonzept nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen, würde ich in Analogie zur Schulpflicht für eine Krippen-/Kindergartenpflicht plädieren, die von dem Nicht-/Bestehen geeigneter Tests (Sprachkompetenz, Alphabetisierungsgrad der Eltern usw.) abhängig gemacht wird.)

    Arbeitsaufnahme des Vaters und besonders(!) der häufig gesellschaftlich völlig isoliert lebenden Mutter der Kinder hielte ich für einen absolut erstrebenswerten, ganz wesentlichen sozialintegrativen Schritt. Jeder Schritt heraus aus dem idiosynkratischen/ desolaten Familien-Milieu ist ein richtiger Schritt. Genau um diesen Schritt geht es ja auch beim Krippen- und Kindergartenbesuch der Kinder.

    Was Ihre rauchenden und Kaffee trinkenden Erzieherinnen betrifft, APO – sofern es sich dabei nicht um eine Variante der Vorurteile handelt, die Ihnen – „faule Säcke“ – als Lehrer entgegengeschlagen sind – nach den bösen Erfahrungen, die wir mit vergleichbaren Einrichtungen diverser Träger in den letzten Jahren im In-und Ausland machen mussten, wären Krippen und Kindergärten (zumal dann, wenn sie in obigem Sinne zu Pflichteinrichtungen werden sollten) ohnehin in jeder Beziehung zu großzügigen, hellen und offenen – absolut transparenten Einrichtungen umzubauen.

    Aber, APO, bevor ich hier weiter Text produziere zu einem Problem, an dessen Lösung im Ernst kaum jemand interessiert ist (und das ist ein wesentlicher Teil des Problems) – was schlagen Sie für die Kinder vor, die „Ihren“ Test nicht bestehen? Anders gesagt: Sie werfen mir vor, dass ich „die angeborenen und sozialen Unterschiede zwischen Kindern“ betoniere. Wie wollen Sie diese Unterschiede ausgleichen?

    1. avatar

      Lieber EJ, Sie verstehen IMMER NOCH NICHT. Sie schreiben: „Was schlagen Sie für die Kinder vor, die “Ihren” Test nicht bestehen?“ Aber es gibt beim Marshmallow-Test kein Bestehen oder Nichtbestehen. Test heißt hier „Versuch“, nicht „Prüfung“. Der Versuch machte klar, dass einige Kinder schon mit vier Jahren über Techniken verfügten, die es ihnen leichter machte, auf die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung zu verzichten. Die nachfolgende Arbeit Mischels machte klar, dass diese Techniken nicht nur sehr nützlich, sondern auch erlernbar sind.

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    Ich schlage also einen neuen Testaufbau fuer Zehn- bis Sechzehnjaehrige vor: Der uebliche Verdaechtige bekommt sein Gadget gleich. Der Zweite bekommt einen Kompromiss auf Verhandllungsbasis angeboten. Der Dritte dreht das ganz grosse Rad, das aber auch zerbrechen kann. Das ist dann der Gluecksspieler. Man wird ihn immer mal im Investment-Banking wiederfinden, alternativ regelmaessig in Vegas. Ja, oder in der Politik. Der Mittlere wird Anwalt oder Arzt. Der Test greift also zu kurz. Der Dritte und der Erste arbeiten zusammen, weil der Dritte den Ersten braucht. Und das ist doch mitten im Heute. Der Mittlere lebt ein anstaendiges Leben und ist der Kitt der Gesellschaft, der Citizen. Dass Meinhof den hasste, war der Fehler dieser Leute. Ihr Gehirn war vernebelt von der Vorstellung, dass der Buerger jemandem schadet. Der Buerger mit dem moderaten Triebaufschub schadet niemandem ausser linker Ideologie. Und was die will, werde ich niemals verstehen.

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    Herr Posener, ich denke, Sie verstehen auch Spass! Ob die 2 Gehirnhälften bei Männern, beim Zugreifen auf die Praktikantin auch noch funftionieren, wage ich zu bezweifeln. Schönen Sonntag!

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    @ Alan Posener
    Subversiv und revolutionaer, vielleicht, wenn man es mit Ramschverkaeufen bei „Geiz ist geil“ vergleicht. Doch ja, stimmt. Wenn man sich von dem Bonbon verabschiedet und den Test anwendet auf andere Dinge, kommt man dahin und zu dem Schluss, dass die Letzten, die Mischel loben wuerden und den Triebaufschub wollen wuerden, Kapitalisten sind. Anbieter und Werber wollen gewiss keinen Triebaufschub.
    EJ? Vielleicht haben Sie unrecht.
    Aber mal was ganz Diffiziles: Wenn die Palis das 1 Marshmellow Camp David/Teilungserklaerung/Oslo nicht annehmen, sondern die 2 Marshmellows Alles vom Meer bis zum Jordan, anstreben, sind sie dann subversiv und revolutionaer oder nur extrem bescheuert? Hat also der Mischel-Test auch Nachteile, wenn etwas dabei zerstoert wird, anders ausgedrueckt, kann 1 Marshmellow auch der Kompromiss sein, oder muessen wir noch ein drittes Marshmellow einfuegen? Zweifellos handelt es sich bei der jeweiligen Zurueckweisung von Kompromissen in dieser Region nicht um demuetigen Verzicht., sondern um die Planung der Elimination Israels, wenn das auch offiziell negiert wuerde. Auch der, den ich nicht nennen soll, hatte ein Fernziel und war somit moeglicherweise ein extrem beherrschter Mensch, zumindest hin und wieder. Somit kann doch die Selbstbeherrschung zwar Erfolg als Folge haben, aber ebenso gut Untergang und Zerstoerung. Und jetzt noch was ganz Schlimmes. Was man so vom Jihad hoert, hat das mehr mit den zwei Marshmellows zu tun. Fuer die Ausfuehrung werden allerdings 1 Marshmellow Testversager benutzt. Was nun?

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      Ganz richtig, Marseillais. Die Willenskraft kann auch für zerstörerische Ziele eingesetzt werden. Entscheidend sind die Ziele, die wir uns setzen. Die Selbstkontrolle ist nur Mittel zum Zweck. Aber: Werte ohne Werkzeuge sind wertlos. (Ich konnte der Alliteration nicht widerstehen.)

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    Na endlich schreibts mal einer (das muss man wohl noch sagen dürfen): „Und da kenne ich ganz viele, vornehmlich staatliche Institutionen, in denen die Kinder völlig sich selbst überlassen werden, was die Erzieherinnen als “freies Spiel” rationalisieren, während sie kaffee trinken und rauchen.“ Sie haben, lieber APo vergessen hinzuzufügen: „Und alles von unserem Geld!“, denn natürlich sind solche Erzieherinnen mit sogar den, in dem Gewerbe üblichen Hungerlöhnen, überbezahlt. Was sie in „ganz viele(n) vornehmlich staaliche(n) Institutionen“ beobachtet haben, kann ich nicht beurteilen. Aber ganz nebenbei frage ich mich (selber 6 Jahre Kita-Erzieher in Berlin Neuköln gewesen) wie das geht. Haben sie hospitiert? Wie lange? Ich frage deshalb, weil das in vielen Institutionen gar nicht so einfach ist, so ohne z.B. Familienbezug einfach mal zuschauen. Aber egal: „Freies Spiel“ ist, gerade in Kitas, ein wichtiger Teil des Tages, weil im freien Spiel genau das geübt wird, was viele Schulen später als Mangel beklagen: Die Kinder sind von ihren Familien einfach nicht darauf vorbereitet, in Gruppen angemessen und gleichberechtigt zu agieren. Sozialkompetenz, also anerkennen unterschiedlicher Fähigkeiten und Geschwindigkeiten, vernünftige Formen der Auseinandersetzung und HURRA Bedürfnisaufschub- all das kann man im freien Spiel lernen. Diesbezügliche Defizite zeigen sich spätestens, wenn sie in der Grundschule im Klassenraum sitzen und warten sollen, bis sie an der Reihe sind. Und deswegen bin ich tatsächlich für die „Zwangseinweisung“ von Kindern, zumindest in die Vorschule, wie das vor einigen Reformen mal hieß. Schon alleine wegen der Sprachkompetenz, die beileibe nicht nur bei Kindern mit Migrationshintergrund ganz erheblich nachgelassen hat.

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      Lieber Stefan Buchenau: ja, ich sag’s dazu: „Alles von unserem Geld“. Beobachtungsgrundlage: Neben vielem Anekdotischen die systematische Beobachtung einer Kita im Wedding über mehr als 30 Jahre; die vergeblichen Versuche verschiedener Rektoren der angeschlossenen Schule, auch nur minimalste Verhaltensänderungen der betroffenen Erzieherinnen zu bewirken; der faktische Boykott der entsprechenden Reformen des Senats durch diese Damen. Und ja, Erzieher und Erzieherinnen sind unterbezahlt. Als ob das irgendetwas entschuldigen würde. Denn, wie ich es aus vielen Kinderläden und privaten Kitas kenne: Es geht auch ganz anders.

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    @Alan Posener
    Meiner Ansicht nach hat der Test Relevanz fuer Beziehungen. wenn man bereit ist, beide Marshmellows liegen zu lassen, kann man sich ein sehr genaues Bild davon machen, was man will und was geht und sehr genau nachhaken. Wenn die Marshmellows dann weg sind und man war darauf vorbereitet, geht die Welt nicht unter.
    Komischerweise kann einem dann aufgehen, dass man endlich erwachsen geworden ist. Erwachsen mit achtzehn? Laecherlich. Man ist erwachsen, sobald das Ich bestimmt, was das Es darf und das Es nicht mehr dominiert. Es duerfte kein Zufall sein, dass mit der Industrialisierung die Romantik aufkam. Bis heute rollt die Romanze den Rubel mit, Klamotten, Make-up, Uhren, Autos, ist auch gut so. Aber darueber stehen ist auch nicht schlecht.

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    @Alan Posener
    Sicher. Das eine ist eine Leistung der Grosshirnrinde. Ich selbst muss die in letzter Zeit auch gelegentlich anschalten. Das Zwischenhirn ist wie ein ungezogenes Kind. Zuweilen wird es zu stark. Kann aber gluecklicher machen. Die Grosshirnrinde dagegen verhindert Desaster. Freud war einfach wunderbar, denn er hat ja diese Polaritaeten herausgearbeitet. Ist zuweilen wie eine Wippe. Punkt 1 ist, dass man den Reiz erkennt und ihn entweder meidet oder konfrontiert, also das Marshmellow anguckt und sagt: Du kannst mich mal. Kommt immer wieder, nicht nur zwischen vier und sechs.

    @ Schmid:
    Vielleicht sollten Arme das lernen.

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    Lieber Jean-Luc, ich glaube, dass zwar der Test von Mischel eine Realitaet beschreibt, er aber schwer anzuwenden ist, weil man schon im Sandkasten sehen kann, wie viele Dinge angeboren sind. Das Problem, ist dass Einzelne eine hehre Vorstellung von der Menschheit haben. Inzwischen haben wir so viele Verrohungstendenzen, dass der Test mir zu einfach erscheint. Ich stelle mir vor, ein Kind nimmt dem anderen im Sandkasten sein Spielzeug weg, sagen wir mal, die waeren vier-fuenf. Wenn jetzt einer kommt, das Spielzeug wieder dahin stellt, wo es herkam und dem Kind sagt, wenn es das Ding in Ruhe laesst, kriegt es danach im Laden noch ein besseres Spielzeug, und wenn das dann funktioniert, ist es ja gut. Nur macht das niemand, weil es auch arrogant erscheint. Meistens entsteht ein Riesenzoff, der schnell unuebersichtlich wird. Im Kindergarten allerdings, mit gut ausgebildetem Personal, koennte die Methode funktionieren. Allerdings handelt es sich um einen Test, der, wie Posener betont, nie zum Frueherziehungsmodell gemacht wurde. Es stellt sich die Frage, ob das passieren sollte. EJ meint nein. Ich meine wenn, sollte man zwei Vergleichsgruppen schaffen, die unter Langzeitbeobachtung stehen. Meine Prognose: Die Mischel-Gruppe sitzt spaeter in Firmen auf Karriereleitern, die spontane Gruppe in freien Berufen. Nun muessen wir nur noch herausfinden, welche gluecklicher waere, und dann ist die Langzeitstudie zu Ende.
    Damit wir dabei etwas verdienen, sollten Wetten abgeschlossen werden. Ich setze auf Gruppe zwei.

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    Ich hatte kürzlich eine Diskussion über selbstbestimmtes Anwenden von theoretisch Erlerntem von Studenten in einem Praktikum. Diese entzündete sich an der Beobachtung, daß die Praktikanten nach Misserfolgen (‚Versuch klappt nicht‘) üblicherweise Meldungen geben, wie: ‚das konnten wir nicht wissen.. das haben wir nicht gehabt.. das haben Sie uns nicht gesagt, daß wir das auch noch tun sollten.. usw., usf.“: Delegation von Verantwortung nach außen schon beim kleinsten Widerstand – Ergebnis jahrzehntelanger schulischer und universitärer Erziehung zum sich fremdbestimmen lassen pawlowscher Art. Eine Bemerkung in der Diskussuion möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

    „Die [Praktikanten] müssten doch langsam gelernt haben, sich selber ein Bild zu machen, nach eigener Vorstellung zu arbeiten und sich selber zu helfen..“ – und jetzt kommt’s – „.. das wird doch heute eher verlangt„.

    Selbstbestimmung – weil’s verlangt wird: Das geht nicht. Und ich meine, diesen Denkfehler – oder ich sollte besser ‚unhinterfragte Prämisse‘ sagen – machen Mischels Kritiker, weil sie stillschweigend voraussetzen, daß Mischel irgendwas ‚optimieren‘ will (klar, im Arbeitgeber-Sinne). Dabei sind seine Ergebnisse im Alltag offensichtlich (@Marseillais): Denken Sie an die „unbeschwerte Kindheit“ – ‚unbeschwert‘ hier bitte mal im physikalischen oder medizinischen Sinne verstehen.

    Letztlich geht’s um den üblichen Kulturkampf USA – Deuschland:

    USA: Trainiere, damit du stark, selbstbewusst und erfolgreich und glücklich wirst.

    Deutschland: Trainiere, damit du stark, selbstbewusst und erfolgreich und glücklich wirst – aber nicht zuviel, damit dein Arbeitgeber, dein Staat nicht zuviel davon hat.

    (Damit ich nicht wieder gesagt bekomme, ich würde Karl-May-mäßig behaupten, in USA wäre alles besser: Die Amis sind naiver, programmgläubiger – die Deutschen sind nicht naiv, aber sie machen nix draus..)

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    Lieber Alan Posener, mir geht es auch um die einzelnen Laender von Europa. Zentraleuropa ist das Glueck der Renaissance und spaeter der Aufklaerung. Nur ganz vereinzelt haben Immigranten das begriffen. Wir muessen hier nicht nur um aufgeschobene Belohnungen kaempfen, sondern auch um den Erhalt der Aufklaerung, denn andernfalls wird Europa im Mittelalter versinken, mit Waffen und Wehrhaftigkeit, aber ohne Gedankenfreiheit. Wir muessen sehr wohl um das Glueck kaempfen, und ich finde, dass es bei Kindern anfaengt. Die Familienministerin unter Schroeder wusste das noch, die naechste ist eine taube Erfolgsnuss, verliebt in sich selbst, gucken Sie die Inszenierung im Morgengrauen mit Lederjacke. Die wuerde ich niemals zur Kanzlerin waehlen, da kann ich auch den Narziss von Ovid waehlen, nur, dass der sich eines Tages zerreissen laesst. Die taube Erfolgsnuss war der Meinung, man koennte bei intelligenten Leuten Kinder kaufen. Ehrlich: Intelligente Leute kriegen Kinder aus Liebe oder auch aus Liebe zueinander keine. Und wenn intelligente Leute keinen finden, den sie genug lieben, um dieses Abenteuer auf sich zu nehmen, machen sie lieber den Job und beschaeftigen sich zuweilen mit ihren Neffen und Nichten. Wegen dieser Aussage wird man mich auch nicht spalten von Kinderlosen, was Walter Kraemer mal wieder auf achgut probiert hat mit einer brillanten Retourkutsche von Roehl. Solche Schreiberlinge vergessen oft, dass ca. zehn Prozent ungewollt kinderlos bleiben. Nun ja, das Glueck. Nur ein Teil liegt im zweiten Marshmellow.

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    Ich denke, das ein Kind, dass im elterlichen Wohlstand aufgewachsen ist, im Test wohl anders handeln wird, als ein Kind, das in Armut aufgewachsen ist. Desweiteren spielt die Erziehung eine große Rolle. Es gibt Kinder, die aus einem wohlhabendem Haushalt kurz gehalten wurden, und welche, die an der langen Leine gehalten wurden. Will man am Ende herausfinden, ob Arbeiterkinder beim Verzicht des Kekses anders handeln als Akademikerkinder? Ich kann einfach durch den Test nichts abgewinnen. Da liefert mir die Hirnforschung aufschlussreichere Fakten, die man bei der Gestaltung von Lernprozessen mit Kindern, einfliesen lassen kann. Die Gene spielen natürlich auch mit rein. Oder? Auf ein Keks einen heranwachseneden Menschen zu reduzieren, und Verhaltensänderungen abzuleiten, finde ich mehr als zweifelhaft. Oder?

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      Ach, Walter Schmidt, niemand „reduziert ein Kind auf einen Keks“. Lesen sie bitte ncoh einmal den Text, weil ich es wirklich Leid bin, mich zu wiederholen: Es handelte sich um einen Test. Auf Deutsch: um einen wissenschaftlichen Versuch. Und interessanterweise hat die Hirnforschung viel später bestätigt, was Mischel (mit Freud, naja, die beiden sind Wiener Juden, das ist natürlich verdächtig) vermutet hat: Bei der Selbstkontrolle wird ein völlig anderer Gehirnteil aktiviert als bei der „Versuchung“ – ob die nun in Gestalt eines Kekses oder einer Praktikantin daher kommt.

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    Lieber Alan Posener, noch was dazu: Wir Buerger, die wir glueckliche und kreative Kinder aufziehen, bekommen doch zunehmend das Gefuehl, dass wir und diese recht Gelungenen gar nicht gefragt sind, vor allem wegen Quoten und Gleichheitswahn. Wir werden gar nicht gefragt: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? Unser Talent, unser know-how, unsere Kreativen, werden nicht angefragt, sondern oft geflissentlich uebergangen in Deutschland. Das erste ist dann, das wir nicht mehr waehlen gehen, das zweite, dass wir wandern gehen, migrieren. So kann man seinen eigenen Brain Drain schaffen.
    Wenn wir gefragt wuerden, haetten wir durchaus Rezepte, aber ich empfehle auch dabei Geduld. In der guten alten Zeit des beginnenden Kapitalismus war es der Enkel, der ein annehmbares Leben erreichte, der Enkel. Aber der Sohn war schon aufgestiegen. Alles weg.
    Gucken Sie doch mal, was manche Leute ohne Job fahren: Gebrauchten Dreier-BMW mit Tuning, Spoiler und Breitreifen. Mein Vater waere im Traum nicht auf diese Idee verfallen. Haben, haben, haben. Wir haben noch keinem beigebracht, wie man es langsam erwirbt, somit hat der Mischel-Test Recht, aber Glueck muss auch dabei sein. Mischel neu aufstellen mit Geschichte oder Spiel statt Goodie. Obama hat ja bekanntlich mobile phones verschenkt, so wurde er von den Armen wiedergewaehlt.

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      Die Arbeitslosen, lieber Marseillais, die lieber Zeit und Geld ausgeben für einen BMW, statt sich weiterzuqualifizieren, wären vermutlich beim Marshmallow-Test durchgefallen. Sie haben den „Mind-set“ der Trebegänger, die Ulirke meinhof so imponierten. „We want the world, and we want it now.“ Und natürlich ist unsere Kultur, weit davon entfernt, aufgeschobene Bedürfnisbefriedigung als erstrebenswert hinzustellen, eine Kultur der sofortigen Selbst-Befrieidigung: „Hol dir das geile XYZ!“ Das machen auch die Superreichen und die TV-Prominenz ja auch vor. Insofern ist Mischels Aufforderung zur Selbst-Bestimmung und Selbstbeherrschung subversiv und revolutionär.

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    @ Alan Posener: dass EJ die Durchführung des Marshmallow-Tests ablehnt, gegen die Zwangseinweisung von Kindern in Institutionen nichts einzuwenden hat

    Wenn ich Sie nicht hätte, APO! Sie machen mich immer wieder drauf aufmerksam, dass ich (vor allem Sie) immer wieder falsch lese. Jetzt sagen Sie mir, dass ich „Zwangseinweisung“ geschrieben habe. Wusste ich gar nicht mehr. Wie gesagt: Ohne Sie …

    Tatsächlich würde mir freiwilliger kostenloser Krippen- und Kindergartenzugang schon genügen. Zu finanzieren wäre der durch den dann möglichen Wegfall oder die Reduzierung der (absolut teuren) ambulanten Jugendhilfe, die dann in Krippen und Kindergärten statt zu finden hätte. Insofern ambulante Jugendhilfe, von gerichtlich verordneter Jugendhilfe ganz abgesehen, auch bisher keineswegs immer freiwillig angenommen wird, würde es wohl dabei bleiben, ja.

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      Lieber EJ, wer sein Kind in eine Kita bringen will, kann auch heute dafür Hilfen beantragen. jedenfalls in Berlin. Ganz davon abgesehen, dass man in der dadurch frei werdenden Zeit arbeiten könnte. Die Frage bleibt dann freilich, was die Kinder dort lernen. Und da kenne ich ganz viele, vornehmlich staatliche Institutionen, in denen die Kinder völlig sich selbst überlassen werden, was die Erzieherinnen als „freies Spiel“ rationalisieren, während sie kaffee trinken und rauchen.

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    Lieber Alan Posener, doch, doch, ich kapiere mehr, als Sie denken. Ich glaube, dass Mischel ein Kind seiner Zeit war, aber in dieser Zeit lebte schrieb auch Ray Bradbury Fahrenheit 451 , ein wieder wichtiger werdendes Buch.
    Ich vertrete die These, dass glueckliche Kinder, auch kreative Kinder, spaeter bessere Ergebnisse bringen und zwar freiwillig, und das die Industrie besser bedient waere, wenn sie auf diese Qualitaeten setzen wuerde, auch die Universitaeten, die sich einige Kandidaten, vielleicht alle, selbst anschauen sollten. Ich vertrete die Kreativitaets- und Glueckthese, gefoedert durch kluge Eltern, Spiele und interessante Literatur.
    Es hat mich schon oft gewundert, warum wir heute so unterirdische Karosserien am Laufen haben. Warum kam niemand auf die Idee, den PT Cruiser, eine Traumkarosserie aus Amerika, eine wahre Ausnahme, mit einem Motor von Mercedes oder Audi oder BMW zu versehen? Warum wurde der Pt Cruiser versenkt? Warum gibt es eine Scheusslichkeit wie den Ford K noch? Wie wenig Kreativitaet und Bewusstsein fuer Aesthetik ist doch in der Branche zu verzeichnen? Und nicht nur in dieser Branche.

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    Lieber EJ, ich glaube zwar, dass Sie das Problem hier erkennen, aber nicht ganz erfassen, was fehlt. Lucas brachte hier die Hauptproblemgruppe ein. Meiner Ansicht nach kann eine gute Praegung nur gelingen, wenn einerseits die Eltern gut sind, andererseits die Schule. Ich glaube nicht, dass z.B. diese Trottel, die nach Syrien fliegen, immer jenseits der Marshmellow -Theorie angesiedelt waren, sondern trotzdem nirgendwohin gelangten. Wenn man gestattet, dass jemand sich eine sechzehnjaehrige radebrechende Braut importiert, die spaetestens mit achtzehn Mutter ist, muss man sich doch heute nicht wundern. Welches junge Maedchen war denn jemals in der Lage, ihre Jugend abrupt zu beenden und dann den schweren Weg einer geglueckten Erziehungsarbeit auf sich zu nehmen? Der Staat macht uns hier seit Jahren vor, dass er dem Problem gewachsen ist. Ist er aber nicht. Er ist 50 Prozent und mehr nicht. Alle von uns, die Kinder mit grossgezogen, mit Lehrern gestritten und uns eingebracht haben, wissen das. Also muss man theoretisch in die Erwachsenenbildung investieren und gleichzeitig die Faehigkeit vermitteln (den Muettern), sich um den schulischen und soziallen Werdegang zu kuemmern. Man laesst diese viel zu jungen Importmuetter allein in fremden Landen, meint, man kann das allein. Nein, kein Staat kann wirklich Kinder zu gluecklichen Menschen formen. Hier fehlt die Einsicht einer sich weit nach links verschiebenden Politik, dass Frau und Familie gestaerkt werden muessen. Auch jegliches Engagement von sog. Feministinnen, die in Aufsichtsraete draengen, das aber viel besser koennten, wenn sie vorher ihre Familie verwaltet haetten.
    Da also bei dieser Gruppe oft die Staerkung durch eine bei der Geburt erwachsene Mutter, ab ca. 25 Jahre, fehlt, wenden sie sich eines Tages einer anderen Frau Mutter zu, und das ist ihre Religion.
    Krippe? Wie waer’s mit Staerkung der Familie und einer Arbeitszeiterhoehung und Gehaltsverbesserung, fakultativ, beim Vater? Ich weiss jetzt schon, dass meine Soehne auch 60 Stunden arbeiten wuerden und die Tochter zeitweise lieber 20. Alles im Namen der Gleichheit, und das Kind geht dabei drauf.
    Ich habe hier also zwei Probleme angeschnitten, einmal die zu junge und insuffiziente Mutter, zweitens die abwesende Mutter. Und als Drittes Vater/Nanny Staat, die das Kind niemals gebacken kriegen, weil es elterliche Liebe und fuer die Schule know-how braucht.

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    Lieber Alan Posener,

    ein kleine aber wichtige Korrektur!!

    Ich habe lediglich die Kritik an Walter Michels Ausfüehrungen hier zitiert und diese Angaben stammen hauptsaechlich von Richard Aslin aus dem Jahr 2012.

    Ich vermute, ohne es zu wissen, dass Walter Mischel in seinem neuen Buch die Argumente seiner Kritiker aufgenommen hat.

    Zu Ergaenzung unserer Diskussion, here ein TV Film mit Walter Mischel:

    http://thecolbertreport.cc.com.....er-mischel

    Ich habe in meinen files noch einen sehr interessanten Artikel aus der NZZ gefunden, der die Hintergruende beschreibt, warum Walter Mischel den Test gemacht hat:

    http://folio.nzz.ch/2008/augus.....psychotest

    Und sehr wichtig ist auch die Aussage des Journalisten:

    statistische Tendenz !!!

    Und wenn wir beim Thema sind:

    Aufschlussreich ist auch:

    http://charlesduhigg.com/the-power-of-habit/

    Wenn ich allerdings die Buchbeschreibung bei amazon ueber Walter Mischel lese:

    The world’s leading expert on self-control, Walter Mischel has proven that the ability to delay gratification is critical for a successful life, predicting higher SAT scores, better social and cognitive functioning, a healthier lifestyle and a greater sense of self-worth. But is willpower prewired, or can it be taught?

    The Marshmallow Test, Mischel explains how self-control can be mastered and applied to challenges in everyday life–from weight control to quitting smoking, overcoming heartbreak, making major decisions, and planning for retirement. With profound implications for the choices we make in parenting, education, public policy and self-care, The Marshmallow Test will change the way you think about who we are and what we can be.

    da habe ich aufgrund meiner persoenlichen und beruflichen Erfahrungen sehr viele Zweifel, dass sich die challenges im Leben durch den marshmallow test erleichtern….

    Und:

    was heisst sucessful life?

    from dishwasher to millionaire?

    und was heisst:

    social functioning?

    Und grundsaetzlich, wenn das Konzept und Idee von Walter Mischel so erfolgreich waere, warum ist es Walter Mischel nicht gelungen seit ueber 40 Jahren seine Ideen in die Praxis umzusetzen?

    Und zur weiteren Ergaenzung der Diskussion:

    http://en.wikipedia.org/wiki/E.....telligence

    und Daniel Goleman:

    http://en.wikipedia.org/wiki/Daniel_Goleman
    Er muesste sich doch auch fragen, ob er als Kind zu gierig gewesen ist? 🙂 🙂 🙂

    Wir Amerikaner sind ein wenig maniac was die Tests betrifft.

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    @Alan Posener
    In Bezug auf den Sexualtrieb finde ich den Test sinnvoll. man darf dann aber nichts anbieten, das gekauft werden kann, sondern eine Geschichte plus ein Spiel nach zwanzig Minuten oder eine ganz kurze Geschichte und kein Spiel sofort. Bemerken Sie den Unterschied? Eine kurze Zuwendung oder eine viel bessere lange Zuwendung nach Wartezeit. Warten mit Goodies, die man kaufen kann, zu entlohnen, erzieht nur zum aufgeschobenen Konsum. Warten mit Zuwendung zu entlohnen, erzieht zu Zuwendung. Man haette spaeter einige Vergewaltiger weniger, aber auch weniger Konsum, auch von Zwangsprostituierten. Im Alter von zehn bis vierzehn muss dann eine Puppe angeboten werden. Der, der laenger wartet, bekommt die bessere Puppe, muss ihr aber in der Wartezeit einen Brief schreiben. Die Maenner mit den besten Puppen mussten oft lange warten. Oft haben sie auch die besseren Jobs, was fuer ein Zufall das doch ist, oder. Das wird gern auf Geld geschoben, doch die meisten Frauen kneifen fuer nur Geld. Geduld ist durchaus eine gefragte Eigenschaft. Aber wir wissen alle, so ist das nicht gemeint. Du sollst schon konsumieren wollen und dafuer warten und lernen.
    Das wollen Sie irgendwie nicht zugeben. Ach was, die Amerikaner, kommen Sie nicht wieder mit denen. Das Plagiat wird oft besser als das Original. Niemand kann so zielsicher mit Wartezeit und wenig Schulden konsumieren wie wir Deutschen. Wir sind ein Dorn im Auge der restlichen Welt, weil wir nicht genug Kredite aufnehmen. Wir sind Weltmeister im Marshmellow-Verdoppeln. Und daher stehen wir auch immer wieder auf, auch nach einem fruehen Ausscheiden aus WM-Runden, und irgendwann sind wir dann Meister.

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      Sie verstehen immer noch nicht, lieber Marseillais, und ich fürchte, ich kann da nichts machen, weil der Sachverhalt eindeutig ist und ich ihn mehrfach erläutert habe. Sie schreiben: „Warten mit Goodies, die man kaufen kann, zu entlohnen, erzieht nur zum aufgeschobenen Konsum.“ Aber Walter Mischel hat nicht erzogen. Er hat beobachtet.
      Sie und EJ beharren darauf, Mischel habe Kinder zum Materialismus und/oder zur leistung erzogen. Das hat er nicht gemacht. Er hat einen einfachen Test zur Messung einer bestimmten Fähigkeit ersonnen. Erst Jahre später hat er gemerkt, dass die Ergebnisse des Tests auf geradezu unheimliche Weise den Erfolg und das Glück im späteren Leben prognostiziert haben. Aber das heißt nicht, und gegen dieses Missverständis wehrt er sich, dass man Leute durch Erziehung zum Keks-Verzicht zu erfolgreichen und glücklischen Menschen machen kann.

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    @ EJ

    Krippe, wer braucht, aber nicht fuer alle. Schon diskutiert mit Tochter. Wenn Krippenzwang in D, entweder Kinderlosigkeit oder Auswanderung. Hier muss der naechste Feminismus ansetzen. Der lautete einst: Mein Bauch gehoert mir. Er muss dann lauten: Mein Kind gehoert mir. Freie Wahl also.

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      Ich empfehle zum Thema krippe und Zwang die Lektüre der Bücher von Jesper Juul. Finde es allerdings schon bemerkenswert, dass EJ die Durchführung des Marshmallow-Tests ablehnt, gegen die Zwangseinweisung von Kindern in Institutionen nichts einzuwenden hat, ja sie befürwortet.

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    @ Alan Posener: Was kann ich tun, damit ich Ziele erreiche, die Willenskraft voraussetzen?

    Eine völlig berechtigte Frage. Aber: Für wen? Wer sollte sie stellen können?

    Im Test geht es um vier- bis sechsjährige Kinder! Sie legen die zitierte Frage (im Prinzip) auch vier- bis sechsjährigen Kindern(!) in den Mund. – Absolut grotesk!

    Dennoch bin ich sicher, dass es, und heute mehr denn je, Kinder gibt, die sie stellen – zerstörte Kinder, Entwicklungskrüppel, Kinder, deren eigene Entwicklung und Entfaltung unter dem nacktem, inhaltlich leeren Erfolgsdruck abgebrochen ist, Kinder, die auf leere, mit beliebigen Fremdinhalt zu füllende Erfolgsmechanik reduziert worden sind.

    Die oben zitierte Frage gestellt werden, sollte nur, wenn sie aus eigener Erfahrung beantwortet werden kann: ‚Ich weiß, wenn ich mich in etwas – in ein Spiel/ in ein Thema/ – vertiefe, kann ich Welten bewegen.‘ – Diese Antwort rekurriert ebenfalls auf Askese bzw. Askese-Erfahrung. Im Unterschied zu der von Ihnen verlangten aber tatsächlich auf innerweltliche Askese.

    Die (mechanische) Leere der im Test abverlangten asketischen Anstrengung wird sinnfällig in der rein äußerlichen Beziehung, die Anstrengung und Belohnung zueinander haben. Das lächerliche (im Grunde absolut demütigende) Mashmallow kann durch jedes andere „Ziel“, durch jede andere „Belohnung“ ersetzt werden. (Marseillais hat völlig zu Recht schon darauf hingewiesen.)

    Die positive, die inhaltsvolle Askese, die Askese-Erfahrung der thematischen Konzentration, ist dem völlig entgegengesetzt. Wenn Sie so wollen, ist es die benediktinische Arbeits-Askese, die Europa kultiviert hat. In ihr sind Anstrengung und Inhalt, persönliche Befriedigung und Erfolg völlig untrennbar miteinander verbunden. Und das ist, lieber APO, nichts anderes als die Fortsetzung der thematischen Konzentration des in sich vertieften kindlichen Spiels.

    APO: Wer solche Fragestellungen verteufelt, wie Sie es tun, betoniert die angeborenen und sozialen Unterschiede zwischen Kindern

    Nein. Er schlägt eine andere Lösung vor: Versucht nicht, die Kinder zu reparieren und zu nur mehr oder weniger gut funktionierenden Automaten zu machen! Lasst sie spielen. Gebt ihnen den geschützten Raum dazu!

    Nachdem das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, und das ist es schon, wenn es in die entsprechenden Familienverhältnisse geboren wird, kann das nur mit großem Aufwand gelingen. Ganz anders als Marseillais würde ich deshalb für die (frühe) Krippe und den Kindergarten plädieren, vorausgesetzt, sie sind/ werden entsprechend eingerichtet.

    APO: Mit dem Test wurde eine bestimmte Ausprägung der Fähigkeit zur Aufschiebung der Bedürfnisbefriedigung gemessen, nicht die Aufschiebung eingeübt. Das haben Marseillais und EJ anscheinend nicht verstanden.

    Ähm … Was habe ich jetzt nicht verstanden?

    Der Test fragt die (im Sinne des Tests: „erfolgsorientierte“) Abrichtung der Kinder nicht nur ab. Er affirmiert sie – darauf läuft seine/ Ihre ganze Interpretation hinaus.

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    @Alan Posener

    „aber die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung nicht zur Kenntnis nehmen wollen….. “

    Sie sprechen hier die Erkenntnisse an.

    Sind diese Erkenntnisse tatsächlich verifizierbar?

    wenn ich mir z.B. das sogenannte Neuro-Marketing anschaue, dann sehe ich leider das hier wieder einmal eine profitable Sau durch die Gassen gejagt wird, ohne daß´die Ergebnisse verifizierbar sind.

    Im Bereich Pädagogik kenne ich mich leider zu wenig aus.

    Wenn ich aber den “ Indikator “ der letzten Jahren der Publizierung von Manuals nehme, so sagt mir mein Bauchgefühl (und da beziehe ich mich aug Grigrenzer 🙂 )

    dass hier eine Hype erzeugt wurde, die letztlich auf den Profit abzielt.

    Unter den “ Vertretern “ dieser Hype ist Gerald Hüther zu nennen:

    http://www.zeit.de/2013/36/bil.....lerautoren

    Bei den Genforschung und Craig Venter war auch die Euphorie sehr groß, dass wir jetzt alles entschlüsseln können und heute ???

    Daher würde ich als pädagogischer Laie sagen:

    Stupid It`s the parents

    Stupid It´s the teacher

    trotz aller Manuals die mittlerweile die onlinebookshops überfluten.

    Ich konnte auch als pädagogischer Laie nicht widerstehen, hier meinen Kommentar zu hinterlassen 🙂

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    @Alan Posener
    ich weiß nicht, ob das alles „alles richtig..“ ist, was ich als Interpretation über Mischels Tests schrieb, aber danke für Ihre Zustimmung. Es ist für mich richtig, aus meiner ureigenen Wahrnehmung und Erfahrung der Gegebenheiten in der Welt, wie sie nun mal ist. Und das ist eine kapitalistische, individualistische, westliche, verbunden mit der recht unromantischen Folgerung: Verzicht, Taktieren mit eigenen Ressourcen erhöht die Chance auf Geldbesitz und Geld macht frei (kann frei machen). Kein Geld zu haben macht in jedem Falle unfrei /abhängig /harz4…
    Man könnte auch sagen, der Tunnelblick des Abstiegs-Phobikers. Worauf EJ, Stevanovic, Stefan Buchenau aber doch zurecht hinweisen ist, daß diese (meine) Phobien sich durchaus bestens als Angriffspunkt für Manipulation und Abrichtung eignen (..es gibt soundsoviele Arbeitslose mit Ihrer Qualifikation..). Da hat man schon was zu verlieren – gerade auch weil man nicht zu der triebgesteuerten Fraktion gehören (will). Mischel gehört nun offensichtlich zu denen, die andere ermächtigen wollen, helfen wollen sich zu emanzipieren, aber es gibt nun mal eine recht solide ‚pädagogische‘ Fraktion, die solche Ergebnisse bewusst und gerne missversteht und gerne austeilt: ‚Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr‘. Daß der ‚Erwerb‘ eines Zweit-Marshmallows – durch Verzicht – im Diskurs über das Experiment mit dem späteren Erwerb eines Zweitwagens etc. korreliert wird, zeigt auch viel Phantasielosigkeit und Konformismus dabei, oft noch in Verbindung mit realer oder nicht realer Existenzangst. Aber die umgibt uns nunmal – und das färbt auch ab.
    Wie gesagt, ich halte Mischels Experiment für eine zulässige Reduktion (man hätte alternativ natürlich als Belohnung eine Geschichte oder ein Musikstück verprechen können, was aber komplizierter zu bewerten sei dürfte).
    Zu allem Überfluss würde wahrscheinlich in einer anderen Kultur (Japan, Korea, China) das Experiment wieder ganz anders bewertet werden (=> kollektiveres Menschenbild).

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    Lieber Alan Posener, Wissen ist heute nicht mehr Macht. Ich weiss eine ganze Menge, im Kopf ohne google, also im Gespraech. Das gibt einem sehr wenig. Was es einem oft gibt, ist der altbekannte Neid. Vor Einladungen lese ich daher inzwischen meine Benimm-Liste durch:
    Z.B. nie sagen, dass das so nicht stimme und man bei suchandsuch nachlesen koenne etc. Lieber Komplimente machen, auch wenn Frau X‘ Kleid abscheulich ist, Heucheln bis zum Abwinken. Abgesehen davon gibt es inzwischen zu viele LeistungstraegerInnen fuer zu wenig gute Stellen. Die Guten lassen sich durchtreiben, hier vor allem Frauen, und am Ende steht oft wenig Beruf. Abgesehen davon werden Berufe leicht langweilig, also viel Input, viel Hype, und am Ende ein Schreibtischstuhl in einem Grossraumbuero. Daher sollte man Kindern ihre Kindheit lassen, die eine gute Zeit im Leben. Und meine beste Zeit im Leben, die wertvollste, war die mit den Kindern, immer. Und da das so ist hier in der Familie, waren sie automatisch gut genug.
    Ich kann das nicht oft genug betonen: Das Wichtigste fuer Kinder ist Anwesenheit, Interesse und Liebe. Das muss manchen Leuten beigebracht werden. Und das hat mit Marshmellow Numero 2 herzlich wenig zu tun, denn Liebe 20 Minuten zu verschieben, also Liebesentzug, ist unendlich grausam und bedeutet genau wie Gespraechsentzug Erpressung. EJ hat Recht. Letztlich ein Erpressungsversuch.
    Am Ende sind die vielleicht oben. Und da sie’s so gelernt haben, ist ein bisschen Korruption durchaus drin fuer eine saftige Gehaltserhoehung Ende des Jahres, nicht sofort. Und wenn jemand was sagt, ist er leicht mal weg, siehe Koehler.

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    `Lieber Alan Posener,

    was das Thema Neugierde betrifft… Kinder bis zum Alter von 10 Jahren sind grundsaetzlich neugierig. Ihre Tochter hat sie sicherlich gefragt, Pa warum… ist der Himmel blau und der Apfel gruen

    Mit der Pubertaet frgt der Junge das Maedchen immer weniger warum wohl?

    Und warum fragen wir Erwachsenen heute so wenig..aus Angst etwas nicht zu wissen?

    Und warum haben sie e.j ihre Parteivorsitzenden als leftist erst sehr spaet gefragt ob dass was Mao in China macht richtig sei??

    Ich habe auch erst sehr spaet nach der Tet Offensive gefragt was machen wir eigentlich hier?

    Wir fragen leider zu wenig!!!

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    Lieber Alan Posener,

    um die Diskusion ein wenig fruchtbarer zu gestalten…die Ergebnisse von Walter Mischel sind ueber 40 Jahre alt ..

    Zur Ergaenzung ihres Artikels hier ein paar Kritiker von Walter Mischel:

    Richard Aslin von der University of Rochester und andere:

    http://0-eric.ed.gov.opac.msmc.....=EJ1003528

    http://economistsview.typepad......sited.html

    http://www.psychologytoday.com.....eliability

    http://philpapers.org/rec/KIDRSY

    Und wenn sie

    Celeste Kidd, Holly Palmeri, Richard Aslin (2012). Rational snacking: Young children’s decision-making on the marshmallow task is moderated by beliefs about environmental reliability lesen,

    dann werden sie sicherlich feststellen, dass Walter Mischel die Einfluesse der Umwelt des Kindes nicht ausreichend in Rechnung gestellt hat.. oder ?

    Wenn ich ihren Lebenslauf mir anschaue vom leftist zum Thatcherist und jetzt wieder Keynesianer war das angeboren oder hatten sie sich immer unter Kontrolle oder lag es an ihrer Umgebung?

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      Merkwürdig, Jean-Luc: In seinem neuen Buch betont Mischel entgegen Ihrer Behauptung ständig die Einflüsse der Umgebung. Beispielsweise: „(T)he discovery of the plasticity of the brain tells us that human nature is more flexible and open to change than has long been assumed. We do not come into the world with a bundle of fixed, stable traits that determine who we become. We develop in continuous interactions with our social and biological environments. (…) As Kaufer and Francis point out, ‚environments can be as deterministic as we once beleived only genes could be, and the genome can be as malleable as we once beleived only our environments could be.‘ And the basic message of this book has been (…)that we can be active agents who in part control how those interactions play out.“ (Pos. 3141ff)

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    Lieber Alan Posener, ich finde es traurig, dass Sie mir einen Vergleich verbieten, wenn er denn passt, und ich meine, dass er hier passt. Wir Menschen wehren uns letztlich gegen die Umerziehung zum geschlechts- und seelenlosen Funktionstraeger. Unsere Kinder haben keine Mission, wobei ich unterstelle, dass Mischel an so etwas nicht dachte. Wissen Sie, was heute mit Abiturienten passiert, die ein Jahr Pause machen?: Kindergeldentzug. Kindergeld nicht zum Essenkaufen, sondern als Druckmittel. Komm, Rentenzahler, komm.

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      Ich verbiete Ihnen den Vergleich nicht, Marseillais. kein Grund zur Traurigkeit. Ich bitte einfach darum, dass wir ohne ihn auskommen.

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    Lieber Alan Posener, dass der Versuch aus den USA ist, beruhigt mich eher. Ich glaube, dass EJ und auf jeden Fall ich auf etwas Bestimmtes hinauswollen: Ich auf jeden Fall auf unbeschwerte Kindheit. Ich habe nicht gezahlt. Es gab kein Belohnungssystem bei guten Noten. Es wurde und wird viel gespielt, genau wie bei mir zu Hause, und hier sehe ich einen key zum Erfolg, da das Spiel auch Misserfolg bringt. Man, neulich hatte ich zwei Asse im Skat liegen, das sind die Glanzpunkte des Spiels. Leider schreibt Ziegler nicht mit. Er ist vermutlich derselben Meinung, dass Kunst-, Sport- und Musiknoten sinnlos blockieren. Ein Leistungssystem, das etwas freier waere, wuerde vielen Kindern gut tun. Punkt zwei: Doppelkopf, Skat, wir, meine Generation konnte das, und ich bin der Meinung, dass Spiele gut fuer das Gehirn sind und automatisch das Marshmellow in der Ferne bereit halten, weil man nicht immer gleich gewinnt.
    Andererseits schreiben Sie ja durchaus intelligent darueber. Jetzt muessten Sie mal eine Altersgruppe nennen. Ach ja, und dann muss ich darauf hinweisen, dass Hunde auch so in etwa trainiert werden, Futter vor die Pfoten, aber er darf es nicht gleich nehmen. Und
    dann fragt man sich, wie weit jetzt genau die Distanz zu Skinner ist.
    Aber eins kann man ablesen: EJ und ich haben jeder erwachsene Kinder, offenbar einigermassen gelungene, und dat Ding haben wir nun mal nicht mit denen durchgezogen, so wie es aussieht. Was ist also wichtiger?: Die Empirie von Eltern, die auch von Freiheitsgedanken beeinflusst sind, oder ein Versuch, den man, etwas anders aufgebaut, auch mit Hund und Affe machen kann?

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      Ich kann nicht oft genug betonen, dass es sich beim Marshmallow-Test um einen Test handelte, nicht um ein Abrichtungsprogramm. Mit dem Test wurde eine bestimmte Ausprägung der Fähigkeit zur Aufschiebung der Bedürfnisbefriedigung gemessen, nicht die Aufschiebung eingeübt. Das haben Marseillais und EJ anscheinend nicht verstanden.Und wie Mischel sagt: „(A) life lived with too much delay of gratification can be as sad as one without enough of it.“

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    @ Apo
    Die Frage ist, lieber Alan Posener, was wollen Sie damit sagen? „Das Gejammere über “die Autoritäten”, die alles bestimmen, ist absurd, wenn man den Kindern nicht die Mittel gibt, sich und die Gesellschaft zu ändern.“ Diesen Ihren Satz kann ich voll und ganz unterschreiben, würde allerdings, ohne zu jammern, hinzufügen, dass sich in der heutigen Schulwirklichkeit unterhalb von Gesamtschulen kaum jemand einen Deubel drum schert, den betroffenen Kindern auch nur irgendetwas beizubringen, außer eben das „Kind über Jahre dazu zu bringen, sich möglichst reibungs- und geräuschlos in die Gesellschaft zu fügen, die gerade vorhanden ist.“ So habe ich das oben Formuliert. Ihre Antwort darauf finde ich, nun ja, unterkomplex. „Das Problem vieler fortschrittlicher deutscher Pädagogen ist, dass sie Altgriechisch können, aber die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung nicht zur Kenntnis nehmen wollen.“ Falls sie damit mich meinen- ich kann nicht mal Neugriechisch und ich vermute, dass Sie meine Kenntnisse der modernen Hirnforschung nicht beurteilen können. Meiner bescheidenen Erfahrung nach ist das Problem vieler Pädagogen, egal ob „fortschrittlich“ oder nicht, neben allgemeiner Überlastung und Dauererschöpfung eher folgendes: Wenn sie ihren Schülern, den Mitgliedern der Wohngruppe oder denen im Förderunterricht wirklich Zugang zu dem Wissen verschaffen wollen, welches angeblich „Macht“ bedeutet, dann müssen sie viele gewohnte Pfade verlassen. Sie müssen z.B. begreifen, dass die „Schulversager“ mit denen ich es zumeist zu tun habe, eben anders lernen, als indem sie still auf einem Stuhl sitzen. Sie müssen verstehen, dass die meist vernachlässigten Fächer wie Sport und Musik nicht Zeitverschwendung oder willkommener Steinbruch für Sparmaßnahmen sind, sondern oft der Schlüssel zum Lernen überhaupt (und nicht zuletzt auch zum Bedürfnisaufschub). Sie sollten begreifen, dass Hanwerkliche Tätigkeiten manchmal mehr zum Sprachgebrauch und Verständnis beitragen, als manche noch so toll vorbereitete Deutschstunde samt Rechtschreibung und Konjunktiv. Und damit sind wir bei der Lehrer/Pädagogen Ausbildung und ihrem Praxisbezug, sowohl in Bezug auf die künftige Arbeitsstelle, als auch was das Leben außerhalb der Schulen betrifft. Aber das ist ein anderes Theme über das wir ein andermal diskutieren können.

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      Absolut d’accord, Stefan Buchenau. Aber auch Pädagogen, die – wie meine Frau – 40 Jahre lang mit „schwierigen“ Kindern zu tun haben, was ich erwähne, damit Sie merken, dass ich mit einigen der angesprochenen Probleme vertraut bin, müssen sich gelegentlich mit den Ergebnissen der Psychologie beschäftigen und nicht nur über ihre eigene, unbestrittene Überlastung klagen. So manches, was vor 40 Jahren gelehrt wurde, ist überholt, und erst recht so manches, das vor zehn Jahren als der Weisheit letzter Schluss galt und heute noch in der Lehrer- und Erzieherfortbildung weitergereicht wird. Klar: Musik, Tanz, Sport, Handwerk usw. sind wichtig. Aber auch dafür (gerade dafür, würde ich als handwerklich mäßig begabter Mensch sagen) braucht man die Fähigkeit, Frustration auszuhalten um eines Ziels willen. Sehr beeindruckend in dem Zusammenhang der Film „Rhythm is it!“ Es sind in diesem Film die Lehrer, die verständnisvollen, rücksichtsvollen, einfühlsamen, die in vielen Fällen die Kinder daran hindern, das zu leisten, was sie leisten könnten, und was ihnen am Ende eine große Befriedigung verschafft, von gewachsenem Selbstvertrauen ganz zu schweigen.

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    Ich selbst habe, weder als Kind noch als Erwachsener, jemals wegen Marshmellows etwas getan. Ein Marshmellow, zwei, egal. Du musst aus dir selbst heraus den Trieb haben, dass etwas gelingt. Gleichzeitig musst du mit Misslingen fertg werden und es von vornherein einbauen. Nur die Bereitschaft zum Misserfolg garantiert den Erfolg, wie EJ gut genug beschrieben hat anhand des Laufenlernens.
    Als unsere Tochter exakt ein Jahr und einen Monat alt war und gerade eben ein wenig laufen konnte, besuchten wir mit ihr Andalusien. wir sassen (sorry) iin einer Ecke des Innenhofs des Alcazar, der riesig ist. Auf einmal peste das Kind quer durch den Hof, weil sich auf der anderen Seite ein Vogel niedergelassen hatte. Neugier.
    Der interessante Marshmellow-Versuch misst daher m.E. Gelingen oder Versagen, wenn schon die Tram abgefahren ist, Neugier: Mutter oder Vater stehen an der Wiege, warten auf das erste Lachen, beobachten jeden Schritt, freuen sich und ermutigen das Kind. Krippe? Das wird noch viel Kummer bereiten und viele Blagen, die sich am ersten Marshmellow bedienen, weil sie von Haus aus unterbefriedigt sind, oral auch. Die ganze Richtung bewegt sich leider via AH. (sorry).
    Aus jener Zeit gibt es die interessantesten Schriften. Das Kind hatte damals lediglich eine Funktion. Und leider bewegen wir uns dahin. Damals geplanter Soldat, heute geplanter Rentenzahler mit rentenzahlender, abwesender Mutter und Ein Marshmellow-Mentalitaet.

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      Nein, Marseillais. Und BITTE bemühen Sie nicht AH. Neugierde ist angeboren. Aber auch die Neugierde kann man trainieren (und vor allem: abtrainieren). Die Marshmallows sind lediglich ausgewählt worden, weil sie (oder andere Süßigkeiten) für die meisten Kinder im Alter von vier oder fünf Jahren einen starken Reiz ausüben. Es gibt andere Reize, und auch sie sind eingesetzt worden in vergleichbaren Tests (es geht, wohlgemrkt, nur um Tests, nicht um Trainingsprogramme). Gemessen wurde, ich wiederhole es, die Fähigkeit, im Interesse einer selbstgewählten künftigen Belohnung auf eine sofort verfügbare Belohnung zu verzichten. Und wie es sich zeigte, ist diese Fähigkeit einer der Schlüssel für ein gelingendes Leben. Dass heutige Erwachsene wie Sie und EJ so argumentieren würden wie die antiautoritären Studenten von 1968ff, denen Selbstkontrolle schon die Internalisierung des Faschismus bedeutete – ich hätte es nicht geglaubt. Vielleicht würden Sie anders argumentieren, wenn die Versuche nicht in den USA durchgeführt worden wären.

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    Mein Lieblingstransvestit pflegt zu sagen: „Man kann sich mit der Erziehung Mühe geben, wie man will, die Kinder machen einem ja doch alles nach.“ Also bitte was wollen wir unsere Kinder lehren und mit welchen mitteln?
    „Das Wort Pädagogik stammt aus dem Griechischen, von Paideia, Griechisch für Erziehung, Bildung. Es bezeichnet nicht nur den Schulunterricht für Kinder, sondern die Hinwendung des Menschen zum Denken des „Maßgeblichen“ und die Ausbildung der „Arete“. Gemeint ist die Formung eines Menschen, so dass er nicht einfach „nur“ denkt, sondern ausdrücklich „das Maßgebliche“- will sagen, das er sich auf der Höhe der jeweiligen Zeit in die jeweilige Gesellschaft einfügen kann und vor allem auch will! Man könnte auch zugespitzt sagen, dass Pädagogik für die alten Griechen eine Art Dressur war, bei der am Ende ein Mensch herauskommt, der als braver Handwerker, Bauer oder Soldat lebt und weder für die Götter noch für die Mächtigen eine Bedrohung darstellt. Und wenn wir das mit den Göttern weglassen, ist es bis heute so geblieben: Erziehung läuft, unabhängig von den Zeit typischen Methoden und dazu gehörigen Fachsprachen immer noch darauf hinaus, ein Kind über Jahre dazu zu bringen, sich möglichst reibungs- und geräuschlos in die Gesellschaft zu fügen, die gerade vorhanden ist. Es soll „erwachsen“ werden, das meint nichts anderes, als zunächst zur Schule und später irgendeiner Arbeit nach zu gehen, nicht zu auffällig zu agieren und vor allem der Allgemeinheit möglichst wenig zur Last zu fallen- besonders natürlich finanziell. Von „Glück“ oder statt „Beruf“ von „Berufung“ ist in solchen Konzepten selten die Rede. Es geht ja auch bestenfalls in zweiter Linie um die Bedürfnisse der Kinder- in erster Linie formuliert die Gesellschaft, repräsentiert durch ihre Autoritäten, angefangen bei den Eltern bis hinauf zum Kultusministerium, eine Liste von Ansprüchen an ihren Nachwuchs. Wenn dieser den Anforderungen genügt, ist alles in bester Ordnung. Um diese Ziele zu erreichen sollen im Idealfall alle Hand in Hand arbeiten: Eltern, Kindergarten, Schule, später Ausbilder und/oder Universität. Das mag für den größten Teil der Kinder und Jugendlichen halbwegs funktionieren, aber was ist mit denen, die da nicht mit machen können oder wollen?“
    Ja, mit diesen Kindern arbeite ich seit 40 Jahren, fast durch die Bank Kinder, die sofort zulangen und nicht auf den 2.Marshmellow warten würden. Der oben zitierte Text ist ein Ausschnitt aus einem längeren Script „Vom Armenhaus zum 4 Sterne Ghetto“, der meine subjektiven Erfahrungen zusammenfasst. Meine Hoffnung, dass in absehbarer Zeit ein Bildungs- und Erziehungswesen in diesem Land etabliert wird, welches sich an den Menschen und weniger an deren (wirtschaftlichen) Erfolgen orientiert, geht in der Wirklichkeit jenseit der Universitäten gegen null.

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      Die Frage, lieber Stefan Buchenau, ist: sind die Kinder glücklicher, weil sie sich nicht in der Kontrolle haben? Wohl nicht. Und: Wie kann man ihnen helfen, sich selbst zu helfen? Welche Mittel gibt man ihnen, ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen? Das Gejammere über „die Autoritäten“, die alles bestimmen, ist absurd, wenn man den Kindern nicht die Mittel gibt, sich und die Gesellschaft zu ändern. Ich war zehn Jahre lang Lehrer an einer Gesamtschule, von 1980 bis 1990, und in den ersten Jahren musste ich beständig gegen Kollegen ankämpfen, die meinten, man müsse benachteiligten Unterschichtkindern Dinge wie die Rechtschreibung und den Gebrauch des Konjunktivs nicht beibrigen, das würde sie nur frustrieren. Zum Glück war ich dank meiner marxistisch-leninistischen Sozialisation über solche Kindereien hinweg. „Wissen ist Macht“, wie August Bebel wusste. Und Intellektuelle, die meinen, Unterprivilegierte bräuchten kein Wissen, wollen, ob sie es sich zugeben oder nicht, letztlich ihre eigene Macht, ihren eigenen Wissensvorsprung, ihre eigene herausgehobene Rolle als Fürsprecher und Wohltäter der Unterprivilegierten, Rächer der Enterbten, konservieren. Mein Standpunkt war immer, dass die da unten selbst die Zustände ändern müssen, die ihnen nicht passen, wie es im bekannten Lied heißt. Geschenke brauchen sie nicht, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Das Problem vieler fortschrittlicher deutscher Pädagogen ist, dass sie Altgriechisch können, aber die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Sorry, aber das musste jetzt raus. Ich konnte nicht widerstehen.

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    @ Alan Posener: Aber Sie kämpfen dennoch gegen Windmühlen an

    Daran habe ich keinen Zweifel. Und das meine ich ganz im Ernst. Sie und Mischel und der Marshmallow-Test haben nicht nur unser gesamtes Erziehungs- und Schulsystem auf Ihrer Seite, sondern auch eine uralte Denke: „Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt.“ / „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.“ / „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ Dass Sie mit Mischel das Elend auch noch raffiniert zuspitzen, indem sie es jeden Inhalts entleeren und reine Selbst-Negation, pure Selbst-Verleugnung verlangen, dafür aber den Lohn verdoppeln, ändert am Prinzip nicht nur nichts, sondern macht es nur noch umso deutlicher.

    Anders gesagt: Mischel misst genau innerhalb des – so verfassten – Erziehungs- und Schulsystems. Und bekommt genau die zu erwartende Antwort: Selbstverleugnung und Leidensfähigkeit korrelieren auf’s Engste mit Erfolg. Und? Welchen sittlichen Nährwert hat das? Könnte der Test – wenn es so wäre (und es ist so!) – in seiner Versuchsanordnung auch messen, dass unsere Erziehung, unsere Schulen und Universitäten weitaus schlechter sind, als sie sein müssten, und für viele Kinder (und Eltern und Lehrer) die schiere Qual?

    Theoretisch ist völlig klar – und ich nehme an, auch Ihnen und Mischel: Erziehung sollte sich zunächst und vor allem mit dem Kind bewegen, seine vorhandenen bzw. „mitgebrachten“ Fähigkeiten erkennen und fördern. Deshalb habe ich auf das Laufen- und Sprechen-Lernen hingewiesen. Und ich gebe Ihnen, APO, gern zu, dass dabei weitgehend etwas wie ein Programm abläuft. Nur kann ich darin keinen Einwand sehen. Eher das Gegenteil, eine Bestätigung. Denn etwas wie ein Programm läuft auch in der „schon immer gegebenen“ Spiel- und Lernfähigkeit und in der damit verbundenen Spiel- und Lernfreude des Kindes ab, weit über das Laufen- und Sprechen-Lernen hinaus. Und eben genau darum geht es: Das „Programm“, den angeborenen Spiel- und Lerntrieb des Kindes, möglichst lange, möglichst ungestört ablaufen, das „Programm“ seine Arbeit möglichst lange, möglichst ungestört tun zu lassen.

    Das ist, wie gesagt, theoretisch klar und Konsens. Die eigentliche Schwierigkeit besteht natürlich in der praktischen Umsetzung des theoretisch Erkannten. Was wie fördern, ohne zu überfordern? Was wie nutzen, ohne zu zerstören? Usw. usf. – Der Marshmallow-Test gibt darauf eine Antwort: Das sollte/ muss ein Kind können! Und er gibt die Antwort, mindestens dem Anschein nach, durchaus vor dem oben skizzierten Hintergrund. So verstehe ich auch Ihren Hinweis, APO, auf die Freiwilligkeit der Teilnahme des Kindes. Und tatsächlich bin auch ich ziemlich sicher, dass Vier- bis Sechsjährige, ganz gleich, ob sie den Test am Ende „erfolgreich“ absolvieren werden oder nicht, die Pointe der gebotenen Konstellation sehr gut verstehen und sich gern darauf einlassen wollen.

    Das – das kindliche Verstehen und kindliche Wollen – ist aber gar nicht der springende Punkt. Der springende Punkt ist vielmehr: Welches Kind, welche Seite des Kindes spricht der Test mit seinem eigentümlichen Testaufbau an?

    Ehrlich gesagt, die Antwort darauf möchte ich gar nicht so genau wissen. (Die Antwort fordert womöglich ein allzu vernichtendes Urteil über uns alle heraus, die wir so erzogen worden sind. – Man könnte versuchen, sehr vorsichtig zu formulieren: Der Test spricht das „raffinierte“ Kind an – das „raffinierte“ Kind, das zweifellos jedes Kind auch, aber als Kind eben nur auch und nachrangig ist. Und worin besteht die „Raffinesse“ des „raffinierten“ Kindes? Seine „Raffinesse“ besteht in der Fähigkeit, ein (erlaubtes oder verbotenes) Ziel mehr oder weniger „trickreich“ und „abweichend“ vom üblichen (und erlaubten) Weg zu erreichen (oder auch nur erreichen zu wollen). Und der zugehörigen Gewitztheit, der zugehörigen Intelligenz möchte man im Einzelfall vielleicht sogar eine gewisse Anerkennung zollen. Aber wenn man nicht lieber die Augen gleich ganz und gar schließt und auch nur „ein bisschen“ hinschaut, springt sofort auch in’s Auge: Der Test spricht eben leider keineswegs nur das intelligente (oder intelligentere) Kind an. Er spricht vor allem auch das Kind an, das bereit zur Lüge ist: Nur das zur Lüge bereite, nur das in diesem Sinne „raffinierte“ Kind kann auch bereit sein, sich im Sinne des Tests möglichst radikal selbst zu negieren und zu verleugnen, um sein Ziel zu erreichen.)

    Für unseren bescheidenen Zusammenhang genügt es zu wissen: Gerade das – angeblich auch für Herrn Mischel so entwicklungsfähige, angeblich auch für Herrn Mischel so förderungswürdige – spielende Kind spricht der Mashmallow-Test nicht an! Das spielende Kind, das – über zu spielende Inhalte – [Doppelsinn absolut intendiert!:] spielend lernt, ist ihm nicht nur schnurzpiepegal. Herr Mischel schließt es aus seinem Test und damit aus der von ihm propagierten Erziehung- und Schulwelt radikal und völlig aus. Das spielende, das spielend lernende Kind will Herr Mischel nicht.

    Ich mag gegen Windmühlen kämpfen, lieber APO. Aber gegen was, oder besser: für was kämpfen Sie und Herr Mischel und, bitte, unser gesamtes Erziehungs- und Schulsystem, wenn Sie zu dessen Grundlage die reine Selbst-Negation, die pure Selbst-Verleugnung des Kindes machen? Sie negieren den angeborenen Reichtum an Anlagen und Bereitschaft des Kindes, sich die Welt zu erobern und zu eigen zu machen – warum? Weil kein Reicher in den Himmel kommen soll? Weil das Götter-Gesetz erfüllt werden muss, dass vor dem Erfolg geschwitzt werden muss? Rechnen, Schreiben, Lesen darf nicht kindgerecht spielerisch gelernt werden? Weil das zu leicht ist? Rechnen, Schreiben, Lesen muss stattdessen unter der Voraussetzung möglichst radikaler Selbst-Negation, möglichst radikaler Selbst-Verleugnung gelernt werden? Es muss „im Schweiße deines Angesichts“ sein, in jedem Falle und immer?

    Das – und, APO, die Ergebnisse sind genau danach – können Sie nicht wirklich für eine effektive Methode halten. Ihnen, Herrn Mischel, unserem Erziehungs- und Schulsystem geht es um offensichtlich um anderes und mehr. Worum? Sagen Sie’s uns.

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      Lieber EJ, was ich an Ihrem Beitrag so schwer erträglich finde, ist die Tatsache, dass Sie Walter Mischel (und mir) eine Theorie des Menschen und der Pädagogik unterstellen, ohne sich der Mühe zu unterziehen, sich näher mit Mischels (und Poseners) Schriften zu beschäftigen. Daher Windmühlen. Offene Türen. NATÜRLICH sollen Kinder spielnd lernen. NATÜRLICH ist Selbstbeherrschung nur eine Fähigkeit unter vielen, und Mischel sagt das AUSDRÜCKLICH. Ich habe mich in dem Text auch abgegrenzt gegen die Nein-Sager vom Schlage Winterhoffs, und wenn Sie sich einmal die Mühe machen würden, die Interview-Serie zu lesen, in der ich mit Winterhoff, Juul, Bueb und Bergmann gesprochen habe, dann wüssten Sie auch, dass Ihre Unterstellungen lächerlich sind. ABER: Wir alle brauchen die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, ob wir Präsident der USA sind und über Sex mit einer abhängig Beschäftigten nachdenken, oder ob wir uns vornehmen, täglich Morgengymnastik zu machen, umd mit dem Lustprinzip allein geht das nicht. Was kann ich tun, damit ich Ziele erreiche, die Willenskraft voraussetzen? Wann soll ich diese Fähigkeit erlernen? Wer solche Fragestellungen verteufelt, wie Sie es tun, betoniert die angeborenen und sozialen Unterschiede zwischen Kindern: Dann werden diejenigen, denen es von allein leichter fällt, sich zu beherrschen, und diejenigen, die nicht – wie Kinder aus armen Familien – unter Dauerstress leiden, eben erfolgreich sein, schlank bleiben, sozial reüssieren. Super Ergebnis.

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    Ich halte von solchen Experimenten an Kindern überhaupt nichts. Jeder Mensch ob Kind, Jugendlicher und Erwachsener, so denke ich, ist in der Lage über die Vernunft und die Lebenserfahrung zu lernen. Klar, dass man in jungen Jahren stärker von seiner Umwelt und vorallem vom seinem Elternhaus sehr stark geprägt wird.Wer als Lehrer heute erfolgreich sein will, der muss zuerst die Menschen lieben. Er muss Beziehungsebenen erarbeiten, die auf Vertrauen fußen. Das oben unten ablegen, sprich auf Augenhöhe sein. Desweiteren gerecht zu allen sein,alle ernst zu nehmen, niemanden belächeln, kein Unterschied zwischen Deutschen und Ausländern machen, keine Lieblingsschüler haben, Fehler zulassen um überhaupt ein Lernprozess in Gange zu setzen, Verständnisvoll zu allen sein, erst selber Leistung vorleben, dann über die Vernunft sie bei Schülern einfordern, Teams fördern, Kommunkation zulassen, jeder lernt von jedem, Schüler als Lernberater integrieren. Absolut korrektes Auftreten, nicht ungepflegt rüberkommen usw. Den Beamtenstatus abschaffen, denn jeder muss sich aufgrund seiner Fehlleistungen bewusst sein, dass man ihm kündigen kann. Der Lehrer muss gegenüber den Schülern das Gefühl zu vermitteln, dass man hinter ihnen steht, auch in schwierigen Situationen.

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      Klar. Jeder ist in der Lage zu lernen, Walter Schmid. Und was er lernen muss, stellen Sie unter anderem mit Tests fest. Ahmed kann nicht so gut Deutsch: üben wir es mit ihm. Ilona ist schlecht in Mathe: üben wir mit ihr. Jan kann sich nicht beherrschen: üben wir Techniken mit ihm, die ihm ermöglichen, seine Willenskraft zu stärken. Die ganze Schule ist ein „Experiment an Kindern“. Und leider sind allzu viele Pädagogen mit Ergebnissen der psychologischen Foirschung nicht vertraut. Sie halten Willenskraft für etwas, das man anordnen kann. Dabei müssen die meisten Kinder sie erlernen. Und können das auch.

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    „Die Frage ist ja nicht, wie man Kindern Dinge antrainiert, die sie nicht wollen, sondern wie man Kindern – und Erwachsenen – ermöglicht, Ziele zu erreichen, die sie wollen. „
    Lehrer können nur auch nur das Umsetzen, was die Eltern erwarten. Eltern wollen den Erfolg, d.h. Noten und Qualifikationen. Ob die Dinge antrainiert sind, oder Kinder das, was sie gar nicht wollen (MINT ist nicht ohne Grund in einer freien Gesellschaft unterrepräsentiert), freiwillig tun, ist im Grunde ziemlich Wurscht. Ein starkes Ich-Gefühl oder guter Pisa-Test mit gutem Hochschulzugang? Ein Glück stehen Eltern nicht vor solchen Entscheidungen, ich weiß nicht, wie ich entscheiden würde.
    Würden wir die Sache mit dem selbstgelenkten Triebaufschub ernst nehmen, würden wir nicht einen starren Lehrplan für eine Gruppe von 25Kindern haben und diese auch nicht anhand des Durchschnitts bewerten. Versuchen Lehrer dies zu durchbrechen, stehen rotgesichtige Eltern auf der Matte.
    Auf der anderen Seite ist das ja alles richtig. Triebbeherrschung oder Befriedigungsaufschub ist ja nicht gerade das Steckenpferd der freien urbanen Umwelt. Daran scheitern Migranten-Kinder aus autoritären Häusern ja regelmäßig. Das sind die desorientierten mit wenig Selbstwertgefühl, die Leute zusammentreten, Drogen nehmen oder sich dem Papa Gottvater unterwerfen wollen.
    Wir hatten es ja von den Russlanddeutschen. In deren Comunity herrscht zuhause ja auch ein Recht rauer Ton, d.h. gute Kinder fressen und haben gute Noten, jedes andere Bedürfnis wird von Mama kriminalisiert und Papa hat nur das Problem, dass er ein ganzer Kerl wird. Kein Wunder, dass die erste freie Handlung jemanden auf die Fresse hauen ist. Nicht anders auch bei Südländern. Die Message ist stets negativ, d.h. die Eltern sind so gute Menschen, dass das Kind mindestens Jesus sein könnte, wenn es nur wöllte, womit ja ein Scheitern vorprogrammiert ist. Der Rest ergibt sich von selbst: Schwule klatschen, Drogen nehmen… ob radikal Hedonistisch oder radikal Brutal, ist eigentlich egal.
    Als mein Freund, nach vielen Wirrungen, endlich seinen Uni-Abschluss geschafft hat und richtig durchstartete, fragte ich ihn, was seine Eltern so meinen. „Ich würde meine Mutter nicht mal beeindrucken, wenn ich Vögel mit dem Mund fangen könnte.“ Nun war er intelligent genug, sich herauszuarbeiten. Aber da sind viele, die das eben nicht können.
    Integration scheitert daran, nicht am Kopftuch oder der Moschee.

    Ok, war jetzt nix zum Versuch an sich. Meine Oma, bei der ich als Kind ein paar Jahre verbracht habe, war sehr streng, sehr pedantisch und sehr auf Ordnung bedacht. Nicht nur hatte jedes Kissen seinen Platz, auch galt der Grundsatz: Einen Fehler verzeihen heißt, zu neuen Fehlern zu ermutigen. In der Hinsicht musste sie sich nichts vorwerfen. Ich wurde eine fabelhafter Punk und gehe ohne Flecken auf der Hose noch heute nicht aus dem Haus. Also ja, ich kann den Versuch und die Thesen aus eigenem Erleben nachvollziehen.

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      Die Frage, lieber Stevanovic, lautet zum Beispiel: wie verhindere ich, dass Juri jedem auf die Nase haut, der ihm komisch kommt? Wie ermögliche ich es Juri, kurz innezuhalten und „abzukühlen“? Dazu hat Mischel Studien angestellt, über die er in seinem Buch berichtet.

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    Lieber Alan Posener,

    etwas zur Ergaenzung:

    „Mischel (der Name wird „Mishelle“ ausgesprochen, Betonung auf der zweiten Silbe)“

    Da ich selber bei Walter Mischel studiert habe…
    Mischel stammt aus Oesterreich

    Und die Betonung ist auf der ersten Silbe 🙂

    Und:
    übrigens sämtlich an privilegierten Kindern im Kindergarten der Universität Stanford

    Danach wurden die Untersuchungen auf an weniger privilegierten Kindern durchgefuehrt mit gleichen Resultaten.

    Interessant ist auch die Auseindersetzung vom Mischel mit Eysenck

    Und zur weiteren Ergaenzung:

    „Don’t!: The secret of self-control“. The New Yorker.

    Und was „die Wichtigkeit positiver Verstärkung “ betrifft,

    im Gesundungsprozess bei einer Krankheit ist es ebenso.

    Lesen sie doch einmal bei Mitscherlich nach.

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      Vielen Dank für die Hinweise, lieber Jean-Luc. Ich kam auf „Mishelle“, weil er so in einer Diskussionsrunde eingeführt wurde vom Moderator und nicht widersprach. Wie war es, bei Mischel zu studieren? Wenn Sie etwas dazu schreiben wollen, stelle ich das gern als Gastbeitrag bei SM ein.

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    Mein lieber Alan Posener, wunderbarer Text. Ja, manche von uns lernen erst, wenn sie im fortgeschrittenen Alter sind, etwas aufzuschieben, auf die Gefahr hin, dass es verloren geht, und gewinnen dabei. Wir lernen, die Unwichtigkeit zu lieben und werden wieder wie Kinder, nur gewissenhafter. Entschuldigen Sie bitte die Anrede, aber Ihr Thema hat durchaus Bezug zu meinem Leben und bewegt mich daher etwas mehr.

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    Zum theoretischen Teil kann ich nicht viel sagen, praktisch habe ich zwei schulpflichtige Kinder. Die Grundschule haben wir auf freiwilliger Basis gut geschafft, der Stoff der Mittelschule lässt sich nicht so leicht bewältigen. Den Raum für freiwillige Erkundungen und auch Experimente mit der Freiwilligkeit scheitern am Alltag. Vielleicht würden sie viele Dinge auch freiwillig machen, bestimmt wäre es sinnvoller ihnen die Zeit zu geben. Diese Zeit haben wir aber nicht. Der Zeitplan wird vom System vorgegeben und jeder der Schulkinder hat weiß, dass das System nicht wartet. Das ist gar nicht anklagend gemeint, es ist halt so. Deswegen sind wir gezwungen die Zeit, bis sie es aus Einsicht und Selbstorganisation etwas tun, manchmal (d.h. sehr oft) abzukürzen. Manchmal kommt es mir so vor, dass es nicht um die Entwicklung einer Person zum eigenverantwortlich Handelnden geht, sondern um die Ausbildung eines Mitarbeiters, der selbst unter Druck die Nerven behält. Es soll alles leicht und freiwillig aussehen und am Ende sollen alle Karriereoptionen weiterhin offen sein. Das schaffen weder wir Eltern (oder Erzieher), noch die Kinder. Zwischen Anspruch, ein freies Wesen zu erziehen, und den Anforderungen des Systems, um wenigstens im Mittelfeld mitmachen zu können, klafft eine mal größere, mal kleinere Praxislücke. Für Experimente mit dem selbstständigem Befriedigungsaufschub fehlt oft die Zeit. Kann sein, dass ein guter Pädagoge dies könnte, als handelsüblicher Papa fühle ich mich da manchmal etwas überfordert.

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      Ich glaube, Stevanovic, dass es um weniger globale Dinge geht. LehrerInnen – vor allem – müssen wissen, wie wichtig diese Fähigkeit ist. Und dass sie erlernbar, aber nicht zu verordnen ist. „Streng dich an! Konzentrier dich! Gib dir einen Ruck!“ und so weiter helfen gar nicht. Ebensowenig aber helfen Seufzer über „das System“. Deshalb empfehle ich allen Lehrenden Mischels Buch.

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    Offensichtlich hat Mischels Experiment zwei Teile /Aspekte:
    1) kann das Kind /der Mensch gegen seinen Trieb bzw. ersten Impuls entscheiden
    2) wenn ja: reicht der im Experiment gegebene alternative Reiz (2. Marshmallow) aus, um den ersten Impuls ‚auszuhebeln‘

    zu 1) Wenn Freud danach gefragt hat (ich habe nicht wirklich Ahnung davon), welche Techniken ein Mensch zur Verfügung hat, um seinen Trieb mit dem Ziel aufzuschieben, ein alternatives (‚höheres‘, wieso eigentlich ‚höher‘?) Ziel anzustreben, dann ist da vieles denkbar, ich komme noch darauf. Hier allein die ‚kapitalistische Triebfeder‘ (2. Marshmallow) zu sehen, verperrt den Blick, auf dieses viele Andere (@EJ). Gerade Sie hielten doch dieses ‚viele Andere‘, nennen wir es Kultur, gerne und oft hier hoch. Und richtig: tatsächlich will ja gar nicht jeder ‚reich‘ werden. Oder eben in einem anderen Sinne. Das 2. Marshmallow könnte also auch z.B. für Musik, Kunst u.a. stehen. Bei Erwachsenen. Es ist doch so (offensichtlich) – wie Freud sagt: Aus dem ‚Es‘ wird ‚Ich‘. Es geht um Selbstverwirklichung, Emanzipation, Freiheit. Aber nicht Freiheit von der Welt, sondern in der Welt. Erstmal Entscheidungsfreiheit. Viele üben Askese um erstmal ‚innerlich‘ frei zu werden, soll heißen, das Ich entscheiden zu lassen und nicht das Es – und schon gar nicht jmd. dritten (der oft genug über das Es versucht, das Ich zu manipulieren, oder das Ich versucht durch das Wir zu ersetzen – anderes Thema). Askese halte ich also für erstmal für eine sehr gute Sache (@lucas). Sie schafft Platz für Neugier: Das Kind, das auf den ersten Marshmallow verzichtet, ist (auch) neugierig, ob’s klappt, ob sich’s lohnt (es experimentiert seinerseits!).

    Mischels Experiment ist gut, leider sind viele Schlussfolgerungen oft miserabel, deswegen:
    – erzwungener Mangel erzeugt weder Wille noch Kraft zur Askese (an die Vergangenheitsglorifizierer)
    – ein neugieriges, triebaufschiebendes Verhalten kann man nicht anerziehen (an die Tigermutti) oder nachträglich (Schule!) durch Angebote (‚interessante Lernumgebung‘, Lehrer lediglich als ‚Manager der Lernumgebung‘) rekonditionieren (an die Schulbehörden und Pädagogen)
    – ‚experimentierende‘ Kinder sind keine ‚Genexpression‘ (an Thilo Sarrazin)
    – Askese ist kein Wert an sich , sondern Mittel zu individueller Freiheit (an mich)

    Was also tun?
    Es geht darum, Kinder weltzugewandt zu machen, also neugierig auf Dinge und Menschen. Enttäuschung ist zwar schlecht, aber fehlt sie, entwickelt sich auch nicht die Fähigkeit zur Askese. Eltern (Väter!!), sind also dazu da, Neugierde auf die Welt zu provozieren – da ist es natürlich hilfreich, wenn man selber neugierig ist.
    ‚Lieber der Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach‘ – das ist vielleicht i.O. wenn man 50 oder 60 ist, als Kind versperrt es alles. (Deswegen bin ich auch so vorsichtig mit sog. ‚Altersweisheiten.) Kriminalität, Drogensucht: Das ist letztlich Ausdruck von Mutlosigkeit bzw. Depression. Das Ich hingegen, ob arm oder reich, schützt dagegen. Das in etwa sagt mir das Experiment.

    PS: Das Rauchen habe ich mir mit der intensiven Vorstellung stinkender Kleidung abgewöhnt.

    PPS: @lucas, das der ‚ISIS‘ nutzende Erdöl könnte man erkennen: Jede Erdöllagerstätte sollte eine für sie typische Zusammensetzung an Kohlenwasserstoffen haben. Oder Isotopen (C14 u.A.). ‚Vergällen‘, im Sinne von Unbrauchbarmachen, kann man das nicht. (Wie wollen Sie Lagerstätten kontaminieren?). Ich wäre auch kein Freund davon: Denken Sie an die Prohibition und Al Capone.

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      Alles richtig, Klaus J. Nick. Übrigens hat sich Mischel auch das Rauchen mit einer relativ groben Methode abgewöhnt. Jedesmal, wenn er den Wunsch nach einer Zigarette verspürte, roch er an einer Büchse voller stinkender Kippen, um sein „heißes“ limbisches System umzuprogrammieren. Neugierde und so weiter ist alles gut und wichtig, und Mischel betont das auch. Aber – sagen wir – die Neugierde darauf, wie die junge Kollegin im Bett ist, muss abgewogen werden gegen die Zerstörumg einer Ehe. Das heißt, auch und gerade neugierige Menschen müssen lernen, sich zu beherrschen. Weil es – wie Sie sehr richtig sagen – um die Freiheit geht. Nicht die Freiheit, alles tun zu dürfen, sondern um die Freiheit auch gegenüber der eigenen Triebstruktur.

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    @ Alan Posener: Quatsch, EJ.

    OK. Ihre unmittelbare Bedürfnisbefriedigung war Ihnen jetzt wichtiger als der zweite Lolli. Muss auch mal sein.

    Jedes Kind beherrscht die „Technik“, Bedürfnisbefriedigung aufzuschieben. Aber deshalb finden beispielsweise das Laufen- oder das Sprechen-Lernen nicht in einem „kalten System“ statt. Das Wegstecken der zweifellos immer mit dem Laufen- oder dem Sprechen-Lernen verbundenen Frustrationen (das Wegstecken der Stürze beim Laufen-Lernen z.B.) konstituiert kein „kaltes System“, zumal nicht im Unterschied zu einem, gar noch irgendwie ursprünglicheren, „heißen System“. Den Unterschied gibt es nicht. Alles – alles(!) – Lernen, ob vermeintlich heiß oder vermeintlich kalt, erfordert Frustrationstoleranz, funktioniert nur über „aufgeschobene Bedürfnisbefriedigung“, vulgo: über’s (immer anstrengende) Üben.

    Das (seinerseits „unmittelbar“, ohne Triebverzicht) auf den „Kalkül“ des Kindes zielende Experiment verschleiert das und verengt (gelinde gesagt) die daraus ableitbaren Erziehungsziele und -methoden.

    Echte un-kalkulierte Mit-Freude über den ersten selbständigen Schritt oder über das richtig ausgesprochene „schwere Wort“, über das unermüdliche Üben und Experimentieren des Kindes, über sein Können schließlich – das Können ist die Belohnung, auf die Kind beinahe mit seiner ganzen Existenz zielt: es will laufen können, es will sprechen können, ganz selbstverständlich – wären weitaus zielführender.

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      Rüge eingestekct, EJ. Aber Sie kämpfen dennoch gegen Windmühlen an. Mischel betont wiederholt, dass die Kinder das Ziel – aushalten, um ein doppelt so großes Gratifikationsobjekt zu bekommen – selbst wollen müssen. Sonst läuft das Experiment gar nicht. Die Frage ist ja nicht, wie man Kindern Dinge antrainiert, die sie nicht wollen, sondern wie man Kindern – und Erwachsenen – ermöglicht, Ziele zu erreichen, die sie wollen. Das Laufen- und Sprechenlernen ist da eher kein gutes Beispiel, weil das genetisch programmiert ist. Wir machen das alle. Aber wir lernen nicht alle, Klavier zu spielen, obwohl wir das vielleicht wollen; und viele von uns lernen nicht, mit Lebensmitteln so umzugehen, dass wir nicht dick werden, obwohl niemand ein Fettsack sein will. Zu sagen, „Du hast das halt nicht genug gewollt, sonst wäre es dir geglückt“, ist eher nicht hilfreich. Übrigens betont Mischel die Wichtigkeit positiver Verstärkung, unabhängig vom Marshmallow-Test. Das heißt, Kinder, die ein positives Selbstbild hatten, schnitten beim Test besser ab als solche, die ständig ein „Nein!“ erfahren hatten.

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    Lieber Don Geraldo, Walter Mischel arbeitet seit den 1960er Jahren an verschiedenen Universitäten. Mit der Werbeindustrie hat er nichts zu tun. Und: Es gibt, wie ich ja andeute, einen erheblichen Zusammenhang zwischen Herkunft und Status der Eltern und dem Abschneiden beim Test. Mischel berichtet in seinem Buch von verblüffenden Ergebnissen etwa beim Vergleich von Kindern asiatischer und schwarzafrikanischer Herkunft auf Trinidad. Kurz zusammengefasst lautet die Antwort: Es mag erbliche Prädispositionen für die Fähigkeit zur Selbstkontrolle geben; aber sie können nach der einen oder anderen Seite vom Einfluss der Umwelt, vor allem der Familie, kompensiert werden. Das heißt: Jedes Kind kann lernen, sein eigenes Verhalten zu steuern; von wenigen Menschen abgesehen ist niemand hilflos seinen Trieben ausgesetzt. Wo Es ist, kann Ich werden.

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    Der Test hat es ja schon ins Werbefernsehen geschafft, aktuell für Ü-Eier.

    Gibt es eigentlich jenseits der Werbeindustrie aktuelle Untersuchungen mit diesem Test ?
    Mich würde schon interessieren, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen Herkunft und Status der Eltern und dem Verhalten der Kinder beim Test.

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    Heute heißt das dann wohl Straßen aus Zucker: http://strassenauszucker.blogsport.de (aalles Antideutsche)
    Was ist wenn das Lernen eines Musikinstruments Bedürfnis ist? Die Selbstversagung dieses Bedürfnisses (Lernen) fiele dann wohl auch unter Barbarei. Oder ist es zivilisatorisch sich Musikstunden selbst zu vermiesen um Bedürfnissteuerung zu lernen?
    Kann eine funktionierende Bedürfnissteuerung (zukünftige Belohnung höher einschätzen als gegenwärtige Bedürfnisbefriedigung) verlernt oder verschult werden?
    Wozu mir Lehrer einfallen, die „das lernt ihr später“ auf wissbegierige Fragen antworten. Ich fand und finde das grausam und frustrierend. Oder fällt das auch unter Bedürfnissteuerung erlernen?

    „Es nützt freilich auch nichts, wenn Eltern ihren Kindern wortreich ihr „Nein!“ erklären.“
    Wenn die Erklärung gut ist und das Kind sie versteht, kann es sie übernehmen, und so dem Fernseher widerstehen. Blöd daran ist, dass das Kind vielleicht nicht lernt, sich selbst etwas zu erklären, es also die Erklärung nicht wirklich versteht, sondern nur übernimmt.

    Noch mal zu den Wissen versagenden Lehrern: Natürlich kann nicht alles sofort und irgendwie gelehrt werden, manchmal können Kinder in einem bestimmten Alter wirklich etwas noch nicht verstehen (ein Physiklehrer erzählte uns das anhand von Mathematik-Lehrplanänderungen in unteren Klassenstufen, die laut ihm, faktisch nicht zur Gehirnentwicklung passten). Nur kann man nicht versuchen das ein Kind selbst erfahren zu lassen, wenn es selbst mehr lernen will, oder es wortreicher zu erklären als mit „das lernt ihr später“ ‚abzublocken‘?

    „wer sich gar nicht in der Gewalt hat, ist geradezu prädestiniert, mit seinen Mitmenschen und dem Gesetz in Konflikt zu geraten.“
    Ist das nicht andersherum?: derjenige der sich in der Gewalt hat, ist geradezu prädestiniert, mit seinen Mitmenschen und dem Gesetz in Konflikt zu geraten.
    Die ISIS-Terroristen haben sich in der Gewalt dazu Menschen abzuschlachten und mit Eseln zu ficken: http://dontpaniconline.com/med.....2632dd.png
    Worauf ich hinaus will ist, dass sich in der Gewalt haben gerade keine funktionierende Selbstregulation ist oder zur Folge hat.

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      Lieber Lucas, ich schätze in der Regel Ihre Beiträge, aber hier weiß ich nicht, worauf Sie hinaus wollen. Vielleicht können Sie Ihre Einwände etwas deutlicher formulieren? Danke.

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    Die „Belohnungs-Logik“ ist unterkomplex ist. Die Versuchsanordnung bzw. die dahinter stehende Theorie unterschätzt Kinder. – Ich kann mich nicht erinnern, je irgendwie für eine Belohnung im Sinne des zweiten Marshmallows gelernt zu haben. (Und wenn um Verzicht ging, ging es immer nur um den Verzicht auf das erste Marschmellow.)

    Meiner Erfahrung nach müsste die Versuchsanordnung eine andere sein: Der Versuchsleiter verlässt mit einem „Du kannst!“ – in diesem Falle: verzichten – den Raum. Kommt nach einer Viertelstunde wieder und bestätigt dem Kind, dass es nun kann oder nicht kann – in diesem Falle: verzichten. Im geglückten Falle steckt der Versuchsleiter das Marschmellow ein und das Kind ist glücklich.

    Soll heißen: Das Kind kann und will können. Seine „Belohnung“ ist das Können.

    (Der „Marshmallow-Test“ untersucht und verabsolutiert den kapitalistischen Spezialfall und ignoriert und verkürzt/ amputiert damit unsere anthropologischen Voraussetzungen.)

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      Quatsch, EJ. Lesen Sie bitte meinen Text genauer. Niemand behauptet, dass Kinder für Lollis lernen. Der Test misst einzig und allein, ob ein Kind eine selbstgewählte Aufgabe – ich warte, damit ich eine doppelt so hohe Belohnung erhalte – erfüllen kann. Ob es also Techniken hat, die es ihm eine aufgeschobene Bedürfnisbefrieidung ermöglichen. Ihre Kritik – „Der „Marshmallow-Test“ untersucht und verabsolutiert den kapitalistischen Spezialfall“ – reproduziert haargenau die Kritik der „Antiautoritären“, die ich referiert habe. Jedoch hängt jede zivilisatorische Leistung, nicht nur unter kapitalistischen Bedingungen, von der Fähigkeit ab, auf die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung zu verzichten. Und nicht nur das. Menschen, die das „kalte“ System nicht aktivieren können, um mit Versuchungen, Enttäuschungen, Verletzungen usw. umzugehen, machen sich und andere unglücklich. Es hilft ihnen wenig, wenn man eine Gesellschaft postuliert, in der das nicht der Fall wäre.

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