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Schirrmacher und Sloterdijk

Die heftige Diskussion um meinen Nicht-Nachruf auf Frank Schirrmacher –

https://starke-meinungen.de/blog/2014/06/17/das-ende-von-etwas/

– zeigt mir, dass es falsch wäre, es bei diesem einen Text zu belassen.

Versuchen wir also, über die Charakterisierung von Schirrmacher als Exponent einer „spielerischen Rechten“ hinaus zu kommen. Lassen wir überhaupt die Frage der Einordnung auf einer ohnehin recht willkürlichen Rechts-Links-Skala beiseite. Zielen wir auf das, was den Publizisten in den letzten fünfzehn Jahren vor allem bewegt hat hat: die Frage des Verhältnisses von Mensch und Technik, von Dr. Frankenstein und seinem Monster.

Ich habe bewusst den zweihundert Jahre alten Roman von Mary Shelley zitiert, weil in ihm die Frage, was der Mensch mit der Wissenschaft tun dürfe und was er lassen müsse, bereits am Beginn des technischen Zeitalters formuliert wurde, nämlich 1816. Dass also diese Frage das Feuilleton beschäftigen müsse, wie es Frank Schirrmacher mit der Veröffentlichung von Bill Joys Manifest „Warum uns die Zukunft nicht braucht“ am 6. Juni 2000 in der FAZ forderte –

http://www.km21.org/23rd-century/billjoy_0600.htm

– war eher eine Selbstverständlichkeit denn die Revolution, als die sie damals verkündet wurde. Daher die Verstörung mancher Feuilletonisten.

Es war ja eben nicht so, dass sie diese Frage bislang ausgeblendet hätten. Bill Joy schreibt in diesem Manifest ja auch selbst, dass es ein fiktionales Werk gewesen sei, das ihn für die moralischen Dimensionen im Verhältnis zu Naturwissenschaft und Technik sensibilisiert habe, nämlich Gene Roddenberrys „Star Trek“-Serie.

Die Verstörung war aber auch deshalb stark, weil Schirrmacher sein revolutionäres „Wissenschaftsfeuilleton“ zu einem Zeitpunkt ausrief, das das deutsche Feuilleton soeben eine jener typisch deutschen Debatten hinter sich hatte, bei der erst die allgemeine Erschöpfung ein Ende der Schlammschlacht einleitet; dabei war es gerade um die Frage des Verhältnisses von Naturwissenschaft, Technik und Moral gegangen. Ich meine die so genannte „Menschenpark“- oder Sloterdijk-Debatte, die durch Peter Sloterdijks Elmauer Rede „Regeln für den Menschenpark“ am 17. Juli 1999 – also ein Jahr vor Bill Joys Manifest – und ihren Abdruck in der „Zeit“ ausgelöst wurde. Hier ist der Text, wie er dort erschien:

http://www.zeit.de/1999/38/199938.sloterdijk3_.xml

Liest man aus dem Abstand von 15 Jahren Sloterdijks Essay, so erscheint er relativ harmlos. Dass er, wie ihm unterstellt wurde, der Menschenzüchtung in einer post-humanistischen Gesellschaft das Wort geredet habe, bei der ein Platon’scher Philosophenkönig oder ein selbsternanntes Expertengremium die Regeln dafür aufstellen müssten, erscheint angesichts der absichtlichen Dunkelheit des Textes wie eine Überinterpretation. Sloterdijk raunt gern tiefgründig, oder gründelt gern raunend, und man tut ihm bestimmt nicht Unrecht, wenn man auf sein Werk den Begriff des Spielerischen, ja Verspielten anwendet.

Allenfalls könnte man Sloterdijk unterstellen, er habe allzu affirmativ die Position Martin Heideggers aus dem Jahre 1946 übernommen, der im Bolschewismus, Faschismus und Amerikanismus verschiedene Spielarten des Humanismus zu sehen glaubte, nämlich der Selbstermächtigung des Menschen und des Programms seiner Besserung durch Erziehung. Sloterdijk weist zu Recht auf den „kryptokatholischen“ Subtext dieser Einschätzung; Benedikt XVI hat ihn ausbuchstabiert. Aber ein weiterer Subtext ist der Wunsch Heideggers, den von ihm gepredigten Antihumanismus und sich persönlich von der Verantwortung  für das rein zu waschen, was in Deutschland kurz zuvor geschehen war.

Sloterdijk aber liegt daran, Heidegger für seine eigenen Zwecke in Bewegung zu setzen: „Entscheidend ist jetzt nur, dass durch Heideggers Humanismuskritik hindurch ein Haltungswandel sich propagiert, der den Menschen auf eine über alle humanistischen Erziehungsziele weit hinausweisende besinnliche Askese hinweist. Nur kraft dieser Askese würde eine Gesellschaft der Besinnlichen jenseits der humanistischen literarischen Sozietät sich formieren können; es wäre dies eine Gesellschaft aus Menschen, die den Menschen aus der Mitte rückten, weil sie begriffen hätten, dass sie nur als ‚Nachbarn des Seins’ existieren – und nicht als eigensinnige Hausbesitzer oder als möblierte Herren in unkündbarer Hauptmiete. Zu dieser Askese kann der Humanismus nichts beitragen, solange er am Leitbild des starken Menschen orientiert bleibt.“

Das ist, in Heiderggersche Begrifflichkeit gekleidet, das Programm der ursprünglichen Grünen, deren Ideen den jungen Sloterdijk nachhaltig geprägt haben. Nicht zufällig reklamiert der Philosoph den damals noch lebenden bedeutendsten konservativen Philosophen der Neuzeit als Ahnherrn dieser Ideen genau zu jenem Zeitpunkt, da sich die Grünen anschickten, in der Koalition mit der SPD, der politischen Verkörperung der humanistischen Idee, Regierungsverantwortung zu übernehmen, was mit jener „besinnliche Askese“ unvereinbar war, die Sloterdijk fordert. Die Menschen sollten sich  – und das ist die Lehre des Darwinismus und der Ökologie – nicht als „Hausbesitzer oder möblierte Herren in unkündbarer Miete“ verstehen, sondern als „Nachbarn des Seins“, man könnte sagen: Als Bewohner einer ökologischen Nische auf der Lichtung.

Die Grünen, so könnte man Sloterdijks Intervention lesen, müssten die Heideggerschen, die konservativen Wurzeln ihrer Bewegung begreifen, sonst verrieten sie sich selbst; die Konservativen müssten die Grünen nicht bekämpfen, sondern als Bundesgenossen im posthumanistischen Geist begrüßen.

Und dann ein Jahr später der Text von Bill Joy. Der ist gegenüber dem Raunen Sloterdijks bis zur Einfältigkeit deutlich, und allenfalls das Name-Dropping, bei dem nicht zufällig fast alle Kunden des Literaturagenten John Brockman genannt werden, wirkt prätentiös. Im Kern jedoch steht bei Joy die gleiche Botschaft wie bei Sloterdijk, in der FAZ also das Gleiche wie in der „Zeit“: Angesichts der Gefahren von Robotik, Gentechnik und Nanotechnologie ist es utopisch, auf ihre Einhegung zu setzen:  „Die einzig realistische Alternative, die ich sehe, lautet Verzicht: Wir müssen auf die Entwicklung allzu gefährlicher Technologien verzichten und unserer Suche nach bestimmten Formen des Wissens Grenzen setzen.“

Regeln für den Menschenpark.

Der Verzicht auf das humanistische Projekt, die Bestialisierung des Menschen zu zähmen. Stattdessen anerkennen, dass wir weder uns selbst noch die Monster, die wir produzieren, je ganz im Griff haben können; und – so verstehe ich Sloterdijks Anspielung auf Nietzsche – dass wir uns nicht ganz im Griff haben sollten; nicht haben wollen sollten.

Der grüne deutsche Philosoph; der amerikanische Softwareentwickler; der bürgerliche deutsche Publizist; aber auch der deutsche Papst: Hier fanden sie ein gemeinsames Terrain.

Es ist hier nicht der Platz, diese Position zu kritisieren. Wer mich kennt, weiß, dass ich Anhänger des von Sloterdijk für erledigt erklärten humanistischen Projekts bin. Wir haben den Buchdruck überlebt, wir werden Google überleben. Das ist der Hintergrund meiner Auseinandersetzung mit Frank Schirrmacher. Dazu aber mehr an anderer Stelle. Hier wollte ich lediglich aufzeigen, wo die Gedanken Schirrmachers zum Verhältnis von Wissenschaft, Technik und Moral ihren Ausgang nehmen.

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88 Gedanken zu “Schirrmacher und Sloterdijk;”

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    Nun habe ich Sloterdijks neues Buch „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“ gelesen und kommentiere folgendes dazu, das zT. auch auf andere „Philosophen“ gemünzt ist: Für meinen Geschmack wühlt der Autor wieder zu sehr in der Mottenkiste der Vergangenheiten. Wie so oft bei Sloterdijks dicken Bänden reicht es, die ersten und letzten ca. 50 Seiten zu lesen. Alles dazwischen ist ersonnenes Geplänkel. Nervig auch der vermehrte Rückgriff auf primitives, religiöses Brimborium. Inzwischen wirken Sloterdijks Intentionen wie Philosophie für Grossväter und -mütter, mit der zeitgenössische Individuen wohl wenig anfangen können. Ich finde es bedenklich, all die alten Mythen derart weitschweifig zu bemühen, die weder Computer und Internet, noch andere neue Medien je kannten und eher verkürzte Holzhammerphilosophie betrieben. Vielleicht ist nämlich alles viel komplexer, tiefer, breiter, als es einzelne Gehirne früher zurechtgebüschelt haben. In 5000 Jahren wissen wir evtl. mehr, falls wir dann noch existieren…Eher ein überflüssiges Buch zur heutigen Zeit.

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    @Parisien: vielleicht haben Sie recht, vielleicht braucht man tatsächlich eine optimistische Perspektive, um den Mut aufzubringen, eine riskante Geschichte anzugehen. Ich werde meiner Tochter versichern, dass es gut ausgeht. Ein bisschen helfen wird das sicherlich.

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    @ Roland Ziegler
    „Oder entspannt Sie dieses Wissen, wenn Sie einen spannenden Film gucken?“

    Ja. ich hätte z.B. „The Shining“ nicht angeschaut, wenn ich nicht vorher gewusst hätte, dass er gut ausgeht, und Jack Torrance’s fatale Attacke auf den Schwarzen hatte ich nicht erwartet, weil dieser im Buch überlebt.
    Ja. Ich gucke keine fatal ausgehenden Dinge an und lese in Buchhandlungen zuweilen vor dem Kauf das Ende. Ich würde Emmerich nicht geschaut haben, Spielberg nicht geschaut haben, Cameron nicht, wenn ich nicht wüsste, dass es akzeptable Fins dort gibt. Die Filmindustrie ist sich dessen bewusst, dass die Mehrheit nicht desolat das Kino verlassen möchte. Ich habe nachgesehen, ob Clarice Starling sowie das Opfer überleben, bevor ich „Das Schweigen der Lämmer“ angesehen habe, einen beängstigenden Film, der am Ende das Überleben der Protagonistinnen als Trost bereit hält.
    Ich habe „The Thing“ fast nicht ausgehalten und finde den desolat, aber gut gemacht. Und ich hatte eine Schallgrenze bei Hitchcock, „Die Vögel“. Stellen Sie sich vor, ich habe noch nie die Duschszene angeschaut. Ihre Tochter ist einen touch empfindlicher, gut so, besonders für ein Mädchen. Hoffentlich bleibt sie so. Es sind etliche Mechanismen vorhanden, die zu Gefühllosigkeit erziehen können, Sie dürften sich dessen bewusst sein.
    „Kill Bill“ erträgt man nur, wenn man mit Uma Thurman von Anfang an sympathisiert.
    Aber ich will Ihnen etwas Nützliches zu Blyton sagen, das ich in meiner Jugend und später, als die Kinder das lasen, empfand und dass Sie Ihrer Tochter weitergeben können, wenn Sie das wollen: Durch und durch gutartige Frau, die Freude an freiheitlich lebenden Kindern hatte, vom Krieg geprägt war, wo man in GB jede Menge Waisen mit versorgte, sehr naturverbunden (im Freien schmeckt’s am besten, selbst aus Dosen), tierlieb, typische Britin und absolut nicht in der Lage dazu, etwas schlecht ausgehen zu lassen, im Gegensatz zu Lewis, der der Versuchung nicht widerstehen konnte, in „The last Battle“ die Apokalypse einzuweben, was nun m.E. Kinderseelen vielleicht doch überfordert. Hochintelligent, Lewis, und daher gelegentlich in seiner eigenen Welt gefangen, kinderlos, lediglich Nichte, für die er Narnia schrieb.

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    lieber blonder hans, was soll ich Ihnen denn jetzt noch schreiben, wenn Sie jeden meiner Gedanken ignorieren und stattdessen einen Wissenschaftler ausgraben, der nicht gerade aus einem Fachgebiet stammt, das als Gral stringenter gedanklicher Verknüpfungen gelten kann, wenn dort offensichtlich gestandene Professoren z.B. nicht zwischen Experiment und Naturbeobachtung unterscheiden können (s. die Stelle mit: „Biologie ist eine empirische Wissenschaft“). Derartige Hütchenspielerei zwischen Theologie und Wissenschaft kann man den Scholastikern des Mittelalters nachsehen, weil sie es nicht besser wussten, vielleicht nicht besser wissen konnten, aber heutzutage darf so etwas getrost als Esoterik gelten. ‚Intelligent Design‘ ist Ideologie (was eben auch Benedikt XVI vorzuwerfen war), vielleicht in guter Absicht (Verteidigung der Würde des Menschen), aber das in Stellung bringen von Naturwissenschaft für oder gegen Religion halte ich für intellektuell unredlich. Glauben Sie von mir aus an ‚Intelligent Design‘, ich werde es nicht ändern können (will ich auch nicht) und es wird auch derzeit nicht viel Schaden anrichten. Ich wehre mich lediglich dagegen, daß Verschwörungstheorien gegen die Evolutionstheorie aufgefahren werden, die ich und wahrscheinlich viele andere deswegen favorisieren, weil sie u.a. eine Antwort auf das Problem mit der Entropie (den Mutationen, z.B. duch kosmische Strahlung, ich erläuterte es hier) gibt. Der Film fährt die die üblichen Einwände auf und liefert eine theologische Antwort. Soll ich jetzt in Ehrfurcht niederknien?

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    EJ: …dem bekennenden Nicht-Demokraten derblondehans

    … netter Versuch … ich habe geschrieben: Ich bin kein Demokrat, ich bin Katholik*) … und … dass das GG für mich gilt. Auch Artikel 20,4. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu dem nun von Ihnen unterstellten ‚Nicht-Demokraten.‘

    Die ‚BRD‘, und die angestrebte Zwangs-EU, sind Nicht-Demokratien. Sozialismus in Pervers. Daher!

    *) (Falls Sie es vergessen haben.)
    Was ist Kirche: Die Kirche ist die Gemeinschaft aller Menschen die getauft sind, an Jesus Christus glauben, Seine Lehre befolgen, Seine Sakramente empfangen und mit dem Heiligen Vater geeint sind.
    Die Kirche wurde von Jesus Christus gegründet, in dem Er Seine Gläubigen in eine Gemeinschaft vereinigte, sie den Aposteln mit den heil. Petrus als Haupt unterstellte und ihr das Opfer (hl. Meßopfer), die Sakramente und den Heiligen Geist gab, Der sie belebt und vor jedem Irrtum bewahrt. Die Römisch-Katholische Kirche ist die Kirche Jesu Christi, weil nur sie einig, heilig, katholisch und apostolisch ist, wie Er sie wollte.

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    @ Lyoner, zu Ihrer Litanei:

    Ohne Zweifel hat schon das erste Feuerchen, das unsere Vorfahren entfachten, ihre Handlungsmöglichkeiten in zuvor ungeahntem Ausmaß gesteigert und vervielfacht. Und ohne Zweifel hat schon das erste Feuerchen unserer Vorfahren auch den ersten und durchaus auch berechtigten Ruf unserer Vorfahren „Das ist des Teufels! Das ist die Hölle!“ provoziert. Das Feuer, an dem der Mensch sich wärmt, auf dem er sein Gemüse kocht und sein Fleisch brät, kann auch „die Hölle“ sein. Wer wollte das bezweifeln? Alles menschliche Handeln kann, und konnte schon immer, „die Hölle“ sein. Und? – Insofern, mit Verlaub, lieber Lyoner, sind Ihre Sloterdijk’schen Menetekel, so hoch elaboriert sie sind, auch trivial.

    Entscheidend ist: Wer, abgesehen von Sloterdijk, hat Ihnen Ihre schönen und so hoch elaborierten Worte in den Mund gelegt? Wer hat sie Sloterdijk in den Mund gelegt? Das hat nicht das Feuer, hat nicht die von Ihnen kritisierte Zivilisation getan? – Die Frage ist und bleibt, überlassen wir – rechts – die Handlungseinschränkungen und das Handeln vertrauensvoll den (anscheinend von irgendeiner Instanz außerhalb begnadeten) Klügeren – Ihnen und Sloterdijk und Mark Zuckerberg und dem bekennenden Nicht-Demokraten derblondehans – oder beraten und beschließen wir in all‘ unserer Unzulänglichkeit – links – alle ebenso über das Handeln wie über die nötigen Handlungsbeschränkungen. – Wie schon mit Bezug auf Schirrmacher gesagt, es ist und bleibt eine „Stilfrage“: Wie reden „Sie“ mit „mir“? Als Demokrat oder nicht?

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    @Parisien: Es handelt sich um „Die Insel der Abenteuer“. Ich habe meine Tochter soeben auf dem Schulweg nochmal gefragt: Sie befindet sich derzeit am (vor? im? hinter? keine Ahnung) 5. Kapitel und hatte Angst vor dem Turmzimmer, von dem aus man die Insel der Toten sehen kann und das umgekehrt v.a.D. von der Insel der Toten gesehen werden kann. Ich selber kenne das Buch nicht. Sie hat jetzt angeblich keine Angst mehr und will das Buch weiterlesen (heute beginnen hier die Ferien, dann gibt es gute Gelegenheiten). Was das Ganze mit Politik oder German Angst zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Ich hab das hier nur aufgrund Ihrer an mich addressierten Bemerkungen ausgeführt, nicht zu irgendwelchen politischen Zwecken. Sie ist 8 Jahre und ein sehr empfindsames Mädchen; das Buch ist für 10-Jährige. Da kann man schon mal Angst kriegen, falls man nicht schon abgestumpft ist. Dass Bücher am Ende gut ausgehen, spielt grundsätzlich keine Rolle. Oder entspannt Sie dieses Wissen, wenn Sie einen spannenden Film gucken? Mich nicht. Das Ganze hat mit Logik nichts zu tun, sondern eben mit Spannung (welche sich allerdings immer aus Logik ergibt, aber das ist eine andere Geschichte).

    @lucas: Bei den Symbolen bin ich anderer Meinung, denn deren Verwendung ist wesentlich weniger eine Frage der Sittlichkeit, des Umgangs miteinander und außerdem sehr vieldeutig. Während öffentliche Nacktheit/Burka doch ziemlich eindeutig sind.

    Wenn die Frau mangels Burka zuhause bleibt, muss wenigstens der Mann in den Supermarkt und die Tüten schleppen. Auch ein ganz schönes Ergebnis. (Aber nun lese ich mir mal den neuen Artikel von Herrn Posener durch und kommentiere dieses Thema ggf. dort weiter.)

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    Lieber Parisien, mein Freund Frank A. Meyer hat mir gleich seinen Artikel geschickt und mir gesagt, dass er beim Schreiben an mich gedacht hat. Ich habe ihm geschrieben, dass mir seine Haltung in seiner an Zwingli und Calvin erinnernden, also typisch Schweizerischen, Unbedingtheit zwar persönlich sympathisch ist, ich sie jedoch nicht teilen kann. Ich bin – nun kommt das „Compositum Mixtum“ zur Geltung, nicht wahr – doch zu sehr Anglikaner, also Produkt einer religiösen Erziehung, die lieber nicht zu genau hinsieht, Gott einen guten Mann und die Menschen Menschen sein lässt.
    Lieber Herr Kaufmann, auch wenn Sie es anders sehen: Sie sind kein Inquisitor, der Menschen zwingen kann, auf Fragenkataloge zu antworten, die Sie sich ausdenken; Fragenkataloge, die in Wirklichkeit Anklagen sind. Diese Unterhaltung hatte ich schon mit „68er“: Hier stehen meine Artikel zur Diskussion, nicht meine Gedanken vor Gericht.

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    @ Edmund Jestadt

    Es ist ja nicht relevant, ob ich an die Apokalypse, die Katastrophe glaube oder nicht. Relevant ist, dass entscheidende Figuren der Avantgarde an der Front, Kurzweil, Page, Zuckerberg u.a. an den absoluten Hiatus, nämlich die Singularität, glauben und davon überzeugt sind, dass sie unvermeidlich ist. Das ist ein Bruch, nur vergleichbar mit dem Moment, den Stanley Kubrick in 2001 – Odyssey im Weltraum, zum Bild gestaltet hat, als er den Affen mit einem Knochen auf andere schlagen lässt, der Affe den Knochen in den Himmel schleudert und – der genialste Schnitt der Filmgeschichte – wir ein Raumschiff gleiten sehen. Also sprach Zarathustra. An der schönen blauen Donau. (https://www.youtube.com/watch?v=ML1OZCHixR0)

    Nun, Isaac Asimov hat schon festgestellt, dass jede fortgeschrittene Technologie auf die „Rückständigen“ wie Magie wirkt. Hoffen wir, dass es uns nicht so ergeht, wie Henryk M. Broder, auch eine Leuchte der Moderne, unmoderne Zeitgenossen bestrafen wollte

    „Man müsste aber wenigstens eine Ahnung von Geschichte, Naturkunde und Dialektik [ sic!] haben, um ein Mobiltelefon benutzen zu dürfen. Im Ernst: benutzen zu dürfen, nicht zu können. … Ein Mobiltelefon ist mehr als die Summe seiner Einzelheiten. … in jedem Mobiltelefon steckt das gesammelte Wissen von Jahrhunderten, von Johannes Gutenberg bis Bill Gates, …., von Henry Thoreau bis Theodor Herzl. Es ist unmöglich, das Produkt eines langen historischen Prozesses zu benutzen, ohne sich dessen bewusst zu sein, wie das Produkt entstanden ist. Wer sich also für eine Karriere als Barbar entscheidet, sollte kein Mobilstelefon benutzen, keine E-mails verschicken und keine Atomanlagen bauen dürfen. Er soll seine Nachrichten mithilfe einer Buschtrommel verschicken, auf einem Esel zum Markt reiten und seine Hütte mit Dung heizen. Wer dagegen mobil telefonieren, mit einer Kreditkarte zahlen und in einem vollklimatisierten Schnellzug reisen möchte, der muss darauf verzichten, Leuten, die er nicht mag, die Kehle durchzuschneiden. Take it or leave it.“ (Kritik der reinen Toleranz, S. 197)

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    @ Parisien, 68er, Stevanovic

    nochmals zu Sibylle Berg. Sie gehört zu den signifikanten Gestalten der Moderne, die mit Leninscher Robustheit die „Reaktionäre“ als Ungeziefer charakterisiert. „Ständiges und Beständiges“, Normalität ist für sie pervers, jegliche Devianz ist gut. Die neue Internationale heißt „Wacht auf, Deviante dieser Erde.“

    Hier noch ein interessanter Text
    http://www.sezession.de/42605/.....incci.html

    @Stevanovic, haben Sie dort kommentiert?

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    @Parisien

    Stellen Sie sich mal vor, was das Prinzip „Sie hätten es verdient“ beim Sport bedeuten würde. Dann würden wir Bayern sagen, Schalke hätte es mal „verdient“, die Borussen auch und warum nicht auch die Hertha. Ich habe ja auch hier ein Finale Holland – Deutschland prophezeit. Natürlich bin ich voll und ganz dafür, dass „wir“ gewinnen; Müller müllert das erste Tor, Robben schießt das zweite, und das dritte Tor müllert Müller. Van Gaal wird das verschmerzen können, nachdem er postuliert hat „Müller spielt immer“. Falls doch die Holländer gewinnen, gönne ich es ihnen; dann haben wir auch einen „Weltmeister“ in unseren Reihen. Im übrigen gefällt mir die holländische Nationalhymne noch besser als die englische

    https://www.youtube.com/watch?list=RDKuv9q2i2fyc&v=Kuv9q2i2fyc

    „… bin ik, von Duitsen bloed ….“. Und das singen alle beherzt mit, ob sie nun aus Surinam oder den Gewürzinseln kommen (das gleiche gilt für die Brasilianer, Chilenen, Kolumbianer etc), während wir ein deutsches Problem haben, unser Deutsch-Türke nicht sein Maul aufbekommt. Körpersprache.

    Hinsichtlich der Mutterliebe bitte ich sie zu bedenken, dass wir beim Menschen von der Neotonie, der Frühgeburt sprechen, die mit dafür verantwortlich ist, dass wir in der „Welt“ leben, das Tier in der „Umwelt“. Da wird auch von menschlichen Müttern mehr verlangt.

    In „Karte und Gebiet“ beschreibt Houellebecq in einer köstlichen Episode – wie immer in einer Tonart, in der Güte und Komik sich verbinden – eine moderne Familie, den Kommissar, seine Frau und ein herzallerliebstes Hündchen. Vater-Mutter-Kind, Mann-Frau-Hund. Houellebecq verspottet das nicht, auch hier herrscht Liebe.

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    ich bitte die Diktatfehler zu entschuldigen; falls jemanden etwas unvertständlich sein sollte, würde ich das auf Nachfrage korrigieren.

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    Lieber Alan Posener, Sie schreiben „Wenn Sie sich ernsthaft mit meinen Positionen auseinandergesetzt hätten, dann würden Sie bessere Fragen stellen. Zum Beispiel: Wie kann man als Atheist behaupten, Humanist zu sein, obwohl man weder an die Götterwelt der Griechen noch an jene der Juden und Christen glaubt?“

    Nun, wenn Sie die besseren Fragen stellen können, können Sie sie sicherlich auch besser beantworten. M.E. ist weder die Vorstellungswelt der Juden noch Christen „humanistisch“, insofern dort nicht der Mensch oder die Menschheit im Mittelpunkt steht. Aber möglicherweise ist das Wortklauberei und die Stelle „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ ist humanistisch zu lesen. Deshalb will ich mich gerne mit schlechteren Fragen begnügen und meine, dass auch diese eine Antwort verdienen: Sind Sie mit mir einverstanden, wenn ich als wesentliche Frage die Machtfrage gestellt habe? Darf ich Ihnen unterstellen, dass der „Amerikanismus“ die wesentliche Säule Ihres Humanismus ist? Was sind für Sie Zeichen eines „blindwütigen Fortschritts“?

    Ich denke, dass uns die Ausformulierung des zivilisationsdynamischen Hauptsatzes und seine Erläuterung durch Untersätze durch Sloterdijk in „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“ konkretere und faßbarere Denkhorizonte eröffnet (mit Dragon Dictate aufgenommen):

    Der zivilisationsdynamische Hauptsatz lautet: im Weltprozess nach dem Hiatus werden ständig mehr Energien freigesetzt, als unter Formen überlieferungsfähiger Zivilisierung gebunden werden können. (Sloterdijk, Seite 85)

    Da aus dem zivilisationsdynamischen Hauptsatz, wonach die Summe der Freisetzungen von Energien im Zivilisationsprozess regelmäßig die Leistungsfähigkeit kultivieren der Bindekräfte übersteigt, lassen sich, je nach Grundstimmung oder Geschmack des Interpreten, etwas mehr als 20 tragische oder erheiternd der Folgegesetze ableiten.

    1. seit dem Hiatus werden viel mehr Optionen auf zukünftige Statusvorteile heraufbeschworen, als je durch legitime Herkunftstitel oder Leistungsnachweise besichert werden können.

    2. es werden nach dem Vorstoß in die Freiheit-und Unternehmensära viel mehr Ambitionen geweckt, als sie unter dem Obdach legitimer Ansprüche zu beherbergen sind.

    3. es werden in aller Welt viel mehr Wünsche nach Objekt des Konsums und des Genießens stimuliert, als durch real erarbeitete Güter bedient werden können.

    4. es werden auf breiter Front stets mehr Lizenzen zugestanden, dass durch regulierende Beschränkungen zu überwachen sind.

    5. es werden über all mehr Ausnahmen in Anspruch genommen, als durch Modernisierungen der Regel wieder einzufangen wären.

    6. es werden dem Gang der Liberalisierung mehr Hemmungen fallen gelassen, als durch Hinweise an frühere Zurückhaltungen und neuere Fairness-Regeln redomestiziert werden können.

    7. es werden im Kulturbetrieb der neuen „Gesellschaft“ sehr viel mehr Traum-und Begehrenskräfte freigesetzt, als je durch Umverteilung von Gütern und Vitalchancen in beherrschbare Ausdruckswelten integriert werden können.

    8. es werden in den Subjekten mehr defensive und offensive Unzufriedenheiten gestaut und bis zur Schwelle von Ausdruckshandlungen verstärkt, als je durch massenkulturelle Abreaktionen erledigt oder durch Individualtherapien versöhnt werden können.

    9. es werden mehr Fahrten angetreten, mehr Reisevorhaben auf den Weg gebracht, mir Starts, Landungen und Transfers durchgeführt, als durch Vorkehrungen zur Kollisionsvermeidung schadlos abzuwickeln sind.

    10. es werden im geld-und zinsbewegten Wirtschaftsgeschehen von Gläubigern stets mehr Kredite an Schuldner heraus gereicht, als sich durch angemessene Rückversicherung in Pfändern und realistischen Leistungserwartungen besichern lassen.

    11. da ist sie werden von Schuldnern in modernen Tauschgesellschaften, namentlich von Regierungen so genannter souveräner Staaten, stets sehr viel mehr Kredite aufgenommen, als sich jemals mit bona-fide-Rückzahlungsabsichten rechtfertigen ließen.

    12. es werden auf den Feldern moderner Politik und Kultur stets mehr Täuschungen, Wahnkonzepte und Angebote an die Deliriumsbereitschaft des Publikums in die Welt entlassen, als je in realistische Vorhaben re-integriert werden können.

    13. es werden ständig mehr einklagbare Rechte von möglichen Inhabern formal gültiger Ansprüche geltend gemacht, als sich durch Prozesse vor bestehenden Gerichten bestätigen lassen.

    14. es wird ständig mehr empörungsbereite moralische Sensibilität herangezogen, als sich durch den Hinweis auf ständigen Strukturwandel der Missstände beruhigen lässt.

    15. es wird im Lauf der modernen Lockerung der Sitten und ihre Bilderwelten stets mehr erotisches Begehren aufgereizt, als durch lizenzierte Sexualität zu absorbieren wäre.

    16. es werden durch die Ausstrahlung der Bilder reichen Lebens weltweit fortwährend mehr Forderungen nach Teilhabe an Gütern und Statussymbol hervorgerufen, Als jemals durch nicht-kriminelle Formen der Umverteilung von Wohlstand befriedigt werden können.

    17. es werden ständig mehr Krankheiten entdeckt, neu beschrieben und diagnostiziert, als sie je durch die bestehenden und künftigen Therapieeinrichtungen auf der Höhe der Kunst behandelt werden können.

    18. es verlegen weltweit immer sehr viel mehr Menschen ihren Lebensschwerpunkt in großstadtartige Ballungsgebiete, als jemals zu Lebzeiten an den Vorzügen zivilisierter Urbanität werden teilhaben können.

    19. es werden ständig mehr soziale, technische und psychologische Probleme entdeckt und erfunden, als sich durch die Problemlösungsfähigkeit der lebenden Generationen bewältigen lassen.

    20. es werden der Problemlösungsfähigkeit künftiger Generationen zunehmend mehr Aufgaben aufgebürdet, als diese durch die Übernahme des Kompetenz-Erbes vorangehender Generationen und dessen Ergänzungen durch eigene Auffindungskräfte meistern könnten.

    21. es werden dem Gang der Modernisierung fortwährend mehr existenzielle Optionen erschlossen, als sich je in Konstrukte persönlicher und kollektiver Identität integrieren lassen.

    22. es werden in den Netzwerken der Global Art ständig mehr Kunstwerke auf den Markt gebracht, als sie jemals durch Kennerschaft, Sammlungen und kunstwissenschaftliche Resümees gewürdigt werden können.

    23. es werden im aktuellen Kulturbetrieb ständig sehr viel mehr Kandidaturen auf Prominenz, d.h. auf mit Wahrnehmungsprivilegien ausgestattete soziale Positionen deponiert, als durch die vorhandenen Aufmerksamkeitskapitale honoriert werden können.

    24. es werden weltweit mehr Abfälle aus konsum-und industriegesellschaftlichen Lebensformen generiert, als sich auf absehbare Zeit in Recycling-Prozessen resorbieren lassen.

    25. es werden in Menschenkörpern der wohlhabenden Hemisphären ständig mehr Fettreserven aufgebaut, das durch Bewegungsprogramme und Diäten abzubauen sind.
    (Sloterdijk, Seite 87-90)

    Angesichts der Unmöglichkeit, moderne Welt- und Lebensprozesse mit Hilfe von Symmetrieforderungen und Gleichgewichtsmodellen zu begreifen (@Edmund Jestadt, glauben Sie, dass Ihre institutionellen Plattformen hier noch greifen können?) erscheint es mir plausibel, dass die „Avantgarden“ immer und immer wieder diesen gordischen Knoten durchschlagen wollen (permanente Revolution) und zu einem ewigen Frieden kommen wollen. Mit seiner dichterischen Vision eines transhumanen Arkadiens ist Michel Houellebecq der Seismograph unserer Epoche.

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    @ Roland Ziegler
    Was ich auch nicht nachvollziehen kann, ist, dass ein Kind sich nicht ausrechnet, dass die Sache gut ausgeht, weil noch unzählige Bände danach kommen. Aber dass German Angst mit einem Mangel an Logik zu tun hat, ist klar. Mir war nur nicht bewusst, dass sie früh anfangen kann, daher weigere ich mich bis auf weiteres, das zu glauben.

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    @ Roland Ziegler
    „Sie hat sich dann ein Buch von Enid Blyton ausgesucht, aber die geheimen Gänge unter der Insel haben sie derart gegruselt, dass sie sich nach den ersten Seiten nun nicht mehr traut, das Buch weiterzulesen.“

    Das erscheint mir ein wenig unglaubwürdig. Sowohl in „Fünf Freunde auf der Felseninsel“ als auch in „Die Insel der Abenteuer“ tauchen die Gänge der Inseln erst nach der Mitte des Buches auf. Am Anfang geht es, wie üblich, um Schulunterricht. Wenn man bis zur Mitte gelesen hat, liest man meistens zu Ende, vor allem will man unbedingt wissen, ob der Papagei wieder auftaucht.
    Die Verfilmungen sind ein anderes Kapitel.

    Bei so einer Einlassung frage ich mich dann, ob die Angst aus politischen Gründen erfunden wurde, sorry. Ich habe extra nachgeschaut, was etwas umständlich war. Aber etwas Mühe zur Bewahrung dessen, was im 20. Jh gut war, muss sein. Ich habe den Verdacht, dass Sie da einen Scheinriesen aufstellen.

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    @derblondehans
    Stimmt, der Papst, einer der letzten absoluten christlich-sozialistischen Monarchen Europas. 😉

    @Roland Ziegler
    Glauben sie mit Burkaverbot gibt’s weniger Zwang? Dann darf die Frau nichtmal mehr das Haus verlassen.

    Trotzdem bin ich für ein Burkaverbot, endlich eine konsequente Verbannung aller religiösen Symbole aus der Öffentlichkeit: keine Werbung mit Religionssymbolen (auch keine Symbole säkularer Religionen wie Hakenkreuz, ☭, ☮, Ⓐ, bunte ★, Atlas; Wie regeln wir das mit den Symbolen der Staatsanbetung? hmmm…), in Polizeistationen keine Kruzifixe, keine Nonnenkopftücher und keine Eintreibung von Religionssteuern mehr. Durchgesetzt von der شرطة مكافحة الدين.

    @KJN
    so ein Staatsapparat mit seinem Gewaltmonopol führt halt in Versuchung *sabber*

  17. avatar

    Zusatz:
    1. Übersteigerte Bedeutung der Wissenschaft mit blindem Glauben an Fortschritt als Gott = Multiplikation des Michel.
    2. Zunahme von einerseits Kokain oder CM-Missbrauch, andererseits Terrorismus = Multiplikation des Bruno.

  18. avatar

    Lieber Alan Posener,
    da R-R nun nicht mehr lebt, muss ich Ihnen statt dessen empfehlen, „Elementarteilchen“ noch einmal zu lesen. Ich hab’s auch nicht gleich gelesen, denn ich war mehr oder weniger R-R -hörig, nachdem ich mir zweimal ein jeweils nervtötendes Buch (davon eins von M.Walser) gekauft hatte, mich bei „Ein weites Feld“ die meiste Zeit gelangweilt und beschlossen hatte, dass ich nur noch kaufe, was R-R empfahl, was sich meistens bewährte. Nun wurde soviel über „Elementarteilchen“ geschrieben und diskutiert, dass ich es doch erwarb und im Gegensatz zu Ihnen sehr prägnant fand. Heute, ca. 12 Jahre später, lässt es sich auf nach wie vor bestehende Aktualität prüfen. Für mich gehört es, genau wie „Die Möglichkeit einer Insel“ in den Schulkatalog in Französisch, Deutsch oder Philisophie, weil beide großen Diskussionsspielraum eröffnen, den man angesichts solcher Persönlichkeiten wie z.B. Kurzweil oder Venter braucht. Es sollte auch gar keine Rolle spielen, ob Sie es langweilig oder larmoyant finden. Was eine Rolle spielen sollte, ist die Brisanz der Auflösungstendenzen eines muttergeschädigten Bruno und die möglicherweise darauf aufbauende kalte Wissenschaftlichkeit (man muss sie ja als eine Person betrachten) eines Michel, dem Emotionen entgehen.
    Die Vision von Gefühllosigkeit, resultierend aus der Auflösung der Familie/Kirche als sicherem Hafen, was Genetik und Robotik überhaupt erst ermöglicht, weil das Fehlen von Bindung ein freies Feld schafft. Houellebecq beschreibt hier in beiden Varianten der Mutterlosigkeit bzw. Vernachlässigung die Folgen der Bindungslosigkeit und der daraus resultierenden Leere.
    Falls Houellebecq eines Tages den Literaturnobelpreis bekommen sollte (was ich für ausgeschlossen halte, da er nicht links ist), müssen Sie es spätestens dann noch einmal lesen. An sich sollte es alle zehn Jahre gelesen werden. Sie wissen ja, dass Stanley Kubrick einen Film über AI machen wollte, der für die Protagonisten gewiss auch nicht angenehm geworden wäre. Und Stanley Kubrick war einer der genialsten Regisseure, sehr intelligent.

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    @ Lyoner
    Ich will Ihnen mal – das OT möge man mir gnädigst verzeihen – erklären, warum ich seit 1996 dafür bin, dass HoLLand endlich eine EM oder WM gewinnt.
    Der erste Grund ist offensichtlich: Es ist erfrischend, wenn von den vielen guten Teams auch mal ein neues gewinnt. So betrachtet, hat mir auch der WM-Sieg der Spanier 2010 gefallen, zumal sich die Holländer bei mir und vielen anderen Sympathien verspielten durch ein Übermaß an Fouls.
    Der zweite Grund ist, dass sie mir schon 1990 als Team sympathisch waren. Van Basten und Gullit waren ein herrliches Couple, das die Nation Holland gut repräsentierte, sympathisch, offen und multiethnisch. Wenn ein Marrokaner einen „Dorftrottel“ wie Theo van Gogh tötet und eine Ayaan Hirsi Ali sich aus diesem Land zurückziehen muss, spricht das eine deutliche Sprache gegen die erpresserische Macht des Islam, denn in keinem europäischen Land ist es so angenehm für Auswanderer und Touristen wie in den Niederlanden. Einzige Voraussetzung für Kontakte in dem Land: Aufgeschlossenheit und Fröhlichkeit. Und ihre Nationalmannschaft hat das damals schon repräsentiert.
    So passt drittens zu diesem Land, dass sie immer wieder Ausnahmetalente hervorbringen wie Gullit, van Basten, Cruyff Vater und Sohn, (mit dem Namen bin ich immer legasthenisch, der kann falsch geschrieben sein), van der Saar, van Nistelroy, Robben, van Persie etc.
    Viertens sind sie mir längst zu oft unglücklich gescheitert, 1972 an einer glücklicheren und brillanten deutschen Mannschaft, 1990 eher an Unterzahl und Erschöpfung, 1996, wenn ich mich recht erinnere, an den Nerven von Patrick Kluivert und 2000 bei der EM im eigenen Land an dem Nervenbündel Clarence Seedorf.
    So würde ich es ihnen mehr als gönnen, ja ich würde mich mit der fröhlichen Nation, die ich bewundere, auch für ihren Deichbau nach Katastrophen, freuen. Und wieder bringen sie ein Genie, van Gaal, einen Taktikfuchs, der einem Spaß macht und dem selbst die Costaricaner zugestanden haben, dass er genial und noch im Erlaubten war, doch die Fifa, der teilkorrupte Bürokratieüberbau des Fußballs, hat damit ein Problem. Wer hat das wohl angeschoben? Die politisch korrekte, langweiligere und säuerlichere Nachbarnation mit dem Doppelbanner am Passat? Costa Rica wohl eher nicht.
    Holland ist alles zu gönnen. Maximaler Einsatz über Dekaden verdient auch mal den Titel.
    Und wissen Sie, nur die Besten (Max Liebermann z.B.) lieben Holland, das Land des Spinoza und des Erasmus. Außerdem kamen Ludwig van Beethovens Vorfahren von dort. Wer singt wie 2002 „ohne Holland fahr’n wir zur WM“, auf den kann man eigentlich verzichten.

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    @hans, parisien
    Darvin hat einiges von dem was er formulierte, immer wieder widerrufen, was zeigt, daß er nicht aufhörte zu denken (und was ihn mir sehr sympathisch macht). Nichts ist so missverstanden worden, wie ‚Survival of the fittest‘, wobei niemand der Ideologen (absichtlich?) die Frage stellt(e) wer wann wo ‚the fittest‘ ist. Evolution ist eben nicht immer Fortschritt, sondern will vor allem die Art erhalten, weswegen z.B. die Nachkommen von Hungernden über Generationen im Schnitt kleiner sind (sein können), als ihre Eltern (geringerer Nahrungsbedarf). Die Gene reagieren auf die Umwelt. Um so wichtiger ist das Nachdenken über unsere Lebensbedingungen, denn sie bestimmen den Gang unserer Evolution. Es ist keineswegs ausgemachte Sache, daß uns z.B. der sichere Umgang mit Informationstechnologie überlebensfähiger macht, wenn z.B. Sonnenstürme die Infrastruktur lahmlegen oder sie uns körperlich immobil macht. Es gibt wahrscheinlich mehr ausgestorbene Arten, als existierende und wir könnten uns durch Manipulation unserer eigenen Spezies (‚anything goes‘) recht schnell ins evolutionäre Abseits befördern. Daher brauchen wir mindestens einen Humanismus (s. letztes posting Posener), der uns ein Menschenbild lehrt, daß – sagen wir es vorsichtig – eine gewisse Distanz zum Zeitgeist hat. (Daher meine Verteidigung der Religion, als Agnostiker.)
    Wenn sich die Poltik ständig in Dinge einmischt („Familienministerium“), die sie schlichtweg nichts angeht, dann stört mich das vor allem, weil sie diesbezüglich so extrem dumm ist (..jetzt haben ‚wir‘ zuviele Studenten..); man kann fast die Regel ableiten, das Gegenteil von dem zu tun, was die Politik empfiehlt. Nun wünsche ich mir auch keine ‚Politiker als Philosophen‘. Auf die Gefahr hin, daß ich mich wiederhole: Keine ‚gestaltende‘ Politik, keine mit ‚Visionen‘, keine, die irgendwen irgendwo ‚abholt‘, sondern eine, die einen stabilen rechtlichen Rahmen bietet, in der Wirtschaft und Leben und Glück (letzteres Zweck der Wirtschaft) sich entwickeln kann. Ich weiß nicht, was daran so schwer ist.

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    @ Lyoner, zur Verdeutlichung:

    Sie kennen die formalen “Plattformen” …

    =>

    Sie kennen die institutionalisierten Plattformen …

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    @ Lyoner

    Sie kennen die formalen „Plattformen“ so gut wie ich. Vor allem sind die „Plattformen“ aber ein Diskussionsstil. Und das ist kein so harmloses Dingen, wie wir unter liberalen Voraussetzungen zu meinen geneigt sind. Insbesondere dann nicht, wenn eben diese Voraussetzungen durch die (angeblich eintretende) Katastrophe suspendiert werden. Dann ist Essig mit Diskussion. Dann gibt’s (wenn überhaupt noch etwas) nur noch die Entscheidung, die die Katastrophe vermeidet.

    Wer die Katastrophe predigt, stellt nichts mehr zur Diskussion. Im besten Falle fordert er, bei Androhung des Untergangs, die Durchsetzung der von ihm für richtig erkannten ultimativen Entscheidung.

    (Sehr schön zu beobachten auf gewissen Blogs, die sich mit Händen und Füßen etwa gegen die Prophezeiung der Umweltkatastrophe wehren, um wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit zu wahren. Ihrerseits aber beispielsweise die muslimische Katastrophe ausrufen, um diesbezüglich alle Entscheidungsfreiheit auf die nur eine mögliche Entscheidung einzuengen. (Welche eigentlich?))

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    Warum darf man nicht im Minirock, tut doch keinem weh? Warum nicht in der Burka? In der Burka tut es schon weh, einigen zumindest, die gezwungen werden. Hier könnte man natürlich sagen: Pech gehabt, was wehrst du dich nicht. Das wäre allerdings nicht sehr „humanistisch“.

    Manchmal sieht die Sittlichkeit etwas beliebig aus. Mal ist es der Minirock, mal eben die Burka, sagt Herr Posener. Das ist aber ein falscher Anschein. Denn die Sittlichkeit, mit der das Burkaverbot durchgesetzt wurde, ist ja nicht beliebig, sondern gründet auf dem offenen, vertrauensvollen Umgang unter Menschen. Das Minirockverbot gründet dagegen auf einem Vorbehalt gegen den sexuellen Reiz.

  24. avatar

    …ach nee, das mit der Sittlichkeit steht doch ansatzweise drin (bin etwas müde und habs überlesen): „mit der Begründung könnten auch die Mullahs sagen: Seht ihr? Euch stört unsere Burka, uns stört euer Minirock“, meint Herr Posener zur vermeintlich skandalösen Begründung des Urteils.

    Dazu würde ich sagen, dass es irrelevant sein sollte, was die Mullahs sagen. Aber wenn sich die Leute dort an einem Minirock stören, dann sollte man den im entsprechenden Land eben vermeiden. Andere Länder andere Sitten.

  25. avatar

    Zur Burka: In Frankreich darf man weder nackt noch in Burka auf die Straße gehen. Der vielbeklagte Verfall der Sitten ist ja nicht so weit fortgeschritten, dass es keine Sitten mehr geben würde. Im Gegenteil eigentlich: Man bewertet einander gern und heftig. Man soll im Normalfall das Gesicht des Gegenübers als minimales zivilisatorisches Zugeständnis erkennen können. So sind zmuindest in Frankreich die Sitten – in Deutshc land ist es anders – , an die man sich dort eben zu halten hat. Seltsam, dass dieser Punkt im Streitgespräch zwischen Herrn Posener und Herrn Broder gar nicht vorkommt.

    @Parisien: Neulich wurde meine ältere Tochter (8) von Abenteuerleselust befallen und wollte etwas Gruseliges lesen. Sie hat sich dann ein Buch von Enid Blyton ausgesucht, aber die geheimen Gänge unter der Insel haben sie derart gegruselt, dass sie sich nach den ersten Seiten nun nicht mehr traut, das Buch weiterzulesen. (Das wird in den Ferien bestimmt anders. Ich bin sicher, die Pferdebücher isnd nur eine Etappe. Ansonsten wird gegeigt, was das Zeug hält.)

  26. avatar

    Lyoner ./. EJ: … Wo sind die Plattformen hic et nunc, wo dies, nämlich die Entwicklungen demokratisch zu korrigieren, möglich ist und gemacht wird? …

    … darauf wird er nicht antworten. Schlimmer.

    Demokratie beschreibt die ‚Herrschaft des Volkes‘.

    EJ bestreitet, wider besseren Wissens, ein ‚Volk‘ in Deutschland. Gegebenenfalls will er das ‚Volk‘, d.h. die, in Resten vorhandene, Demokratie, auflösen in ein Europa ohne ‚Volk‘, also in eine sozialistische Diktatur. Diktaturen sind alle sozialistisch. Daher!

  27. avatar

    Lieber Lyoner, ob es wirklich einen Unterscheid zwischen „Post-Humanismus“ und „Anti-Humanismus“ gibt, also ob wir hier wirklich über Sachverhalte reden und nicht Wortklauberei betreiben, das bezweifle ich. Aber eben darum werde ich nicht auf meiner Vokabel bestehen, sondern mich der Formulierung bedienen, die Sie und Sloterdijk vorschlagen.
    Die Frage, die Sloterdijk stellt, ist: „Wer erzieht die Erzieher?“ Oder: Woraus leitet sich ihre Autorität ab? Zu Erasmus‘ Zeiten war die Antwort klar: Die Bibel und die Philosophie der Antike: Jerusalem und Athen. Schon Luther hat das Band zwischen Bibel und Antike zerrissen: „Sola scriptura“ war die Losung dieses Wüterichs, der nun wirklich im Wortsinn ein Anti-Humanist war, ein Gegner der Humanisten. Das 18. Jahrhundert wiederum wollte ohne die Bibel auskommen; die Philosophie allein sollte das Geschäft der Menschenerziehung leisten. Dagegen wiederum Schillers Schrift über die „ästhetische Erziehung“ als Erziehung zur wahren Freiheit, die schon Themen der Romantik vorwegnimmt. Man sollte nicht so überheblich sein zu meinen, erst unser Zeitalter habe das Thema auf die Tagesordnung gesetzt.
    Wenn Sie sich ernsthaft mit meinen Positionen auseinandergesetzt hätten, dann würden Sie bessere Fragen stellen. Zum Beispiel: Wie kann man als Atheist behaupten, Humanist zu sein, obwohl man weder an die Götterwelt der Griechen noch an jene der Juden und Christen glaubt?
    Houellebeq habe ich gelesen, und mit Ausnahme einiger Passagen, in denen der Schmerz eines vernachlässigten Kindes sehr deutlich und eindringlich geschildert wird, fand ich das Buch langweilig und auf Dauer auch larmoyant.

  28. avatar

    @ Alan Posener,
    irgendwie sind Sie seltsam. Sie wollen die Burka, aber im Internet möchten Sie, dass man seinen Namen entkleidet. Ich glaube, da ist mir Broder lieber. Er will am liebsten Nackte (Frauen natürlich), aber das mit dem Namen ist ihm egal, weil er’s gar nicht liest bis auf die Verbalattacken auf Israel.

    @ Lyoner
    Lland!!!!!!
    http://www.welt.de/sport/fussb.....oeter.html

  29. avatar

    Lieber Alan Posener,
    wenn England das Burkaverbot einführte, könnte Asma nicht mehr verkleidet und anonym bei Harrods shoppen, siehe wiki en harrods. Würde Sie das nicht reizen, Ihre Meinung zu ändern? Sie könnten dann toleranter mit uns sein, die wir den Leuten gern ins Gesicht schauen und zuweilen auch auf die Beine. Wir würden auch wieder lieber im Klinikviertel und im Arabellapark im Sommer einkaufen, wo es neben den Verkleidetinnen noch ein weiteres Problem gibt: Bärtige Aufpasser. Lass sie online einkaufen!

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    @ Edmund Jestedt

    Sie schreiben „Heißt: Verhältnisse und Entwicklungen (demokratisch) zu kritisieren und (demokratisch) korrigieren zu wollen, ist etwas ganz anderes als (immer wieder) Katastrophen zu prophezeien und zur alternativlosen – und ganz gewiss nicht demokratisch so oder so möglichen – Entscheidung aufzurufen. Letzteres war Schirrmachers Spezialität.“

    Wo sind die Plattformen hic et nunc, wo dies, nämlich die Entwicklungen demokratisch zu korrigieren, möglich ist und gemacht wird?

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    @ Stevanovic

    Ich finde es natürlich erfreulich, dass Sie im ersten Teil bestätigend sind.
    Den zweiten Teil eben muss man diskutieren. Für mich besteht hier ein Unterschied zwischen natürlich ablaufender Evolution und menschengemachter Evolution. Letztere dürfte bedeutend gefährlicher sein, und das ist ja schon lange klar (Shelley).
    Ich muss von derblondehans die Behauptung, Evolution wäre kein Fortschritt, aufgreifen. Diese finde ich zwar verkehrt, aber nicht in Gänze. Es gibt zum Beispiel Bereiche, in denen der Mensch dem Tier unterlegen, also rückschrittlich ist (Instinkte).
    Daher stelle ich zur Diskussion, ob es ein wirklicher Fortschritt sein kann, wenn der Frau der Mutterinstinkt aberzogen wird, einer der stärksten Restinstinkte überhaupt und der wichtigste (Beschützerinstinkt), zu dem man ja bei passender Gelegenheit den Vergleich mit Löwinnen bereithält.
    Übrigens haben die meisten Väter diesen bei Bedarf auch.
    Außerdem kann es keinesfalls ein eindeutiger evolutionärer Fortschritt sein, wenn man Organe verpflanzen kann, da dieser zu einem riesigen kriminellen Markt geführt hat mit Entführung von Kindern aus Kriegsgebieten und Angriffen auf Flüchtlinge. Jetzt würde ich nicht so verwegen sein, zu wünschen, dass es gar keine Transplantationen mehr geben sollte, doch eine Altersgrenze (vielleicht 60-65 Jahre) wäre vielleicht ganz nützlich. Man kann auch darüber hinausgehen und behaupten, dass Transplantationen etwa das Gegenteil von Evolution bewirken, da zu Evolution nach Darwin „natural selection“ gehört.
    Fast jede Erfindung der letzten ca. 70 Jahre kann so diskutiert werden.
    Außerdem meint man zu beobachten, dass der Mensch sich oft genug Versuchen, ihn selbst zu verbessern, widersetzt oder zurückfällt in archaische Muster, man denke an Enthauptungen, mit denen wir seit ca. zehn Jahren wieder vermehrt konfrontiert werden. Verschiedene Denksysteme versuchen, den Menschen zu kultivieren, und das funktioniert scheinbar, bis eine Maschine in den verschneiten Anden abstürzt und lange genug nicht gefunden wird, so dass die Stärkeren und Roheren zu Kannibalismus greifen (Regression). Das wirkliche Problem von Tier und Mensch scheint zu sein, dass sich in Notsituationen die Roheren fortsetzen und somit Brechts Vision aus der Legende (in etwa: wie das weiche Wasser den harten Stein besiegt, siehst du, das Harte unterliegt) in Notsituationen und auch in shitideologien (American: you know what I mean) versagt. Ich denke, bei diesen Insuffizienzen setzen Leute an, die den Menschen verbessern wollen. Ich finde aber, sie sollen in den richtigen Gegenden damit anfangen und nicht bei uns, die wir das dann als unerträgliche Bevormundung und Bedrohung empfinden, auch kulturelle Bedrohung, da man durchaus konstatieren kann, dass nach 1500 in Europa und später in den USA eine kulturelle Blütezeit einsetzte, die 1914 abrupt unterbrochen und danach nie mehr ernsthaft revitalisiert wurde, von der aber Reste vorhanden sind.

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    @ Lyoner
    Ich habe mir Bilder von Sibylle Berg angeschaut. Keine Anorexie. Einfach nur superschmal, sehr gute Figur.

    Das hier klingt wie Houellebecq auf feminin mit einem anderen Schuldigen:
    „Ihre Figuren werden beschrieben als „prall gefüllt mit unerfüllbaren Sehnsüchten, in gruseligen Beziehungen lebend und mit unzulänglichen Körpern ausgestattet“, die sie „durch das Fitnessstudio des real existierenden Neoliberalismus jagte und erbarmungslos scheitern ließ“. Wikipedia

    Bezüglich der Quote, die vermutlich zu schleichender Firmenverdummung führen wird mangels freier Auswahl, falls die Firmen sie nicht unterlaufen, stimme ich nicht mit Berg überein, und Ihre Passage oben ist natürlich etwas dümmlich, zumal sie Bürgerin eines extrem bürgerlichen Landes geworden ist. Nobody’s perfect.
    Sie ist aber nicht unbedingt die dümmste Deutsche, und ein zu harscher Umgang mit ihr erscheint mir verfehlt.

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    @ Lyoner
    Wenn R-R noch unter uns wäre, würde ich in Versuchung kommen, ihm einen Brief zu schreiben, worin geschrieben stünde: ‚Das (s.u.) ist die Fortsetzung von „Elementarteilchen“. Lesen Sie’s nochmal.‘

    Kinder und Jugendliche werden kontinuierlich mit Inhalten konfrontiert, die selbst Erwachsene nicht verarbeiten oder einordnen können. Daraus resultiert eine gesellschaftskulturelle Verwahrlosung und emotionale Verrohung, die sich in einer Reihe von pervertierten Verhaltensformen und Praktiken äussert, welche sich jeglicher Nachvollziehbarkeit entziehen und an denen Erklärungsversuche weitgehend scheitern.

    Eines jedoch haben die Holocaust-Selfies wie auch die «Quenelle» gemeinsam. In ihrer Entmenschlichung und Desensibilisierung werfen sie ein düsteres Licht auf die Zukunft unserer Gesellschaft.
    http://www.achgut.com/dadgdx/i.....buchenwald

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    @ KJN
    Trotz schlechter Ergebnisse immer weiter druff! Zweifellos sind die schlechten Ergebnisse teilweise mit Vernachlässigung, nachmittäglichem Fernseh- und Konsolenabusus und einem eklatanten Mangel an Elternliebe erklärbar, aber nicht doch, die DDR-förmige Meinungseinfalt hält dagegen, was nicht sein darf, kann auch nicht sein, also einfach weiter in die Einbahnstraße. Euphemisierungen über Selbstverwirklichung ziehen immer noch, und Prof. Christian Pfeiffer (glaube mit 3F, einem vor dem Ei und zwei dahinter wie in der „Feuerzangenbowle“, wo einer seine Jugend nachholt), kann nicht recht haben, da er konservativ ist. Immer für die Ideologie vorbei an der Realität, hierbei die Rentner als Wähler schmieren auf Kosten der Jungen. Hat eigentlich niemand Angst, dass ein plötzliches kollektives Versagen eintreten kann, also die Alten sich nicht mehr auf die Straße trauen? Ach so, bis dahin sind ja andere Politiker dran, nach diesen die Sintflut.

    @ Lyoner
    Visionär, oder, „Elementarteilchen“. Von R-R damals im Quartett übersehen. Er wollte das nicht sehen. Zerbrochene Lieben und Beziehungen überall, seine Eltern und Geschwister u.a. Er brauchte Hoffnung. Die fand er in der Literatur und dem Wort Liebe, das er besonders bei Goethe fand. So bemängelte er, dass in „Elementarteilchen“ das Wort Liebe praktisch nicht vorkam oder erst, als die eine Frau starb und die andere, die von Bruno, erkrankte. Er wollte wohl nicht wahrhaben, dass hier eine sehr düstere realitätsnahe Bestandaufnahme einer gespaltenen Welt vorlag, mit einem kaputten Postachtundsechziger und einem gefühlsverarmten Wissenschaftler, Michel. Das Bürgertum existierte intakt und verschleierte ihm zusammen mit seiner Suche nach Hoffnung hier den Blick. Visionär, Houellebecq. Am Ende, im vierten Buch, bleibt Homo nicht so sapiens allein zurück mit ein paar Zombies. So sehr einen die Massen oft stören, so ist doch diese desolate Einsamkeit mehr zu fürchten.

    Wenn ich über den „Menschenpark“ von Sloterdijk lese, liest sich das im Grunde wie eine Vision für einen Zoo. Was den heutigen sich modern nennenden Menschen jedoch signifikant vom Tier unterscheidet, ist der unübersehbare Mangel an Mutterliebe. Abwesenheit von Mutterliebe beim Tier ist praktisch, von Ausnahmen abgesehen, nicht existent. Und ganz sicher werden Tierjunge jeglicher Art niemals von Fremden betreut, was sie zum Überleben unfähig machen würde. Man kann gelegentlich beobachten, was aus einem verantwortungslos gezogenen Hund wird, der als Welpe zu früh von seiner Mutter getrennt wird. Vielleicht ist ja Suarez die Zukunft.
    Wussten Sie, dass Menschenbisse die gefährlichsten sein können? Wir haben eine scheußliche Mundhöhle, Clostridium tetani kann auch drin sein.
    Am Rande gucke ich Messi-As und Co. gegen die Mannschaft des Landes, das unseren Bürokratieüberbau beherbergt. Sie haben dem FC Bayern mal einen Spitzentorhüter geliehen, das Beste, das je aus Brüssel kam: Jean-Marie Pfaff, an den ich etwas nostalgisch erinnern möchte. Wenn alles aus Brüssel so wäre wie Pfaff, würde keiner klagen.

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    KJN: … naturwissenschaftliche Theorie versucht die real existierende Welt zu beschreiben

    … das ist den Marxisten/Sozialisten, als begeisterte Anhänger der Darwinschen Theorie, im vergangenen Jahrhundert mit mehr als 100-Millionen ermordeten Menschen, ja auch ‚hervorragend‘ gelungen.

    Darwin selber hat erkannt, das er nix erkannt hat: ‚Die Annahme, daß das Auge durch die Evolution entstanden sei, erscheint, wie ich offen bekenne, im höchsten Grade als absurd.‘

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