avatar

Schirrmacher und Sloterdijk

Die heftige Diskussion um meinen Nicht-Nachruf auf Frank Schirrmacher –

https://starke-meinungen.de/blog/2014/06/17/das-ende-von-etwas/

– zeigt mir, dass es falsch wäre, es bei diesem einen Text zu belassen.

Versuchen wir also, über die Charakterisierung von Schirrmacher als Exponent einer „spielerischen Rechten“ hinaus zu kommen. Lassen wir überhaupt die Frage der Einordnung auf einer ohnehin recht willkürlichen Rechts-Links-Skala beiseite. Zielen wir auf das, was den Publizisten in den letzten fünfzehn Jahren vor allem bewegt hat hat: die Frage des Verhältnisses von Mensch und Technik, von Dr. Frankenstein und seinem Monster.

Ich habe bewusst den zweihundert Jahre alten Roman von Mary Shelley zitiert, weil in ihm die Frage, was der Mensch mit der Wissenschaft tun dürfe und was er lassen müsse, bereits am Beginn des technischen Zeitalters formuliert wurde, nämlich 1816. Dass also diese Frage das Feuilleton beschäftigen müsse, wie es Frank Schirrmacher mit der Veröffentlichung von Bill Joys Manifest „Warum uns die Zukunft nicht braucht“ am 6. Juni 2000 in der FAZ forderte –

http://www.km21.org/23rd-century/billjoy_0600.htm

– war eher eine Selbstverständlichkeit denn die Revolution, als die sie damals verkündet wurde. Daher die Verstörung mancher Feuilletonisten.

Es war ja eben nicht so, dass sie diese Frage bislang ausgeblendet hätten. Bill Joy schreibt in diesem Manifest ja auch selbst, dass es ein fiktionales Werk gewesen sei, das ihn für die moralischen Dimensionen im Verhältnis zu Naturwissenschaft und Technik sensibilisiert habe, nämlich Gene Roddenberrys „Star Trek“-Serie.

Die Verstörung war aber auch deshalb stark, weil Schirrmacher sein revolutionäres „Wissenschaftsfeuilleton“ zu einem Zeitpunkt ausrief, das das deutsche Feuilleton soeben eine jener typisch deutschen Debatten hinter sich hatte, bei der erst die allgemeine Erschöpfung ein Ende der Schlammschlacht einleitet; dabei war es gerade um die Frage des Verhältnisses von Naturwissenschaft, Technik und Moral gegangen. Ich meine die so genannte „Menschenpark“- oder Sloterdijk-Debatte, die durch Peter Sloterdijks Elmauer Rede „Regeln für den Menschenpark“ am 17. Juli 1999 – also ein Jahr vor Bill Joys Manifest – und ihren Abdruck in der „Zeit“ ausgelöst wurde. Hier ist der Text, wie er dort erschien:

http://www.zeit.de/1999/38/199938.sloterdijk3_.xml

Liest man aus dem Abstand von 15 Jahren Sloterdijks Essay, so erscheint er relativ harmlos. Dass er, wie ihm unterstellt wurde, der Menschenzüchtung in einer post-humanistischen Gesellschaft das Wort geredet habe, bei der ein Platon’scher Philosophenkönig oder ein selbsternanntes Expertengremium die Regeln dafür aufstellen müssten, erscheint angesichts der absichtlichen Dunkelheit des Textes wie eine Überinterpretation. Sloterdijk raunt gern tiefgründig, oder gründelt gern raunend, und man tut ihm bestimmt nicht Unrecht, wenn man auf sein Werk den Begriff des Spielerischen, ja Verspielten anwendet.

Allenfalls könnte man Sloterdijk unterstellen, er habe allzu affirmativ die Position Martin Heideggers aus dem Jahre 1946 übernommen, der im Bolschewismus, Faschismus und Amerikanismus verschiedene Spielarten des Humanismus zu sehen glaubte, nämlich der Selbstermächtigung des Menschen und des Programms seiner Besserung durch Erziehung. Sloterdijk weist zu Recht auf den „kryptokatholischen“ Subtext dieser Einschätzung; Benedikt XVI hat ihn ausbuchstabiert. Aber ein weiterer Subtext ist der Wunsch Heideggers, den von ihm gepredigten Antihumanismus und sich persönlich von der Verantwortung  für das rein zu waschen, was in Deutschland kurz zuvor geschehen war.

Sloterdijk aber liegt daran, Heidegger für seine eigenen Zwecke in Bewegung zu setzen: „Entscheidend ist jetzt nur, dass durch Heideggers Humanismuskritik hindurch ein Haltungswandel sich propagiert, der den Menschen auf eine über alle humanistischen Erziehungsziele weit hinausweisende besinnliche Askese hinweist. Nur kraft dieser Askese würde eine Gesellschaft der Besinnlichen jenseits der humanistischen literarischen Sozietät sich formieren können; es wäre dies eine Gesellschaft aus Menschen, die den Menschen aus der Mitte rückten, weil sie begriffen hätten, dass sie nur als ‚Nachbarn des Seins’ existieren – und nicht als eigensinnige Hausbesitzer oder als möblierte Herren in unkündbarer Hauptmiete. Zu dieser Askese kann der Humanismus nichts beitragen, solange er am Leitbild des starken Menschen orientiert bleibt.“

Das ist, in Heiderggersche Begrifflichkeit gekleidet, das Programm der ursprünglichen Grünen, deren Ideen den jungen Sloterdijk nachhaltig geprägt haben. Nicht zufällig reklamiert der Philosoph den damals noch lebenden bedeutendsten konservativen Philosophen der Neuzeit als Ahnherrn dieser Ideen genau zu jenem Zeitpunkt, da sich die Grünen anschickten, in der Koalition mit der SPD, der politischen Verkörperung der humanistischen Idee, Regierungsverantwortung zu übernehmen, was mit jener „besinnliche Askese“ unvereinbar war, die Sloterdijk fordert. Die Menschen sollten sich  – und das ist die Lehre des Darwinismus und der Ökologie – nicht als „Hausbesitzer oder möblierte Herren in unkündbarer Miete“ verstehen, sondern als „Nachbarn des Seins“, man könnte sagen: Als Bewohner einer ökologischen Nische auf der Lichtung.

Die Grünen, so könnte man Sloterdijks Intervention lesen, müssten die Heideggerschen, die konservativen Wurzeln ihrer Bewegung begreifen, sonst verrieten sie sich selbst; die Konservativen müssten die Grünen nicht bekämpfen, sondern als Bundesgenossen im posthumanistischen Geist begrüßen.

Und dann ein Jahr später der Text von Bill Joy. Der ist gegenüber dem Raunen Sloterdijks bis zur Einfältigkeit deutlich, und allenfalls das Name-Dropping, bei dem nicht zufällig fast alle Kunden des Literaturagenten John Brockman genannt werden, wirkt prätentiös. Im Kern jedoch steht bei Joy die gleiche Botschaft wie bei Sloterdijk, in der FAZ also das Gleiche wie in der „Zeit“: Angesichts der Gefahren von Robotik, Gentechnik und Nanotechnologie ist es utopisch, auf ihre Einhegung zu setzen:  „Die einzig realistische Alternative, die ich sehe, lautet Verzicht: Wir müssen auf die Entwicklung allzu gefährlicher Technologien verzichten und unserer Suche nach bestimmten Formen des Wissens Grenzen setzen.“

Regeln für den Menschenpark.

Der Verzicht auf das humanistische Projekt, die Bestialisierung des Menschen zu zähmen. Stattdessen anerkennen, dass wir weder uns selbst noch die Monster, die wir produzieren, je ganz im Griff haben können; und – so verstehe ich Sloterdijks Anspielung auf Nietzsche – dass wir uns nicht ganz im Griff haben sollten; nicht haben wollen sollten.

Der grüne deutsche Philosoph; der amerikanische Softwareentwickler; der bürgerliche deutsche Publizist; aber auch der deutsche Papst: Hier fanden sie ein gemeinsames Terrain.

Es ist hier nicht der Platz, diese Position zu kritisieren. Wer mich kennt, weiß, dass ich Anhänger des von Sloterdijk für erledigt erklärten humanistischen Projekts bin. Wir haben den Buchdruck überlebt, wir werden Google überleben. Das ist der Hintergrund meiner Auseinandersetzung mit Frank Schirrmacher. Dazu aber mehr an anderer Stelle. Hier wollte ich lediglich aufzeigen, wo die Gedanken Schirrmachers zum Verhältnis von Wissenschaft, Technik und Moral ihren Ausgang nehmen.

Shares
Folge uns und like uns:
error20
fb-share-icon0
Tweet 384

88 Gedanken zu “Schirrmacher und Sloterdijk;”

  1. avatar

    Korrektur

    EJ: Tja, manchmal is’ es wohl leider so. – Zu Ihrer Schonung sollten Sie vielleicht die Spiegel in Ihrem Haus verhängen. Oder?

    … werter EJ, in unserem Haus sind alle gesund und munter. Das sollte auch so bleiben. Sei denn, Sie habe die Absicht das zu ändern.

  2. avatar

    @parisien
    Lassen Sie doch Herrn Posener in Ruhe..
    besser hier lesen (o.t.):

    „Mitarbeiterin des Monats im neuen bundesrepublikanischen Legehennen-Betrieb ist damit die Mutter, die ihre Eier, pardon Kinder, möglichst schnell nach der Geburt in Massenkinderhaltungsbetrieben abgibt, um mit ihrer Arbeitskraft die Betreuungskosten wieder selbst zu erwirtschaften, die ihre eigenen Kinder der Allgemeinheit verursachen. Was für ein braves Mädchen! Und dazu auch noch so emanzipiert . . .“

    Sag‘ mir nochmal einer was gegen Feministinnen!

  3. avatar

    @68er

    Zu Sibylle Berg: “… ein Deutschland der deutschen Frau, dem deutschen Herd, dem deutschen Mann, dem Herrscher und Ernährer, der deutschen im Haus erzogenen Kinderschar.”

    Wer so polemisiert, macht aus seinem Symptom (Anorexie) Emotion und Argument (das macht die Berg nicht nur hier, sondern generell). Akif Pirincci mag Ihres Erachtens ein „Muschi-Autor“ sein, aber seine Polemik scheint mir den Nagel auf den Kopf zu treffen.

  4. avatar

    Lieber Alan Posener, ich bin ja hier als Ihr unbarmherziger Kritiker bekannt (vielleicht Ihr Mephistopheles), jetzt will ich jedoch nicht versäumen, Ihnen meine Anerkennung dafür auszusprechen, dass Sie eine lebendige Diskussion in Gang gebracht haben. Was Schirrmacher angeht, stimme ich Ihnen weitgehend zu; er war eher denn ein gründlicher (ontologischer) Denker ein massenmediales Medium, das für neues Diskursrauschen sehr empfindlich und telekommunikativ war.

    Gestatten Sie mir lediglich eine kleine Rüge dafür, dass Sie dem Pawlowschen Reflex der Modernen aufgesessen sind, Heidegger als einen „Antihumanisten“ aus der Diskussion exorzieren zu wollen. Sloterdijk hat in diesem Zusammenhang angemerkt, dass Heidegger die Bedingungen des europäischen Humanismus überfragte, er damit einen trans-humanistischen oder post-humanistischen Denkraum eröffnete. „Diese Geste“ vermerkt Sloterdijk in einer Fußnote S. 22, „wird von denen verfehlt, die in Heideggers Onto-Anthropologie etwas wie einen „Antihumanismus“ sehen möchten, eine törichte Formulierung, die eine metaphysische Form der Misanthropie suggeriert.“

    Ich will Ihre Ausführungen zu Sloterdijk´s Regeln für den Menschenpark ergänzen: Sloterdijk hat in diesem Text die m.E. immer noch entscheidende Frage, nämlich die Machtfrage gestellt. Domestikation (nach Nietzsche in der Form der Zuchtwahl auf haustierliche Umgänglichkeit) sei das große Ungedachte der europäischen Metaphysik und des Humanismus, der Mensch stelle für den Menschen höhere Gewalt dar; der blinde Fleck aller hochkulturellen Pädagogiken sei die aktuelle Ungleichheit der Menschen vor dem Wissen, das Macht gibt; die Zentralfrage sei, was zähmt den Menschen, wenn der Humanismus als Schule der Menschenzähmung scheitert (bzw. gescheitert ist). Sloterdijk zu unterstellen, auf das humanistische Projekt, die Bestialität des Menschen zu zähmen, verzichten zu wollen, geht an der Sache vorbei. Sloterdijk postuliert nämlich, dass man in dieser Situation in das Spiel aktiv eingreifen und einen Codex der Anthropotechniken formulieren müsse.

    Sie, lieber Alan Posener, positionieren sich als „Anhänger des von Sloterdijk für erledigt gehaltenen humanistischen Projekts“. Gehe ich fehl in der Annahme, dass der Subtext Ihres Humanismus´ die Annahme ist, dass der „Amerikanismus“ (mit den Avantgarden in Silicon Valley, NSA und Wallstreet http://www.spiegel.de/politik/.....78916.html) für Sie sein wesentlicher Bestandteil ist, in dem Bestreben, die Bestialisierung des Menschen zu zähmen? Sie haben in dem thread von „Ende von etwas“ betont, dass Sie nicht als Verfechter eines „blindwütigen Fortschritts“ verstanden werden wollen. Können Sie dies in diesem Kontext näher erläutern und darstellen, wo Sie den „blindwütigen Fortschritt“ am Werk sehen und wie Sie den zähmen wollen?

    Wie man in der Diskussion sieht, schwanken die Erwartungen zwischen einem Optimismus, der kommode Symbiosen zwischen unserer humanen wetware und zukünftiger soft- und hardware erwartet, und düsteren Dystopien. Ich glaube, dass der Rubikon schon überschritten ist, wir uns in einem Mahlstrom des „Fortschritts“ befinden, immer weiter nach vorne stürzen, die Avantgarde ist voll guten Willens und bester Absichten. „Lasst uns tun – dann wird es Euch besser gehen.“ Lasst uns amor fati entwickeln und daran glauben, dass es gut geht. – Es wird sich die Frage stellen, ob der Mensch (in seiner CO2-basierten wetware) nicht überflüssig wird. Ich suche meinen Trost in den barmherzigen Conclusionen Houellebecqs

    „Dadurch, dass wir das verwandtschaftliche Band, das uns an die Menschheit fesselte, zerrissen haben, leben wir. Dem Urteil der Menschen zufolge leben wir glücklich; allerdings haben wir auch verstanden, die für sie unüberwindbaren Kräfte des Egoismus, der Grausamkeit und der Wut zu bezwingen […] besteht das eigentliche Bestreben dieses Buches darin, die leidgeprüfte, mutige Spezies, die uns geschaffen hat zu ehren. Jene schmerzbeladene, nichtswürdige Spezies, die sich kaum vom Affen unterschied und dennoch so viele edle Ziele angestrebt hat. Jene gequälte, widersprüchliche, individualistische, streitsüchtige Spezies mit grenzenlosem Egoismus, die manchmal zu Ausbrüchen unerhörter Gewalt fähig war, aber nie aufgehört hat, an die Güte und an die Liebe zu glauben. Und auch jene Spezies, die es zum ersten Mal in der Geschichte der Welt verstanden hat, die Möglichkeit ihres eigenen Überwindens zu erwägen; und die es einige Jahre später verstanden hat, dieses Überwinden in die Tat umzusetzen. Zu einem Zeitpunkt, da die letzten Vertreter dieser Spezies am Aussterben sind, halten wir es für legitim, der Menschheit diese letzte Huldigung darzubringen – eine Huldigung, die ihrerseits allmählich verblassen und sich im Treibsand der Zeit verlieren wird; dennoch ist es nötig, dass diese Huldigung wenigstens einmal erfolgt. Dieses Buch ist dem Menschen gewidmet.“ (Elementarteilchen, 1998)

  5. avatar

    Err.:
    Wäre so, aber – wie gesagt – es sind ja nicht in erster Linie nicht ernsthafte Wissenschaftler, die dieser unkritischen ‘Gläubigkeit’ verfallen..

  6. avatar

    Wegen Zeitknappheit nur ganz kurz zu Schirrmacher: In APOs Posting, oben, und die geschichtsphilosophische Bemerkung KJNs, weiter unten, einpassen, bitte!

    Ich habe Schirrmacher immer für einen Rechten gehalten. Und das gilt gerade auch für den Schirrmacher der letzten Jahre.

    Mein Kriterium für seine Einordnung auf die Rechte war dabei, wie sehr er sich als „Aufhalter“ gegeben hat – nicht nur als Warner vor bestimmten Entwicklungen, sondern geradezu vor Entwicklung (und Zukunft) überhaupt. Für Schirrmacher war alles Katastrophe bzw. drohende Katastrophe.

    Die Konsequenz einer solchen „katastrophischen“ Haltung ist nicht nur die Aufforderung zur willkürlichen Arretierung einer sozusagen anonymen Zeit/ Entwicklung/ Geschichte. Bestimmte, benennbare (angeblich im Sinne der vermeintlichen Katastrophe) Handelnde werden gleichsam (historisch) kriminalisiert und müssen ebenfalls „arretiert“ und aus dem Verkehr gezogen werden: „Weg mit …!“

    Heißt: Verhältnisse und Entwicklungen (demokratisch) zu kritisieren und (demokratisch) korrigieren zu wollen, ist etwas ganz anderes als (immer wieder) Katastrophen zu prophezeien und zur alternativlosen – und ganz gewiss nicht demokratisch so oder so möglichen – Entscheidung aufzurufen. Letzteres war Schirrmachers Spezialität.

    Katastrophismus entdemokratisiert, ermächtigt den/ die Wissenden! Eine typisch rechte Haltung.

    @ derblondehans Wenn ich geschrieben habe – ‘Evolution ist Degeneration’, dann ist das schlichtweg simple Tatsachen-Erkenntnis.

    Tja, manchmal is‘ es wohl leider so. – Zu Ihrer Schonung sollten Sie vielleicht die Spiegel in Ihrem Haus verhängen. Oder?

  7. avatar

    „zweihundert Jahre alten Roman von Mary Shelley zitiert, weil in ihm die Frage, was der Mensch mit der Wissenschaft tun dürfe und was er lassen müsse“ – was ja Männer ungerne zugeben, und auch Schirrmacher hat hier gerne ignoriert, dass „cherchez la femme“ nicht von ungefähr von einem derer ausgesprochen wurde, die innerlich ebenso brannten und früh verbrannten wie er, was Männer also ungerne zugeben ist, dass es Frauen waren, die früh an der „Verwissenschaftlichung“ unserer „aufgeklärten“ Zeit die zu erwartenden Auswüchse und das Beschädigungspotential erkannten. Bysshe Shelley kann man sogar als Begründerin der Science-Fiction-Literatur bezeichnen. Ada Lovelace hat die erste Programmiersprache erfunden, ohne die Babbage’s machine nur ein Schrotthaufen („hardware“) geblieben wäre. Rachel Carson würde sich hier auch einfügen lassen. Aber Männer haben immer einen Publizitätsbonus, der auch Schirrmacher zugute kam. (Immerhin wissen wir, dass viele frühe Werke, d.h. vor Ende des 19. Jahrhunderts, unter dem Namen der Ehemnänner veröffentlicht worden sein dürften, in Wahrheit aber auf deren Frauen zuerückgingen. Wir werden aber nie erfahren, wieviele.)

  8. avatar

    @R.Z.
    „Wissenschaftsgläubigkeit ein Widerspruch in sich“
    Wäre so, aber – wie gesagt – es sind ja nicht in erster Linie nicht ernsthafte Wissenschaftler, die dieser unkritischen ‚Gläubigkeit‘ verfallen, sondern Leute mit ganz anderen Interessen, die so tun, als würden sie Wissenschaft betreiben und stattdessen einfach nur Statistik (oft auch Esoterik). Es geht da um Logik (s. auch meine Antwort @hans). Ein kleines, eher unverfängliches Beispiel: Was wurde ungerechtfertigterweise für ein Bohei um die Cholesterinwerte im Blut gemacht.
    „Aber was will man machen, die Leute sind eben so.“
    Das ist mir herzlich Schnuppe, wie „Leute“ so sind, so lange mich deren Institutionen in Ruhe lassen und z.B.
    Versicherungsverträge eingehalten werden.

    @hans (u.a.)
    Jetzt bin ich auch noch albern, wenn ich mir nicht vorschreiben lassen möchte, wofür ich mich zu interessieren habe.. immerhin bin ich jetzt kein Maschinenbauer mehr: Es ist doch hier egal was ich bin entscheidend ist (für mich) die Argumentation:
    1) Logik: Wissenschaft muss zwingend logisch sein, das ist das Qualitätsmerkmal für Objektivität (Nachvollziehbarkeit, Reproduzierbarkeit) und unterscheidet sie von Pseudowissenschaft, Statistik und Esoterik (was ich immer wieder, auch z.B. hier, moniert habe. Einstein z.B. konnte sich mit Unschärferelation und Quantenmechanik infolge diese Berufsethos nicht anfreunden: ‚Gott würfelt nicht.‘) Der Umkehrschluss ist falsch: Nicht alles, was (in sich) logisch ist, ist (Natur-)Wissenschaft. Naturwissenschaftliche Theorien müssen in sich logisch und relevant sein, weswegen Newtons Gravitationstheorie durch Einstein erweitert wurde, um alle Phänomene zu erklären (es ging ihm um elektromagnetische Induktion). und die in ihre eigene Begriffslogik verliebten Scholastiker an der Realität scheiterten (ein Ball ist ein Ball ist ein Ball bla.., bitte selber nachlesen, z.B. bei Edward Feser).

    2) Kreationismus: Ich weiß nicht, was Sie mit „Tatsachen-Erkenntnis“ meinen, aber eine vernünftige (relevante und logische) naturwissenschaftliche Theorie versucht die real existierende Welt zu beschreiben (und nicht eine im Jenseits phantasierte). Die Evolutionstheorie beschreibt die Existenz (und Entsstehung) der Arten, auch des homo sapiens. Sie beruhte zunächst auf den Beobachtungen Darvins in abgeschlossenen Biotopen (Galapagos, Literatur darüber ist Legion), lässt sich aber mittlerweile auch durch Gensequenzierung nachweisen. Da Sie (so vermute ich) einen Fortschritt der Menschheit kulturpessimistisch ablehnen zur Kenntnis zu nehmen (wozu es ja durchaus Gründe gibt), möchte ich Sie an den Ihnen als Techniker sicher bekannten Begriff ‚Entropie‘ erinnern: Kein in endlicher Zeit ablaufender Prozess ohne Wärmeverlust/Informationsverlust/Entropiegewinn, nennen wir das der Einfachheit halber ‚Chaossteuer‘. Wie soll also eine DNA, bzw. deren Erbinformation in einer solchen Welt, wo alles letztlich zerfällt, erhalten bleiben, wenn kein Gegenprozess existieren würde. Gott müsste ständig in seine Schöpfung (Uhrwerk, nicht wahr?) eingreifen und ggf. Plan B oder C durchführen. Da der Alte Herr aber ziemlich clever zu sein scheint, lässt er Plan B, C bis Z gleich mitlaufen, so daß bei Versagen des einen direkt ein anderer greifen kann. Das nennt man Evolution und sorgt dafür, daß sich Organismen durch ständige Veränderung erhalten und letztlich die Welt alles in allem stabil bleibt. Ob das zur ‚Verbesserung‘ führt? Weiß ich nicht, aber langfristig und aus der heutigen Sicht betrachtet kann ich mir nicht vorstellen, daß Sie lieber vor 1000 Jahren, sagen wir als Leibeigener, gelebt hätten. Ich halte daher die Evolutionstheorie für plausibel und daß sie auch noch Platz für ‚Willensfreiheit‘ und den Alten Herrn lässt, hingegen keinen Platz für die Theodizee-Frage, macht sie mir bestimmt nicht unsympathischer.
    Ich denke, das ist das, was Sie wissen wollten, es wird heute 30 Grad und ich habe frei.

  9. avatar

    @Parisien

    Nein, ich wiederspreche ihnen in dem Punkt überhaupt nicht. Diamond (bestimmt, wie bei jedem nicht alles) hat wertvolle Arbeit geleistet. Ich glaube nicht, dass Blei, CO2, FCKW in die Luft pusten für uns Sinn macht und Aufforstung bestimmter Gegenden ist dringend nötig. Da bin ich bei ihnen. Wenn ein Land die Bewohner nicht ernähren kann, gibt es Hunger und Krieg. Heinsohn zeigt das ja immer recht anschaulich.

    Ich wiederspreche nur der Idee, dass diese Zusammenhänge eine Ursprünglichkeit hatten, die nun verloren ist. Es gab nie eine (reine, ausbalancierte) Ursprünglichkeit, ein Gleichgewicht. Es sind Zusammenhänge, deren Missachtung den Kopf kosten können, aber dieser Zusammenhang ist nicht beseelt. Ich wiederspreche dem Gedanken, dass der Mensch etwas außerhalb dieser Zusammenhänge stehendes ist, quasi ein Betriebsunfall, eine Missgeburt, dem etwas reines Erhabenes gegenübersteht. Im Umkehrschluss sind wir auch nicht die Krone der Schöpfung, haben auch keinen Anspruch, dass es nicht irgendwann mal Menschen gibt, die uns überlegen sind, sei es durch Technik oder Evolution. Es gibt keinen Einklang mit der Natur, weil die Natur selbst keinen Einklang kennt und schon der Begriff Natur eine Einheit suggeriert, die es so nicht gibt. Fragen sie die Fossilien. Wir sind Kausalitäten unterworfen und die sollten wir, wie Diamond zeigt, ernst nehmen. Wir sind nicht Nachbarn des Seins, das Sein ist eine esoterische Fabel, von der ich kein Menschenbild ableiten will.

  10. avatar

    KJN: @hans
    “Sollten Sie wissen.”
    Nun ja, was ich wissen sollte, entscheide ich doch ganz gerne – soweit es geht – selber.

    … was für eine alberne Aussage. Mag ja sein, dass Sie zwischen Brat- oder Currywurst entscheiden (können), als Techniker können Sie nicht selber entscheiden. Entscheiden über Erfolg oder Misserfolg Ihrer Arbeit tun Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, … Technische Mechanik, … Wärmelehre, … bla, bla, Naturgesetze die unabhängig vom Menschen existieren … daraus dann, wie Wiki zusammenfassend definiert: … die Lehre des vernünftigen Schlussfolgerns … das habe ich gemeint. Und das sollten Sie wissen, weil ich meinte, Sie hätten Maschinenbau studiert.

    Das schließt meinen Glauben an die Kirche Christi nicht aus. Im Gegenteil, es bestärkt mich.

    Wenn ich geschrieben habe – ‚Evolution ist Degeneration‘, dann ist das schlichtweg simple Tatsachen-Erkenntnis. Wenn dem nicht so ist, sollten Sie es anders begründen, Beispiele nennen.

    (… sei denn Sie sind ein ‚EJott‘, dann könnten Sie aus einer Mücke einen Elefanten machen. 😉 Daher!)

  11. avatar

    @ Stevanovic
    Ihr „Geschwurbel“, wie Sie es selbst nennen, scheint zu bezeugen, dass Sie eine Situation nicht als brisant einstufen, die ich selbst als äußerst brisant bezeichnen würde, nämlich die alte Situation der Deforestation. Ich möchte betonen, dass ich hier nicht von Unterholz spreche, welches sich der Urwald selbst zulegt inklusive der entsprechenden Mikrofauna.
    Erstens geht das alles über Sonnenstaub (Ihre Asche) hinaus. Sie vergessen hier die Faktoren Wasser und Proteine. Zweitens übersehen Sie, vermutlich willentlich, die Zusammenhänge zwischen Flora, Wasser und der Atmosphäre.
    Sie sollten „Kollaps“ von Jared Diamond lesen. Darin stehen einige unwiderlegbare, logische Zusammenhänge, die aus dem Wertvollsten überhaupt resultieren (Beobachtung), einerseits zwischen Überbevölkerung und Krieg (Ruanda); andererseits finden Sie einen Vergleich zwischen gelungener Wirtschaftsführung ohne Deforestation in der östlichen Hälfte der Insel Hispaniola (Dominikanische Republik) und der völlig abgedrifteten abgeholzten Westhälfte Haiti. Natürlich wurde Diamond dafür geprügelt. Die Wahrheit kann schmerzhaft sein. Seine These über die Osterinseln ist eine These, aber nicht von ganz schlechten Eltern.
    Die Grünen, da sie leider vollkommen auf Deutschland fixiert und außerdem seit ihrer Regierungsbeteiligung wirtschaftlich ausgerichtet sind, sind hier extrem passiv (wie übrigens auch in Bereichen afrikanischer Frauen). Bei den Grünen scheinen Tier- und Frauenrechte Grenzen zu haben, und wenn keine Arbeit mehr da ist, schafft man das Gendern an, statt nach außen zu gehen.
    Ob das folgende eine Wanderlegende ist oder stimmt, weiß ich nicht: Jedenfalls las ich mal, die Araber hätten alles abgeholzt und den Rest mit Schafen verwüstet. Wenn das stimmt, muss man zwingend davon ausgehen, dass jede gute Wirtschaft anfängt mit gelungener Land- und Forstwirtschaft. Musterbeispiel Israel, aus der Wüste gestampft und keineswegs nur Technologiehochburg, voilà. Viel Spaß mit Diamond.

  12. avatar

    @Parisien

    Der Kern der Fauna und Flora ist eine Kombination aus Elementen. Die hätte weiter ruhig durchs Weltall fliegen können, haben sich aber entschlossen, ein Baum zu werden. Zu dem Zeitpunkt waren sie schon sehr lange unterwegs. Diesen Baum verfeuere ich und die Elemente wandeln sich, aber es geht ja nichts verloren, es wird nur umgewandelt. Die Reise geht weiter. Das macht die Natur täglich, letztes Jahr hat es einen Onkel von mir erwischt. Die Natur möchte, das Lebewesen sich vermehren und ihr Erbe weitergeben, nach 1000Generationen schickt die Natur einen Kometen, das ganze geht in Rauch auf und wird zu dem Ausgangsmaterial. Populärkultur: Asche zu Asche. Hätte die Natur einen Sinn, eine Seele oder ähnliches, könnten man zu Recht Fragen, warum sie Teilchen über einen langen Zeitraum stressen lässt, wenn schon vom ersten Tag an klar ist, dass der Komet die Sache abräumen wird. Die beste Erklärung hatte der große deutsche Philosoph Heinz Erhardt: „Das Reh springt hoch, das Reh springt weit. Warum auch nicht – es hat ja Zeit!“. D.h. es gibt keine Schöpfung, alles war schon da, es verändert sich und das auch ständig. Ob Gott etwas losgetreten hat oder nicht, kann uns so lange egal sein, solange er nicht anruft (der meldet sich, wenn er was will, ganz bestimmt). Bleibt also die Erkenntnis, dass es nirgends hingeht, die Reise aber nie aufhört. Das Bewusstsein (link müsste ich suchen) ist eine Konstruktion des Gehirns, nicht mal spezifisch Menschlich, sobald die graue Masse groß genug ist, schafft sie Bewusstsein als Steuermodul, zB bei Affen, Mäusen, Hunden und kleinen Kindern. Vollkommen überwältigt ein Ich zu sein, flippen wir aus und meinen da gäbe es was Tieferes. Der Großvater meine Frau kam als anderer Mensch aus dem Krieg, seien Seele war anders – klar, mit einem Splitter im Hirn änderte sich das Steuermodul, das Bewusstsein, die Seele, das Ich. Da gab es nix spirituelles (außer Gott als Geisel nehmen: er will es ja so).
    Jetzt kommt dieser Chinese, es kommen die Zuckerbergs und schaffen Mittel, um das Steuermodul zu erweitern, zu beschleunigen, sagen wir mal, es fitter zu machen als uns jetzt. Das beleidigt unser Ich (mein Ich ist das coolste überhaupt), dass für jeden der Nabel der Welt ist und wir bekommen Angst, ein Auslaufmodell der Evolution zu sein. Fakt ist: Wir sind es. Deswegen ist es absolut richtig, sich gegen den Typen, der das Wissen der Welt auf einem USB-Stick im Kopf hat, zu wehren. Das mache ich am besten, indem ich versuche, die Zeit anzuhalten. Klappt ja auch manchmal, für eine Zeit, könnte ja für mich reichen. Meine Enkel werden auch diesen USB Stick haben und in 100 Generationen werden die USBler wie die Hühner umher laufen und sich über liquid Memory (was weiß ich) aufregen. Was für unmenschliche Monster die sind.
    Was will ich mit diesem Geschwurbel sagen? Es ist vollkommen richtig, vor der Zukunft Angst zu haben und sich unterlegen zu fühlen. Aus vollkommen richtigen persönlichen Gründen. Die Menschheit mag eine 50/50 Chance haben – unser Ich hat überhaupt keine. Der Mensch der Zukunft wird ein eigenes Bewusstsein haben, dieses Ich wird ihm so liebenswert, natürlich und vor allem normal vorkommen, wie uns unser Ich heute. Wenn wir also Schöpfung oder Menschlichkeit bewahren wollen, reden wir ständig von unserem Ich, das nicht gehen will. Wird ein digitalisierter Cybermensch aus dem Reagenzglas in einer Betonwüste glücklich sein können? Keine Ahnung, ich könnte es nicht, ist mir auch egal. Gibt es moralische Gründe das human enhancement im Namen einer Humanität abzulehnen? Nein das gibt es nicht, weil der Maßstab einzig und allein dieser kurze Augenblick ist, in dem Teilchen mein Ich simulieren und ich aus reinem Egoismus will, das die Welt so bleibt wie sie ist, damit Ich weiter der Nabel der Welt sein kann. Es ist also mein Problem, damit klar zu kommen. Nicht den Ichs die da noch kommen zu erzählen, was menschlich ist.
    Deswegen: Wozu beschränken, aufheben, bewahren, in Einklang bringen? Eigentlich gibt es nur einen Grund: Weil wir es so wollen.Deswegen bitte keine Regeln für den Menschenpark, aber vielleicht sich der Einzigartigkeit des Moments, in dem die Natur (Gott?) aus einer Laune heraus dieses Ich schuf, bewusst sein. Und den nachfolgenden viel Glück wünschen.

    PS: Warum sollte künstliche Intelligenz nicht Mensch sein können (irgendwann)? Was würde denn ein Gefühl aus einem Chip einem Gefühl aus einem Zellhaufen denn so unterlegen und wertloser machen?

  13. avatar

    Staunen steht ja auch am Anfang der Religion. Insofern könnte man vielleicht sagen, dass alles mit dem Staunen beginnt. Man wird zunächst in die Religion geführt, bestaunt dorrt die Wunder, dann gelangt man zur Wissenschaft und staunt weiter, was alles möglich geworden ist und was sicher noch möglich werden wird. In Bälde.
    In diesem Zustand wäre der Wissenschaftsgläubige. Er glaubt, dass wir in Bälde eine eierlegende Wollmichsau bauen werden, die besser Mozart komponiert und spielt als jeder andere, und man jetzt dafür nur die Zwischenfinanzierung übernehmen müsste, aber am Ende würde man reich.

  14. avatar

    …achso, sorry, KJN, irgendwie hab ich Ihren Punkt mit der Religiösität durcheinanderbekommen: Ja, der Machbarkeitswahn wird auch von religiösen Fanatikern geteilt und ist insofern, wie Sie sagen, quasi-religiös. Sie haben recht. Machbarkeitswahn ist aber eben nicht wissenschaftlich; Wissenschaftsgläubigkeit ein Widerspruch in sich. Vielleicht wäre es besser, man entzöge sich einfach den Ansprüchen der Religiösität? Aber was will man machen, die Leute sind eben so.

  15. avatar

    @lucas: Klar, wenn sie ökonomisch wäre – und nicht nur so scheinen würde – dann wäre es falsch, sie nicht einzusetzen. Insofern sollte man mal eine Bilanz der Atomkraft inklusive Entwicklungs- und Entsorgungskosten aufstellen. Die Entsorgungskosten kennen wir leider noch nicht, weil es noch keine Entsorgung gibt. Die Container werden einfach nach Sibirien gekarrt und dort hingestellt. Ein paar wandern nach Gorleben, und den Rest regelt das Prinzip Hoffnung. In dieser Bilanz sind die Schäden durch die Verstrahlung, die in der Zukunft geschehen wird (denken Sie mal über die Container nach, die man über Bord gekippt hat und die auf dem Meeresgrund liegen) nicht mal enthalten. Wenn man diese Schäden mit einrechnet, wird es schnell teuer. Warum lässt man die draußen? Aus Vergesslichkeit?

  16. avatar

    @KJN: Neugier ist wohl am Anfang allen Denkens. Staunen sei der Anfang der Philosophie, meinte Aristoteles. Wissenschaftsgläubigkeit in dem Sinn, dass man alles verstehen und beherrschen könnte, wenn man sich nur ordentlich Mühe gäbe, ist nach meiner Ansicht nicht besonders religiös, auch nicht besonders quasi-religiös. Zumindest wird der Machbarkeitswahn auch von religiösen Fanatikern geteilt, die z.B. das Reich Gottes hier auf Erden errichten wollen. Es ist doch eher das Gegenteil von vorsichtig, skeptisch, nachdenklich; das Gegenteil von wissenschaftlichem Denken?

  17. avatar

    @hans
    „Sollten Sie wissen.“
    Nun ja, was ich wissen sollte, entscheide ich doch ganz gerne – soweit es geht – selber. Und meine Frage haben Sie auch nicht beantwortet. Aber ich bin neugierig: Für Sie folgt also alles der Logik, wie ein Schachspiel: ‚Evolution ist Degeneration, Abweichung von der (ich vermute göttlichen) Logik‘. (Das IST übrigens Kreationismus.) Oder ist es nicht eher so, daß die Logik eine Sprache ist (im griechischen Wortsinne), als etwas Abstraktes, ein Versuch, die Wirklichkeit zu strukturieren? Frage an den Techniker.

  18. avatar

    Wenn Technologie ökonomisch ist und alle Kosten einbezogen werden (weil sie am besten garnicht nicht einbezogen werden können), dann wäre es doch falsch sie nicht einzusetzen.
    Ich fand den Essay vom ETH Zürich den Moritz Berger mal verlinkt hat interessant (auch wenn ich draufrumgehauen habe), weil er die Frage stellt, wie man Kultur, Umwelt und Zivilisation (im Widerspruch zu Barbarei) kapitalisieren kann, womit sich diese Dinge in Kosten-Nutzen-Rechnungen einbeziehen ließen. Teilweise haben wir das schon, z.B. dürfen Menschen nicht ermordet werden, was sich laut David D. Friedman marktwirtschaftlich erreichen ließe, aber heute größtenteils staatlich-planwirtschaftlich erreicht wird, wobei manche zusätzlich marktwirtschaftliche Sicherheitsdienste beanspruchen.

  19. avatar

    @Roland Ziegler
    Atomkraft? Transmutation von Atommüll? Fehlt Energie. Solarkraft? Wächst exponentiell, verbessert sich exponentiell, kann logistisches, lineares Wachstum werden, ist noch nicht bekannt (oder?) http://blogs.scientificamerica.....lar-cells/
    (@Moritz Berger)
    Aus Interesse, würde das ohne kapitalistisch-staatliche Energiewende so aussehen?
    Kapitalistisch-marktwirtschaftliche Energiewende wird sehr wahrscheinlich in 10 Jahren überall passieren. Atomkraft+Transmutation könnte Grundlastversorgung sichern. Oder?
    Oder Elektroautos mit Akkumulatoren

    Energiewende ist sowas, worauf Piketty unter anderen Vorzeichen und bei anderem Thema hinweist. Energiewende findet statt, weil Solar Kostenlevel von Kohle erreicht, Kapitalismuswende findet statt, weil große Vermögen relativ zu kleinen Vermögen viel größer sind, zu ungleich. Oder ist das ein Äpfel-Birnen-Vergleich? Piketty fordert kapitalistisch-staatliche Wende der kapitalistischen Kapitalismuswende, wie kann man kapitalistisch-marktwirtschaftliche Wende der kapitalistischen Kapitalismuswende mit höherer oder gleicher zivilisierter Qualität (drastisch: Leute töten wäre schlechtere barbarische Qualität) durchführen?

  20. avatar

    @R.Z.
    „dieser Optimismus, den man auch Wissenschaftsgläubigkeit nennen kann, ist ja nicht die Folge, sondern allenfalls der Anfang wissenschaftlichen Denkens“
    Nein! Anfang wiss. Denkens ist Neugier. Wissenschaftsgläubigkeit hingegen ist Religionsersatz, meistens bei Nicht-Wissenschaftlern. Da ist viel Wunschdenken und Phantasie dabei. Wenn wirklich klar wäre, wieviel z.B. Medizin zu leisten in der Lage ist, würden die Leute nicht wg. jedem Pipifax zum Arzt laufen.

  21. avatar

    Nachtrag..
    „Es geht aber letztlich nicht um die Frage, wie ich meine Unbeobachteteheit (Mist, verdribbelt), meine Privatsphäre erhalte, sondern wie ich mich an die Bühne gewöhne, das Werkzeug in mein Leben integriere.“
    ..genau: Das nutzen, was ich brauche – alles andere gnadenlos blocken. Z.B. bei Facebook. Ich glaube, man muss ziemlich akribisch dabei sein und die Sachen (was habe ich wo eingegeben) dokumentieren und nachhalten. Schlamperei ist hier Selbstmord.

  22. avatar

    @Stevanovic
    ..nun ja, mit Gelassenheit heit meinte ich ja auch nicht ‚Desinteresse‘ sondern ‚ man soll ihn [den technischen Fortschritt] geschehen lassen (und nur das nutzen, was man wirklich braucht, oder das meint zu brauchen). Wie Sie – übrigens sehr schön – schreiben: „Mutter Gaia ist eine ziemliche Schlampe“ und der technische Fortschritt gehört eben auch dazu. Und zu Parisiens Naturschutz (übrigens auch den von Michael Miersch) bleibt anzumerken, daß da nicht ‚Natur‘, sondern eine romantische Phantasie davon aus dem 17 Jh. geschützt wird, real zu besichtigen in der Lüneburger Heide, die nach Abholzung entstanden ist. Denn wie ein Kollege immer sagte, der Biologe war: Wenn es die Menschen nicht gäbe, wäre Deutschland komplett mit Laubwald bedeckt und die Artenvielfalt wäre auch nicht hoch. Womit auch gleich der Unterschied zwischen Naturschutz und Ökologie (im wiss., nicht im ideologischen Sinne) erklärt wäre: Naturschutz ist Romantik (konservativ) und Ökologie Liberalismus. Schirrmacher war Romantiker.

  23. avatar

    @ Stevanovic
    Etwas Widerspruch zu diesem:
    – Aber Natur hat keinen Sinn für Ästhetik, keinen Zweck und keine Erinnerung. Natur hat keine Seele. Alles hier und jetzt, Mutter Gaia ist eine ziemliche Schlampe. Deswegen respektiere ich ihren, Parisiens, Sinn für Ästhetik und schließe mich der Bach-Renaturierung an. Im kosmologischen Kontext kann aber die Betonröhre auch bleiben. Fast nichts, was wir Menschen tun oder erschaffen, wird 100 Jahre nach uns existieren.-
    1. Natur hat eine Seele. Es ist tatsächlich so, dass Natur, zumindest der pflanzliche und tierische Teil davon, also Flora und Fauna, doch eine Seele zu haben scheinen bzw. mit dem Counterpart hegender Mensch zu interagieren scheinen. Ich selbst habe das schon mit zwei sterbenden Bäumen erlebt, die mir Bauern auf meinen Wunsch hin (bzw. den meiner Kinder) wieder auf Vordermann gebracht haben, während „Spezialisten“ selbige abhacken wollten. Es schien, als würden die Bäume reagieren auf unseren Wunsch, dass sie überleben sollten, und in der Tat, es kann schnell passieren, dass man mit einem Baum ein Gespräch beginnt, ähnlich einem Selbstgespräch oder einer Unterhaltung mit einem Hund. Selbstverständlich kann ich das nicht beweisen. Ich kann lediglich darauf verweisen, dass es in der Literatur Menschen gab, die einen ähnlichen Zugang dazu hatten und mich als Kind tiefer geprägt haben als die schnöde technische Entwicklung, so Jugendbuchautoren wie Selma Lagerlöf oder Clive Staples Lewis, bei dem die Bäume durch die Gegend wandern und natürlich sprechen, anfangs. Nun ist der Mensch ein wichtiger Part davon. Er entfernt Unkraut und unwichtiges Unterholz und entscheidet, tja, nach Ästhetik, was bleibt, so dass die Brennessel weicht und die Eiche älter wird als er selbst.
    Der schattengebende alte Baum übersteht einen heißen Sommer, verbraucht CO2 und gibt Kühle, so dass m.E. seine zunehmende Abholzung, oft unter Ersatz von schnell Wachsendem, ohne Zweifel das Klima beeinflussen muss. Hier muss man übrigens auch nach Japan schauen, einer Nation, die ihren Urwald fast vernichtet hat zugunsten von schnuckeligem Geschenkpapier.
    2. Wenn der Mensch etwas schafft, das ästhetisch ist und sich harmonisch in die Umgebung einfügt, bleibt es auch. Selbst von Nutzen kann es gewesen sein. Ein prächtiges Beispiel ist der Pont du Gard in der Provence, der eine Wasserleitung war. Aber sogar Kirchen hatten einen über die Religion hinausgehenden Nutzen, waren sie doch oft genug Märkte. Alles, was über das Schnöde hinausgeht, bleibt erhalten, ob das nun monumentale Gräber sind wie die Pyramiden oder das Taj Mahal, die Philosophien der frühen Menschen in Form von Höhlenmalerei in Altamira, Asturien oder Lascaux, Frankreich und weiteren Orten oder sakrale Baukunst. Was nicht bleiben wird, ist Sichtbeton. Betonröhre – nichts dagegen zu sagen. Sichtbeton ist, wie wenn einer die Unterwäsche anzieht und nichts mehr drüber. Lagerhallen, Supermärkte – sicher eine vorübergehende Verschandelung. In Österreich gibt es eine Kette, die schöner baut, es geht also auch anders.
    Daraus kann man jedoch nur einen Schluss ziehen: Rigide Bevölkerungspolitik à la Chine. Wenn wir insgesamt trotz Denken uns als das Kleinere, Vorübergehende betrachten, können wir auch gleich dafür sorgen, dass wir nicht überborden. Der politische Wille dazu war einst da, ist aber nicht mehr erkennbar. Sichtbar ist nur noch eine Maximierung von Profit unter Aufgabe der natürlichen Umgebung. Und dass das Land Frankreich insbesondere die Stadt Lyon bei den Algerienspielen unter umfassenden Polizeischutz gestellt hat, hat Gründe, die über zündelnde Algerier hinausgehen. Eine Autobahn, immer voll, mitten durch die Stadt, Wohnungen an dieser, Menschen, die in stinkenden Abgasen leben, um den 14. Juli verfünffacht bis verzehnfacht, wenig Grün, Betonwüste. Solange nicht die alten Grünen sich wieder herausarbeiten aus ihrer Angepasstheit, Greenpeace gejagt wird und die Politiker den Bauunternehmern nicht die Zähne zeigen, wird, da haben Sie Recht, an etwas gebastelt, dass keine hundert Jahre bestehen wird. Die mit genug Portemonnaie können sich später an wenigen Orten zusammenziehen.
    Es ist dabei unübersehbar, dass Forschungsgelder in sichere Formen der Atomkraft und bessere Arten der Entsorgung fließen sollten. Außerdem macht es ästhetisch keinerlei Sinn, dass man, statt große Sonnenkollektoren zu bauen, überall diesen Kleinmist hinstellt. Das Windrad gehört m.E. nach offshore, zumal sich weit offshore keine Greifvögel aufhalten. Und Elektroleitungen gehören in die Erde, weil das langfristig (Sturmschäden) billiger ist. Die Besitzer natürlich bauen für kurzfristigen Profit, mehr oder minder nach den Denkmustern von dem alten Mister Ponzi, der in der Hölle lacht.

  24. avatar

    KJN: @hans
    “Evolution im Sinne einer Höherentwicklung, weder beim Menschen, noch in den Natur, gibt? … Evolution ist immer Degeneration.”
    Sie sind Kreationist?

    … nein! Techniker. Mein Beruf hat was mit Logik zu tun. Sollten Sie wissen.

  25. avatar

    Mit Risken meine ich natürlich die Risiken einer breiten Anwendung. Nicht die Erforschung. „Technik“, die man beschneiden muss, bedeutet in diesem Sinne die breite Nutzung zu ökonomischen Zielen. Nicht den Forschungsreaktor, den man, weil es eben nur einer ist, sehr gut sichern und überwachen kann.

  26. avatar

    Mit wachsendem naturwissenschaftlichen Wissen lernen wir auch immer mehr über die Zusammenhänge und die Grenzen des Wissens und Könnens. Der Optimismus, dass man sich schon irgendwann irgendwas ausdenken wird, um z.B. Atommüll zu entsorgen, Strahlung einzuhegen, Krebs zu besiegen, Bakterien und Viren auszurotten, eine intelligente Maschine bauen usw. – dieser Optimismus, den man auch Wissenschaftsgläubigkeit nennen kann, ist ja nicht die Folge, sondern allenfalls der Anfang wissenschaftlichen Denkens. Die Babyphase. Am Ende steht die Skepsis: das wir es eben nicht schaffen, trotz Star Trek, in der Zeit zurück zu reisen, uns an einen anderen Ort zu beamen, zum Nachbarstern zu fliegen, die dunkle Materie und Energie kennenzulernen, Einstein zu übertrumpfen, die Kernkraft zu bändigen, den genetischen Code zu verstehen usw. Und dass wir deshalb auch die Risiken nicht überblicken können. Solche Skepsis wird ja durch die Wissenschaft geradezu erzeugt und vertieft. (Diese Tatsache ist vielen unbekannt.)

  27. avatar

    @hans
    „Evolution im Sinne einer Höherentwicklung, weder beim Menschen, noch in den Natur, gibt? … Evolution ist immer Degeneration.“
    Sie sind Kreationist?

  28. avatar

    @Perisien

    Es ist wahr: es gibt durch Penicillin resistente Erreger. Was sage ich später meinen Enkeln? Ohne Antibiotika gäbe es keinen Opa, keine Oma, eure Mama wäre nicht mal ein Jahr alt geworden – oh, euch gäbe es ja auch nicht.

    Mein Großvater hatte den ersten Satz Kinder durch verfaultes Getreide verloren. Seitdem es neue Sorten und Pestizide gibt, konnte er sogar ein paar Kinder schulen lassen und deren Nachkomme schreibt ihnen dummes Zeug im Blog, statt schon sein drittes Kind zu beerdigen, wie es vor zwei Generationen noch üblich war.
    Würde die Welt sich drehen, wenn von der großväterlichen Brut ein paar weniger überlebt hätten? Na klar, die Welt braucht die Stevanovics nicht. Die Blumen blühen auch ohne uns. Tja, so leben auch die Stevanovics sehr gut auch ohne 49 verschiedene Grassorten im Garten. Und wenn der letzte Stevanovic in die letzte Grassorte gebissen hat, werden sich die anderen Gräser freuen und wieder den Garten bevölkern. Oder vielleicht Sträucher. Die Welt dreht sich die ganze Zeit, als ob nichts wäre. Naturschutz ist eine prima Sache, bin dafür. Aber Natur hat keinen Sinn für Ästhetik, keinen Zweck und keine Erinnerung. Natur hat keine Seele. Alles hier und jetzt, Mutter Gaia ist eine ziemliche Schlampe. Deswegen respektiere ich ihren, Parisiens, Sinn für Ästhetik und schließe mich der Bach-Renaturierung an. Im kosmologischen Kontext kann aber die Betonröhre auch bleiben. Fast nichts, was wir Menschen tun oder erschaffen, wird 100 Jahre nach uns existieren. Die Natur findet immer einen Weg (aus welchem Film habe ich den Spruch?). Deswegen sollten wir aus ästhetischen und wirtschaftlichen Gründen die Natur vor Verbrauch schützen, auch aus moralischen Gründen etwas Öl den Nachkommen lassen. Aber ein Ölreservoir hat keinen Wert an sich. Es besteht keine moralische Verpflichtung, einen Wald nicht abzuholzen, die der Wald alleine durch seine Existenz begründet. Es ist der Natur egal, ob dort ein 100Millionen Jahre alte Baumsorte oder eine Neuzüchtung steht. Es ist uns nicht egal, weil nicht wollen, dass es uns egal ist. Das ist aber nicht natürlich, es ist unser Wille, der dem Wald eine Bedeutung gibt.

    Billy meint 50% Überlebenschance für die Menschheit? Warum sagt er nicht 63,7% oder 45,4%? Einfach: Weil er sich diese Zahl aus dem Allerwertesten gezogen hat. 50/50 = keine Ahnung.

    @KJN: Man sollte also vielleicht dem technischen Fortschritt etwas gelassener gegenüber stehen.

    Wir können über kritischen, vorsichtigen Umgang reden, jedoch: „Verzicht ist der ganz klare Weg.“ kann ich nur mit einem Njet, mit sehr langem e beantworten. Ich sehe schwere Folgen für die Persönlichkeit der Menschen in einer digitalisierten Welt. Sich unbeobachtet fühlen oder permanent auf der Bühne stehen macht einen Unterschied und darüber müssen wir reden. Es geht aber letztlich nicht um die Frage, wie ich meine Unbeobachteteheit (Mist, verdribbelt), meine Privatsphäre erhalte, sondern wie ich mich an die Bühne gewöhne, das Werkzeug in mein Leben integriere. Auch wenn ich bei dem Gedanken manchmal kotzen muss. Ich hoffe, dass es mir irgendwann besser gefällt.

    Wieder @Parisien

    Das alles wusste auch Schirrmacher (zumindest dass, was ich von ihm kenne). Deswegen war er eben kein Reaktionär, er hat sich Gedanken über die Gestaltung der Zukunft gemacht und deswegen habe ich Bedenken, zumindest den öffentlichen späten Schirrmacher mit einem jungen Heidegger in einer Reihe zu sehen.

  29. avatar

    ..achso @Stevanovic, darüber war ich eigentlich gestolpert:

    „Stiftung Warentest… Wegweiser zum harmonischen Konsumieren“

    Hier im Herzen des Rheinlandes haben wir 2 ziemlich heftig konkurrierende Internet-Provider, die sich die Kunden mit Haken und Ösen (Rabattaktionen mit kleingedruckten 8-Seiten AGBs) versuchen abspenstig zu machen. Übrig bleiben Kunden, die dann auf Verträgen mit gleichzeitig 2 Anbietern und zweimal Bezahlen sitzen, teilweise für 2 Jahre. An denen kann dann nochmal verdient werden, selbstverständlich NRW-gefördert. Sehr harmonisch.

  30. avatar

    1. Sorry, Misanthrop natürlich.
    2. Unterhaltung zwischen 68er und Posener, mal sehr klar und dadurch gut:

    68er:
    @ Alan Posener

    Ich könnte jetzt sagen, ich streite mich ungern um Worte.

    “… mit Lust das ‘gefährliche’ Denken der deutschen Rechten neu erprobte…”

    ist schon etwas anderes als “spielerische Rechte”. Aber sei’s drum. Ich glaube ich habe verstanden, was Sie gemeint haben.

    Den Artikel von Augstein, Kreye und Seibt hatte ich zwischenzeitlich auch gelesen und auch die Stelle über George, Jünger und Co., bei der ich natürlich an Sie gedacht habe. Aber die drei deuten in dem Artikel auch an, dass der junge Schirrmacher anders war als der späte.

    Ich hatte Ihren Artikel so verstanden, dass Schirrmacher in Ihren Augen – böse gesagt – immer ein rechter Schnösel war, der aus Jux und Tollerei auch mal mit linken Themen gespielt hat.

    Das glaube ich aber nicht, denke vielmehr, dass er Gedanken und Theorien wie Kleider ausprobiert hat, um dann zu entscheiden, was ihm passt und was nicht, was Sinn macht und was nicht. Dabei schien es ihm auch ziemlich gleich zu sein, ob das zu seinem Image als “rechter Schnösel” passte oder nicht.

    Auch ich habe, nicht aus Verehrung, sondern weil ich die Leute verstehen wollte, Jünger oder Flex gelesen und nicht verstanden, wieso eine ganze Generation davon, wie Sie sagen würden, “Infiziert” war.

    Posener:
    Lieber 68er, Sie schreiben: “Ich hatte Ihren Artikel so verstanden, dass Schirrmacher in Ihren Augen – böse gesagt – immer ein rechter Schnösel war, der aus Jux und Tollerei auch mal mit linken Themen gespielt hat.”
    Das kann sein, dass Sie das so verstanden haben. Aber das habe ich nirgendwo geschrieben. Sie sollten nicht aus Ihrem Textmissverständnis eine Popanz aufbauen, gegen die Sie dann, wie weiland Don Quixote gegen die Windmühlen, zu Felde ziehen.
    Sie schreiben dann: “Das glaube ich aber nicht, denke vielmehr, dass er Gedanken und Theorien wie Kleider ausprobiert hat, um dann zu entscheiden, was ihm passt und was nicht, was Sinn macht und was nicht. Dabei schien es ihm auch ziemlich gleich zu sein, ob das zu seinem Image als “rechter Schnösel” passte oder nicht.”
    Genau. Das meine ich mit “spielerisch”. Das Wort “Schnösel” habe ich in Bezug auf Schirrmacher nie benutzt und würde es auch nicht benutzen, das ist ganz und gar Ihre Kreation. Zum kulturkonservativen – in meiner Diktion “rechten” – Hintergrund seines Denkens siehe mein neues Posting zu Schirrmacher und Sloterdijk.
    Ich sollte hier noch einmal betonen, dass ich die umgangssprachliche Gleichsetzung rechts = böse oder rechts = rechtsextrem für ein Unglück halte. Man kann links und reaktionär, rechts und ein aufrechter Demokrat sein; Anhänger des Kapitalismus und links, Befürworter des Sozialismus und rechts sein. Wir sollten uns im Denken jener sartorischen Haltung befleißigen, die Sie in Schirrmacher zu erkennen meinen: Mix & Match.
    http://starke-meinungen.de/blo...../#comments

  31. avatar

    @Stevanovic:
    „Dass wir die Evolution wirklich selbst lenken würden, ist doch nur eine Theorie.“
    Natürlich lenken wir die nicht (nie) selber. Aber wir üben mit der einen oder anderen Lebensform ‚evolutionären Druck‘ aus, d.h. z.B. Leute, die weniger Bewegungsdrang haben, machen heute Karriere – vor 1000 Jahren hätten die nur als Graf oder König überlebt. Und wie reagiert das Individuum auf den Bewegungsmangel? Er macht Sport, der vor etwa 100 Jahren ‚erfunden‘ wurde. Wenn die Evolution nicht so träge wäre, könnten Spezies doch gar nicht überleben (vielleicht müssen wir in unserem Leben ja nochmal Kartoffeln setzen). Man sollte also vielleicht dem technischen Fortschritt etwas gelassener gegenüber stehen.

    Nochmal zu Schirrmacher: Er ist, wie die katholische Kirche, ein Fortschritts-Skeptiker, was von vielen als entlastend empfunden wird und weswegen er oft als ‚links‘ eingestuft wird. Klassisch ‚links‘ ist das aber nicht, sondern konservativ und führt somit zu eher ‚rechten‘ Positionen. Wirklich wichtig ist das aber nicht.

    Schlimmer ist die um sich greifende Verwissenschaftlichung: Das ging los mit Betriebswirtschaft, Personalwesen, Sportwissenschaft, Pflegewissenschaft.. und endet derweil mit Genderforschung. Ständig werden neue Fachbereiche und Universitäten dafür begründet. D.h. es werden vormals pragmatische (brauchbare) Sichtweisen und Entscheidungen durch ‚wissenschaftlich begründete‘ (statistisch begründete) ersetzt. Anderes gilt als ‚unwissenschaftlich‘. (Widerspruch wird mit Hinweis auf eine möglichst umfangreiche Quellenlage abgebügelt.) Daß genau das (und nicht Google) zu einer allgemeinen und umfassenden Entmündigung des Einzelnen (Expertokratie) führt, fällt bis dato nur wenigen auf.

    Konservative Kreise mögen das der Aufklärung zuschreiben. Ich sehe das anders: Für mich ist das Missbrauch von Wissenschaft.

  32. avatar

    Stevanovic: Evolution lenken ist doch etwas gänzlich anderes.

    … vielleicht sollten Menschen endlich zur Kenntnis nehmen, dass es Evolution im Sinne einer Höherentwicklung, weder beim Menschen, noch in den Natur, gibt? … Evolution ist immer Degeneration.

    Entwicklungen und Erkenntnisse in Naturwissenschaft und Technik, sollten dazu dienen die Menschenwürde, 1.Mose 1:27, zu erhalten, zu schützen, den Menschen dienen und nicht die Herrschaft, von wem auch immer, über den Menschen. Daher!

  33. avatar

    Haben wir nicht schon eo etwas wie http://de.wikipedia.org/wiki/T.....C3%A4tzung

    Und dann gibt es da auch noch:

    http://www.itas.kit.edu/

    Was die Golems betrifft:

    http://t3n.de/news/hitchbot-ka.....kt-552658/

    http://t3n.de/news/wp-content/.....15;163.png

    Ob aber immer der Markt Regeln findet??

    „vielleicht findet aber auch der Markt, die Gesellschaft in Diskussionen oder indem sie einfach erstmal ausprobiert, Regeln.“

    Siehe facebook Experiment

    http://www.sueddeutsche.de/dig.....-1.2023903

  34. avatar

    Von Posener im vorigen comment-Bereich über Schirrmacher erwähnt und shr lesenswert. Am Ende diese eindrucksvolle Passage:
    „Es ist sehr wichtig zu betonen, dass wir hier nicht über Kulturpessimismus reden“, sagte Schirmacher im Gespräch mit John Brockman, das der im Herbst 2009 auf edge.org veröffentlichte. „Wir reden über eine neue Technologie, die de facto eine Gehirntechnologie ist, die mit Intelligenz zu tun hat, also mit Denken und dass diese neue Technologie sehr real mit der Geistesgeschichte des europäischen Denkens zusammenprallt.“ Die aber war ihm zwar nicht heilig. Aber er sah die Gefahr, die entsteht, wenn man mit dem Gestus der Revolution mit der Geschichte bricht. Wenn aus Idealismus Ideologie wird.

    Als John Brockman nun von Frank Schirrmachers Tod erfuhr, war er nicht nur so traurig und geschockt wie viele andere. Sofort entfuhr es ihm: „Das ist ein Verlust, den Sie nicht nur in Deutschland spüren werden, sondern in der ganzen Welt. Er ist unersetzlich. Er schaffte es, dass das intellektuelle Leben in Deutschland über das in Amerika triumphieren konnte. Weil er es wagte, Themen auf die Agenda zu setzen, die niemand in Amerika auf die Agenda setzen wollte.“
    http://www.sueddeutsche.de/med.....-1.1998225

  35. avatar

    Lieber Alan Posener,
    da sind Sie optimistisch: „Wer mich kennt, weiß, dass ich Anhänger des von Sloterdijk für erledigt erklärten humanistischen Projekts bin. Wir haben den Buchdruck überlebt, wir werden Google überleben.“

    Nun bezeichnet Bill Joy Ray Kurzweil ebfs. als Optimisten. Und dieser gibt seine optimistische Einschätzung weiter, dass die Chancen der Menschheit, zu überleben, bei 50 Prozent lägen. Mir ist das zu wenig.
    Und mir ist nicht nur das zu wenig. Es stört mich auch, wenn die Vielfalt von Pflanzenarten durch neue, resistentere Arten zurückgedrängt wird, wie mich auch irritiert, wenn Energiehunger in Nationalparks drängt und einerseits Naturschönheit zerstört wird (Colorado, Canada, geplant GB), andererseits wenige überlebende Spezies bedroht werden wie Berggorilla (Kongo, Virunga), Elefanten (Kenia), Zwergnashorn (Indonesien).
    Dann fällt etwas natürlich sehr auf: Die Diskrepanz zwischen den Möglichkeiten der Robotik und der Zunahme der Bevölkerung. Jetzt schon ist nicht mehr genügend Arbeit da, siehe z.B. Spanien, Tunesien, Ägypten, durchaus auch Frankreich. Stichwort „zornige junge Männer“, Heinsohn. Viren in Singapur (SARS) haben gezeigt, was, auch durchaus willentlich, in großen Städten passieren kann. Hinzu kommt hier der Punkt Misantropie. Auch unter Programmierern können Misantrope sitzen.
    Verzicht ist der ganz klare Weg.
    Lassen Sie die Probleme überhandnehmen, ganze Städte unregierbar sein, dann gibt es, ganz klar, in den Labors alles Denkbare, mutierte Pockenviren, Ebolaviren, AIDS-Viren etc. Aber auch mutierte Grippeviren. Und es ist nicht zu übersehen, dass Penicillin Resistenzen von Bakterien erzeugt hat. Wer länger leben möchte, in einem Silikonkörper, soll sehen, wie er auf den Mars kommt.
    Erklären Sie so was mal zukünftigen Kindern. Oder passt es zu dieser Entwicklung, dass das Mutterdasein madig gemacht wird?
    Terroristen sind übrigens Misantrope. Sie haben eine lange Feindesliste: Frau, Jude, Homosexueller, Hindu, Buddhist und, je nach Richtung, Sunnit oder Shiit, also das andere. So muss man sich auch Roboter vorstellen. Beide zusammen wären die Hölle. Die Letzten würden gegen sie die Atombombe einsetzen, das wäre das Ende. Ein Raumschiff für eine Elite auf den Mars stünde wie bei Emmerich (Schiff zum Kap in 2012) vermutlich parat.
    Verzicht einer großen Gruppe von namhaften Spezialisten hätte den Friedensnobelpreis verdient.

  36. avatar

    Dass wir die Evolution wirklich selbst lenken würden, ist doch nur eine Theorie. Wir beeinflussen sie bestimmt, wie unsere Vorfahren es getan haben, indem sie bestimmte Wanderruten benutzten und Hautfarbe und Behaarung änderten. Oder Feuer machten und mehr Proteine zu sich nahmen. Keiner wusste, was dabei rauskommt. Evolution lenken ist doch etwas gänzlich anderes. Wenn wir Cyberpunk-Stöpsel habe und über die alle Informationen dieser Welt erhalten, ist das doch keine Evolution, sondern erstmal ein Werkszeug. Wie dieses Werkzeug die Evolution beeinflusst, ist doch erstmal Kaffeesatz lesen. Nichts spricht dafür, dass der Posthumanismus mit Cyberwhatever im Verhältnis zu uns nicht in gleicher Beziehung steht, wie der Konquistador mit Stahlrapier und Pferd gegenüber dem Indio. Den evolutionären Kontext bilden wir uns doch erstmal nur ein, wobei ich ihn als Konstante nicht verneine. Nur die Aussage, ob die humane Evolution zu Ende ist oder nicht, oder gar Pause macht oder von etwas beeinflusst wird, doch eher Esoterik (klar, kann wissenschaftlich werden, aber so weit sind wir noch nicht).

  37. avatar

    Wenn ich die Jungs richtig verstanden habe (who knows), dann geht es nicht um Risikoabwägung (zB Fracking in Deutschland, um Gas für paar Jahre zu fördern, das sich sehr leicht kaufen lässt). Das Expertengremium soll ethische Grenzen der Technik überwachen -das ist etwas anderes als Risikoabwägung. Da denke ich eher an das Sezierverbot des Mittelalters oder die prinzipielle Ablehnung der Gentechnik.

  38. avatar

    @lucas

    „Beides hat gute und schlechte Seiten, vielleicht sollte man Sloterdijk rehabilitieren und in platonischen Expertengremien Regeln finden, vielleicht findet aber auch der Markt, die Gesellschaft in Diskussionen oder indem sie einfach erstmal ausprobiert, Regeln.“

    Das platonische Expertengremium könnte zu dem Schluss kommen, dass moderne Medizin die Menschheit degeneriert und dass wir zu Sklaven der Medizintechnik werden. Die Forschung wird eingestellt (die Versuche gibt es ja gegen die Gentechnik) und wir sorgen dafür, dass nur starke, unabhängige Menschen umherwandeln (nun gut, die sind von anderen Dingen abhängig, aber sei`s drum). Im Umkehrschluss euthanasieren wir die chronisch Kranken, in dem wir ihnen nicht die Hilfe geben, die wir geben könnten. Über das Argument, dass der Mensch so leben soll, wie ihn die Natur geschaffen hat, hätte ich mich gern mit dem ersten Homo Sapiens der Eiszeit unterhalten, der rausgefunden hat, dass man die Fälle auch tragen kann. Die Stiftung Warentest ist kein platonisches Expertengremium, wie es einem Heidegger vorgeschwebte (ok, unterstellt). Das ist sinnvoller Verbraucherschutz, also eher ein Wegweiser zum harmonischen Konsumieren.

    „…vielleicht findet aber auch der Markt, die Gesellschaft in Diskussionen oder indem sie einfach erstmal ausprobiert, Regeln.“

    Yep – seitdem leben wir mehr als doppelt so lange. Cool, an und für sich.

  39. avatar

    Lieber Don Camillo,
    wie man es macht, ist es falsch. Ich wollte, als F.S. starb, weder zur Verklärung beitragen, was verlogen, noch ihm sozusagen ins Grab hinein noch einen Tritt versetzen, was unfair und ungehörig wäre. Daher „Das Ende von etwas“.
    Das wurde als zu kryptisch kritisiert. Also habe ich in diesem Beitrag versucht, ein paar Verbindungslinien zu ziehen – Sloterdijk, Heidegger, Ratzinger, Schirrmacher… Und schon kritisieren Sie, ich hätte Schirrmachers in der Tat bedeutendes Ego draußen vor gelassen. Manchmal sehe ich bei den Kommentatoren eine Unerbittlichkeit am Werk, die mir ein wenig unheimlich ist.

  40. avatar

    Kaum unter der Erde, und schon beginnt die Verklärung?

    „“was den Publizisten in den letzten fünfzehn Jahren vor allem bewegt hat hat: die Frage des Verhältnisses von Mensch und Technik, von Dr. Frankenstein und seinem Monster. „“

    Wie kommen´se denn da drauf, Herr Posener? Ein Mensch, der vom Schreiben lebt, trachtet doch danach, daß er gelesen wird, sonst nix!… da brauchen´se keinen Sloti und keinen Star Trek, nur zu erkennen, daß Mensch heutzutage dank moderner Medien mit Brot und Spielen in grotesker Bedeutungslosigkeit ersäuft wird…

    Zusatzfrage: „Wollten Sie – hierzu – einen Beitrag leisten?“

  41. avatar

    Was man nicht machen sollte, ist diese bewusste Askese mit dem Überdruss am Konsum verwechseln. 5 Snickers auf einmal essen ist nicht gesund und wenn das Handy/PC Gebimmel nervt, dann macht man sie aus oder kauft sie nicht. Auch Glotze auslassen kann Wunder wirken. Da dient die Askese aber genau dem Umgekehrten. Damit stelle man das vom Reitz überforderte Ich wieder in die Mitte des Lebens. Man sortiert Dinge nach Prioritäten und plant seine Kapazitäten. Ob das Humanismus ist, weiß ich nicht. Es ist aber was ganz anderes, als den Menschen aus einer halluzinierten Mitte zu nehmen und in die Nachbarschaft des Seins zu stellen. Schon bei Papst Benedikt hatte ich das Gefühl, dass viele Kulturkritiker (oder einfach kritische Menschen) da eine Gemeinsamkeit sehen, die es aber so gar nicht gibt. Es ist das eine, Antibiotika für Masttiere zu beschränken oder Bio aus (damit nachvollziehbaren) Gründen zu essen, oder Antibiotika aus Gründen eines fabulierten Gleichgewichts gar nicht erst zu erforschen. Natürlich können auch Humanisten Asketen sein. Leider setzen die Kulturpessimisten die Moderne mit Gang-Bang, Drogen und Psychosen gleich und ernten den Applaus derjenigen, für die Wohlstandsverwahrlosung keine Variante der Freiheit ist.

  42. avatar

    Die Idee des künstlich geschaffenen Menschen ist sogar noch älter, siehe Homunculus und Golem, und geht auf Alchemie und Mystik zurück.

  43. avatar

    Das Unbehagen an den positivistischen Machbarkeitsvorstellungen, die der Humanismus wohl mit sich bringt, liegt m.E. darin begründet, daß das Manipulieren am ’natürlichen‘ Menschen (so wie er gerade ist) ja aufgrund eines gegenwärtigen Idealbildes erfolgt, das sich aber, wie wir wissen, auch ändern kann. Also ändern wir den Menschen nach dem jeweilig vorherrschenden Idealbild. Demgegenüber steht (in Europa) Aristoteles und Thomas v. Aquin mit der ihnen eigenen Teleologie, der Vorstellung von einer Zielgerichtetheit der Entwicklung, was natürlich mehr gedankliche Sicherheit gibt, denn wir wissen (erstmal) nichts über die Wechselwirkung zwischen den sich jeweilig (nach der Manipulation) entwickelnden Menschenbildern und weiterer Manipulation. Brauchen wir also die Teleologie um Katastrophen durch Selbstermächtigung des Menschen zu vermeiden (?). Zur Beantwortung dieser Frage bleibt wohl vor allem nur der Blick auf die Geschichte zu sein, der (mir zumindest) auch keine Antwort gibt.

  44. avatar

    Wir sind doch nicht Humanisten, weil wir Mutter Gaia oder Gott nicht mögen. Seit dem Menetekel im Buch Daniel wissen wir, dass Gott SMS beherrscht. Der König starb als glücklicher Mann, denn nachdem seine Vorfahren über Generationen stumme Steinstatuen anbeteten, hat er immerhin eine Antwort bekommen. Der musste kein Humanist werden. Weiß jemand, was das Sein ist, dessen Nachbarn wir sind? Und was es will? Was wieder mal bleibt, ist ein allmächtiger weiser Gott, der mir keine SMS schickt, aber einen guten Draht zu alten Männern hat, die irgendwie alle seine Meinung teilen (das wird kein gutes Ende nehmen). Vielleicht tue ich ihnen ja unrecht – wer eine lesbare Nachricht vom Sein bekommen hat, bitte bei mir melden!!! Meine Familie wartet seit der Christianisierung darauf. Ich persönlich glaube ja, dass, wenn er zu den Balkankriegen und dem Holocaust keine SMS (Telegramm hätte auch gereicht) geschickt hat, er das im Großen und Ganzen mit der Love Parade und McDonalds wohl auch ok findet. Ich glaube an den Allmächtigen. Er wird sich melden, ganz bestimmt und das nicht nur alten Philosophen, die lieber Propheten wären. Dann stelle ich ihn auch in die Mitte (von was eigentlich?). Bis dahin klingt das alles nach intellektuellem Hüttchenspiel.

    Transzendenz kann man sich wünschen, aber nicht mit ihr rechnen. Deswegen sind wir doch Humanisten geworden, und das liegt nicht an uns, es liegt an der Transzendenz.

  45. avatar

    Wenn man Posthumanismus als Abschaffung des Menschen liest, passt es manche Grünen als posthumanistisch zu sehen:
    dogmatisch und per se Insulin aus gentechnisch veränderten Bakterien, wie in den 90ern geschehen (http://www.gruenevernunft.de/s.....ist-alltag unten), als böse Gentechnik abzulehnen, aber auch die Ablehnung der Informationstechnologie als alleiniges Werkzeug des Überwachungsstaates ist vor dem Hintergrund das damit z.B. Kleinbauern in Entwicklungsländern ihre Ernten steigern, menschenverachtend.
    Beides hat gute und schlechte Seiten, vielleicht sollte man Sloterdijk rehabilitieren und in platonischen Expertengremien Regeln finden, vielleicht findet aber auch der Markt, die Gesellschaft in Diskussionen oder indem sie einfach erstmal ausprobiert, Regeln.
    Beispiel: Facebook kooperiert mit amerikanischen Militärtinstituten um Experimente durchzuführen. Alle konnten davon erfahren und wenn sie dem nicht weiter zustimmen möchten, Facebook nicht mehr benutzen. Schon vorher wurde aber die Erlaubnis dazu in den Bedingungen gegeben. Weil aber nicht alle die Bedingungen aus verständlichen Gründen („so viel…“) lesen, könnte z.B. Stiftung Warentest (das platonische Expertengremium) sich die Bedingungen aller bekannten und viel genutzten Produkte wälzen und die Ergebnisse veröffentlichen. Passiert aber schon in den regelmäßigen Zeitungsberichten über Whatsapps, Telekoms oder Facebooks Schandtaten, oder Diskussionen wie diesen.

    Posthumanismus ist aber nicht die Abschaffung der Menschlichkeit, sondern die positive Aufhebung derselben, eben mehr als Menschlichkeit ohne diese abzuschaffen. Das das geht beweist der Mensch wohl seitdem es ihn gibt.

    Wissenschaft besteht aus Experimenten, die abgeschlossen stattfinden und nur die Erkenntnisse das Labor verlassen können. Trotzdem wird Technik verwendet. Wissen schaffen ohne Technik wäre sehr schwierig (Facebook-Militärinstitut-Experiment) oder unmöglich (CERN). Simulation kann erst geschehen, wenn man die Gesetze der Realität kennt.

    Sloterdijks und Joys kategorischer Imperativ helfen schließlich den Feinden der offenen Gesellschaft, denn wer hindert diese daran doch und dann aber ohne Diskussionen (wenn auch nur nach einem Experiment) und allem drum-und-dran, weiterzuforschen und die Erkenntnisse für ihre Zwecke zu verwenden?

  46. avatar

    Ein interessanter Artikel. Ich bin grundsätzlich Ihrer Meinung und ebenfalls ein Anhänger des klassischen „humanistischen Projekts“, überdies – ebenfalls ganz klassisch – der Meinung, dass man zwischen Technik und Wissenschaft unterscheiden muss und die Technik eingrenzen und komplett auf bestimmte Techniken verzichten kann und muss, ohne auf Wissenschaft und Erkenntnis verzichten zu müssen. Die Geschichte der Naturwissenschaft ist jedenfalls eine verblüffende Erfolgsgeschichte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Shares
Scroll To Top